Samstag, 20. August 2016

HFC: Sternstunde mit Verlängerung

Der HFC und der Pokal sind nie Freunde gewesen. Immer fehlte etwas, immer ging es am Ende schief. Einmal nur gelang es den Rotweißen, in die zweite Runde des Pokals vorzustoßen, danach war dann auch wieder Schluss. Diesmal aber kommt mit Kaiserslautern ein Kandidat für eine Sensation, eine Einladung, Geschichte zu schreiben.

Wie immer in Halle aber geht es schief. Nach einer grandiosen Begrüßungschoreo der Fans ist es der Gast aus der Pfalz, der vorlegt. Halle ist wie zuletzt immer überlegen, ein Hallenser macht das Tor: Osayamen Osawe kommt nach einer Eingabe unbedrängt zu Abschluss, Stefan Kleineheismann fälscht ab, Bredlow im halleschen Tor ist chancenlos. 1:0 für den Favoriten, alles, wie es immer war. Bis Ajani zurückschlägt: Eingabe von links, der bisher torlose Neuzugang aus dem Sommer ist zumindest in der Nähe des Balls, ein Kaiserslauterer Abwehrspieler zuletzt. 1:1 und der HFC bleibt feldüberlegen.

Dennoch ist es wieder der Gast, der vorlegt. Stieber tankt sich an Brügmann und Kleinheismann vorbei und schlenzt den Ball am Pfosten vorbei unhaltbar ins Netz.


Der HFC bleibt allerdings unerschüttert. Als hätte nicht die Pokalgeschichte vorgegeben, dass es am Ende nie reicht, spielen die Männer von Rico Schmitt weiter, als sei nichts gewesen. Weit vorn gehen sie auf die Spieler der Gäste, die wirken zunehmend genervt von der Vorneverteidigung der Gastgeben und bringen offensiv kaum etwas zustande.

Es braucht dann aber einen Geniestreich von El-Helwe. Und eine Eingabe von Toni Lindenhahn. Alt und neu gemeinsam bringen das 2:2 und die Hoffnung zurück, dass die hallesche Pokalgeschichte doch noch nicht endgültig geschrieben ist.

Das Stadion steht wie ein Mann hinter der neuformierten Mannschaft, die gegen den höherklassigen Gegner spielt, als gebe es keinen Klasseunterschied. Der Glücksmoment nur vier Minuten nach dem Ausgleich: Wieder ist es Hilal El-Helwe, der trifft. Halle 3:2 vorn, nur noch etwas mehr als eine halbe Stunde zu spielen. Das muss reichen.


Und es reicht, obwohl die eigentlich in Halle immer gern gesehene Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus heute keine Gastgebergeschenke verteilt. Bis zum 90. Minute steht der HFC sicher, vorgepeitscht von einem Erdgas-Sportpark, der nach schwächeren Vorstellungen zu Anfang der Saison heute wieder lautstark hinter seiner Mannschaft steht.

Doch dann kommt wieder Osawe, der in Halle immer noch beliebte Ex-Stürmer, der erst im Sommer nach Kaiserslautern gewechselt ist. Fünf Sekunden der Nachspielzeit sind noch auf der Uhr, Osawe springt nach einer Flanke von rechts am langen Pfosten am höchsten. Und nickt zum Ausgleich ein.

Wird nun doch wieder alles wie immer? Der HFC hat seinen kompletten Sturm inzwischen rausgenommen, Wallenborn und Pfeffer sind alles, was nach vorn noch laufen kann. Verlängerung, mit allen Trümpfen auf Kaiserslauterer Seite.

Aber das hier ist heute, nicht gestern, diese Mannschaft ist anders als die, die der frühere HFC Chemie in der Vergangenheit aufs Feld geschickt hat. Und so dauert es nur drei Minuten in der Verlängerung, bis der HFC-Anhang erneut jubelt. Wallenborn ist in den Strafraum des FCK gesprintet, dort holt ihn Torwart Weiß mustergültig von den Füßen. Elfmeter.

Klaus Gjasula tritt an. Und trifft sicher. 4:3.

Der Rest ist Bibbern und Bangen, endlos zieht sich die Zeit. Schmitts Truppe geht jetzt sichtlich auf den Zahnfleisch, aber auch die Gäste bringen nach vorn eigentlich weiter nichts zustande. Einzig Osawe deutet hin und wieder an, warum Halle ihn am liebsten behalten hätte. Dann sind die 120 Minuten vorbei, auch die 120 Nachspielsekunden. Das 4:3, hier zuletzt Endergebnis im historischen Spiel gegen Hansa Rostock, steht. Abpfiff. Ende. Der Erdgas-Sportpark ertrinkt im Jubel. Es ist Geschichte geschehen.

Unvergesslich. Egal, was in dieser Pokalsaison noch passiert.

Zitate zur Zeit: Die linke Freude am Freund-Feind-Denken

In der Selbstgewissheit und Einfachheit bedenkenlosen Freund-Feind-Denkens erhoffen sich einige demokratische Linke eine Perspektive, die natürlich gerade dort niemals zu finden sein wird.

Lucas Schoppe über die Sinnkrise des Linksseins

Anti-Terror-Richtlinie: EU stärkt Meinungsfreiheitsschutz

Dass es eine scharfe Reaktion der EU auf den Abfall der Briten, das Rumoren in Ungarn und das Erstarken zahlreicher rechtsetremistischer, rechtspopulitischer und rechtsradikaler Bewegungen in Europa geben würde, war klar. Dass das Europaparlament nun aber ein solch starkes Zeichen für ein vereintes Europa der gemeinsamen Grundwerte setzen würde, hatten Skeptiker kaum für möglich gehalten. Und doch ist es nun gelungen: Mit einem umfassenden Maßnahmepaket für ein sauberes Internet ohne radikalisierte Meinungsäußerungen ist es dem federführenden Innenausschuss des EU-Parlaments gelungen, über eine sogenannte „Anti-Terror-Richtlinie“ Möglichkeiten zu schaffen, künftig ohne hinderliche Rechtsstaatlichkeit, ohne Richtervorbehalt und falschverstandene Rücksichten auf die Meinungsfreiheit massive Grundrechtseingriffe zu legitimieren.

Helfen sollen dabei sogenannte nicht-legislative Maßnahmen, die notwendige Zensurvorgaben auf einer rein privatwirtschaftlichen Ebene exekutieren. Dazu wird Providern, Anbietern von sozialen Netzwerken und anderen Plattforminhabern die Pflicht übertragen, sofort und unmissverständlich gegen alles vorzugehen, was von irgendwem irgendwo als „extremistische Propaganda“ angesehen werden könnte. Ohne dass der Begriff „illegale terroristische Inhalte“ in irgendeiner Weise definiert worden wäre, verlangt der Innenausschuss des Europaparlaments, dass solche Inhalte künftig "an der Quelle" gelöscht werden müssen. EU-Mitgliedsstaaten sind verpflichtet, darauf auch in Drittländern zu dringen, wenn Inhalte dort gehostet werden.

Weltweit maßgeblich ist immer europäisches Recht, wobei noch auszuarbeiten bleibt, ob die in Frankreich verbotene Leugnung des Holocausts an den Armeniern damit künftig auch in Polen, den Niederlanden und Spanien verboten ist. Ebenso ist offen, ob die USA, Chile und China das in Deutschland verbotene Zeigen verfassungsfeindlicher Symbole automatisch übernehmen.

Das EU-Parlament hat aber auch für den Fall, dass das nicht geschieht, einen Ausweg vorgesehen. Lasse sich der inkriminierte Content nicht löschen, sollen die EU-Nationen Maßnahmen treffen können, mit denen der Zugang dazu blockiert wird. Als zulässig erachtet werden sollen dieses Mal aber auch "nicht-legislative" Maßnahmen, die von legislativen Hilfskommandos im Zuge eines fast rechtsstaatlichen und nahezu transparenten Verfahrens durchgeführt werden sollen.

Strafbar macht sich künftig den Innenpolitikern zufolge, wer Hetze, Hass oder Zweifel streut, europäische Werte verhöhnt, Zersetzung betreibt oder erwägt, sich an den Handlungen einer terroristischen Gruppe zu beteiligen.

Die Mitgliedsstaaten werden durch das Votum des Rates generell ermächtigt, zu verhindern, dass online Botschaften verbreitet werden, die zu Terrorismus anstiften oder terroristische Delikte verherrlichen. Maßstab dabei ist das "was immer es kostet", das die EZB im Kampf gegen die Krise entwicklet hat. Die fraglichen Delikte sollen schon dann strafbar sein, wenn etwa Anschläge "unmittelbar oder indirekt befürwortet" werden, sei es auch nur durch klammheimliche Freude, die innerlich empfunden wird.



Freitag, 19. August 2016

Der Konsens der Gleitfähigen

Sechzig Jahr, kein graues Haar, schrieb Wolfgang Koeppen Anfang der 50er Jahre in seinem Buch "Das Treibhaus". Meinte er die ewig Unangegriffenen? Die sich im Besitz der einzigen Wahrheit befindenden? Die Weiter-so-Prediger und Moralerzieher? Ob Eurorettung, Griechenlandhilfe, Flüchtlingspolitik, Netzüberwachung oder Steuerpolitik - der Konsens der Gleitfähigen ist Grundgesetz der Tagespolitik geworden.

Geworden? Nicht ganz, denn sonst hätte Koeppen seinerzeit nicht beklagen können, was heute die "Tagesschau" bis zum Bersten füllt.

Sie waren wohl schon immer da, die Rebellen der Staatsräson, die Frauen und Männer, die unter Freiheit verstehen, den Arm zu heben, wenn es die Fraktionsführung tut. Keinesfalls "Abweichler", ein Wort, das im Sprachgebrauch der Leitmedien nur deshalb nicht mehr mehr übersetzt wird, weil "Dissident" bei älteren Lesern ungute Assoziationen an Zeiten weckt, als Dissidenten mit Bärten und Büchern unter dem Arm noch die Guten waren, die "Andersdenkenden", denen jeder Respekt gehörte, weil sie ihrem eigenen Kompass folgten und sei der auch von einem "Spiegel"-Redakteur in der Unterhose in die Ostberliner Chauseestraße geschmuggelt.

Hauptsache gegen die Herrschenden, Hauptsache gegen die Doktrin, dass von oben alles Gute kommt, dass die Leute an der Spitze alles besser wissen.

Gedankenfreiheit!, forderten die Blätter, Kritik muss immer möglich sein! Hatte nicht die große, gläubige Stalinistin Rosa Luxemburg schon festgestellt: "Freiheit ist immer die Freiheit des Andersenkenden"?

Es waren die goldenen Zeiten der Dissidenz. Jahre voll Meinungsstreit und unabgestimmter Wortmeldungen. Manchmal war Andersdenken nicht möglich, weil alle anders dachten.

Abweichen auf diese Art ist heute nicht mehr gut angesehen. Kritik ist Zweifel, Abweichen ist Verrat, Abweichen, Andersdenken, die Parteilinie verlassen, das grenzt an Dolchstoßen, Meuchelmorden, Abwenden vom Alternativlosen, Schändung von großen Ideen, Hass auf Europa, das doch sein wird, wie sie die Vorderbänkler einst im "Hades-Plan" erdachten. Oder gar nicht.

Eine Verengung von denkbaren Denklinien, das kein innehalten mehr kennt. Ein Zusammenschnurren des Meinungsmainstream auf den Durchmesser eines Strohhalms, den nur noch sehr dünne Ideen zu passieren vermögen.

Wolfgang Koeppen hat das Ende vom Lied in seinem "Treibhaus" angestimmt, damals, vor 60 Jahren: "Da saßen sie nun und waren am Ende ihres Latein, die Günstlinge der Suffrage universel, die Jünger Montesquieus, und sie merkten gar nicht, dass sie Torenspiele arrangierten, dass von der Gewaltenteilung, die Montesquieu gefordert hatte, schon lange nicht mehr die Rede war. Die Mehrheit regierte. Die Mehrheit diktierte. Die Mehrheit siegte in einem zu. Der Bürger hatte nur noch zu wählen, unter welcher Diktatur er leben wolle. Die Politik des kleineren Übels, sie war das A und O aller Politik."

Deutschland im Griff der Todesdürre

Enttäuschte Entrepeneure: Mit Kamelfarmen wollten sich viele junge Leute in den neuen Wüsten Ostdeutschlands selbständig machen.
Eine große, lange Dürre würde kommen, kein Regen mehr über dem Land. Und die stärksten Rückgänge träten im Norden Deutschlands auf, im Extremfall sei sogar mit einer "spürbaren Verminderung der Wasserverfügbarkeit" zu rechnen, hieß es in der "präzisesten Kalkulation der Folgen des Klimawandels" vorlegt, die hochrangige Forscher Max-Planck-Instituts (MPI) für Meteorologe und vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung vor sieben Jahren mit "nie erreichter Genauigkeit" (Spiegel) erstellt hatten.

Ein Dokument, das aufschreckte. Deutschland im Griff einer tödlichen Dürre, die ehedem blühenden Landschaften im Osten verdorrt zu leblosen Wüsten. Selbst die legendäre Straße der Gewalt stände bald unbewohnt, verlassen von Tätern und Opfern. Nur einige mutige Entrepeneure würden versuchen, sich mit der Zucht von Dingos und Kamelen über dem fehlenden Wasser zu halten.

Es ist dann doch nicht so gekommen, ganz im Gegenteil. Seit Deutschlands Klimaforscher ihre Prognose veröffentlicht haben, schossen die Regenmengen gerade im Sommer geradezu trotzig nach oben. Sie liegen inzwischen wieder auf dem Niveau der 50er Jahre, knapp unterhalb der Rekorde der 20er Jahre des vergangenen Jahrhunderts.

Ein Rätsel? Keineswegs. Denn zum Glück steht aber die Ursache des unverhofften Anstiegs mittlerweile fest: Es ist der Klimawandel, der Deutschland im Starkregen ertrinken lässt. Und es geht so weiter: "Die Zukunft wird nass", warnt die Frankfurter Rundschau.

Donnerstag, 18. August 2016

Songs Meanings: Letztes Jahr am Balaton


Als aus der Fluchtbewegung ein "Zustrom" (Merkel) wurde und die Kanzlerin über ein magisches Machtwort nachdachte, das die Gemüter beruhigen könnte, nahm Donato Plögert sein Herz in die Hand.

Der humoristische Kleinkünstler suchte nach Unterstützern für ein Lied, das ähnlich wie früher die Songs von Ernst Busch und Woody Guthrie zur Solidarität mit den verfolgten, Bedrängten und nach Deutschland Flüchtenden überall auf der Welt aufrufen sollte. Aufrütteln wollte Plögert, die Menschen mitnehmen auf dem Weg in eine Zukunft, die bunter und schöner sein würde als all die Skeptiker, die Hetzer, Hasser und Zweifler den Volksmassen einzureden versuchten.

Ein Lied für die Herzen

Sein Lied "Sie suchen nach dem Morgen" gab schließlich einen Vorgeschmack davon. "Wir seh`n viel als selbstverständlich - und den Wohlstand als geschenkt, dabei ist man so viel reicher, wenn man auch an andre denkt!", sang Donato Plögert, unetrstützt von prominenten Darsteller aus der Politik. Thomas Birk von den Grünen, Hakan Tas von der Linken und Fabio Reinhardt von der früheren Piraten-Partei sangen, als wäre es das Letzte, was sie je tun würden.

Letzte Tat des Unterhaltsreiniger

Dazu kam Daniel Phillipp Worat , der hauptberuflich in der "Unterhaltsreinigung von Notunterkünften für Flüchtlinge" (Worat) tätig ist und nebenbei die Ein-Mann-Vereinigung Companies For Refugees betreibt, deren letzte engagierte Tat das Mitsingen sein würde. Zusammen bildeten die fünf Engagierten die "Five4Refugees", eine Band, deren künstlerisches Genie nur noch übertroffen wurde von ihrer Begeisterung für die gemeinsame Sache.

Ein knappes Jahr nach der Anfertigung der herzergreifenden Hymne darf mit Fug und Recht an die musikalische Sternstunde erinnert werden, die im Grunde den ersten Gipfelpunkt des Politikerstreits um den "Zustrom" (Merkel) bildete. Nie mehr danach sind echte Gefühle so falsch vertont worden, nie mehr seitdem haben Musiker und Sänger aus ihren Herzen eine Mördergrube gemacht und frei herausgesungen, was sie bewegt.


Soziologentag tüftelt an Terror-Frühwarnsystem

Beim Einmarsch der besten deutschen Soziologen standen schmuck gekleidete Gardeknaben Spalier.
Ende vergangener Woche fand nach 48-jähriger Pause in Kassel wieder ein Soziologentag statt. Deutlich wurde dabei die Wendung der Soziologie von der Theorie zur Praxis: Wissenschaftler sind heute mehr denn je gefordert, in ihrer klinischen Praxis großes Augenmerk auf Gefährungslagen zu richten. Kürzlich erst hatte Kanzleramtsminister Peter Altmaier den Einbau von elektronischen Frühwarnanalgen in gefährdete Jugendszenen angemahnt. Technische Lösungen, wie sie Google mit „Nest“ bald anbieten will, stecken noch in den Kinderschuhen. Deshalb muss die gute alte Sozialwissenschaft im Kampf gegen den zunehmenden Alltagsterror zeigen, was sie kann.

Und das ist einiges. Im Jahre 1960 gab es in der Bundesrepublik rund 1000 Soziologen: Professoren, Assistenten und Studenten. Inzwischen wuchs ihre Zahl auf nahe 97.000, die Gesellschaft ist damit transparenter geworden, man weiß mehr, kann aber, so scheint es oft, weniger damit anfangen. Trotz der eindrucksvollen Expansion der deutschen Sozialforschung -- der Kasseler Kongress demonstrierte deshalb auch nicht so sehr die quantitative Entwicklung der Soziologie, sondern deren Wendung von der Theorie zur Diskussion über Fragen der Wissenschaftsorganisation, die eines fernen Tages eine tatsächlich anwendungsfähige Soziologie erbringen soll.

Was die Wendung von der Theorie zur Praxis bedeuten könnte, ließ schon der Vergleich mit dem vorangegangenen, dem in Frankfurt 1968 veranstalteten Kongress erkennen. Damals proklamierten die Soziologen feierlich den Entschluss, "Partei für Aufklärung und eine mündige, kritische Öffentlichkeit" zu ergreifen. Ganz anders der diesjährige Kasseler Soziologentag. Obwohl der Kongress kurzfristig wegen großer Nachfrage aus der Gesamthochschule in die 1700 Plätze fassende Stadthalle verlegt werden musste, kamen diesmal weder Emotion noch Agitation zu Wort. Selbst die proklamative Absage des Vorsitzenden der Soziologen-Gesellschaft, des Professors Maria Müller aus Bautzen, an die ideologische Soziologie wurde von dem bis unters Dach gefüllten Saal mit nur drei mickrigen Buh-Rufen quittiert.

Hatte der Frankfurter Tag damals noch offenherzig das epochale Thema "Spätkapitalismus oder Industriegesellschaft" erörtert, so begnügten sieh die Soziologen in Kassel mit der vergleichsweise bescheidenen Absicht, eine schlüssige Erklärung für das Versagen aller Gesellschaftsmodelle seit Ludwig Ehrhardt zu ziehen. Als Hauptkontrahenten standen sich dabei auf der mit violettem Tuch ausgeschlagenen Bühne die beiden gegenwärtig berühmtesten Sozialphilosophen unserer Zeit gegenüber: Willy Burmeister, Direktor eines recht unbekannten Privatinstituts in Starnberg, und Samuel W. Hochmann, Professor in Schwerin.

Die Kontroverse der beiden Soziologen währt seit Anfang der 90er Jahre und hat den denkwürdigen Positivismus-Streit der sechziger Jahre zwischen dem kritischen Theoretiker Adorno und den kritischen Rationalisten Karl Popper und Hans Albert längst sowohl an Dauer als auch an Erbittertheit überholt. Burmeister, Sohn einer Fabrikarbeiterwitwe aus Hamburg, vertritt eine mehr humanisierende Sozialphilosophie, Hochmann, Erbe eines Immobilienhändlers aus Dresden, der der KP nahestand, eine eher technokratische Sozialwissenschaft, die Vollversorgung durch den Staat als Voraussetzung für kreative Stille sieht.

Burmeister hat in den zurückliegenden Jahren versucht, eine allgemeine Systemtheorie zu entwickeln, die alle Erkenntnisse über den Zustand der Welt und des Menschen im Umgang mit der Komplexität der Welt in einen Satz fasst. Er meint, dass eine solche übergreifende Theorie das Ganze der Welt samt aller Ausschnitte erklären könne und es damit ermöglichen würde, sowohl gesellschaftliche Schieflagen als auch das Abdriften Einzelner in den gewalttätigen oder verbalen Extremismus im Nachhinein klar zu begründen.

Hochmann hat dem stets widersprochen. Er setzt seine Hoffnung auf eine "Kommunikationsgemeinschaft" mündiger Menschen, welche die "Möglichkeit universaler Verständigung" enthält. Diese, wie er sagt „europäische Lösung“ diene als Medium einer Verständigung zwischen Gleichgesinnnten, aber auch mit Flüchtenden, so dass jede Diskussion in zunehmendem Maße herrschaftsfrei werde.

Seinen Standpunkt, wonach Gesellschaft veränderbar ist, unterstrich Hochmann mit der Feststellung, die Wissenschaft sei heute durchaus in der Lage zu erklären, "warum einige (Gesellschafts-)Systeme für ihre Steuerungsprobleme Lösungen finden, die evolutionär weiterführen, während andere in vergleichbarer Problemlage versagen". Deutschland zeige, dass eine Blockade des emanzipatorisch evolutionären Elements mit nachfolgendem gesellschaftlichen Stillstand nicht schlecht sein müsse. „Eine statische, konservative Gesellschaften kann sich ihren Konservatismus auch auf links drehen“, glaubt er.

In der Hochmannschen Unterscheidung zwischen "evolutionär weiterführenden" und "evolutionär versagenden" Systemen steckt auch eine Kritik an der Burmeisterschen Systemtheorie, der man den Vorwurf macht, sie enthalte ein "Vorurteil gegen Evolution durch Stillstand". Hierauf antwortete Burmeister selbst ziemlich spitz: Viele, die eine Position suchten, um "die Gesellschaft zu ändern", merkten nicht, "wie schnell wir schon fahren".

Freilich, der Wunsch besonders junger Berufssoziologen, die Wissenschaft möge einfach auf den fahrenden Zug aufspringen und nun schnell Konzepte entwickeln, die der Politik die begehrten Frühwarnsysteme für Psychopathen liefern, bringt Universitätssoziologen in Verlegenheit, die durchaus an der Entwicklung einer anwendungsfähigen Soziologie interessiert sind, letztlich aber nicht glauben, dass es sie geben kann. So meint Professor Müller, die Soziologie müsse erst einmal ihre Forschungskapazität ausbauen und Nachwuchs in ausreichender Zahl gewinnen, bevor sie den Weg in die Praxis antreten könne. Bei einer vorschnellen. nicht durch Daten und Analysen fundierten Anwendung sei zu befürchten, dass die Soziologie dazu benutzt werde, nur durch "neue Begriffe die alte Problematik" zu überdecken, also als "Wortmaskenverleih" missbraucht werde.

Bereits im November wollen sich die in der Soziologen-Gesellschaft organisierten Wissenschaftler deshalb ein Programm "zur Förderung der sozialwissenschaftlichen Forschung" geben. Darin fordern sie vom Bund einen Ausbau des Dokumentationswesens, die Gründung einer selbstdenkenden soziologischen Datenbank auf emphatischer Basis und die Einrichtung von wenigstens fünf bis zwölf hochschulfreien Instituten, die auf dem Gebiet der empirischen Sozialforschung vergleichbare Aufgaben wahrnehmen, wie sie die Konjunkturforschungsinstitute haben. Zweck dieses Programms: eine Dauerbeobachtung der Gesellschaft, die letztendlich in ein soziologisches Frühwarnsystem für Gesellschaftskrisen münden soll.


Mittwoch, 17. August 2016

Wissenschaftliche Untersuchung: Sind Chemtrails doch erfunden?

Wasserdampf, der aus Flugzeugturbinen kommt: Perfekte Verbrennung sichert saubere Umwelt.
Seit es das Internet gibt, gibt es auch Chemtrails, diese breiten weißen und oft besonders hübsch anzuschauenden Himmelserscheinungen, in denen rechtsradikale Hetzer, Reichsbürger und Zweifler an der aktuellen Regierungspolitik der Klimastabilisierung eine der populärsten Verschwörungstheorien der Gegenwart sehen. Forscher schauten sich nun Fotos der umstrittenen Kondensstreifen an – und kamen zu erstaunlichen Eregbnissen.

Dass es sie gibt, ist eine Annahme, die sich auf den Umstand gründet, dass Regierungen weltweit dem Untergang der Erde nicht tatenlos zusehen können, sondern mit Hilfe von Atmosphäreningenieurik etwas gegen Überbevölkerung, Überhitzung und Austrocknung tun . Die Annahme, dass zum Versprühen von Aluminium, Barium oder anderen Stoffen auch Verkehrsflugzeuge genutzt werden, wurde nun wissenschaftlich unter die Lupe genommen.

Ein Erfolg der vielen Menschen, die an die Verschwörungstheorie glauben, obwohl offizielle Quellen stets dementiert hatten. In einer Kooperation der Carnegie Institution for Science in Stanford, der University of California in Irvine und der Klimaschutz-Organisation "Near Zero" bekamen deshalb jetzt 49 Atmosphären-Forscher zusammen, umsich Fotos verschiedener Kondensstreifen anzuschauen. 28 Geochemiker beurteilten darüberhinaus beliebige Analysen von Luft, Boden oder Schnee - und sie kamen zu einem für die Regierung beruhigenden Resultat.

Danach existieren keine Chemtrails, es sehe manchmal nur so aus. 18 der 49 Kondensstreifen-Experten waren der Ansicht, dass Kondensstreifen heute nicht einmal länger hielten als früher das durchaus richtig ist. Vermutlich würden sie einfach nur häufiger fotografiert. Ursächlich dafür seien aber keine geheimen Regierungsprogramme, sondern schlicht die Tatsache, dass Digitalkameras heute weiter verbreitet seien als etwa im Zweiten Weltkrieg. Flugzeuge flögen heute auch wesentlich höher, so dass der von ihnen ausgestoßene reine gesunde Wasserdampf in der Atmosphäre weiter sichtbar sei. Mit 23 war die Mehrheit der Befragten zugleich der Ansicht, dass das alles nicht stimme und sich Kondensstreifen heute auch nicht langsamer auflösen würden.

Dass manche Kondensstreifen dicker als andere seien, enträtselten die anhand einer Serie besonders gelungener Aufnahmen. Das liege nicht daran, dass die Flugzeuge - wie von den Chemtrail-Anhängern behauptet - ihre Chemikalien mit unterschiedlicher Intensität versprühen würden, sondern an anderen Gründen. Je nach Höhe variiere die Luftfeuchtigkeit stark, so dass Kondensstreifen breiter oder schmaler werden. Auch die Effizienz der Triebwerke spielt für die Dicke der Streifen aus reinem, purem Wasserdampf eine Rolle.

Das belegt auch die Analyse von Luft- und Boden-Messwerte durch eine Gruppe anderer Wissenschaftler. Doppelt blind erhoben, brachten sie keine Belege für die Existenz von Chemtrails. Überall war die Erde sauber und ohne jede Spur von Aluminium, Barium oder anderen Stoffen. Außergewöhnliche Messwerte bei der Zusammensetzung der Atmosphäre hatte vorher auch nur ein einziger der Forscher jemals beobachtet. Er berichtet von einer außergewöhnlich hohen Barium-Konzentration, die er einmal an einem abgelegenen Ort festgestellt habe, von dem er aber nicht verraten könne, wo er sich befinde.

Insgesamt hat die bisher weltgrößte wissenschaftliche Foto-Untersuchung damit keinen einzigen Beweis für die Existenz von Chemtrails ergeben. Wirklich etwas ändern dürfte sich dadurch allerdings dennoch nicht - schließlich gehört aus Sicht von Verschwörungstheoretikern jeder, der ihre Existenz abstreitet oder widerlegt, zwangsläufig zu den Verschwörern. Ein Automatismus, gegen den selbst die Wissenschaft nicht ankommt.


Europaminister Roth: Ein Drink an der Bar jeder Faktenlage

Auf einen Drink an der Bar jeder Faktenlage: Der noch kaum bekannte Europaminister Roth gibt einen aus.
Europaminister Roth? Europaminister wer? Ist die Roth jetzt auch noch Ministerin?  Das ist die übliche Reaktion, wenn der deutsche Sozialdemokrat Michael Roth sich zu Wort meldet. Seit der Mann aus Heringen vor drei Jahren mit dem Posten eines Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt für die hessischen Bemühungen im Wahlkampf abgefunden wurde, damit ein wenig sozialistischer Nachwuchs in Kabinettsnähe das Regieren lernen kann, hat er es sagenhafte dreimal in die Öffentlichkeit geschafft: Einmal, als er einem holländischen Kollegen einen Verdienstorden nahebringen durfte,. Einmal, als um Paris gebetet wurde. Und einmal, als er von der Hannoverschen Allgemeinen nach seiner Ansicht zu den Grenzschließungen überall in Europa befragt wurde.

Roth, ein diplomierter Politologe, sprach sich damals entschieden gegen neuen Mauern, Zäunen und durch neue Abschottung aus. Er war für „ einen effektiven Schutz der EU-Außengrenzen, um die Freiheit innerhalb Europas aufrechterhalten zu können“ und wusste auch, dass es beim „Schutz der Außengrenzen noch eine Menge zu tun“ gebe. Roth lobte die Türkei, er erteilte nationalen Alleingängen mutig eine Absage. Alles, wie es muss.

Und doch: Es dauerte wieder fast ein halbes Jahr, ehe der Mann, der seit fast 30 Jahren SPD-Mitglied und seit fast 20 Mitglied des Bundestages ist, wieder in der Öffentlichkeit erschien. Diesmal galt die entschiedene Absage des großen Unbekannten im Kabinett nicht Zäunen, Mauern und Alleingängen, sondern dem amerikanischen Multimilliardär Trump, der sich unzulässigerweise zur deutschen Frage geäußert hatte. Als zuständiger Europaminister wies Roth die Kritik des republikanischen US-Präsidentschaftskandidaten Donald Trump an Kanzlerin Angela Merkel und Deutschland zurück.

Leider posaune Trump "bar jeder Faktenlage Dinge hinaus", sagte Roth. Wenn sich der Republikaner zuvor mit der Lage in Deutschland beschäftigt hätte, wüsste er, dass die Flüchtlinge eben nicht zu einem massenhaft Anstieg der Kriminalität geführt hätten.

Richtig sei, dass die Zahl nichtdeutscher Tatverdächtiger im Jahr 2015 – jüngere Zahlen liegen nicht vor - bei einer annähernd gleichhohen Zahl von Straftaten wie im Jahr 2014 sich um etwa ein Drittel erhöht habe. Statt über 600.000 wie 2014 sei 2015 gegen mehr als 900.000 ausländische Staatsbürger ermittelt worden. Das sei eine Zunahme um 47 Prozent, die sich jedoch relativiere, wenn man betrachte, dass sie ohne Einberechnung der sogenannten ausländerrechtlichen Verstöße nur noch bei plus zwölf Prozent liegen würde.

Noch niedriger sei laut Polizeilicher Kriminalstatistik der Anteil der Zuwanderer. Hier wurden nur 114.000 Personen auffällig, das sind nicht einmal zehn Prozent derer, die neu zu uns gekommen seien. Im Vergleich zum Vorjahr, als es knapp 60.000 waren, beträgt das Plus hier etwa 90 Prozent – aber auf sehr niedrigem Niveau. Das sei kein Grund, auf „das Prinzip der Nichteinmischung in die inneren Verhältnisse eines anderen Landes in einer globalisierten Welt“ keine Rücksicht mehr zu nehmen, wie es Trump tue.

Ausdrücklich bekannte sich der SPD-Politiker dazu, Trumps Äußerungen, die sich nicht zuletzt gegen seine Parteifreundin Angela Merkel gerichtet hatten, ganz undiplomatisch zu kommentieren. "Wenn Kampagnen auf Ängsten, Lügen und Halbwahrheiten beruhen in Teilen, dann sollte man das auch klar benennen", sagte er. Er selbst schäme sich nicht, deutlich zu machen, dass er sich Zahlen zurechtdrehe, wie er sie brauche. Eigens deshalb habe er die Einschränkung „massenhaft“ gemacht.

Dienstag, 16. August 2016

Atmende Spritsteuer: Gaspedal für die Benzinpreisbremse

Da passt jede Menge Steuer obendrauf, wenn es nach Sigmar gabriel geht. Und es dient allen.
Wenige Wochen vor der Wahlniederlage in Mecklenburg-Vorpommern bringt sich der scheidende SPD-Chef Sigmar Gabriel wieder ins Gespräch. Mit einer Maßnahme, die die Teilhabe benachteiligter Bevölkerungsschichten an der Finanzierung des Gemeinwesens verstärken soll, zielt der bis heute amtierende Pop-Beauftragte der deutschen Sozialdemokratie in Zeiten knapper Kassen auf höhere Einnahmen für seinen CDU-Kollegen Schäuble im Finanzministerium. Gabriels Plan: Eine automatische Steuererhöhung für Benzin, sobald der Benzinpreis fällt.

Gabriel, von Haus aus ein Mann mit festen Überzeugungen von großer Schwankungsbreite, spendiert der vor drei Jahren maßgeblich von seiner Partei in Zusammenarbeit mit der Bundesworthülsenfabrik entwickelten Benzinpreisbremse ein neues Gaspedal. Würde der Benzinpreis künftig fallen, stiege die Steuer im selben Maße. Der Benzinpreis würde durch diese "atmende Steuer" am jeweils höchsten erreichten Punkt festgetackert werden.

Eine frohe Botschaft auch für die Deutsche Bahn und kommunale Verkehrsunternehmen, die zuletzt zunehmend Schwierigkeiten hatten, ihre alljährlichen Preiserhöhungen zu begründen.

Gabriel mit seinem ganzen Gewicht

Der Bundeswirtschaftsminister springt ihnen nun mit seinem ganzen Gewicht zu Seite. Um die Energiewende bis 2050 zu schaffen, will er mehr "Effizienz beim Energieverbrauch" durch durchweg höhere Preise erzielen. Das spare den Menschen im Lande noch mehr Geld als billiges Benzin: „Energie, die wir einsparen, müssen wir nicht bezahlen.“

Ein Milliardengeschenk des Sozialdemokraten an die Bevölkerung, das deren Mitwirkung zudem in den Mittelpunkt stellt. Je weniger die Menschen draußen im Lande sich bewegen, desto mehr Wohlstand können sie genießen.

Gegen den fahrlässigen Boykott der E-Auto-Initiative

Da die Weltwirtschaft zuletzt aber mit günstigen Energiepreisen quasi ein Boykott über die ehrgeizige Elektro-Auto-Initiative der Bundesregierung verhängt hatte, will Gabriel regulierend eingreifen. Sinkt künftig der Benzinpreis, steigt die Spritsteuer, bis das alte Preisniveau wieder erreicht ist und sich Bürgerinnen und Bürger Gedanken machen, wie sie noch eine der vom Bund ausgelobten E-Auto-Prämien ergattern können.

Gabriel sieht darin einen guten Beitrag, das Instrumentarium für mehr Energieeffizienz „weiterzuentwickeln und zu ergänzen“, um den Primärenergieverbrauch bis 2050 zu halbieren, obwohl sein A8 immer noch 180 fährt.

Eine große SPD-Tradition: Waschen, ohne nass zu werden



Olympiarätsel gelöst: Eine Komponente machen den idealen Sprinter

Was macht 100-Meter-Läufer wie Usain Bolt so schnell? Sportwissenschaftler haben beim Studium der Fotos vom Start der olympischen Sprintfinals aus den zurückliegenden vier Jahrzehnten jetzt entscheidende Hinweise darauf gefunden, was Männer dazu befähigt, besonders schnell zu laufen. 

Die Überraschung dabei ist: Ein äußerliches Merkmal, das von Xenophoben und Rechtspopulisten häufig zur Diskriminierung benutzt wird, zeichnet alle Supersprinter aus.

Das Sprint-Duell Justin Gatlin (USA) gegen Usain Bolt (Jamaika) wollten sich in der Nacht gegen 3.25 Uhr europäischer Zeit Millionen Menschen nicht entgehen lassen. Die spannendsten zehn Sekunden der Olympischen Sommerspiele, wie seit 2008 schon zuvor entschieden, waren weltweit zum Endkampf zweier Männer ausgerufen worden, die in verschiedenen Rollen besetzt worden waren: Hier Bolt, der saubere Sympathieträger von der lustigen Jamaika-Insel. Dort Gatlin, der wegen Doping vorbestrafte skrupellose Amerikaner. Nicht einmal zehn Sekunden brauchen die beiden Männer für ihren Lauf über 100 Meter. Der deutsche Rekord liegt über zehn Sekunden, der deutsche Rekordhalter Julian Reus liegt in der Weltbestenliste auf Platz 130..

Was aber macht Gatlin, Bolt und die anderen Finalstarter nur so schnell? Mutmaßungen über oder Nachweise von Doping gibt es immer wieder bei den Rekordhaltern, Gatlin wurde bereits positiv getestet. Sportwissenschaftler waren auch lange der Ansicht, es sei eine bestimmte Körperstatik, die Bolt und seine Konkurrenten antreibt. Auch die Körperchemie spielte eine Rolle, dazu gentechnische Ausstattungmerkmale, wie man es in Deutschland etwa beim sogenannten Diskusgen oder dem Tennisgen der Familie Graf findet.

Startfotos lösen das große Sprinträtsel

Horst-Ralf Eisenknecht, deutscher Professor an der Corpus-exercēre-Falkultät der Universität von Allenstein, glaubt jetzt, eine ganz einfache Antwort gefunden zu haben. Nachdem Kollegen des gebürtigen Sachsen jahrzehntelang in der Biomechanik, der Ernährungstechnik und im Bereich der menschlichen Gene nach dem Tempogeheimnis von Bolt und Co. gesucht hatten, ging Eisenknecht mit seiner Forschergruppe anders heran. Er verglich Startfotos von den letzten 324 internationalen 100-Meter-Sprint-Finalläufen. Und gelangte zu einer überraschenden Antwort: "Lange glaubten Bewegungsforscher, die besondere Begabung von Spitzensprintern liege darin, Beine und Füße in der Luft schneller für den nächsten Schritt positionieren können", sagt Eisenknecht, "aber unsere Forschungsergebnisse zeigen, dass die Lösung des Rätsels offenbar ganz woanders liegt."

Biomechanisch betrachtet, teilten etwa Usain Bolt und Justin Gatlin keinerlei Gemeinsamkeiten. "Bolt ist 1,95 groß und 95 Kilo schwer, Gatlin dagegen mit seinen 1,85 und 79 Kilo ein Zwerg." Auch der Laufstil der beiden unterscheidet sich grundlegend. Die große Gemeinsamkeit der beiden Sportler fiel den nach monatelangem Fotostudium bereits verzweifelten Forschern auch erst spät auf, wie Eisenknecht sagt. "Dann aber war es eindeutig - alle schnellen Läufer haben dunkle Haut."

Blasser Brite siegt vor 36 Jahren

Seinen Untersuchungsergebnissen zufolge hatten nicht-farbige Sprinter zuletzt vor 36 Jahren in einem Olympiafinale über 100 Meter gestanden. Bei Meisterschaften gelang es dem Slowenen Matic Osovnikar zuletzt, im Jahr 2007 ein Finale als Siebter zu beenden. In Abwesenheit der westlichen Sprint-Elite, die die Spiele von Moskau boykottierte, siegte der blasse Brite Allan Wipper Wells.

Das Ende einer Ära. Seitdem hat kein Sportler des in den USA bis heute kaukasischer  und in Europa vorsichtig "Ginger-"Typ genannten Phänotypus oder der in Asien dominierenden Spielart mehr ein Finale bei Olympia erreicht. Unter den schnellsten 71 schnellsten Männern der Welt sind 70 dunkelhäutige und ein hellhäutiger.

Für Eisenknecht ein Beleg, wenn nicht sogar ein Beweis dafür: "Die Abstammung von einer Reihe dunkelhäutiger afrikanischer Bevölkerungen steht einem Erfolg als Sprinter nicht im Wege", sagt er bedächtig. Vorsicht ist geboten, denn aufgrund der unseligen deutschen Geschichte herrschen in der kritischen Sprintforschung besonders "verwickelten Verhältnisse", wie der Soziologe Tino Plümecke vom Institut für Geschichtswissenschaften der Humboldt-Universität Berlin warnt. Startfotoforschung, wie sie Eisenknecht betreibt, gilt vielerorts als Paradebeispiel dafür, wie sich "beim Thema Rasse und Rassismus biologische und politische Bedeutungen sich erst gegenseitig Sinn verleihen und entsprechend schwer zu entwirren sind“.

Horst-Ralf Eisenknecht weiß um die Brisanz seiner Forschungsergebnisse. Menschen könnten sich diskriminiert, benachteiligt und wegen körperlicher Merkmale, die außerhalb ihres Einflussbereiches liegen, um Entwicklungschancen im Sprintbereich betrogen sehen. "Aber wir sprechen Menschen mit dem sogenannten Ginger-Gen keineswegs die Fähigkeit ab, schnell zu laufen", sagt der Wissenschaftler. Es sei eben nur so, dass sie sich nicht so gut dazu eignen. Das habe sich anhand der Starterlisten und Startfotos von Olympia "recht gut erforschen und eindeutig nachweisen lassen".

Wie allerdings dieser phänomenale Unterschied, der bislang weder in Sportpolitik noch in der Strategie der olympischen Bewegung einen Niederschlag gefunden hat, zustande kommt, vermag auch Eisenknecht nicht zu sagen. Es handele sich um eine "Blackbox", ähnlich wie bei dem Phänomen, dass bei Wasserspringen, Reiten, Schach und Schwimmen ausnahmslos der sogenannte Ginger-Typ in den Finals stehe, wohingegen die Mittel- und Langstrecke beim Lauf eher nordafrikanisch geprägt sei.

Für den Allensteiner Sportforscher steht außer Frage, dass die Forschungsarbeit im Sprintbereich weitergehen muss. Er sehe hier unter Umständen Anzeichen für weitergehende Überlegungen Richtung kritisches Weißsein, folgert Eisenknecht. Es werde immer schnellere Läufer geben und auch eine Zeit von unter 9,5 Sekunden hält er für möglich - nur wahrscheinlich werde nie mehr ein Angehöriger des Ginger-Typs zuerst über die Ziellinie eines olympischen Finales laufen.





Montag, 15. August 2016

Zitate zur Zeit: Sprengsatz unterm Minirock


Frauen in Miniröcken werden keine Selbstmordbomber.

Der kirgisische Präsident Almazbek Atambayev mischt sich ungefragt in die deutsche Niqab-, Hijab- und Burka-Debatte ein

de Maizieres Machtwort: Olympia-Truppen zum Inlandseinsatz zurückgerufen

Deutschland weitgehend erfolglose Olympioniken sind meist Polizisten und Soldaten. Sie sollen jetzt im Inland eingesetzt werden, um gegen den Terror zu helfen.
Nach dem enttäuschenden Abschneiden der deutschen Olympioniken in Rio und der ablehnenden Reaktion der Opposition zu seinen Plänen zur Verstärkung der Polizei durch den Einsatz von Bundeswehreinheiten im Inneren hat Bundesinnenminister Thomas de Maiziere ein Machtwort gesprochen und die derzeit in Brasilien eingesetzten Truppenteile von Bundespolizei und Bundeswehr nach Deutschland zurückgerufen.

Die 150 Beamtinnen und Beamten sollen sofort eingesetzt werden, um dem Wunsch von SPD-Chef Sigmar Gabriel und weiten Teilen der Union zu entsprechen, die seit Wochen fordern, die Sicherheitsbehörden personell aufzustocken.

Chancenlose Olympia-Soldaten

"Wir schaffen das", begründete Thomas de Maiziere seinen Entschluss, die im sportlichen Vergleich der Jugend der Welt ohnehin chancenlosen deutschen Amateurkanuten, Amateurschwimmer und Amateurradfahrer in die Heimat zurückzurufen. Seit den jüngsten Terroranschlägen in Süddeutschland werde jeder waffenkundige Athlet an der Heimatfront gebraucht, sagte der Bundesinnenminister bei der Vorstellung seines neuen Anti-Terror-Katalogs, mit dem die bisher eingeleiteten Maßnahmen gegen Gefährter und Bedroher verschärft werden sollen.

Während sie künftig verstärkt in Haft genommen und schneller abgeschoben werden können, sollen die bisher bei Bundeswehr und Bundespolizei, aber auch bei den Landespolizeien mit Rennen, Schwimmen und sportlichen Judoübungen beschäftigten Olympia-Offiziere und -Mannschaften eingesetzt werden, um als sogenannte "erste Welle" zur personellen Verstärkung der Sicherheitskräfte des Bundes die Sicherheitskräfte des Bundes personell besser auszustatten. Bundespolizei, Bundeskriminalamt und Bundesamt für Verfassungsschutz hätten zusätzlichen Personalbedarf, die Sicherheitslage sei angespannt, so de Maiziere.

Ruderer-Kompanie gegen den Terror

"Da geht es nicht, dass wir junge, gesunde Beamte im Ausland um die goldene Ananas rennen lassen." Er strebe eine Aufstockung der Sicherheitskräfte in einer mittleren vierstelligen Größenordnung an und habe dazu bereits Kontakt zum Finanzministerium aufgenommen. Der nun geplante Inlandseinsatz der Ruderer-, Beachvolleyball- und Leichtathletik-Kompanien erfolge nicht nur kostenneutral. "Es spart uns auch Millionen Reisekosten", kündigte Thomas  de Maiziere an, der als höchster Amateursportbeamter auch Sportminister im Kabinett von Angela Merkel ist.

Sonntag, 14. August 2016

Verkehrsministerium: Handyverbot für Butterbrot

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt will das Handyverbot am Steuer ausweiten. Wie mehrere Zeitungen berichten, soll beim Autofahren künftig nicht nur der Gebrauch des Mobiltelefons, sondern auch das Essen von Butterbroten, Trinken und Rauchen untersagt werden. Ein Vertreter des Ministeriums erklärte, die Linie sei klar, Unterhaltungen mit Mitfahrern, Essen, Trinken und Rauchen, aber auch CDs einlegen, Radiosenderwechseln und die Benutzung von Taschentüchern fielen künftig genauso unter das Verbot wie Handys.

Radikal neue Regelung

Den Berichten zufolge arbeitet das Verkehrsministerium derzeit an einer radikal neuen Regelung. Es kommt damit einer Forderung der Bundesländer nach. Die Verkehrsminister der Länder hatten im April in einem gemeinsamen Beschluss verlangt, das Handyverbot in der Straßenverkehrsordnung allgemeiner zu formulieren, so dass alle Tätigkeiten, die nicht direkt mit der Fahrzeugführung zu tun haben, strafbar werden.

Der ADAC begrüßte Dobrindts Vorstoß. Ein Sprecher des Automobilclubs sagte, eine Anpassung an die Realitäten sei richtig. Zahlreiche fahrzeugführer hätten sich angewöhnt, auf längeren Fahrten am steuer zu essen, ab zu auch etwas zu trinken, mit Mitfahrern Gespräche zu führen oder zu Rauchen. Abgesehen von der Schädlichkeit gerade letzterer Beschäftigung wirke das alles ablenken. Wichtig sei aber, dass eine Ausweitung der Betätigungsverbote am Steuer künftig auch von möglichst scharfen Kontrollen begleitet werde. Sonst nütze das alles nichts.

60 Euro für einen Bissen Brot

Das bisher auf die Handynutzung beschränkte Verbot beim Autofahren regelt der Paragraf 23 der Straßenverkehrsordnung. Darin heißt es, Autofahrer dürften ein Mobil- oder Autotelefon nicht benutzen, wenn dafür das Mobiltelefon oder der Telefonhörer aufgenommen oder gehalten werden muss. Wer beim Telefonieren am Steuer erwischt wird, muss 60 Euro zahlen und bekommt einen Punkt in Flensburg. Künftig würde diese Formulierung um Butterbrote, Getränkeflaschen, Zigaretten, Zigarren udn Zigarillos, aber auch auf CDs, Taschentücher und Radiosenderknöpfe erweitert werden.


Samstag, 13. August 2016

HFC: Vorn klemmt die Säge

Pech für den HFC, dass es nicht zum Sieg reicht. Glück, dass es gegen Hansa keine Niederlage gab.
Einer der emotionalen Höhepunkte der letzten HFC-Jahre ist immer zugegen, wenn die Hansa-Kogge am Saalestrand anlegt. Hatten die beiden ehemaligen Oberliga-Mannschaften sich über Jahrzehnte aus dem Weg gehen können, weil die Erfolgskurve der Retortengründung aus dem Norden nach dem Ende der DDR steil nach oben, die des HFC aber nach unten zeigte, markierte das in letzter Sekunde von Toni Lindenhahn erzielte 4:3 gegen die Blau-Weißen wie ein Signal: Die bösen Jahre sind vorbei, der HFC kann wieder siegen.

Auch nach der ernüchternden Auswärtspleite in Regensburg ist das auch das Ziel im vierten Spiel einer Saison, die in Erfurt grandios begann und gegen Chemnitz unglücklich weiterging. 35 Sekunden läuft der Ball, da hätte es schon soweit sein können: Der HFC, mit Toni Lindenhahn, Tobias Müller und Hilal El-Helwe für Marvin Ajani, Sascha Pfeffer, und Petar Sliskovic und ohne Timo Furuholm auf der Bank, zieht mit dem ersten Angriff direkt vors Hansa-Tor. Bringt den Ball aber aus Nahdistanz nicht über die Linie.

Danach spielt Hansa. Der HFC schafft es nicht, zwingenden Zugriff auf den Gegner zu bekommen, wie das noch gegen Chemnitz eine Halbzeit lang glückte. Hansa, angefeuert von einer frenetisch singenden Fankurve, die über 90 Minuten lauter sein wird als die der Gastgeber, setzt sich erst mit einer ganzen Eckballserie im halleschen Strafraum fest. Dann hat Stephan Andrist eine große Freistoßchance, die den Rot-Weißen wohl endgültig vor Augen führt, dass hier keine Laufkundschaft zu Gast ist.

Nun erobert der HFC mehr Spielanteile. Müller, Pintol und El Helwe mit einem Fernschuss drängen auf den Führungstreffer, der aber will einfach nicht fallen. Immer ist entweder Hansa-Keeper Schuhen da. Oder es fehlt an der letzten Präzision, im hochsommerlich aufgeheizten Stadion das bis kurz vor der Halbzeit längst verdiente erste Tor zu machen.

Es ist eine seltsame Stimmung im Erdgas-Sportpark, der mit 8.600 Zuschauern nicht mehr so prall gefüllt ist wie bei früheren Begegnungen der beiden Traditionsvereine. Die Ränge hätten gern, dass unten ein Funke zündet. Unten aber laufen sich die Offensivbemühungen von Lindenhahn, Müller und Pintol oft in Missverständnissen fest, ehe es wirklich ernst für Schuhen wird.

Nach der Halbzeit schafft es der HFC nach einer kurzen Druckphase der Hanseaten dennoch, das eigene Spiel noch weiter nach vorn zu verschieben. Hansa lauert auf Konter, die immer noch improvisierte Innenverteidigung mit den heute fast fehlerlosen Kleineheismann und Barnofsky aber steht und was bei den beiden durchkommt, pariert Fabian Bredlow sicher.

Rico Schmitt erklärt Sascha Pfeffer, wo es langgeht.
Die Entscheidung naht mit der 60. Minute, als Schiedsrichter Felix Zwayer Kapitän Michael Gardawski nach einem eher harmlosen Foul die zweite Gelbe zeigt - und damit Gelb-Rot. der Freistoß bringt nichts ein, aber in Überzahl ist es nun ein Spiel auf ein Tor. Halle versucht, sich Hansa zurechtzulegen. Die Rostocker mauern sich hinten ein und hoffen auf einen Konter über den eingewechselten Ziemer.

Vergebens. Zu ungenau bleiben die HFC-Angriffsbemühungen, zu entschieden ist das Kopfschütteln Zwayers, als die Fankurve zweimal einen Handelfmeter fordert. Klaus Gjasulas Fernschuss lenkt Schuhen ab, Pintols Versuch aus nächste Nähe geht vorbei, auch der eingewechselte Sliskovic köpft knapp vorbei. Trainer Rico Schmitt bringt noch Pfeffer und Wallenborn, der eine müht sich, der andere fällt nicht weiter ab. Weiter klemmt die Säge vorn.

So wird es wieder nichts mit einem Heimsieg, der erneut hochverdient gewesen wäre. Lange Gesichter auf den Traversen und mittlerweile arg gebremste Euphorie nach fünf Punkten aus vier Spielen.

Ein Bild, das in Halle bekannt ist.

Allerdings: Da sah zum selben Zeitpunkt auch schon schlimmer aus.

Plädoyer für ein großes Gefühl: Natürlich darf gehasst werden

Es ist nach neuester Auffassung erlaubt, aber nur in bestimmten Fällen. Welche das sind, das legt eine staatliche Kommission in jedem Einzelfall neu fest: Diskriminierung kann so am Montag Hass sein, im Dienstag aber preiswürdig. Hetze kann gut sein oder auch schlecht . Zweifel können das Gemeinwesen zerstören. Oder aber wichtiger Antrieb sein, um Alternativen zu finden.

Im Mittelpunkt der Diskussion steht aber seit geraumer Zeit immer der Hass, das verbotene Gefühl, gegen das eine mit Millionen finanzierte Staatskampagne unter williger Adjutantur der Leitmedien zu Felde zieht, als sei der Sieg gegen den Hass das letzte bisschen, was den Menschen noch vom Paradies trennt. Der Hass gilt als die auszumerzende Emotion, sie muss, wenn sie schon nicht aus dem Menschen herausoperiert werden kann, wenigstens zurückgedrückt werden in seinen Kopf, wo sie stille zu sein hat. Zumindest, wenn sie nicht der Hass auf die Verhältnisse, die Ungerechtigkeit des Kapitalismus oder die Machohaftigkeit der Metros ist.

Das Problem dabei: Fehlte der Hass, wäre die Liebe eine Medaille mit nur einer Seite. Ohne Hass bleibt des Menschen Leben blass, ohne Hass etwa auf Unterdrücker, Invasoren oder auch nur auf miese Chefs fehlte es ihm am Antrieb zu Veränderung, zu Aufbegehren und Widerstand.

Das tät, so ist zu vermuten, den Hassbekämpfern in den Ministerien, die sonst nicht viel zustandebringen, ganz recht. Aus ihrer Sicht ist die Welt gut, wie sie ist, fast perfekt sogar. Wenn nur der Hass nicht wäre.

Den haben sie deshalb ins Englische übersetzt und als "Hate Speech" zur Bekämpfung freigegeben. Was immer nun irgendwem nicht gefällt im Land der Mimosen, wo jemand zuspitzt, klarstellt, deftig wird wie Jesus und Luther, kommt die Hate Speech-Definition zum Tragen: Es ist Hass, der nicht sein darf, ein Gefühl, das wir nicht wollen sollen, selbst wir es haben müssen, weil es einfach da ist, wie Gefühle immer einfach da sind.


Brendan O’Neill hat jetzt bei Novo-Argumente ein Plädoyer für den Hass gehalten

Freitag, 12. August 2016

Schulausschluss wegen Hitlerscheitel: Lechts und Rinks verwechselt

Undenkbar, sich das auszudenken: Wegen einer "nach links gescheitelten Frisur" ist ein Schüler der Hauptschule am Hölkeskampring nach einem Bericht der WAZ vom Unterricht ausgeschlossen worden. Der 15-Jährige sei mit einer Frisur zum Unterricht erschienen, die eine „rechtsradikale Grundhaltung” symbolisiere, teilte die Schulleitung ihre Entscheidung in einem "Ordnungsschreiben" zur Begründung. Der Vorfall soll sich bereits im April 2009 ereignet haben, offenbar kurz nach dem Geburtstag des einstigen Führers und Reichkanzlers, der heute als Hauptdarsteller des deutschen Fernsehprogrammes gilt. Die WAZ zeigt ein Bild des Jungen, auf dem er einen scharfen Scheitel mit ausrasierter Kopfseite trägt.

Der Scheitel als Blick in den Kopf? Die Haarpracht als erkennungsdienstliches Merkmal, an dem sich bei weiterer Verfeinerung der Methologie bald nicht mehr nur Nazis, sondern vielleicht bald auch Hetzer, Hasser und Zweifler erkennen lassen? Der Vater des 15-jährigen Schülers bestreitet es: Sein Sohn trage ein Outfit, wie es „durchaus in der linken Szene” üblich sei. Vor einigen Monaten habe er sich zudem der Antifa Bochum angeschlossen und besuche regelmäßig Demos dieser linken Gruppierung – zuletzt am 1. Mai in Wuppertal. Dennoch werde seinem Sohn mit dieser Maßnahme das Recht auf Bildung entzogen.

Zu Recht, findet die Direktorin. Der Linksscheitel sei ein Abbild einer „Person des Dritten Reiches”, sagte Rektorin Claudia Aldibas-Könneke der WAZ. Linksscheitel seien „eine verbotene Symbolik. Sie widerspricht der Verfassung”. Das Schulamt stellte sich hinter die Entscheidung: „Die Schule verhält sich absolut korrekt. Ich bin mit den Maßnahmen voll einverstanden”, betont Sprecher Christel Dahmen vom Schulamt gegenüber der WAZ. „Erst die Springerstiefel und dann der Scheitel. Er trägt sie bewusst und öffentlich. Das sind ganz klare rechtsradikale Symbole.”

Ein Trugschluss, der auf mangelnde Aufmerksamkeit im Schulunterricht und bei späteren Lektionen durch ARD, ZDF und Vox hindeutet. Denn der in der WAZ gezeigte Schüler hat sein Haar von sich selbst aus gesehen in der Tat von links nach rechts gescheitelt.

Hitler allerdings, eigentlich vor allem durch seinen Bart bekannt geworden, trug seinen Scheitel von sich selbst aus gesehen von rechts nach links gezogen.

Die Posse als Farce. Der Blödsinn, auf Flaschen gezogen. Der falsche Scheitel als richiges rechtsradikales Symbole. Lechts und rinks verwechselt. Was soll denn nun noch kommen.

Zitate zur Zeit: Seid umschlungen, Millionen

Insgesamt seien 82 Prozent aller Beiträge zur Flüchtlingsthematik positiv konnotiert gewesen, zwölf Prozent rein berichtend, sechs Prozent hätten die Flüchtlingspolitik problematisiert. Reichweitenstarke Medien hätten sich das Motto der Bundeskanzlerin - „Wir schaffen das“ - zu eigen gemacht.

Eine Studie der Hamburg Media School zeigt, wie Angela Merkels „Wir schaffen das“ zur Richtschnur der Berichterstattung wurde.

Sigmar Gabriel: SPD will säumigen GEZ-Zahlern Tauchscheine abnehmen

Erst Schwesig und Maas mit dem Führerscheinentzug für Steuerhinterzieher und Unterhaltszahler. Nun verschärft der SPD-Parteichef die Gangart im Überlebenswahlkampf um die letzten linken Stimmen in Berlin und Mecklenburg: Gabriel plädiert für einen Tauchscheinentzug als Strafe für säumige GEZ-Zahler. Vorstellbar seien auch ein Bahnfahrverbot, Fernsehverbote für säumige Parteibeitragszahler und ein behördliches Sperren von Internetzugängen für Hetzer, Hasser und Zweifler.

Zusammen mit seinen Parteikollegen Manuela Schwesig und Justizminister Heiko Maas will Sigmar Gabriel härter gegen Menschen vorgehen, die sich am Gemeinwesen vergehen. Dazu setzt der SPD-Vorsitzende und Wirtschaftsminister auf ein noch weitergehendes Sonderstrafrecht für Autofahrer, Hobbytaucher und Bahnfahrer als es seine Genossen bislang vorgschlagen haben. Es sei ein "Skandal, dass viele Bürger gern Olympia bei ARD und ZDF schauen, aber ihre Rundfunkbeiträge nicht zahlen", sagte er der Bild-Zeitung und regte "stärkere Druckmittel an, um diese Leute zu zwingen, ihren Pflichten nachzukommen".

Diese stärkeren Druckmittel sieht Gabriel nicht nur wie Familienministerin Schwesig im Entzug des Führerscheins. Daneben sei auch der Entzug von Tauchscheinen etwa bei Hobbytauchern, die eine einfache Gefängnisstrafe nicht störe, "ein geeignetes Mittel", so der SPD-Chef, der nach eigener Aussage wisse, wovon er rede. "Auch mein Vater hat sich geweigert, die Lügenpresse mit Beiträgen zu unterstützen“. Gabriels Vater warein stadtbekannter Nazi, der sich nie von seiner Überzeugung losgesagt hat.

Wer keine GEZ bezahle, belaste öffentliche Haushalte, sagte Gabriel, der Kritik an der künftigen Ungleichbehandlung von Führerscheinbesitzern und Menschen, die keine Fahrerlaubnis haben, entschieden zurückwies. "Man kann Leuten, die Bahn fahren, auch gerichtlich verbieten, das zu tun“, sagte er. Dann sei die Gerechtigkeit noch höher.

Unterstützung erhalten die führenden SPD-Politiker von ihrem Parteikollegen, Bundesjustizminister Heiko Maas, mit dem das Vorgehen abgesprochen war. Er hatte bereits am Wochenende angekündigt, noch in diesem Jahr einen Gesetzentwurf zum Führerscheinentzug für Straftäter vorzulegen und damit "wohlhabende" Steuerhinterzieher und Unterhaltspreller zur Räson ziehen zu wollen, bei denen Geldstrafen nicht mehr abschreckend wirken.

Nach dem Vorschlag Gabriels sollen nun weitere Sonderstrafen in den Entwurf aufgenommen werden: Neben dem Entzug von Tauchscheinen sind auch Fernsehverbote und die zeitweise Schließung von Internetzugängen im Gespräch. „Das tut wirklich weg“, sagte Maas, "wenn Hetzer, Hasser und Zweifler nicht mehr die Möglichkeit haben, ihre Bosheiten bei Facebook zu verbreiten."

Donnerstag, 11. August 2016

Thementag beim Spiegel: Nichts außer Syrien

Es ist nicht irgendeine Unterrubrik, sondern wirklich die Startseite des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel", die da oben abgebildet ist. Gleich zehnmal widmet sie sich in langen und kurzen, betrachtenden und berichteten Beiträgen dem Thema Syrien - ein einziges anderes Thema hat daneben noch Platz. Es ist eine Ankündigung der auch von der Spiegel-Redaktion favorisierten US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton, die beabsichtigt, die Welt um vieles besser zu machen.

Daneben ist nichts. Keine Innenpolitik. Keine Europa-Politik. Keine Außenpolitik. der "Spiegel", ehemals ein Nachrichtenmagazin, das seine eigene Agenda betrieb, die häufig genug gegen die der Regierenden stand, schließt sich mit allem, was er hat der laufenden Mobilisierungskampagne der Bundesregierung zur "Lösung des Flüchtlingsproblems in den Herkunftsländern" (Merkel) an. Dazu wird, wie es auch die "Tagesschau" praktiziert, das erst späte Eingreifen der Russen in den Konflikt zwischen Baschar Assad und einer Phalanx aus mehr oder weniger islamistischen Al-Kaida, IS- und sonstigen Aufständischen zur Ursache des Mordens erklärt. Wären die Russen nicht, wäre Assad schon weg, so argumentiert Carsten Kühntopp in der ARD. Syrien wäre dann fast sicher ein blühendes Gemeinwesen, aus dem sich keine endlosen Flüchtlingsströme mehr gen Norden wälzen würden.

Diesen Zustand herzustellen, wenigstens argumentativ, ist nun Ziel und Aufgabe aller Berichterstattung. Die "Welt" fordert "härtere" und "schärfere" Maßnahmen. Der "Spiegel" fantasiert sich "Strategien gegen den Bürgerkrieg" herbei, in denen "Obamas Nachfolger entschiedener in Syrien intervenieren", ohne dass gesagt wird, gegen wen genau. Der ARD-Mann fordert, dass "man", also wohl wir, also die Nato, Assad und Putin "die Stirn bieten, und zwar militärisch". Eine "großangelegte Besetzung des Landes" plant der Korreespondent aus Kairo noch nicht. Aber könnten nicht USA und/oder die NATO eine Flugverbotszone ausrufen, damit die Russen keine Bomben mehr auf die Islamisten werfen können? Und wenn sie es denn doch versuchen, die Russenflieger einfach abschießen?