Dienstag, 13. Januar 2015

Gespräche auf dem Oberdeck: Hass in deren Herzen

Es ist Krise im politischen Berlin und guter Rat ist teuer. Wie soll, wie muss der unübersehbare Ansehensverlust des Islam, einer im Grunde friedlichen Weltreligion, aufgehalten werden? Was lässt sich vom Bundestag, vom Bundespräsidentenamt, von der Bundeskanzlerin her ausrichten im Kampf gegen rechtes Gedankengut, das bis weit in die linke Mitte der Gesellschaft wuchert? Soll die Kanzlerin ein Sicherheitsversprechen abgeben wie damals für den Euro? Braucht es mehr Überwachung, weniger Karikaturen? Mehr Sendezeit für Fernsehdiskussionen mit Michel Friedman, der den Islamrassismus erklärt?

Durch ein eingeschmuggeltes Röhren-Tonbandgerät, auf das moderne Überwachungsabwehrsensoren nicht ansprechen, ist es der Hackergruppe Anno Nymus gelungen, die zweite Kabinettssitzung mitzuschneiden, auf der Kanzlerin Angela Merkel mit ihren Ministerinnen und Ministern im Beisein von Bundes Bundespräsident Joachim Gauck, CSU-Chef Seehofer, dem Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime Aiman Mazyek, dem Braunschweiger Altbischof Christian Krause und Cem Özdemir von den Grünen die Folgen des Terroranschlages von Paris beriet. PPQ dokumentiert die erstaunliche offene und knallhart-kontroverse Diskussion. In jeder Minute ist zu spüren, wie die Ansichten kontrovers aufeinanderprallen, wie hitzig um die besten Lösungen gerungen wird. Ein Lehrstück für eine lebendige Demokratie!

Angela Merkel: Für mich ist diese feige Tat eindeutig ein Angriff auf die Werte der freien Welt und auf alles, was uns lieb und teuer ist, wie die Freiheit der Presse und der Meinungsäußerung. Ich fand es sehr bewegend, als ich dem französischen Präsidenten Hollande telefonisch meine Anteilnahme übermittelt habe. Das tut man nicht gern, aber es auch ein schönes Gefühl, zu merken, dass man trotz der vielen Jahre in Verantwortung noch etwas so Echtes spüren kann.

Joachim Gauck: Ich schließe mich da an und sage klar: Wir sind Charlie!

Thomas de Maizière: Da hat Herr Gauck Recht. Terroristische Anschläge haben nie mit dem Islam zu tun. Ich warne vor populistischen Kräften, die Muslime unter Generalverdacht stellen. Anschläge wie der von Paris richteten sich gegen die gesamte Gesellschaft und ihre Werteordnung. Wir lassen uns nicht von Pegida unsere politische Agenda aufzwingen.

Sigmar Gabriel: Auch sage klar: Deutschland ist weltoffen und liberal! Darauf können wir stolz sein. Wer mit diffusen Ängsten spielt oder Fremdenfeindlichkeit schürt, spricht nicht für die Mehrheit!

Merkel: Das sehe ich wie Sigmar. Denn zu oft sind Vorurteile, ist Kälte, ja, sogar Hass in deren Herzen. Wir sind uns einig, dass wir neben der Debatte um Asylbewerber und Bürgerkriegsflüchtige auch die Debatte führen: Sind wir gut darauf eingestellt auf Fachkräftemangel?

Manuela Schwesig: Genau. Die Menschen, die jetzt zu uns kommen, flüchten vor einem bestialischen IS-Terror, vor dem Krieg gegen ihre Familien. Deutschland darf kein Ort für Rassismus, Hass und Hetze gegen Muslime sein.

Walter Steinmeier: Super. Pegida schadet nicht nur unserem Land, es wirft auch ein schlechtes Bild auf Deutschland. Wir müssen ganz deutlich machen, dass diejenigen, die da auf einigen Straßen ihre Parolen rufen, eine kleine Minderheit mit einer lauten Stimme sind.

Wolfgang Schäuble: Da hat der Kollege von der SPD recht. Parolen ersetzen keine Fakten: Deutschland braucht Zuwanderer und wir müssen ein Herz haben für Flüchtlinge in Not.

Ursula von der Leyen: Sehe ich auch so. Wer Ausgrenzung und Kleinherzigkeit gegenüber Menschen in Not das Wort redet, hat weder etwas vom Christentum verstanden noch von der Vielfalt unserer kulturellen Wurzeln.

Merkel: Genau! Der Islam gehört zu Deutschland. Und das ist so. Dieser Meinung bin ich auch.

Gabriel: Das sehe ich exakt genau so. Stimmungsmache gegen Minderheiten, die sich dann auch in Gewalt entladen kann, dürfen wir nicht hinnehmen.

Maas: Meine Rede! Es wird ein neues Gesetz geben, um bereits die Ausreise von Dschihadisten unter Strafe zu stellen. Das sind unsere Islamisten, die brauchen wir hier.

Gauck: Auch von meiner Seite besteht da Konsens. Für uns ist nicht entscheidend, wie jemand heißt und wer seine Mutter ist, an welchen Gott er glaubt oder welche Feste er feiert. Wir sind weder ohnmächtig noch hilflos: Wir haben entschlossene Bürger, und wir haben Gesetze und Institutionen, um Fanatismus und Gewalt zu begegnen.

Aymar Mazyek: Exakt, gut gesprochen! Diese Tat ist ein Verrat am islamischen Glauben. Dennoch ist zu befürchten, dass der Terror von Paris den anti-islamischen Strömungen in Deutschland Auftrieb gibt. Das ist ja der perfide Plan der Terroristen, sie wollen Zwietracht säen und einen Krieg provozieren zwischen den Religionen, in dem auch die Muslime Opfer werden.

Christian Krause: Da bin ich ganz bei Ihnen, Herr Mazyek. Wenn ich sehe, dass bei diesen Demos der Pegida schwarz-rot-gold angestrichene Kreuze hochgereckt werden, gruselt es mich. Wahrscheinlich ist das eine Konsequenz unserer Saturiertheit und unseres Reichtums – und der Angst, beides zu verlieren.

Cem Özdemir: d’accor! Pegida spricht selber von Lügenpresse und wendet sich damit gegen Toleranz, gegen Weltoffenheit, gegen europäische Werte. Ich finde es abenteuerlich, dass Pegida im Schlepptau mit der AfD jetzt behauptet, genau diese Werte verteidigen zu wollen. Diese Mischpoke! Aber wir lassen uns nicht einschüchtern!

Merkel: Das wollte ich gerade sagen. Umso mehr stehen wir in diesen schweren Stunden eng an der Seite unserer französischen Freunde.

Heiko Maas: Ich stehe direkt neben Ihnen, Frau Bundeskanzlkerin. Dies geschieht ja alles auf dem Rücken von Flüchtlingen, die gerade alles verloren haben und uns um Hilfe bitten. Aus meiner Sicht eine Schande für Deutschland.

von der Leyen: Schande, so sehe ich das auch. Aber ich finde, es ist auch eine Schande, dass wir nur zwei Generalinnen in der Bundeswehr haben. Da muss etwas geändert werden!

Gabriel: Tolle Idee, Frau von der Leyen. Man darf nicht alle, die da demonstrieren, einfach so als Neonazis abtun. Aber die, die demonstrieren und keine Neonazis sind – die müssen sich auch von den Neonazis distanzieren.

Krause: Dieses Distanzieren, das fordere ich schon lange. Da soll angeblich eine christliche Prägung unserer Kultur mit dem Mittel der Ausgrenzung verteidigt werden. Wer so redet, weiß offenbar selbst nicht, was er da verteidigt.

von der Leyen: Weiß er nicht, sehe ich auch so. Ja, Deutschland profitiert enorm von seiner Weltoffenheit. Wer Ausgrenzung und Kleinherzigkeit gegenüber Menschen in Not das Wort redet, hat weder etwas vom Christentum verstanden noch von der Vielfalt unserer kulturellen Wurzeln.

de Maiziere: Für Vielfalt bin ich auch, total. Ich bin auch für Meinungsfreiheit, aber sie darf nicht missbraucht werden, auch nicht im Internet. Und nicht alles, was jetzt irgendwie dort bisher eingestellt ist, sollte vielleicht dort bleiben.

Maas: Sollte es nicht. Denn einen Kampf der Kulturen dürfen wir nicht zulassen.

Horst Seehofer: Keinesfalls! Dieser Terroranschlag gilt nicht nur dem Magazin Charlie Hebdo oder Frankreich. Er gilt vielmehr allen freiheitsliebenden Menschen in der Welt und unseren demokratischen Werten. Von den Gewehrsalven der Attentäter fühlen auch wir uns getroffen.

Gabriel: Gut gesprochen, Horst. Der perfide Plan von Terroristen, einen Keil in unsere Gesellschaft zu treiben, darf nicht aufgehen.

Mazyek: Niemals! Der große Fehler, der gemacht wird ist, dass viele den Islam mit dem Islamismus verwechseln. Damit spielt man die Karte der Terroristen.

Schwesig: So sieht es aus. Ein Schwerpunkt im neuen Bundesprogramm 'Demokratie leben!' ist die Prävention gegen gewaltorientierten Islamismus, denn wir müssen verhindern, dass junge Menschen extremistischen Rattenfängern auf den Leim gehen. Durch präventive Maßnahmen müssen wir menschenverachtenden Ideologien den Resonanzboden entziehen und die Jugendlichen erreichen, bevor etwas passiert.

Seehofer: Finde ich gut. Die Presse- und Meinungsfreiheit ist unverzichtbar für eine freie Gesellschaft. Wenn sie durch radikale Fanatiker angegriffen wird, müssen wir erst recht zusammenstehen und sie verteidigen. ich habe Trauerbeflaggung angeordnet.

Schäuble: Klasse. Ich sehe, dass viele Menschen hier das Gefühl haben, dass sie sich in der institutionell verfassten Politik nicht wiederfinden. Das muss man ernst nehmen. Der Islam ist ja längst ein Teil unseres Landes. Zwar haben die Probleme mit der Integration zugenommen, aber wenn wir zuviel Furcht schüren, ist das nicht richtig.

Merkel: Richtig, Wolfgang. Wir sollten da ganz offen sein und sagen: Ja, das ist ein Teil von uns. Je mehr wir denjenigen, die zu uns gekommen sind mit einem anderen Glauben auch sagen, 'Ihr seid uns willkommen', umso besser ist das.

Gauck: Wie wahr, wie wahr, liebe Frau Bundeskanzlerin. Die Wirklichkeit ist, dass in diesem Lande viele Muslime leben. Und die Muslime, die hier leben, gehören zu Deutschland.

Maas: Prima, Herr Gauck, das haben Sie gut gesagt. Ich warne vor überzogenen Reaktionen und einer Gleichsetzung von Terror und Islam. Der Angriff auf "Charlie Hebdo" war ein Anschlag auf die Meinungsfreiheit, das Herz unserer Demokratie. Gleichwohl dürfen wir uns von Terroristen nicht provozieren lassen. Wir müssen der terroristischen Bedrohung entschieden, aber mit Besonnenheit und Augenmaß begegnen.

Gabriel: Richtig so. Der perfide Plan von Terroristen, einen Keil in unsere Gesellschaft zu treiben, darf nicht aufgehen. Genauso wenig wie der Versuch, diese grausamen Taten nun als Bestätigung von Ressentiments etwa gegenüber Flüchtlingen oder gegenüber dem Islam zu missbrauchen!

Merkel: Volle Zustimmung von mir. Das sehe ich genauso.

Gabriel: Ich bin da ganz nah bei der Frau Kanzlerin. Wir brauchen ein großes und starkes Symbol des Zusammenhalts und des Einstehens für das freie, friedliche und demokratische Zusammenleben in Deutschland und Europa, denke ich.

de Maiziere: Das ist auch mein Eindruck. Insbesondere symbolische Auftritte sind dann gut, wenn sie klug und maßvoll eingesetzt werden und nicht zu oft. Manchmal kann es eben auch falsch sein, auf jede Demonstration von Rechtsextremen mit einer Gegendemonstration zu antworten. Man kann sie auch einfach mal ignorieren. Pawlowsche Reflexe haben keinen Erfolg.

Mazyek: Diese Idee könnte von mir sein. Finde ich spitze. Das macht mir Angst. Und weil ich weiß, dass Angst ein schlechter Ratgeber ist, jetzt das Richtige zu tun, führt das zu noch mehr Angst. Und auch zu Gewaltpotential, was dadurch entsteht. Das macht mir schon Sorge.

Maas: Finde ich berechtigt, diese Sorgen. Aber klar ist, Terror hat mit Islam nichts zu tun. Wer das anders sieht, ist ein Heuchler.

Montag, 12. Januar 2015

In bester Gesellschaft: Arm in Arm mit Feinden der Freiheit

Angela Merkel, Francoise Hollande, dazu mehr als 40 weitere Staats- und Regierungschefs – die machtvolle Friedensdemonstration in Paris vereinte Menschen alle Religionen, jeden Alters und vieler Ideologien. Doch die Politiker, die dort bei einer Manifestation für die Meinungsgfreiheit den Schulterschluss suchten, fanden ihn auch mit Figuren, die das ganze Gegenteil von dem verkörpern, wofür die 1,5 Millionen Menschen auf die Straße gingen: Unter die Demonstranten hatten sich – so, wie in Dresden Nazis Pegida instrumentalisieren – zweifelhafte Gestalten gemischt, deren Wirken einen Schatten auf den vermeintlichen Konsens der Demokraten wirft.


1) King Abdullah von Jordanien schickte im vergangenen Jahr einen palästinensischen Journalisten für 15 Jahre in Gefängnis.

2) Der türkische Premierminister Davutoglu verantwortet in seinem Land mehr Verurteilungen von Journalisten als injedem anderen Land der Welt.

3) Israels Premier Netanyahu verantwortet die Tötung von sieben Journalisten im Gaza-Streifen im vergangenen Jahr.

4) Der ägyptische Außenminister vertritt ein Regime, das in den letzten Monaten rund 150 Schwule wegen “Unzucht” hat verhaften und anklagen lassen.

5) Der russische Außenminister Lawrow vertritt eine Regierung, die immer wieder wegen der Verletzung der Meinungsfreiheit kritisiert wird.

6) Der algerische Außenminister Lamamra steht für ein Regime, das den Journalisten Abdessami Abdelhai für 15 Monate eingesperrt hat – ohne Prozess.

7) Der tunesische Premierminister Jomaa ließ den Blogger Yassine Ayan für drei Jahre einsperren.

8) Auch die Premierminister von Bulgarien und Georgien blicken auf eine umfangreiche Geschichte bei der Verfolgung von Journalisten zurück.

9) Der griechische Prmierminister Samaras verantwortet die Verletzung von zwei Journalisten bei den Protesten im Juni 2014.

10) Der malische Präsident Keita führt eine Regierung, die Journalisten verfolgt, wenn sie Menschenrechtsverletzungen anklagen.


14) Der Außenminister von Bahrain steht für ein Land, in dem pro Kopf der Bevölkerung die zweitmeisten Journalisten im Gefängnis sitzen.

15) Sheikh Mohamed Ben Hamad Ben aus Katar, ein Land, das einen Mann für 15 Jahre eingesperrt hat, weil er ein Gedicht schrieb.

16) Der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas, der Journalisten einsperren ließ, weil sie ihn beleidigt hätten.

17) Premierminister Cerar aus Slowenien, unter dessen Regierung ein Blogger für sechs Monate wegen "Beleidigung" ins Gefängnis musste.

18) Der irische Premierminister Enda Kenny, in dessen Land "Blasphemie" einStraftatbestand ist.

19) Der polnische Premier Kopacz, dessen Regierung ein Magazin verfolgt, weil es regierungskritische Enthüllungen brachte.

20) Der britische Premierminister Cameron, dessen Administration den Guardian angriff, nachdem der begann, Snowden-Dokumente zu veröffentlichen.

21) Der saudische Botschafter in Frankreich, dessen Land einen Blogger wegen Beleidigung des Islam zu zehn Jahren Gefängnis und tausend Peitschenhieben verurteilt hat.

Mohammed: Meinungsfreiheit, die sie meinen

Das muss sie sein, die vielbemühte Meinungsfreiheit, die in der Folge der Terroranschläge von Paris keinesfalls eingeschränkt, sondern nur noch weiter und breiter ausgebaut werden soll. “Das Zeigen sogenannter Mohammed-Karikaturen sowie anderer den Islam …böswilllig verunglimpfender Plakate,Transparente, Banner oder anderer Kundgebungsmittel wird untersagt”, weist das Ordnungsamt der Stadt Leipzig die Organisatoren der für heute dort geplanten Legida-Demonstration an - ein entschiedener Schritt hin zu einer freiheitlichen, fröhlichen Gesellschaft, wie der Prophet Mohammed sie für das von ihm geplante weltweite Kalifat vorgesehen hat.

Während der Innenminister sich müht, bei der Gelegenheit gleich die ganze Demonstrationsfreiheit zu kassieren, gehen die unteren Behörden daran, den "verfolgten Helden Kurt Westergaard zu verleugnen", wie Roland Tichy in seinem Blog schreibt.

Wer mit Witz Widerstand leistet gegen die ja gar nicht stattfindende Islamisierung wird zur Gefahr für die öffentliche Sicherheit erklärt. Die Sachsen-Metropole, überwiegend autochthon bewohnt, begräbt die Freiheit vorauseilend: Mohammed-Karikaturen, von Kanzlerin, Bundespräsident und allen Sitzenpolitikern, die in diesen Tagen ein offenes Mikrophon finden konnten, als eine Art Essenz aller Werte des Westens gefeiert, dürfen in Leipzig, der Stadt der Montagsdemos, die sich auch gegen die eingeschränkte Meinungsfreiheit in der DDR richteten, nicht mehr gezeigt werden.

Ein Verbot, das Stadtsprecher Matthias Hasberg offenbar für völlig normal hält. Veranstalter und Ordnungsamt hätten es "im gegenseitigen Einvernehmen" erlassen, um einen friedlichen Verlauf zu gewährleisten, teilte Hasberg der LVZ mit. Man müsse davon ausgehen, „dass die Mohammed-Karikaturen eine Provokation sind", sagte der Stadtsprecher.

Provozieren aber ist in diesen Zeiten der untergehenden Freiheitssonne gleichbedeutend mit Mord, demonstrieren gleicht einem Verlust des letzten "Rests von Anstand" (Thomas des Maiziere), mit dem jeder, der auf seinem Recht besteht, seine "Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten" (Artikel 5 Grundgesetz) zu einem "Hetzer" (de Maiziere) wird, der die Freiheit "missbraucht" (de Maiziere).

Fünf Tage nach Charlie Hebdo. Gründlicher und schneller hätten Intoleranz, fundamentalistische Engstirnigkeit und Bigotterie nicht siegen können.

Sonntag, 11. Januar 2015

Zitate zur Zeit: Das war ganz, ganz knapp

Für uns sind das keine Muslime, auch wenn sie das von sich behaupten. Sie haben dem Islam mehr Schaden zugefügt als die Mohammed-Karikaturen.


Der der El-Iman-Moschee in Hamburg-Harburg in seiner Predigt zum Freitagsgebet am letzten Tag des Terrors in Frankreich

Wir sind nicht Charlie

Als auch noch der katholische Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke behauptete, er sei Charlie, war klar: Hier bei PPQ wollte niemand Charlie sein. Jaschke zum Beispiel ist Großoffizier des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem, ein Gotteskrieger des Wortes, bischöflicher Beauftragter für die Seelsorge in der Bundespolizei. Und Charlie, ja, Charlie ist tot, erschossen von Kriegern eines anderen Gottes, der vielleicht doch derselbe ist wie Jaschkes, aber gelobt wurde von einem anderen Propheten, als Agnostiker und Atheist kann man die wirren Volten, die religiöser Wahn schlägt, ja ohnehin nie so ganz nachvollziehen.

Charlie also ist tot und die ganze westliche Welt will auf einmal Charlie sein. Mit Kugelschreiben und Bleistiften, mit Tinte und Toleranz geht es auf Facebook, Twitter und den Titelseiten der Zeitungen, die immer Angst hatten, Mohammed-Karikaturen zu drucken, voran gegen die Dschihadisten und Islamisten, gegen die Massenmörder von Boko Haram und die blutgeilen Killer des Islamischen Staates. Ein Aufstand der Anständigen, dem kostenlos beigewohnt werden darf: Die deutschen Zeitungsverleger etwa schaffen es, 16 Morde und eine ihnen nicht genehme Demonstrationsreihe auf Augenhöhe zu stellen und gleichermaßen als grässliche Bedrohung der Freiheit zu bezeichnen.

Wer Charlie sein will, sollte sich besser die anderen Charlies anschauen. Die, die sich seinerzeit feige weigerten, Mohammed-Karikaturen zu drucken. Die, deren ewiges Gebet lautet, Terror im Namen des Kommunismus habe nichts mit dem wahren, schönen und guten Kommunismus zu tun. Die, die immer noch glauben, echter Nationalsozialismus müsse unterschieden werden von den Verbrechen Hitlers, der die eigentlich hübsche Idee nur missbraucht habe. Die schließlich, die die Tragödie von Paris eilig nutzen, um ihr eigenes parteipolitisches Süppchen zu kochen: Das Blut in den Büros von Charlie Hebdo war noch nicht getrocknet, da spielte SPD-Chef Sigmar Gabriel der "Bild"-Zeitung schon einen Brief zu, der ihn als Initiator einer Massenmanifestation für Toleranz und gegen Terror als wahren Erben des Schröderschen "Aufstands der Anständigen" zeigen sollte. Und die, die 200 Panzer an Saudi-Arabien verkaufen, während das regime dort gleichzeitig einen Blogger tausendmal auspeitschen lässt, weil der den Islam beleidigt haben soll.

Es geht nicht darum, Charlie oder Ahmed zu sein und sich preisgünstig auf die Seite des Guten zu schlagen. Es geht allein darum, realitäten zu benennen, wie das Ayaan Hirsi Ali in der "Welt" tut. Abseits vom Eiapopeia der Beschwichtiger heißt es hier "Doch, dieses Massaker hat mit dem Islam zu tun!". Hat es genauso, wie die Inquisition mit dem Christentum zu tun hatte, der Holocaust mit Deutschland und den Deutschen, die stalinschen Säuberungen mit Lenin, Maos millionenfache Morde mit Marx und der Terror der RAF mit dem Sozialismus.Wenn in all diesen Fällen galt, dass verantwortlich ist, wer sich der Ideologie oder der Religion zugehörig fühlt, in deren Namen die Taten geschehen, dann muss das auch für all die gelten, die an den Koran glauben.

Es gibt kein richtiges Leben im falschen, hat Adorno gesagt, und es ebenso gibt keinen friedlichen Islam, so lange im Namen des Propheten Frauen unterdrückt, Konvertiten hingerichtet, Grundrechte eingeschränkt und Freiheitsrechte verweigert werden. Wer sich selbst als Moslem sieht, ist in der Mithaftung für Terror, Tod und Diktaturen, so wie jeder Katholik für den Missbrauch in der Kirche mithaftet, jeder Buddhist sich den guten Ruf des Dalai Lama zuschreiben lassen darf, jeder Rechtsradikale die Taten der NSU mitzuverantworten hat und jeder Sozialdemokrat sich für Sigmar Gabriels populistische Brief-Aktion schämen muss.

Samstag, 10. Januar 2015

Opfer-Nationen des Sowjet-Terrors

Deutsche Soldaten und ein Bandera-Mann in einer Kampfpause seinerzeit in Voloshynivka, wenig später griff der russische Aggressor erneut an.
Nur wer die Geschichte kennt, kann die Zukunft gestalten - und mit dem ukrainischen Ministerpräsidenten Arseni Jazenjuk hat Deutschland nun endlich einen Partner, der dieselbe Geschichte kennt wie die führenden Politiker der Parteien des demokratischen Blocks.

Die geht so: Damals, vor über 60 Jahren, standen Deutsche und Ukrainer schon einmal gemeinsam in einem großen Abwehrkampf gegen die sowjetischen Eroberer. Die folgten dem ewigen Muster des russischen Expansionsdrangs, sie drangen erst in die Ukraine ein, ermordeten zahlreiche Freiheitskämpfer und unterdrückten alle nationalen Bewegungen. Anschließend marschierten sie nach Deutschland weiter, wo sie es genauso hielten.

Russland, das teuflische Gigantenreich, hat seitdem nichts dazugelernt. Auch im letzten Jahr schickte der derzeitige Zar Putin wieder Truppen in die Ukraine, auch diesmal könnte das nur eine Zwischenstation auf dem erneuten Marsch nach Deutschland sein, wie Arseni Jazenjuk jetzt im Gespräch mit der Kriegsberichterstatterin Pinar Atalay warnte.

Der "Spiegel", der seit Monaten bestrebt ist, nach und nach alle Grenzen zwischen Satire und ernster Berichterstattung zu verwischen, zitiert Jazenjuks Erkenntnis, dass "alle sehr gut an den sowjetischen Einmarsch in die Ukraine und nach Deutschland erinnern" könnten: Ein Bild, das die Ukraine und Deutschland einträchtig nebeneinander sieht, zwei Opfernationen des Sowjetterrors, die auch durch diese gemeinsame Geschichte des Kampfes gegen einen übermächtigen und unmenschlichen Feind zu natürlichen Verbündeten werden.

Zusammen kann es gelingen, die Ukraine als europäischen Brückenkopf gegen Russland zu verteidigen. Noch einmal darf es nicht zu einem russischen Einmarsch "in die Ukraine und nach Deutschland" kommen, noch einmal darf keine russische Armee von Osten her einreitend Faschisten jagen und nationalsozialistische Diktaturen beenden. Die EU muss der Ukraine jetzt endlich mit Milliardenhilfen unter die Arme greifen, Sparprogramme dort - etwa bei der Auszahlung der Renten im Ostteil des Landes - laufen bereits und werden das Land schnell fit für die EU-Aufnahme und eine Einführung des Euro machen.

Russland muss lernen, dass sein falsches und illegales Handeln ihm keine Vorteile bringt, Putin muss das öffentlich eingestehen und sich entschuldigen. Dann können deutsche Hilfstruppen die verfassungsmäßige Ordnung in der gesamten Ukraine wieder herstellen, die Ermittlungen zu den Schüssen auf dem Maidan und zum Brand im Gewerkschaftshaus beenden und die Krim zurückerobern. Die Halbinsel ist und bleibt ukrainisches Territorium, so wie Breslau und Danzig immer deutsch bleiben, Pula italienisch, Kreta venezianisch und Gibraltar spanisch. Jedes angebliche Referendum ist eine Farce und daher als null und nichtig zu betrachten.

Neue Petition: Fans rufen nach Daniel Frahn

Kurz vor Weihnachten stellte ihm der Brausehersteller den Stuhl vor die Tür. Daniel Frahn, Mannschaftskapitän und Rekordtorschütze des Leipziger Bundesligisten Rasenball Leipzig, soll Platz machen für einen neuen Mann, der mehr Tore schießt. RB Leipzig will aufsteigen, auch der Umstand, dass der gebürtige Potsdamer über Jahre das Gesicht der Mannschaft war, mit der er in fünf Jahren zweimal aufstieg, hindert die Vereinsführung des Konserverklubs nicht, sich von Frahn zu trennen.

Eine Chance für den Halleschen FC, findet eine Gruppe von engagierten HFC-Fans aus der Nachbarstadt. Während die Vereinsführung des HFC sich noch sträubt, den 27-Jährigen aus Leipzig zu holen, starteten die Fans eine Petition, die die HFC-Spitze genau dazu veranlassen soll. Ungeachtet der Tatsache, dass Frahn wegen seiner Auftritte in Spielen gegen den HFC bei einem Teil der Fans verhasst ist, müsse der Vorstand handeln und den ehemaligen U19-Nationalspieler nach Halle holen.

Die Argumente, die die Petenten anführen, wiegen schwer. Einerseits bestreiten sie mit Blick auf Frahns Karriere, dass der Mann aus Brandenburg ein Legionär ist, wie ihm seine Gegner häufig vorwerfen. das ganze Gegenteil sei wahr, heißt es in der Petition: In seiner gesamten, inzwischen neuen Jahre währenden Laufbahn habe Frahn erst in drei Vereinen als Profi gespielt. Einem Jahr bei der zweiten Mannschaft von Hertha BSC folgten drei bei Babelsberg 04, seit 2010 spielt Frahn bei RB Leipzig - länger steht beim HFC nur Patrick Mouaya im Aufgebot.

Das spreche für die Treue des Potsdamers, der auch seine Leistungsdaten als Argument vorbringen kann. Wo Frahn spielt, wird unweigerlich aufgestiegen: 09/10 führte der 1,87-Mann Babelsberg in die 3. Liga, 2012/13 schoss er RB Leipzig nach oben, 2013/14 folgte der Aufstieg in die zweite Liga.

Das kommt, weil Daniel Frahn in Regionalliga wie 3. Liga zuverlässig trifft. In 237 Spielen in der konnte er 132 Mal jubeln, in 34 Drittligaspielen erzielte er immerhin auch noch 19 Tore. Zum Vergleich: Timo Furuholm, in einer ähnlichen Gehaltsliga spielend und seit drei Jahren regelmäßig treffsicherster HFC-Schütze, schafft eine Quote, die mehr als ein Drittel niedriger liegt.

Mit Frahn und Furuholm, glauben die Petenten, könne der derzeit noch so sturm- und heimschwache HFC zu den besten Mannschaften der 3. Liga aufschließen. Frahns durchschnittlich 17 Tore pro Spielzeit hätten schon in der Hinrunde etwa neun Tore zur HFC-Bilanz addiert. Mit 36 geschossenen Toren läge der HFC gleichauf mit Osnabrück auf Platz 2 der torgefährlichsten Teams der 3. Liga. Die "Baustelle Sturm" (Petition) beim HFC wäre damit geschlossen, eine Stabilisierung im Abwehrbereich um etwa zehn Gegentore pro Saison vorausgesetzt, müsste der Hallesche FC im kommenden Spieljahr als einer der Aufstiegsfavoriten gelten.

Denn nicht zuletzt spreche für Frahn dessen "Bayern-Gen", eine oft als Arroganz missverstandene Siegesgewissheit, die dem HFC-Team seit dem Abgang von Ex-Kapitän Maik Wagefeld völlig abgeht. Frahn habe, sind die Petenten sicher, das Selbstbewusstsein, nach erzielten Toren dorthin zu gehen, wo es wehtut, nämlich in die Fankurve des Gegners, sich aufzuplustern und so klarzumachen, dass er die Punkte auf jeden Fall mit nach Hause nehmen werde.

Spätestens, wenn Daniel Frahn seine ersten vier, fünf Treffer erzielt habe, werde auch die Fankurve das erkennen, glauben die Petitionseinreicher. Schließlich habe auch der einst vom verhassten FC Magdeburg gekommene Adolphus Ofodile seinerzeit in Halle die Herzen erobert, auch gegen den Vielwechsler Francky Sembolo, mit sieben Vereinen in fünf Jahren ein Legionär wie aus dem Bilderbuch, hatten die HFC-Ultras ja nach dessen ersten Torerfolgen nichts mehr einzuwenden gehabt.

Zur Unterzeichnung der Petition

Freitag, 9. Januar 2015

"Verkaufen ist alles": Das haben sie nun davon

“Franzose provoziert mit Mohammed-Comic” (BILD)

“Charlie Hebdo provoziert neuen Affront” (Bayrischer Rundfunk)

“Charlie Hebdo sucht Streit” (n-tv)

“Nun setzt das französische Satireblatt schon wieder auf Provokation.” (Süddeutsche Zeitung)

Warum eigentlich?

Ein Großteil der vier Millionen Muslime in Deutschland fühlt sich einer Studie zufolge Staat und Gesellschaft eng verbunden. Die restlichen 78 Millionen der Bevölkerung aber nimmt das mit Absicht kaum wahr und steht dem Islam immer kritischer gegenüber, wie eine Sonderauswertung "Islam" des Religionsmonitors der Bertelsmann-Stiftung zeigt. "Für Muslime ist Deutschland inzwischen Heimat. Sie sehen sich aber mit einem Negativ-Image konfrontiert, das anscheinend durch eine Minderheit von radikalen Islamisten geprägt wird", klagt Yasemin El-Menour, Islam-Expertin der Stiftung.

Das erstaunt die Experten. Obwohl sogar 90 Prozent der wenigen hochreligiösen Muslime in Deutschland die Demokratie für eine gute Regierungsform hielten, werde ihnen das nicht gedankt. Klare Folge: Obwohl nur fünf Prozent der in Deutschland lebenden Menschen Muslime sind, schafft es einer von zehn Befragten, in seiner Freizeit keinerlei Kontakt zu Nicht-Muslimen zu haben. Nur die Hälfte aller Befragten hatte mindestens genauso viele Kontakte außerhalb der Religionsgemeinschaft wie mit Muslimen, die andere Hälfte hingegen bevorzugt auch in der Fremde den Umgang mit den vier Gleichgläubigen gegenüber dem mit Angehörigen anderer Religionen oder Atheisten.

63 Prozent derjenigen Befragten, die sich als ziemlich oder sehr religiös bezeichnen, zweifeln nach eigenen Angaben regelmäßig an ihrem Glauben. Etwa alle zwei Wochen, meist nach islamistischen Anschlägen, fragen sie sich, ob sie sich durch ihre Anhängerschaft an Allah genauso mitschuldig machen wie die Nazi-Mitläufer seinerzeit in Deutschland oder die gläubigen Kommunisten zur Stalinzeit. Oder ob die Ausrede, man habe von all dem ja nicht gewusst, noch einmal zieht.

Einer Hochzeit unter homosexuellen Paaren stimmen allerdings 40 Prozent von ihnen trotzdem nicht zu, von den hochreligiösen Befragten mit eher unumstößlichen Glaubensgrundsätzen sind sogar 60 Prozent strikt dagegen. Eine intolerante Einstellung, die die Betroffenen meist mit einem Hinweis auf ihren Glauben entschuldigen. 44 Prozent stimmen nach einer Umfrage des Islaminstituts der Aussage „eher“ oder „völlig zu“, dass „Muslime, die im bewaffneten Kampf für den Glauben sterben, ins Paradies“ kommen. Knapp unter 40 Prozent halten zudem „die Anwendung physischer Gewalt als Reaktion auf die Bedrohung des Islams durch den Westen für legitim“.

Völlig unklar ist den Experten, weshalb die negative Sicht auf den Islam in der Bevölkerung zuletzt zugenommen hat. 57 Prozent der befragten Nicht-Muslime empfinden die jüngste Buch-Religion inzwischen als Bedrohung - im Jahr 2012 waren es noch nur 53 Prozent. 61 Prozent der Nicht-Muslime glauben sogar, dass der Islam nicht in die westliche Welt passe (2012: 52 Prozent), obwohl er seit einer Entscheidung des früheren Bundespräsidenten Wulff schon mehrere Jahre zu Deutschland gehört.

Das negative Islam-Bild ist dabei nach Beobachtungen der Forscher nicht abhängig von Bildungsniveau, politischer Orientierung oder sozialem Status. Entscheidender sei das Alter und der persönliche Kontakt zu Muslimen, so ein Fazit der Studie. Von den Über-54-jährigen Nicht-Muslimen fühlen sich 61 Prozent durch den Islam bedroht. Bei den Unter-25-Jährigen sind es nur 39 Prozent.

Die Angst vor dem Islam ist dort am größten, wo die wenigsten Muslime leben: In Nordrhein-Westfalen, wo jeder dritte deutsche Muslim zu Hause ist, fühlen sich 46 Prozent bedroht. In Thüringen mit nur sehr wenigen Muslimen sehen sich 70 Prozent vom Islam bedroht. In Hamburg Alsterlagen/Harvestehude dagegen, wo noch weniger Muslime leben, ist es gar keiner.

Der Religionsmonitor basiert auf repräsentativen internationalen Bevölkerungsumfragen aus dem Jahr 2013, mit 14.000 Befragten aus 13 Ländern. Um das Meinungsbild in Deutschland zu erfassen, befragte das Forschungsinstitut TNS Emnid für die Stiftung Ende November 2014 repräsentativ 937 nicht muslimisch geprägte Menschen über 16 Jahre.

Der Terror ist ein Teil von uns

Donnerstag, 8. Januar 2015

Zitate zur Zeit: Gleich und gleich

"Wir verurteilen den Terror, genauso wie wir das würdelose Ausschlachten des Pariser Anschlags durch "Islamisierungsgegner" verurteilen, welche versuchen, auf dem Rücken von Toten Fremdenfeindlichkeit zu schüren."

Die Facebook-Seite des Bündnis "Dresden für alle", das die Gegendemonstrationen gegen Pegida organisiert, nimmt mit vier Worten zum Tod von zwölf Menschen Stellung.

Und mit 18 zum Missbrauch des Anschlags durch Islamisierungsgegner.

Charlie Hebdo: Waren es vielleicht doch militante Tierschützer?

Waren es wieder militante Tierschützer? Mitglieder einer fünften Kolonne aus Russland, die Frankreich für die Nichtauslieferung zweier Hubschrauberträger bestrafen wollte? Die verschwundene vierte Generation der RAF? Brutale Hooligans? Der mörderische NSU? Trittbrettfahrer, die der schwächelnden Pegida-Bewegung in Deutschland zu neuem Aufschwung verhelfen wollen?

Der "Spiegel" war sich noch fünf Stunden nach dem Terroranschlag auf das französische Satiremagazin "Charlie Hebdo" nicht sicher, wer da wohl weshalb zu den Waffen gegriffen haben könnte. "Das Pariser Satiremagazin "Charlie Hebdo" ist weltweit bekannt geworden, weil es mehrfach Mohammed-Karikaturen veröffentlicht hat", robbte ein Fabian Reinbold in die Nähe des verminten Bereich all dessen, was nicht gedacht und noch weniger gesagt werden darf. "Wurden die Redakteure deshalb zum Ziel?"

Eigentlich kaum vorstellbar. Jetzt gilt es, eine Berichterstattung zu liefern, ohne den Falschen in die Hände zu spielen oder ihnen auch nur eine Plattform zu bieten. Ein bisschen sind die Macher von Charlie Hebdo ja auch mitverantwortlich für die Taten der zwei verwirrten Einzeltäter. Wer mit "provokanten Mohammed-Karikaturen für Schlagzeilen" sorgt, muss damit rechnen, dass er eines Tages im eiskalten Gegenwind steht.

Mit dem Islam, einer toleranten und friedlichen Weltreligion, hat das nichts zu tun. Der Islam ist zwar in nicht weniger als elf der zwölf Länder, in denen Christen am schärfsten verfolgt werden, Staatsreligion. Aber nach einer aktuellen Untersuchung des christlichen Hilfswerks Open Doors ist auch hier "islamischer Extremismus" die Haupttriebkraft der Verfolgung, nicht der Islam an sich.

Was nun getan werden muss, liegt auf der Hand. Der französische Schriftsteller Michel Houllebecq, der die Umma mit seinem neuen Roman "Unterwerfung" zu provozieren versucht, bekommt zwanzig Polizisten vor die Tür gestellt. Der deutsche Kabarettist Dieter Nuhr schliesst seine Tür künftig zweimal ab. Die Politik wirft sich verbal für die Pressefreiheit in die Bresche. Der Innenminister fordert das Videoportal Youtube auf, Videos vom Attentat aus dem Netz nehmen. Es gibt keine Zensur. Aber Pegida. Und so wie vorgestern in Frankreich, gibt es heute auch in Deutschland keine Hinweise auf geplante Anschläge. Zudem bitte er zu beachten: "Die Anschläge von Paris haben nichts mit dem Islam zu tun."

Die Medien, die es seinerzeit wie ein Mann vermieden, Mohammed-Karikaturen zu veröffentlichten, um keinen Rechtgläubigen zu provozieren, solidarisieren sich floskelhaft. Der "Spiegel" entdeckt einen "Anschlag auf den Kern der westlichen Gesellschaften: die Meinungsfreiheit, den Pluralismus, die Toleranz". Der "Tagesspiegel" veröffentlicht aus Solidarität Hitlerkarikaturen. Die Patriotischen Prominenten für das Abendland gratulieren sich selbst zum Mundhalten. Und der Rest bloggt unter Pseudonym.

Freiheit sieht anders aus.
Nun erst recht

Mittwoch, 7. Januar 2015

Das hat natürlich alles mit nichts zu tun


Das hat zum Glück natürlich alles mit nichts zu tun.

Schuld sind - diesmal zwei - verwirrte Einzeltäter.

Charlie Hebdo

Eine Stadt, ein Land, ein Volk

Seit Monaten bringen sie mit ihren unabgestimmten Demonstrationen Deutschland in Verruf, so dass sich kaum noch ein Flüchtling oder Asylbewerber ins Land wagt. Zu groß ist die Angst vor den dreisten Pegida-Demonstranten, die sich allmontäglich in Dresden zusammenrotten, als gehöre Deutschland auch ihnen und sie hätten das Recht, ihre abstrusen Ansichten und kruden Thesen öffentlich verbreiten zu dürfen.

Erstmals haben Anfang der Woche die verbliebenen gesunden Kräfte des Volkes dagegen mobil gemacht. Kirchenväter verdunkelten mutig ihre Gotteshäuser, Schulter an Schulter gingen Gewerkschaftler, Linke, SPD, Grüne, die moderaten Islamisten von Milli Görus, Wolfgang Niedecken und der linksautonome Block gegen die Faschisten aus Sachsen auf die Straße. Motto der Veranstaltung: Wenn Dresden, wo es kaum Moslems gibt, gegen den Islam protestieren kann, dann kann Köln, wo es kaum Pegida-Anhänger gibt, auch gegen Pegida-Anhänger marschieren.

In Dresden ist die Scham offenbar riesengroß. Endlich will nun auch die Stadt der Intoleranten, der Ausländerfeinde und Islamhasser ein sichtbares Zeichen gegen Intoleranz und Ausländerfeindlichkeit setzen. Angeführt von Oberbürgermeisterin Helma Orosz (61, CDU) ruft eine breite Bürgerkoalition mit Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (55, CDU) an der Spitze zur Demonstration der Demokraten vor die einst von einem Zuwanderer aus  Brandenburgischen gebaute Frauenkirche.

Zur Kundgebung „Ein Volk, ein Reich, ein Führer" "Eine Stadt, ein Land, ein Volk“ werden mehr als 20.000 Menschen erwartet, die klarmachen, dass Dresden anders ist, als die Montagsspaziergänge der rechtsextremen Pegida-Mischpoke vermuten lassen. Oberbürgermeisterin Orosz verspricht sich von der machtvollen Manifestation des wahren Bürgerwillens den Start eines „Dialoges“ zwischen Staat und Volk, wie ihn DDR-Staatschef Egon Krenz seinerzeit so erfolgreich mit den Demonstranten des Herbst 1989 führte.

Patriotische Prominente für das Abendland

Da hat sie sich völlig verrannt, die Schriftstellerin Monika Maron. Die bereits zu DDR-Zeiten immer schwer quer zum herrschenden Konsens liegende Autorin der "Flugasche" hatte in der "Welt" behauptet, Pegida sei keine Krankheit, sondern das Symptom einer Gesellschaft, die das gegenseitige Gespräch verlernt habe. Eine Position, die aus der linken Liberalen binnen 48 Stunden eine Anhängerin von perversen Nazi-Ideen gemacht hat: Nachdem 80 Prominente auf Initiative der "Bild"-Zeitung einen Aufruf für unumschränkte Toleranz gegenüber dem Islam gestartet haben, ist Marons Position der kritischen Auseinandersetzung mit Defiziten in der gesellschaftlichen Debatte unhaltbar geworden.

Doch wann wird Maron, die als junge Frau bezeichnenderweise ein Jahr lang als Fräserin in einem Flugzeugwerk bei Dresden arbeitete, bereuen? Bei Helmut Schmidt, dem früheren Wehrmachtsoffizier und späteren Bundeskanzler, dauerte es zwanzig Jahre vom Satz „wenn das so weitergeht, gibt´s Mord und Totschlag, denn es sind zu viele Ausländer bei uns“ (Helmut Schmidt (SPD), Bundeskanzler, Frankfurter Rundschau v. 28.11.94) bis zur Erkenntnis, dass die Proteste der Pegida an "dumpfe Vorurteile, an Fremdenhass und Intoleranz" appellieren und "Deutschland weltoffen und tolerant bleiben" müsse.

Schmidt, der im "Focus" vor zehn Jahren noch gefordert hatte, dass Deutschland „eine weitere Zuwanderung aus fremden Kulturen unterbinden" müsse, weil Zuwanderung "als Mittel gegen die Überalterung nicht in Frage" komme, hat umgedacht. Damals glaubte der Mann, zu dem die Deutschen aufschauen wie zu kaum einem anderen, dass „die Zuwanderung von Menschen aus dem Osten Anatoliens oder aus Schwarzafrika das Problem nicht" löse, es schaffe nur "ein zusätzliches dickes Problem“. Heute ist er - begründungslos - entgegengesetzter Ansicht.

Es gibt kein Grau mehr, nur noch Schwarz oder Weiß, ganz wie damals in der DDR, die ohne jeden Zweifel an der alleinzulässigen Ideologie in den Orkus fuhr. Wer gegen grenzenlose Zuwanderung ist, ist gegen jede Zuwanderung, wer gegen die ist, die gegen Zuwanderung sind, ist für die unumschränkte Aufnahme aller. Wer das für illusorisch hält und darauf verweist, dass die jungen, aktiven und häufig demokratisch gesinnten und gut ausgebildeten Menschen, die aus Serbien, Tunesien, Mali und dem Irak nach Deutschland kommen, in ihren Heimatländern beim Aufbau einer funktionierenden Zivilgesellschaft ebenso fehlen wie beim Aufbau einer funktionierenden Wirtschaft, muss sich als mitleidslos und menschenverachtend kritisieren lassen. Dass er sich nicht schämt.

Zeit für einfache Wahrheiten, die keine sind. „Die Menschen, die jetzt zu uns kommen, flüchten vor einem bestialischen IS-Terror, vor dem Krieg gegen ihre Familien", sagt Familienministerin Manuela Schwesig, die damit erstmals öffentlich macht, dass der IS mittlerweile offenbar auch Serbien, Albanien, den Kosovo, Bosnien und Mazedonien erobert hat - fünf der zehn Länder, aus denen zuletzt die meisten Asylbewerber nach Deutschland kamen.

Ist ein Hinweis darauf noch erlaubt? Darf der Begriff "Wirtschaftsflüchtling" noch benutzt werden? Ist ein Hinweis auf die verheerende Destabilisierungspolitik des Westens im Osten und im Süden, die erst zum Sturz von Diktatoren und dann zum Anschwellen der Flüchtlingsströme führte, noch gestattet? Wird demnächst allen, die auf ihrem Recht beharren, eine eigene Meinung sagen zu dürfen, auch wenn sie nicht identisch ist mit der von Kanzlerin, Bild-Chefredakteur, Außenminister und "Spiegel"-Konsens, nicht nur das Licht abgedreht, sondern auch das Finanzamt nach Hause geschickt oder gleich die kommunale Wohnung gekündigt?

Eine Diskussion über Wege, Ziele und Möglichkeiten findet nicht mehr statt, wo sich die eilfertigen Nachdemmundreder aller Parteien vorsorglich stets im Schutz einer vermuteten Mehrheitsmeinung bewegen, die keinen Widerspruch mehr duldet. Rechts ist alles, was nicht links ist, auf der Flucht vor Missverständnissen scheint vorauseilender Gehorsam dem Korpsgeist der politischen Klasse gegenüber selbst einem Greis wie Helmut Schmidt inzwischen karrieredienlicher als das offene Wort des elder statesman.

Wo das hinführt, ist allenhalben schon zu besichtigen: Unter der Promi-Parade der Patrioten in der "Bild" explodierte am Wochenende ein Forum. Der Tenor war in etwa: Naja, Schröder und Schmidt müssen ja nicht nachts mit der Straßenbahn fahren. Nach 300 Kommentaren in den ersten beiden Stunden wurde allen Hetzern, Ketzern, Abweichlern und Nörglern der Saft abgedreht. Die Kommentare verschwanden komplett. Der Frieden war wiederhergestellt.

Liebe Leserin, lieber Leser, zu diesem Thema ist keine Kommentierung möglich. Weitere Hinweise finden Sie in unserer Netiquette. Wir danken für Ihr Verständnis.

Dienstag, 6. Januar 2015

Austreten verboten

Ein weiteres Mal ist es weltgeschichtliches Neuland, das die EU-Kommission mit ihrer Ankündigung betritt, dass die Mitgliedschaft in der Eurozone „unwiderruflich“ sei. Griechenland könne aus der Gemeinschaftswährung schon allein deshalb nicht aussteigen, weil eine Mitgliedschaft in der Eurozone für alle Ewigkeit gedacht sei, hatte die Kommission in der Diskussion um den von Bundeskanzlerin Angela Merkel als „verschmerzbar“ bezeichneten „Grexit“ verkünden lassen.

Die Europa-Regierung zeigt damit klare Kante in einer „hypothetischen Diskussion“ (Bundesregierung). Der Artikel 56 der Wiener Vertragsrechtskonvention von 1969, der bisher die Grundsätze völkerrechtlicher Verträge auch im Bezug auf deren Kündigung, den Rücktritt vom Vertrag oder die Suspendierung regelte, gelten im binnenstaatlichen Verhältnis der EU-Länder nicht mehr. Bisher ergab sich aus dem Völkerrecht zwingend, dass ein Vertrag, der keine Bestimmung über Beendigung, Kündigung oder Rücktritt enthält, sich dann kündigen lässt, wenn die Vertragsparteien bei Abschluss die Möglichkeit einer Kündigung oder eines Rücktritts zuzulassen beabsichtigten oder ein Kündigungs- oder Rücktrittsrecht sich aus der Natur des Vertrags herleiten lässt.

Das trifft nun für die Euro-Verträge nicht zu, weil sie nach den Festlegungen der EU-Kommission von Anfang an für immer gelten sollen. Griechenland kann sich auch nicht auf sein Recht nach Artikel 60 berufen, das eine Beendigung oder Suspendierung eines Vertrags infolge Vertragsverletzung ermöglicht. Zwar hat Griechenland von Anfang gelogen und betrogen, um den Euro zu bekommen. Aber diese erhebliche Verletzung des Vertrags durch eine Vertragspartei berechtigt nicht diese, sondern nur alle anderen Vertragspartei, die Vertragsverletzung als Grund für die Beendigung des Vertrags oder für seine gänzliche oder teilweise Suspendierung geltend zu machen. Gehen kann nur, wer gegangen wird.

Deutschland erwacht

Ein Volk steht auf, ein Sturm bricht los! Während in Dresden wieder 18.000 Anhänger der Anti-Islam-Bewegung Pegida aufmarschieren, versammelt sich bundesweit das andere, das bessere Deutschland. Zigtausende sind hier auf den Straßen, "Bild" berichtet live. In der Kölner Innenstadt blieb das Licht aus, nachdem der Stromversorger Rhein-Energie die Versorgung unterbrochen hatte. Auch die Brücken und die Altstadt wurden nicht angestrahlt. Ein Pegida-Marsch wurde von der Polizei gestoppt, ehe er beginnen konnte. Zu einer Gegendemo von SPD, Grünen und Linken in Dresden kamen 150 Personen.

Gegner von Pegida sammelten sich auch in Berlin und Stuttgart. Aus Protest gegen Fremdenfeindlichkeit schaltete der Berliner Senat die Beleuchtung des Brandenburger Tores aus. VW stellte in Dresden die Beleuchtung ab: Unter dem Motto "Köln bleibt demokratisch, Dresden wird wieder demokratisch und München wird nie undemokratisch" demonstrierten die Gegner des Bündnisses "Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes. Zu ihrer Manifestation gehörten auch die Fahnenträger mit Bannern von SPD, Linken, Gewerkschaften, der islamischen Gemeinschaft Milli Görüs („Nationale Sicht“) und der linksradikalen Antifa, die ein eindrucksvolles Bild abgaben.

Auch prominente Bundespolitiker zeigten sich wieder inmitten der Menge, die für Meinungsfreiheit und Toleranz demonstrierte. Justizminister Heiko Maas (SPD) sprach von einer "Schande", auch der Berliner SPD-Landesvorsitzende Jan Stöß mischte sich unter die Menge. Die Grünen-Politikerin und Vizepräsidentin des Bundestags, Claudia Roth, und die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt nahmen an einer Kundgebung des Türkischen Bundes am Brandenburger Tor teil, zu der 1000 Menschen gekommen waren, um ein machtvolles Zeichen gegen Rassismus zu setzen.

Inzwischen bietet die Deutsche Volkszeitung eine neue Schlagzeilenvariante:

Montag, 5. Januar 2015

Pegida: Kunstfigur feiert Medienerfolg


Wiedermal ein ernster und akuter Fall von Satirealität: Nachdem das Internet-Humorblatt Der Postillon mit der Meldung „Nach internen Querelen: Pegida-Demo in Dresden abgesagt“ vorgesprescht war, tobte die Medienmeute fröhlich hinterher. Eine über die Trickseite Tinyur1.co gefälschte „Spiegel“-Seite adelte die vom Postillon exklusiv verkündete Absage der Demonstration in Dresden, die nach Angaben des Satireblattes vom „Mitorganisator Lars Kressmann“ auf dessen privater Facebook-Seite verkündet worden war. Kressmann habe wegen interner Streitigkeiten die Anmeldung der Demonstration bei der Stadt zurückgezogen.

RP Online und die SHZ verbreiteten die Nachricht als erste weiter, auch sie bezogen sich auf den vermeintlichen „Mitorganisator Lars Kressmann“, der nach „Zankereien um den Posten des Führers der Bewegung der Auslöser für das Zerwürfnis“ gewesen sei.

Dabei übersahen alle Blätter gern, dass der angebliche „Lars Kressmann aus dem Orga-Team" nie existiert hat. Es handelt sich bei der Figur, die im Laufe des Tages ihren Facebook-Account verlor, dafür aber eine Seite „Solidarität mit Lars Kressmann“ gewann, um eine Erfindung des Postillon, auf die die versammelte „Lügenpresse“ (Pegida) bereitwillig hereinfiel. Die richtigen Pegida-Organisatoren sahen sich bemüßigt, die Veranstaltungsabsage zu dementieren, der Postillon ließ den erfundenen Mitorganisator Lars Kressmann daraufhin das Dementi dementieren. Teilnehmer der abgesagten Demonstration müssten mit Massenverhaftungen rechnen, drohte die Kunstfigur.

Draußen im Land, wo mutige Frauen und Männer in ganz Deutschland das Licht ausdrehen, wo immer die perverse“ (Braunschweiger Altbischof Christian Krause) „Mischpoke“ (Cem Özdemir) der Pegida-Spaziergänger auftaucht, wird so etwas unterdessen genau so gern geglaubt wie die Leitmedien-Redakteure an erfundene Mitorganisatoren glauben.

Am späten Abend dann, die Berliner Politik hatte alle Wortmeldungen in allen Zeitungen durchgezählt und eine klare Mehrheit für den Kampf gegen ermittelt, ist ein weiterer großer Sieg gegen den Ungeist vergangener Tage zu feiern, diesmal eben auch errungen mit Hilfe des Humors.

Pressearbeit in Zeiten der Regierungschefverfolgung

So ein Prozess wegen der Weigerung, fällige Verfahrensgebühren zu bezahlen, ist eine ärgerliche Sache. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow aber reagiert hochprofessionell auf die Nachwehen eines Verfahrens gegen sich, der einmal bereits eingestellt war, dann aber weiterging, weil der Linken-Politiker sich weigerte, seine Anwaltskosten selbst zu zahlen. Das Verfahren war im Mai 2014 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten wegen Geringfügigkeit nach § 153 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) eingestellt worden, wobei das Amtsgericht allerdings nicht auf Ramelows Bedingung einging, dass der Staat dessen Anwaltskosten übernehmen sollte.

Automatisch wurde das bereits beigelegte Verfahren erneut gestartet, das Gericht beantragte die Aufhebung der Immunität des Abgeordneten - und gab Ramelow damit die Gelegenheit, wilde Verschwörungstheorien per Pressemitteilung zu veröffentlichen.

Danach hält der Landesvater Thüringens die Strafverfolgung, die letztlich dem Ziel dient, herauszufinden, ob er sich schuldig gemacht hat, für "politisch motiviert". Dahinter stecken, so Ramelow, womöglich "Rechte", die bekanntlich bundesweit immer mehr Macht erobern. In Dresden regieren sie jeden Montagabend bereits auf den Straßen, nun, glaubt Ramelow, strecken sie ihre Hände auch nach dem demokratischen Thüringen aus.

Ramelow geht in die Offensive: Weil die sächsische Justiz wegen seiner Teilnahme an Protesten gegen einen Dresdner Neonazi-Aufmarsch im Jahr 2010 beim Landtag die Aufhebung seiner Immunität beantragt hat, die der Ältestenrat nunmehr in Kürze ohnehin aufheben wird, hat der frischgebackene Ministerpräsident den Landtag nun selbst gebeten, seine Abgeordneten-Immunität aufzuheben.

"Ich selbst wünsche ausdrücklich die Aufhebung der Immunität", schreibt Ramelow in einen rechtlich völlig bedeutungslosen Brief an Landtagspräsident Christian Carius, der nichtsdestotrotz bundesweit in allen Zeitungen zitiert wird.

Ramelow, ein begnadeter Öffentlichkeitsarbeiter, erweckt damit den Eindruck, als hänge der Fortgang des Verfahrens von ihm ab; er agiert scheinbar als Subjekt in einer Situation, in der er Objekt ist. Und würzt das Ganze mit scharfen Worten gegen die unabhängige deutsche Justiz, eigentlich ein Pfeiler der bundesdeutschen Demokratie. Diese übe "eine Form von politischer Belästigung, die Menschen einschüchtern soll, die gegen Nazis ihre Stimme erheben", behauptet Ramelow.

Seinen Antrag auf Aufhebung der Immunität begründet er in dem Brief damit, dass nur so "diese für mich bis heute völlig inakzeptable Strafverfolgung beendet werden kann und ich Gelegenheit erhalte, mich sachgerecht zu verteidigen".

Euro: Keine Träne für Athen

Im September 2012 entschloss sich Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Funktion als Vollstreckerin des Hades-Planes, trotz wirtschaftlichem und finanzpolitischem Gegenwind keine Abstriche vom Ziel eines unter deutscher Führung harmonisierten, bei Deutschland verschuldeten und mit deutschen Produkten versorgten Europa zu machen. Griechenland, nach Jahren der Krise nur noch tiefer in die Krise gerutscht, dürfe nicht aus dem Euro-Verbund austreten, beschloss die Kanzlerin.

"Die Grundsatzentscheidung zugunsten Griechenlands fiel im Kanzleramt, noch bevor die Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds diese Woche zu ihrer neuen Erkundungsmission nach Athen aufbrach", berichtete der "Spiegel" . Zu hoch seien die Kosten, die finanziellen, aber auch die politischen: Ein Austritt eines Eurolandes könne den weiterer nach sich ziehen, das gesamte Euro-Projekt stände vor dem Aus, blamabel für die politischen Eliten und im Hades-Plan nicht vorgesehen.

"Sollte Griechenland den Euro-Raum verlassen, würde das Land finanziell sterben", darüber waren sich Leitmedien und europäische Politik wie immer einig. Ebenso wie sie sich zweieinhalb Jahre später einig sind: Wie der "Spiegel", eine Art Amtsblatt der Euro-Rettung, berichtet, ist Angela Merkel inzwischen bereit, "Griechenland entgegen der bisherigen Linie notfalls auch aus der Eurozone ausscheiden zu lassen". Merkel fürchte Euro-Austritt der Griechen nicht mehr. Sollte die reformkritische Syriza-Partei nach den Parlamentswahlen am 25. Januar die Regierung übernehmen, den Sparkurs aufgeben und die Schulden des Landes nicht mehr bedienen, sei der Austritt sogar unausweichlich.

Eine Kehrtwendung, die in Wahrheit freilich keine ist. Denn was 2012 eine "teure Option" (Handelsblatt) mit "unbeherrschbaren Folgen" war, käme heute weder billiger noch wären die Folgen überschaubarer. Immer noch gäbe es zudem kein geregeltes Austrittsverfahren, weil die Väter der Euro-Zone keinen Ausstiegsanreiz durch die Schaffung einer Rechtsgrundlage für ausstiegswillige Länder schaffen wollten.

Nein, Merkel und Schäuble verhalten sich mit ihrer Volte in Richtung "dann geht doch rüber" rational in der Logik ihres gewohnten Führungsstils: War die Drohung an Ausstiegswillige einst die, dass niemand gehen könne, weil alle Schicksale miteinander verwoben seien, so droht man nun im Stil von Erich Honecker und Andrea Nahles. Keine Träne für Griechenland, die werden schon sehen, was sie davon haben.

Europa, regiert mit Angst. In der Hoffnung, der Grieche werde - wie zuletzt der Schotte - in der Minute der Entscheidung doch zurückschrecken vor unabsehbaren Entwicklungen mit "unbeherrschbaren Folgen". Griechenlands Austritt wäre wirtschaftlich schon immer verkraftbar gewesen, politisch aber ist er es bis heute nicht. Die Schulden Griechenlands beliefen sich Ende 2009 auf 300 Milliarden Euro, seitdem hat Europa dem Land mit rund 300 Milliarden Euro beim Überleben geholfen. Mit Erfolg. Und der Folge, dass die griechischen Schulden heute bei etwa 314 Milliarden Euro liegen.

So war das: Der Tag, als Griechenland aus dem Euro flog

Sonntag, 4. Januar 2015

Es sieht vielleicht danach aus, aber...

Der kleine Sigi aus Goslar-Jürgenohl. Zweites Kind des Nazi-Kommunalbeamten Walter Gabriel. Der ehemalige Nachtportier. Der Volksschullehrer. Der stramme Atlantiker von der Brücke, der engagierte Kurator von der Stiftung Schüler Helfen Leben. Der Erwachsenenlehrer. Der Mann, der Kurt Beck wegputschte. Der ehemalige Falke. Der Zahnarztgatte. Der frühere Marxist. Der gescheiterte Ministerpräsident. Der nie abgelöste Pop-Beauftragte. Der einstige Vizepräsident der Sozialistischen Internationale. Der Volkswagen-Lobbyist. Der Glühbirnenverbieter.

Er will Russland nicht in die Knie zwingen. Obwohl er es natürlich könnte. Weil er die Macht hat, die ihm 490.000 SPD-Mitglieder und fast ein Viertel der Hälfte aller deutschen Wählerstimmen verleihen.

Arabischer Frühling: Desaster statt Demokratie

Fünf Jahre erst ist es her, dass die großen westlichen Medienhäuser begeistert nach Nordafrika schauten. Der arabische Frühling, so hieß es, sei angetreten, den Spuk der Diktaturen der Gaddafis, Mubaraks und Assads wegzufegen, junge Männer und Frauen mit Smartphones in der Hand rebellierten per Twitter und Facebook gegen den Muff von tausend Jahren. Statt der Scharia wollten sie alle ein schönes Leben wie in Paris, Berlin und Los Angeles, statt Stammeswirtschaft und Burka galt ihre ganze Sehnsucht der Errichtung von gutgelaunten Rechtsstaaten mit Gewaltenteilung und einer strikten Trennung von Macht und Religion. Was für eine tolle Geschichte, die unwiderstehlich über Tunesien, Libyen, Ägypten bis nach Syrien rollte. Kein Stein blieb auf dem anderen, kaum ein Diktatorenkopf ungekürzt. Herrschen wie Hosni Mubarak, die so lange im Amt waren, dass kaum noch jemand sich erinnert, dass es vor ihnen andere gab, lagen plötzlich im Krankenhausbett vor Gericht und mussten sich für ihre Untaten verantworten.

Die Macht im Staate aber übernahmen dann doch nicht die Twitter-Rebellen und Facebook-Revolutionäre. Sondern hartgesottene Islamisten. Aus Ägypten, einem Land, das in ferner Vergangenheit kaum weniger liberal war als Deutschland, wurde ein Gottesstaat. Libyen zerfiel im Bürgerkrieg zwischen konkurrierenden Extremistengruppen. Tunesien rutschte unter die Herrschaft der islamistischen Partei Ennahda. In Afghanistan fällt das Land unter die Taliban zurück. In Syrien zerfleischen sich die Truppen des bis heute unbezwungenen Diktators, moderate Islamisten und knallharte Extremisten. Saudi-Arabien, der Großsponsor jeder zweiten Terrororganisation, führt die Welt am Nasenband des Ölpreises Gassi. Die benachbarte Türkei ist währenddessen ein Stück weiter in die Autokratie zurückgerutscht, der Irak hat ein Teil seines Staatsgebietes an den neuentstandenen Islamischen Staat verloren und Israel, die einzige Demokratie der Region, steht mehr denn je allein im Abwehrkampf gegen Terrororganisationen wie die Hamas, die von Europa aus für ihren "Widerstandskampf" gefeiert und vom Iran gepäppelt werden.

Wo ein Ruck in Richtung Freiheit durch eine ganze Region gehen sollte, stehen die Unterstützer und Strippenzieher im Westen fünf Jahre nach Beginn des Unternehmens Arabellion vor einem Desaster. Zehntausende sind gestorben, Ländergrenzen verschwammen, das Völkerrecht, das die Einmischung in die Angelegenheiten souveräner Staaten früher kategorisch verbot, ist nur noch ein Trümmerfeld. Und die angestrebten Ziele, im Norden Afrikas neue Märkte zu erschließen und dem Extremismus durch Wohlstand den Garaus zu machen, sind weiter entfernt als zu Zeiten des persischen Schah.

Die Reaktion darauf, sich wie im Falle der Ukraine offenkundig dramatisch verrechnet zu haben, ist dieselbe wie immer. Ein großes Schweigen hat sich über die Medienlandschaft gelegt. Wo auf dem Höhepunkt der vermeintlichen Befreiungskämpfe Liveticker über jeden bedrohten Blogger und jede krude These eines phantasiebegabten Hauptstadtjournalisten berichteten, regt sich heute kein Stift auf keinem Blatt. Der Westen hat seine Arabellion gehabt, es hat nicht geklappt, das ist Pech. Vermutlich wird irgendwo bereits am Plan für den nächsten blutigen Versuch gearbeitet.

Samstag, 3. Januar 2015

Korrelation: Schokolade bringt Nobelpreis

Bekannt ist der Zusammenhang zwischen metrischem System und Weltraumfahrt: Noch nie hat ein Land, das das metrische System benutzt, es geschafft, Menschen auf dem Mond zu landen. Dagegen schaffte es tatsächlich ein Drittel der Länder, die das metrische System nicht benutzen, auf dem Mond zu landen, dort zu filmen, zu fotografieren und eine Fahne aufzustellen.

Erstaunlich, aber noch erstaunlicher und vor allem weniger verbreitet ist das Wissen um den Zusammenhang zwischen Schokoladenverbrauch und wissenschaftlichen Höchstleistungen. Wie eine imposante Grafik von Datarep zeigt, steigt mit zunehmendem Schokoladenkonsum die Wahrscheinlichkeit, herausragende wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen. Chinesen, Japaner und Portugiesen liegen danach ganz links unten im Chart, den Mittelbau bilden mehr schokoaffine Länder wie die USA und die Niederlande, ganz recht oben aber liegen - aufsteigend - Schweden, Dänemark, Österreich und natürlich die Schweiz, die sowohl beim Konsum als auch bei der Anzahl der gesammelten Nobelpreise Weltspitze ist.

Deutschland reiht sich, in aller bekannten Bescheidenheit, im Mittelfeld ein und schafft es dabei, ungeheuer ökonomisch zu agieren. Trotz geringerem Schokoladeneinsatz, als ihn etwa Schweden vornimmt, erreichen deutsche Forscher mehr Nobelpreise, obwohl Deutsche nicht mehr Schokolade verzehren als Amerikaner, erhalten sie - pro zehn Millionen Einwohner - mehr als doppelt so viele wissenschaftliche Ehrungen aus Schweden.

Eine Statistik, die zweifellos zum Nachdenken anregt.

Blogampelamt setzt auf Identdiät

Endlich wird das Internet nun richtig sicher. Wie die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) mitteilt, hat die Nebenstelle des Bundesblogampelamtes im mecklenburgischen Warin in seiner letzten Sitzung drei weitere Lösungen zur Altersverifikation für geschlossene Benutzergruppen in Telemedien positiv bewertet hat. Es handelt sich dabei um die Systeme „Door“ der B-Such Inc., um „Ausweischeck“ von Identdiät GmbH sowie um „SelfShield“ der Self Shield Limited. Nach dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) dürfen bestimmte jugendgefährdende Inhalte im Internet nur dann verbreitet werden, wenn der Anbieter durch weltweit geschlossene Benutzergruppen sicherstellt, dass nur Erwachsene Zugriff darauf haben. Bei Unternehmen prüft das Bundesblogampelamt weltweit, ob deren Konzepte zum technischen Jugendmedienschutz den gesetzlichen Anforderungen genügen.

Bei allen drei Systemen handelt es sich um Module auf der Stufe der Identifizierung, die „Face-to-Face-Kontrollen“ per Besuch in den jeweiligen Wohnungen der Jugendlichen ermöglichen, die auf bestimmt Pornoangebote zugreifen wollen. Neben der bloßen Identifizierung durch fahrende Prüfkommandos als initiale Altersprüfung für einen wiederholten Nutzungsvorgang werden zusätzliche Sicherungsmaßnahmen ergriffen, die eine ausreichende Verlässlichkeit gemäß den KJM-Eckwerten bieten. So müssen Zugangssuchende prinzipielle eine Bescheinigung ihres Arbeitgebers und vom Finanzamt beibringen.

Das als überlegen identifizierte Konzept der Identdiät GmbH, das ab 2016 Pflicht werden soll, beruht auf mehrstufigen Identifizierungsverfahren. Die Identifikation des Nutzers erfolgt dabei in einer Kombination aus der Eingabe seiner Daten auf der Webseite des Inhalte-Anbieters, der Verifikation seiner Identität durch Angabe einer Zahlenkombination, einem eingereichten Lebenslauf, der Überwachung im Alltag durch Webcams und Fahnder, die vor dem Haus in einem Wagen warten, und durch die Übermittlung der Personalausweisdaten sowie einer Videokonferenz mit geschulten Mitarbeitern der Anbieter, bei der das Ausweisdokument, der Stammbaum, die Blutdaten und die Kreditbiografie des künftigen Nutzers geprüft werden. Nur wenn alle Schritte erfolgreich abgeschlossen wurden und keine Widersprüche auftreten, erlangt der Nutzer Zugang zum gewünschten Internetangebot.

Die KJM, die im Auftrag des Bundesblogampelampes agiert, kam nach Prüfung der Konzepte zu dem Ergebnis, dass Identdiät bei entsprechender Umsetzung als Teillösung und damit als Modul auf der Stufe der Identifizierung im Sinne der Zensurkriterien des Blogampelamtes zur Sicherstellung einer geschlossenen Benutzergruppe eignen. Das Modul alleine reiche jedoch nicht aus, um eine geschlossene Benutzergruppe zu gewährleisten, es müsse im Rahmen eines Gesamtkonzepts zur Anwendung kommen. Begleitende übergreifenden Schutzkonzepte sollen durch weitere Evaluierung entwickelt und in das Gesamtkonzept der Bundesregierung zur Ertüchtigung der Infrastruktur im Internetzeitalter eingebettet werden.

Freitag, 2. Januar 2015

Erster Friseur outet sich

Der frühere Friseur Jens Hasenbausch hat seine Heterosexualität öffentlich gemacht. „Ich äußere mich zu meiner Heterosexualität, weil ich die Diskussion über Heterosexualität unter Friseurkunden voranbringen möchte“,sagte Hasenbausch der Wochenzeitung Die Zeit. Hasenbausch, der seine Friseurlaufbahn vor vier Monaten beendet hatte, um ein Buch zu schreiben, ist somit der erste deutsche Friseur, der sich öffentlich zu seiner Heterosexualität bekennt.

In dem am ersten Weihnachtsfeiertag erscheinenden Interview spricht der Ex-Haarkünstler von „einem langwierigen und schwierigen Prozess" der Erkenntnis. „Erst in den letzten Jahren dämmerte mir, dass ich lieber mit einer Frau zusammenleben möchte“, sagt Hasenbausch.

Er habe das Gefühl, dass jetzt ein guter Moment für sein Outing gekommen sei. Im Friseurhandwerk werde das Thema „schlicht ignoriert“. Er kenne keinen Kollegen, der das zu seinem Thema gemacht habe, so Hasenbausch weiter.

„Ich bin stolz, nicht schwul zu sein“, schrieb der 53-Jährige in einem Beitrag für das amerikanische Wirtschaftsmagazin „Businessweek“. Viele Kollegen in der Branche wüssten das bereits. Allerdings hatte er sich bisher nie öffentlich dazu geäußert. Er hoffe, dass sein Schritt anderen helfen oder sie inspirieren könne.

Die Unternehmenskultur im Friseurhandwerk sei besonders offen. „Nicht alle haben so viel Glück“, schrieb Hasenbausch. Er kündigte an, dass sich sein Buch für die Gleichberechtigung von Heterosexuellen und anderen Gruppen einsetzen werde. „Wir werden weiter für unsere Werte kämpfen“, schrieb er, „und ich werde mich persönlich weiterhin für die Gleichberechtigung aller einsetzen“.

Vom neuen Stolz aus Selbstverständlichkeiten

Verbot der Woche: Hitlergruß mit geballter Faust

Recht muss Recht bleiben, aber Recht muss sich auch mit der Gesellschaft weiterentwickeln. In Tagen, in denen der rechte Popanz sich anschickt, nach der Mitte der Gesellschaft auch deren linken Rand zu erobern, hat das Landgericht in Halle jetzt ein Zeichen gegen rechts gesetzt, das Mut macht: Die Richter wiesen die eingelegte Berufung eines Mannes zurück, der wegen der Zeigens des Hitlergrußes zu einer Haftstrafe von sieben Monaten ohne Bewährung verurteilt worden war.

Juristisches Graubrot, zumal es sich bei dem im Juni 1968 geborenen Angeklagten, der ursprünglich vom Amtsgericht Merseburg verurteilt worden war, um einen vorbestraften Rechtsradikalen handelt. Die mutige Tat der Berufungskammer des Landgerichts, die über drei Tage eine umfangreiche Beweisaufnahme durchgeführt hatte: Das Gericht sah es am Ende als erwiesen an, dass der Angeklagte sich im August 2013 im Rahmen eines Nazi-Rock-Festivals von anderen Besuchern der Veranstaltung mit den Worten „Sieg Heil“ verabschiedet und dabei "den rechten Arm zur Faust geballt schräg nach oben gestreckt" hatte (Foto oben).

Das Gericht ging nicht davon aus, dass das gesprochene "Sieg Heil" weithin hörbar gewesen ist, so dass der Tatbestand der öffentlichen Verwendung dadurch nicht erfüllt war. Doch es stellte fest, dass der Hitlergruß mit der geballten Faust "auch für andere Besucher des Festivals gut erkennbar war". Dieses Zeigen des sog. Hitlergrußes sei als Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen strafbar, heißt es im Urteil, das bereits jetzt als wegweisend gilt.

Erstmals ist die Definition des „Deutschen Grußes“ damit um eine weitere strafbare Variante erweitert worden. War der Hitlergruß ursprünglich eine Geste, bei der der rechte Arm mit flacher Hand auf Augenhöhe schräg nach oben gestreckt werden musste, wurde später auch der abgewandelte "Kühnen-Gruß" mit gestrecktem rechten Arm und abgespreiztem Daumen, Zeige- und Mittelfinger als verfassungswidrig verfolgt. Mit der Bestätigung des Urteils aus Merseburg durch das Landgericht ist nun auch der ausgestreckte Arm mit geballter Faust keine soziale Geste mehr, sondern eine strafbare Handlung wider Geist und Buchstaben der Verfassung.

Mehr aus der bürgerschaftlich-engagierten Reihe Verbot der Woche

Donnerstag, 1. Januar 2015

Zitate zur Zeit: Im Einklang mit dem Lauf der Geschichte

Liebe Kollegen und Genossen!

Auch in den Beratungen auf eurem Kongress sprechen die Tatsachen des Lebens ihre klare und unbestechliche Sprache. Diese Tatsachen besagen, dass die von unserem VIII. Parteitag festgelegte Arbeiterpolitik mehr und mehr zur Arbeiterinitiative wird, zu konkreten Leistungen und guten Ergebnissen.

Immer tiefer geht das Ideengut der Beschlüsse unseres VIII. Parteitages in das Denken der Werktätigen ein, immer deutlicher bestimmt es das Handeln von Millionen Menschen. Der Verlauf der Aussprache zum Bericht des Genossen Herbert Warnke ist dazu ein erneuter Beweis.

Unsere Ziele bei der weiteren Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft in der Deutschen Demokratischen Republik sind real und richtig, und der Weg, den wir gemeinsam dahin beschreiten, ist klar umrissen.

Warum kann unser Volk seiner Sache so sicher sein, warum können wir voller Optimismus an so weitreichenden Vorhaben arbeiten? Wir können es deshalb, weil in unserer Zeit der Sozialismus alle Daseinsformen der menschlichen Gesellschaft erneuert. Wir können es, weil unsere Deutsche Demokratische Republik heute und allezeit brüderlich mit der Sowjetunion verbunden und fest in der sozialistischen Staatengemeinschaft verankert ist.

(Beifall)

Unsere politischen Ziele, das, was wir wollen und tun, entspricht den Interessen des Volkes und trägt zugleich dazu bei, den Sozialismus in der internationalen Arena zu stärken und das Kräfteverhältnis weiter zugunsten des Sozialismus zu verändern.

Mit einem Wort: Wir befinden uns im Einklang mit dein Lauf der Geschichte. Zusammen mit unseren Genossen in der Sowjetunion, mit unseren Genossen in den anderen Ländern der sozialistischen Gemeinschaft erstreben wir das große Ziel, dass das Weltsystem des Sozialismus zu einer einträchtigen Familie von Völkern wird, in der die Menschen der Erde das Vorbild einer künftigen weltweiten Gemeinschaft freier Menschen sehen.

Dafür leben, dafür kämpfen wir.

(Alle Delegierten erheben sich von den Plätzen und spenden lang anhaltenden, starken Beifall. Hochrufe auf das Zentralkomitee: Es lebe das Zentralkomitee der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und sein Erster Sekretär, Genosse Erich Honecker! Beifall)

Körper der Kanzlerin: Was Merkels Gesten verraten


Traut sich selbst nicht: Angela Merkel unter der Lupe der Gebärdendolmetscherin.


Es war eigentlich nur eine routinemäßige Neujahrsrede, bei der Bundeskanzlerin Angela Merkel die Seelen der Mitglieder ihrer Parteiund ihres Volkes streicheln, die eigene Unverletzlichkeit betonen und die Richtigkeit des eingeschlagenen Kurses in der Europa-, Kriegs- und Wirtschaftspolitik unterstreichen musste. Doch auch im Land draußen wurde die Wortmeldung der Kanzlerin mit Spannung erwartet: Merkels Rede wurde vom Staatsfernsehen live im ganzen Land übertragen, die Wähler hingen an den Fernsehgeräten, weil sie sich Auskunft zur neu aufgebrochenen Euro-Krise, zum Krieg in der Ukraine und Strategie der Kanzlerin im Umgang mit extremistischen Gruppen wie Boko Haram, Pegida und IS erhofften.

Die große Merkel-Show. Bei ihrer Ansprache an die Nation verkündete die frischgebackene "Person des Jahres" dann, dass alles richtig gemacht worden sei. Der Anspruch der Russen auf das „Heiligtum Krim“ gelte nicht, die enge Bindung an die USA sei trotz Foltervorwürfen "alternativlos", Russland werde wirtschaftlich vernichtet, wenn Putin hartnäckig bleibe und die Wirtschaft werde weiter wachsen, wenn alle fleißig seien.

Doch wie ernst meint es Angela Merkel wirklich? Glaubt sie selbst, was sie da sagt? Für PPQ hat Gebärdendolmetscherin Frauke Hahnwech die Körpersprache der Kanzlerin aus dem Propagandistischen ins Deutsche übersetzt.

Hahnwech: „Am Rednerpult sitzt sie statisch, mit betont aufrechter Haltung. Anders als sonst, wo sie gern diese berühmte Geste mit den beiden Händen macht, schwingen ihre Arme kaum – das soll Stärke, Dynamik und Offenheit signalisieren. Inszenierung pur!“

Auch der Rest des Auftakts besteht unter den kritischen Augen der Expertin nicht. „Immer wenn Merkel von der ,historischen Rolle' der CDU und dem Erfolg Deutschlands spricht, greift sie ausladend nach den Seiten des Rednerpults, plustert sich auf wie ein Pfau mit geschwellter Brust – das wirkt entschieden und mächtig.“

Ist es aber natürlich nicht. Auch Merkels inzwischen unübersehbare Stirnfalten sind nach Einschätzung der Expertin ein Zeichen von Anspannung und Konzentration. Die Spezialistin für verborgene Botschaften: „Die gerunzelte Stirn zeigt: Merkel ist hochkonzentriert, will keinen Fehler machen. Die Zornesfalte über der Nasenwurzel zeugt nicht von Aggression, sondern beweist volle Konzentration. Merke ist sehr angespannt.“

Nach Meinung der Analystin setzt die ehemalige FDJlerin ganz bewusst auf sparsame Körpersprache, bleibt auf ihr Manuskript fixiert, um sich nicht zu verraten. Frauke Hahnwech: „Merkel lässt ihren Text fast nie los, starrt unablässig auf den teleprompter, hat den Kopf stets halb gesenkt. Das zeigt: Sie hält sich fast sklavisch an das, was im Redetext steht, weicht kaum vom Geplanten ab. Das belegen auch die überaus sparsamen Gesten, unterstrichen vom leichten Zucken der linken Schulter – Merkel würde gern mehr Bewegung zeigen. Aber sie weiß: Verhaltene Körpersprache drückt Macht aus.“

Ein Signal an ganz Europa. Doch die Körperleserin lässt sich nicht täuschen. Wenn nur eine der beiden Augenbrauen beim Reden hochgeht, weiß sie: „Hier misstraut eine ihren eigenen Worten“. Gehen beide Augenbrauen hoch, wolle die Rednerin dagegen eine Textpassage betonen. Bezeichnend auch die sogenannte „Wegwisch“-Geste, über die Hahnwech beim Betrachten der Videoaufzeichnung stolpert. „Eine verräterische Geste: Sie spricht davon, dass die Politik mit mehr Transparenz arbeiten sollte, sagt: ,Wir haben schon vieles getan‘. Doch ihre Hände wischen ihre Worte regelrecht weg, ein ,inkongruentes Verhalten'. Das heißt: Sie traut ihrer Politik keineswegs...“