Donnerstag, 8. Mai 2014

Ukraine: Bilanz des Schreckens

Sechs Monate nur hat die Ukraine gebraucht, um vom von einer korrupten Clique an Oligarchen und Politikern regierten Entwicklungsland zum Schauplatz eines blutigen Stellvertreterkrieges zwischen Ost und West zu werden. Die Bilanz der Übergangsregierung unter Arsenij Jazenjuk, nach einem historischen Besuch  von Deutschlands Außenminister Walter Steinmeier über Nacht eingesetzt, ist verheerend, noch verheerender ist nur die Bilanz der selbsternannten "Modernisierer" aus Brüssel, Washington und Berlin, die im November vergangenen Jahres antraten, das europäische Kräfteverhältnis mit einem Regimewechsel an der russischen Südflanke in Bewegung zu bringen.

Ein Abriss der Ereignisse zeigt, wie das Desaster begann.

Vor Beginn der Fußball-Europameisterschaft in Polen und der Ukraine beginnt in Deutschland eine großangelegte Medienkampagnezur Freilassung der früheren ukrainischen Ministerpräsidentin Julia Timoschenko.

Breiten Raum in der Berichterstattung nehmen die Aktionen der Frauenrechtsorgansation "Femen" ein.

Nach der Zustimmung der ukrainischen Regierung zu einem Assoziierungsabkommen mit der EU verlangt Brüssel in letzter Sekunde, dass Kiew vor einer Unterzeichnung eine Freilassung von Timoschenko veranlassen müsse.

Das Parlament in Kiew lehnt die Forderung ab, die Regierung Janukowitsch versucht nun, ihre Verbindungen nach Moskau zu stärken.

Immer breiteren Raum in der Berichterstattung in Deutschland nehmen nun Menschenrechtsverletzungen in Russland ein. Die durch einen freizügigen Porno bekanntgewordene Gruppe "Pussy Riot" bekommt Heldenstatus.

Erste Rufe, die bevorstehenden Olympischen Spiele in Russland zu boykottieren.

Enttäuschte Anhänger einer verstärkten Westbindung der Ukraine schlagen ein Protestlager auf dem Kiewer Maidan-Platz auf. Besucher aus dem Westen versprechen Hilfe und Unterstützung.

"Mit dem Start der Olympischen Winterspiele bekommt der Größenwahn des russischen Präsidenten ein Gesicht. Sotschi ist ein Verbrechen an der olympischen Idee“, gibt das ZDF Anfang Februar vor, wo der Feind steht. Putin lässt Pussy Riot und den Dissidenten Chodorkowski frei.

In nächtlichen Verhandlungen in Kiew gelingt es dem deutschen Außenminister Steinmeier, einen Übernahme der Regierungsgeschäfte durch den früheren Wirtschafts- und Außenminister Jazenjuk zu organisieren. Der hatte bereits 2008 um eine Aufnahme der Ukraine in die Nato gebeten. Steinmeier noch nicht ganz zufrieden: "Aber wir sind noch nicht am schwierigsten Stück und das ist die Änderung der Verfassung. Um dem Präsidenten Rechte zu nehmen und sie der Regierung zu geben."

Auf dem Maidan-Platz wird geschossen. Mit der Gewalt gegen das eigene Volk verliert das Regime von Janukowitsch alle Legitimität. Wobei völlig unklar ist, wer da geschossen hat.

Kurze Zeit später ist Janukowitsch auf der Flucht, nach CIA-Handbuch nun ein Ex-Diktator, der seinem Volk hunderte Milliarden abgepresst hat.

In Deutschland wird der Ex-Boxer Klitschko zum großen Führer der demokratisch gesinnten Ukrainer, Putin hingegen avanciert endgültig zum Gesicht des Bösen.

Das innerlich gewendete Parlament in Kiew beschließt die Abschaffung des Russischen als Amtssprache.

Die Krim gerät ins Wackeln, Europa erklärt seine Bereitschaft, die Ukraine ganz zu übernehmen, Putin versichert, dass alle Russen zu Russland gehören.

Das von Moskau vorangetriebene Referendum zum Anschluss der Krim an Russland wird vom Westen mit Sanktionen beantwortet. Kiew erklärt, die Krim niemals aufgeben zu wollen. Nach deutschen Presseberichten beruft die Ukraine alle Reservisten ein.

In der Ostukraine mehren sich nun Bestrebungen, sich ebenfalls von Kiew zu lösen. Die nach dem Umsturz in Kiew gebildete Übergangsregierung unter Arsenij Jazenjuk sei nur eine durch einen Putsch ins Amt gelangte Junta. Russland bezeichnet die Protestler als Selbstbefreiungskräfte, der Westen nennt sie Separatisten. Russland steuere diese "Söldner, Agenten und Spezialkräfte" (ARD). In Genf gelingt ein Kompromiss zur Befriedung der Situation.

Europa und die USA verhängen Sanktionen, Russland sperrt der Ukraine die Gaszufuhr, weil Kiew seine Rechnungen seit Monaten nicht bezahlt hat. Kiew sperrt der Krim zu Wasserzufuhr. Der Vize-Direktor des US-Geheimdienstes CIA, John Brennan, besucht Kiew. Im Hauptquartier des ukrainischen Geheimdienstes SBU in Kiew haben verschiedene US-Geheimdienste ein ganzes Stockwerk bezogen.

Die Nato schickt eigene Agenten, um die Lage in der Ostukraine unter die Lupe zu nehmen. Eine Fact-Finding-Mission, wie sie Steinmeier schon lange gefordert hat. Ziel der Aktivitäten von Bundeswehrsoldaten in Zivilkleidung in der Ostukraine außerhalb der diplomatischen OSZE-Sondermission ist es, Deutschland "in plumpen Weise noch tiefer in den Konflikt hineinziehen zu lassen".

Die Regierung Jazenjuk kündigt erneute Anti-Terroraktionen zur Befreiung der Ostukraine an. Die Bevölkerung im Osten blockiert Straßen. Der Westen wirft Russland vor, die Lage zu verschärfen.

Milizen nehmen die Nato-Abordnung als Spione fest. Mord und Totschlagim Osten. Boykottaufrufe gegen Ex-Kanzler Gerhard Schröder, der in Moskau mit Putin spricht.

Die prorussischen Milizen lassen die Nato-Abordnung frei. Die Regierung in Kiew verstärkt ihre Angriffe auf Gebiete im Osten. Ein Krieg gegen den Terror, sagt Klitschko. Timoschenko bezeichnet Zivilisten, die bei einem von Regierungsanhängern gelegten Brand in einem Gewerkschaftshaus ums Leben gekommen waren, als „Angehörige von Diversionstruppen, die gekommen waren, um Einwohner von Odessa zu töten“.

Übergangspräsident Turtschynow teilt mit, dass die ukrainische Regierung die Kontrolle über Teile des Ostens des Landes verloren hat. Mit Hilfe von Beratern von FBI und CIA soll die Bekämpfung der ostukrainischen Bevölkerung effektiver werden. Russland müsse seine Politik der Scharfmacherei ändern.

Raffinierte neue Teufelei des Kreml: Um die Völker der Welt über seinen wahren Absichten zu täuschen, hat Russen-Diktator Putin die kalschnikowschwingenden Horden (SZ)  seiner Geheimagenten in der Ostukraine aufgefordert, die von ihm selbst geplante Abstimmung über eine Zerstörung der Ukraine zu verschieben. Angeblich sei er selbst bereit, seine Truppen von der ukrainischen Grenze abzuziehen. Kritiker bemängeln, dass die Bewaffneten damit natürlich dennoch auf russischem Territorium verblieben, während zum Beispiel britische Panzer in Deutschland geparkt würden.

Offenbar handele es sich um einen weiteren Trick Putins, die Lage unter dem Vorwand der Deeskalation weiter zu verschärfen. Dem müsse die Nato mit unvermittelter Härte begegnen. Der Appell zur Verschiebung der Volksabstimmung zeige, dass der selbsternannte Russen-Präsident immer noch Einfluss auf die Sondereinheiten habe, die er als Separatisten getarnt in die Ostukraine geschmuggelt hat.

Der Westen berät nun über die nächste Stufe der Sanktionen. Die könnten diesmal auch Putin selbst treffen: Sobald dessen Milliarden im Westen gefunden seien, würden sie beschlagnahmt.

7 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Schöne Chronologie einer Eskalation, die man schon von Serbien, Lybien und Syrien kennt.

Teja hat gesagt…

"Auf dem Maidan-Platz wird geschossen. Mit der Gewalt gegen das eigene Volk verliert das Regime von Janukowitsch alle Legitimität."

Das stimmt so nicht. Janukowitsch war so clever, seine Legimität nicht wegen gewaltätiger Polizei aufs Spiel zu setzen und befahl absolute Defensive der Einsatzkräfte. Tagelang liessen sich die Polizisten verprügeln und abfackeln, es gab zig Schwerverletzte unter ihnen. Erst die "ungeklärten" Schüsse auf Demonstranten, aber auch auf Polizisten lösten die Ereignisse aus, die seine Flucht veranlassten.

ppq hat gesagt…

teja, ich fürchte, der satz war zu satirisch in seiner ernsthaftigkeit

du hast natürlich recht, aber so war es auch gemeint

das hier ist die schwieirge kunstform, die wahrheit manchmal mit der wahrheit, manchmal mit dem gegenteil und manchmal mit absurder überteibung zu erzählen. der text ist da nicht stilrein

Teja hat gesagt…

Dachte ich mir schon. Nur dieses Detail mit den Polizisten ist derart bemerkenswert, die vorhandenen Videos sind beeindruckend. Zeig mir eine Polizei, egal ob Washington, Brüssel, Moskau oder Berlin, die sich sowas auch nur im Ansatz gefallen liessen. Vor so einer Disziplin und Opferbereitschaft salutiere ich, das allein wollte ich hier deutlich machen.

Ansonsten bin ich mit ppq auf einer Linie, weiter so. :)

Teja hat gesagt…

Irgendwo schrieb ein Kommentator mit verwandschaftlichen Beziehungen auf der Krim, die Überführung von toten Polizisten, welche auf der Krim beheimatet waren, und die Trauerfeiern hätten geradezu zu "krimidentitätsstiftenden Kondolenzfeiern" geführt.

Das sind schöne Berichte, wie man sie sich in den Medien wünschen würde.

Anonym hat gesagt…

Schön und gut, aber Schröder hat nicht einfach mit dem Erzschurken Putin gesprochen, wie es hier verharmlosend dargestellt wird. Er hat ihn, wie die immerwache Reichspresse enthüllte und ausführlichst auf allen staatlichen Kanälen kommentierte, umarmt! Statt die Vorgaben der deutschen und europäischen Politbüros so zu unterminieren, hätte er ihn stattdessen mit kritisch-distanziertem Gesicht ansehen und ihn dann im Namen des Guten, Schönen, Wahren verhaften müssen.

ppq hat gesagt…

schröder hat sich mit dieser seiner tat außerhalb der großen gemeinschaft der demokraten gestellt, das ist wohl wahr