Montag, 8. November 2010

Alles Nazi, außer Mutti

Olle Kamellen, endlich mal im Qualitätsfernsehen: "Streit um Nazi-Bücher in Verlag-Webshops", dreht "Report Mainz" heute ganz aufgeregt eine Geschichte nach, vor der PPQ im Sommer gewarnt hatte. In der Diskussion um Eva Herman hatte die "Süddeutsche Zeitung" damals enthüllt, dass Kopp-Verlag in seinem Online-Shops rechtsextreme Bücher anbietet, PPQ hatte daraufhin nachgeschaut und im Webshop der "Süddeutschen" dieselben Bücher gefunden.

Ein Grund für "Report Mainz", mal genau nachzuschauen und nun noch mal Alarm zu schlagen: "Mindestens 150 Bücher von Nazi-Größen, Holocaustleugnern und Rechtsextremisten" böten nicht nur die "SZ", sondern auch FAZ und "Spiegel" an, zählt das Politmagazin auf, das im Unterschied zu den genannten anderen Sturmgeschützen der Demokratie keinen Webshop betreiben muss, weil es sich aus GEZ-Gebühren finanziert. Das seien 100 Nazi-Bücher mehr als der deutsche Ableger des American Jewish Committee im Sommerloch des Jahres 2009 beim Online-Händler Amazon entdeckte.

Der von "Report" dazu befragte Christoph Degenhart von der Universität Leipzig, ein Rundfunk-Experte, der im Qualitätsfernsehen als "Staats- und Verwaltungsrechtler" vorgestellt wird, hält dies für eine Leugnung des Holocaust: "Ich sehe im Hinblick auf die Leugnung des Judenmordes in der Schlucht von Babi Jar in der Tat einen Anfangsverdacht für die Verbreitung strafbarer Inhalte, auch in einigen anderen Passagen des Buches." Spiegel-Chef Georg Mascolo nicht, denn der antwortete auf eine Anfrage, man könne den Vertrieb rechtsextremistischer Literatur nicht verhindern, weil das verboten sei.

Der Schock sitzt tief. "Bücher von Autoren wie dem britischen Holocaustleugner David Irving und dem belgischen SS-Führer Leon Degrelle", die der Spiegelblog schon im Mai 2009 im Spiegelshop gefunden hatte, konnten auch die Report-Reporter unerkannt in den Shops der großen Zeitungshäuser entdecken. Für Salomon Korn, Vizepräsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, aber kein regelmäßiger PPQ-Leser, eine Gelegenheit, von "Skandal"zu sprechen. Dabei können die Verlage gar nichts dafür - sie benutzen für ihre Online-Shops eine Baukasten-Lösung des Buchhändlers Libri ("Tchibos kritische Reihe", "Blume 2000)), deren Angebote sie komplett übernehmen können oder eben auch nicht. Das tun sie dann auch, wie alle anderen, denn das absolut empörende an diesem aufgebacknen Skandal ist: Wie der ganze Rest vom Schützenfest ist Degrelles Buch in Deustchland nicht einmal verboten. Und deshalb außerhalb der Shops von "Spiegel", "SZ" und "FAZ" nur in allen anderen Buchhandlungen zu bekommen.

8 Kommentare:

Die Anmerkung hat gesagt…

Was in den Buchläden sonst noch für Schrott erworben werden kann, für die Recherche war dann wohl die Sendezeit alle?

Ich könnte den investigativen Reportern Listen von Schundliteratur schicken, da würde denen noch schlechter werden.

bpb hat gesagt…

Naja, wenigstens lesen die ZDF-Reporter fleißig ppq. Und das Nachdrehen von Geschichten ist ja nicht verboten. Im Gegensatz zum Verkauf von Schund- und Schmutzliteratur.

nwr hat gesagt…

Schrecklich, ich stelle mir gerade vor, ich suche in so einem Zeitungsshop ganz unbefangen nach einem schönen Buch von Sahra Kirsch und plötzlich grinst mich für 29,90 Euro so ein Degrelle an. Der Schock säße so tief, darüber, daß die Demokratie sich nicht wehrt, indem sie Bücher verbrennt.

ppq hat gesagt…

büchershops bitte, büchershops verbrennen. gerade zum heutigen datum wäre das ein starkes zeichen. es gibt ja jetzt dieses neue widerstandsrecht, habe ich gelesen. wenn man meint, etwas ist wichtig, kann man dagegen auch mal friedlich eine scheibe einschmeißen und ein feuer legen.

das wäre hier ein würdiger anlass, es geht um den kampf gegen rechts, die zukunft der enkel, von denen wir die erde nur geborgt haben, usw. da sollte man nicht kleinlich sein

VolkerStramm hat gesagt…

... kann man dagegen auch mal friedlich eine scheibe einschmeißen und ein feuer legen

Sehe ich auch so. Und wenn jemand mosert, werden wir ihn als Nazi entlarven - weil er unseren friedlichen Widerstand kriminalisiert.

Nebenbei,
kann sich jemand daran erinnern, wann es das letzte mal passierte das ein roter Brandstifter verurteilt wurde?

Die Anmerkung hat gesagt…

Ja, am 23. Dezember 1933.

Die Anmerkung hat gesagt…

Äh, eigentlich wollte ich anfragen, ob dieser friedlich feuerlegende Scheibeneinschmeißprotest auch für richtige Buchläden gilt.

Ich war am Wochenende mal bei Thalia und hatte Mühe, das von mir begehrte Lesegut zu erwerben, da es in einem riesen Haufen Papiermüll gut versteckt war. Eine studentische Hilfskraft wußte allerdings auf Anhieb, wo es zu finden ist und umsteuerte zielgerichtet die aufgehäufelten Müllberge, um mir das Exemplar zu reichen.

ppq hat gesagt…

aber wenn der müll nicht im laden läge, läge er ja auf der straße. da würde er nass werden