Dienstag, 16. Dezember 2025

Depopulationsmanifest: Die Vergangenheit der Zukunft

Bei Whitley Strieber ist es immer für alles zu spät. Ohne Depopulation hat seine Menschheit keine Zukunft.

Es war eines dieser am Ende enttäuschenden Jahre. Das Schmunzeln in vielen Gesichtern verschwand. Die Mundwinkel gingen wieder nach unten. 1985 hatte viel versprochen, im 40. Jahr nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges schien sich die Welt endlich zum Besseren zu verändern.

In den Moskauer Kreml war  Michail Gorbatschows eingezogen, der die alte, überdehnte und überanstrengte Sowjetunion wieder fit machen wollte für die Klassenauseinandersetzung mit dem Kapitalismus. In Wimbledon siegte der erst 17-jährige Boris Becker beim traditionellen Tennisturnier und er machte den elitären Sport der Überreichen damit zeitweise zur Nummer eins vor dem Fußball. Künstlerinnen und Künstler engagierten sich für das Gute. Bei Bob Geldofs Benefizkonzert Live Aid sollte Geld für die Hungernden in Äthiopien gesammelt werden.  In Westdeutschland gab es jetzt Privatfernsehen. Im Osten Jeans.

Ausbrütungen am Atommeiler 

Doch all das war nur Täuschung, wirre Hoffungsspieleren und "eitler Tand", wie der Maler Franz West eine seiner sogenannten "Ausbrütungen" überschrieben hat. Schon 1986 wich das Gefühl von Zukunft. Der Atommeiler von Tschernobyl explodierte. Auch Gorbatschow log. Die Milch der frommen Denkungsart, sie war radioaktiv. 

In Bonn reagierte die Politik mit einer Maßnahme, wie sie auch heute noch wirken würde: Gegen den giftigen Staub aus der Sowjetunion wurde ein Umweltministerium gegründet. Dann fiel das Space Shuttle "Challenger" vom Himmel. Der schwedische Ministerpräsident Olof Palme wurde ermordet. In Wackersdorf demonstrieren Zehntausende gegen den Bau einer Wiederaufarbeitungsanlage für radioaktive Brennstäbe. Es ist die Geburtsstunde des deutschen Atomausstieges.

Vorstufe des Verhängnisses 

Whitley Strieber, damals genauso alt wie der Frieden,  hat dem Braten nie getraut. Fortschritt, das war für den Verfasser der erfolgreichen Horrorromane "Wolfsbrut" und "Der Kuss des Todes" die Vorstufe des nächsten Verhängnisses. Strieber hatte zusammen mit dem ebenso von Katastrophen faszinierten James Kunetka schon den Roman "Warday" verfasst und darin liebevoll und detailverliebt die Folgen eines Atomkrieges zwischen den USA und der Sowjetunion beschrieben. Mit dem Nachfolger "Nature's End" wollten die beiden Texaner nun zeigen, dass auch Frieden letztlich nichts nützen wird.

Die Natur wird in "Schwarzer Horizont", wie "Nature's End" auf Deutsch überschrieben wurde, mit Volldampf zerstört. Der Himmel ist schwarz,  die Luft so dick, dass die Menschen auf den Straßen umkippen. Nur ganz wenige dürfen noch fliegen, Flugzeuge heben aber nur ab, wenn ihre Auslastung hoch genug ist. Wer auf die Wissenschaft hört, der weiß, dass das Sterben nicht schnell genug geht.

Zu viele Menschen 

Zu viele Menschen, dieser ewig jungen Theorie hängen auch die beiden Autoren an, verbrauchen zu viele Ressourcen. Zu viel Wachstum sprengt die planetaren Grenzen. "Wir können kein weiteres Wachstum dulden", wird der in Deutschland höchst populäre Philosoph Kohei Saito den an Selbstgeißelung interessierten Eliten im Westen viele Jahre später zur Abschaffung von Demokratie und Marktwirtschaft raten.

Das Gras des japanischen Kommunisten wächst auf Striebers Wiese, die direkt an dem Hang liegt, über den alles menschliche Leben in den Abgrund des Klimakollapses rutschen wird. 2025 und 1985 unterscheiden sich in den Diagnosen wenig. Es steht schlimmer als immer. Nur der Selbstmord bietet noch eine Alternative zum Tod. Der Freiwillen aber sind zu wenigen - für den Fronteinsatz, aber auch für das klimaverträgliche Aussterben daheim. Zwar ist das Bett gerichtet, in dem die "uns umgebende Wirklichkeit" (Robert Habeck) langsam genesen kann. Doch das Schrumpfen geht zu langsam. Kein Geburtenknick ist groß genug, als dass er rechtzeitig genug Wirkung entfalten könnte, um die strengen Klimaziele der Europäischen Union zu erreichen.

Striebers Weg 

Die Verantwortlichen wissen das. Sie geben sich alle Mühe, zu tun, was immer möglich ist. Und das erntet Hochachtung, etwa von JPMorgan-Chef Jamie Dimon. Der bescheinigte der EU gerade erst, auf dem richtigen Weg zu sein. Vor einigen Jahren noch habe ihr Bruttoinlandsprodukt bei etwa 90 Prozent des amerikanischen gelegen. "Heute ist es auf 65 Prozent gesunken." Keine Folge von US-Zöllen oder bösartigen Präsidenten. "Das liegt an ihrer eigenen Bürokratie und ihren eigenen Kosten", lobte Dimon, der im Verzicht des alten Europa auf eine weitere Teilhabe an Fortschritt und Mehrung des Wohlstands eine Chance sieht. Es bleibt mehr für die anderen übrig.

Whitley Striebers düstere Prophezeiung aber  wird damit unausweichlich Wirklichkeit. Eine übernutzte Welt mit endlichen Vorräten trifft auf eine anmaßende Spezies, die nach der Art der Ureinwohner der Osterinsel lebt und sich selbst verzehrt. Strieber und Kunetka nutzten ihre apokalyptische Vision einer heillos überbevölkerten Erde, auf der die Hungernden wie Heuschreckenschwärme nach Nahrung suchen, um die aus ihrer Sicht einzig mögliche Konsequenz in einem "Depopulationsmanifest" auszuführen. Die beiden Schriftsteller ahnten nicht, dass sie damit eine der haltbarsten Verschwörungstheorien aller Zeiten begründen würden, sie sahen aber selbst ein, dass es einen geschickten Kunstgriff bräuchte, um die Idee in die Welt zu entlassen.

Jeder dritte muss sterben 

Im Buch kämpfen also mutige Partisanen gegen Gupta Singh, den Hohepriester der gezielten Entvölkerung, der im Gent des Jahr 2021 die Organisation "Depopulationismus International" ins Leben gerufen hat. "Leben ist Sein, dies ist das erste und letzte, das einzige, was wirklich zählt", behauptet die. Und um das erklärte moralische Ziel zu erreichen, Leben zu bewahren und den Fortbestand der Menschheit auf unbestimmte Zeit zu gewährleisten, müsse leider jeder dritte Mensch sterben, sofort.  

Das Depopulationsmanifest stellt die menschliche Überbevölkerung infrage, weil sie vor 40 Jahren  alles irdische Leben infrage zu stellen schien. Wie heute immer noch, konstatierten die Kämpfer um die Rettung der Welt auch damals: "Selbst größte Anstrengungen, das ökologische Gleichgewicht durch Wiederaufforstung der tropischen Regenwälder oder durch Veränderungen in der Sonnenreflexion der oberen Atmosphäre wiederherzustellen, können den Zerfall der Erdatmosphäre nicht aufhalten." Und sie stellten Fragen, die heute immer noch - etwa im "Stern" -  Bedeutung haben: "Schadet atmen dem Klima"?

Zu viel Atemluft 

Aber ja. "Schon die von Menschen benötigte Atemluft genügt, um den Kohlendioxidgehalt in den kommenden dreißig Jahren aus dem Gleichgewicht zu bringen", heißt es im Manifest. Berücksichtige man zusätzlich die Luftverunreinigung durch Industrie und Landwirtschaft, "dürfte im Jahr 2035 der fatale Kulminationspunkt dieses Ungleichgewichts erreicht sein". Unkontrollierte atmosphärische Zerstörung werde dann jegliches Leben auf dem Planeten auslöschen.  Ein Zeitrahmen ist nicht genannt. Der inneren Logik des Buches zufolge leben 2021 immer noch viel zu viele Menschen.

Denn "selbst die zwangsweise eingeführte Geburtenregelung hat kaum Auswirkungen gezeigt", heißt es. Obwohl die Bevölkerungszahl der Erde derzeit relativ konstant sei, zeige sie - 1985 - nur eine leicht rückläufige Tendenz. "Doch eine Bevölkerung von über sieben Milliarden Menschen ist schlicht zu hoch, als dass sich die Situation in der verbleibenden kurzen Zeit durch natürliche Ausdünnung entschärfen könnte." Allein durch natürliches Sterben werde die notwendige Reduzierung der Weltbevölkerung um ein Drittel erst im Jahr 2077 erreicht – das sei "viel zu spät".

Auffällig sind die Jahreszahlen. 2035 will die EU den Verbrenner beerdigt haben. 2077, wenn alles nicht klappt, wäre beim derzeitigen Transmutationstempo der halbe Weg zum Austausch der Fahrzeugflotte auf E-Antrieb zurückgelegt. 

Fortschritt schadet nur


Schon vor 40 Jahren stand die Grunderkenntnis fest. "Der überraschende technologische Fortschritt der letzten Jahrzehnte, der vielen Milliarden Menschen Gesundheit, Nahrung und Wohlstand gebracht hat, war nichts anderes als eine gut getarnte Zeitbombe", heißt es im Manifest. Alles, was sich positiv auf das Leben von Milliarden auswirkte, "führte zu einer derart grotesken Überbevölkerung, dass nicht einmal mehr die vielgerühmte Macht des menschlichen Geistes uns retten kann". Nur der Depopulationismus biete ein "humanes Programm zur Erhaltung aller bedrohten Spezies, die durch die übermäßige Ausbreitung des Menschen gefährdet sind". 

Die Beteiligung am kollektiven Selbstmord der Menschen, die Chris Korda, Sohn des Schriftstellers Michael Korda, ehemals Musiker und später Gründer der Church of Euthanasia, als freiwillige Leistung predigt, haben Whitley Strieber und James Kunetka zu einem Programm gemacht, das "die gleichmäßige Beteiligung aller Nationen an der Reduzierung ihrer Bevölkerung auf eine Weise fordert, die keine Minderheit völlig auslöscht und der Wirtschaft keinen irreparablen Schaden zufügt".  

Schonend und gerecht

Die Autoren sind sich gewiss: Es muss schonend und gerecht zugehen bei der geplanten größten Mordaktion der Menschheitsgeschichte. Die Reduzierung der Anzahl der Menschen müsse "wie ein global koordiniertes Kommando-Unternehmen durchgeführt werden, an dem alle lebenden Menschen teilnehmen". Zu einem festgelegten Zeitpunkt werde die gesamte Menschheit ein zuvor ausgegebenes Mittel einnehmen, das bei einem Drittel der Betroffenen den Tod zur Folge hat.

"Für die proportionale Verteilung innerhalb ihrer Staatsgrenzen sind die einzelnen Nationen verantwortlich", heißt es im Manifest. Das Programm sei "ohne lange Verzögerungen umzusetzen, die Identifizierung der Toten erfolgt durch die Überlebenden unmittelbar nach Beendigung der Aktion".  Die nationalen Rotkreuz-Organisationen seien verantwortlich für die Betreuung der Sterbenden, die Identifizierung der Verstorbenen und ihre Beseitigung nach den jeweiligen örtlichen Gebräuchen.  

Vorsorge gegen Verweigerer 

Nicht jeder, das ahnten die Autoren, werde frohen Mutes und im sicheren Gefühl, sein Scherflein zur Rettung der Welt beizutragen, mitmachen. Durch eine international koordinierte Polizeiaktion müsse Sorge getragen werden, dass "Zögernde zwangsweise von einer Teilnahme" überzeugt und Leugner der Notwendigkeit einer Bevölkerungsreduzierung "kein Anlass zur Weigerung gegeben" werde.

Dass sich ganze Staaten nicht beteiligten wollen werden, weil sie aus Selbstsucht und  Egoismus andere für sich sterben lassen wollen, haben die Macher des Depopulationsplanes ebenso vorhergesehen. Länder, die sich der globalen Aktion widersetzten, "werden wirtschaftlich boykottiert, bis sie einlenken – oder bis Hunger und Krankheiten den notwendigen Bevölkerungsrückgang herbeigeführt haben". 

Der große Coup: Bankraub in Brüssel

Für einen guten Zweck: Friedrich Merz aka "Robin der Fuchs" und Ursula von der Leyen als Maid Marian planen bei Euroclear in Brüssel einen der größten Coups aller Zeiten.

Die Sonne scheint über Brüssel und die Erde scheint bewohnbar. Der Morgen, einer der letzten vor der großen Entscheidung über Leben und Sterben eines ganzen Kontinents, hatte sich in ein glänzendes Licht gelegt, die eben noch graue Verwaltungsstadt für 27 Staaten funkelte mit kalter Stahl, ein schweigendes Versprechen, dass hier niemand das Knie beugen wird. Die Einheit steht. Seit einer Woche ist festgelegt, dass gar nicht mehr alle zustimmen müssen, wenn es um wichtige Dinge geht.

Ja, einige hatten Bedenken gehabt gegen den großen Plan, wie der große Teufel nach 19 Sanktionspaketen doch noch zur Aufgabe bewegt werden kann. Die Belgier bockten. Die Sklowaken und die Ungarn stellten sich wie immer quer. Selbst die Zentralbankchefin, eine treue Verbündete, schickte ungefragt eine Absage. 

Der Fuchs mit der Maske 

Als die beiden Führer*innen der EU im Dämmerlicht aus einem schwarzen Elektrolieferwagen steigen, der zuvor lautlos um die Ecke vor dem monumentalen Glaspalast der 1968 von der Morgan Guaranty Trust Co. gegründeten Zahlungsabwicklers Euroclear gebogen war, zählt das alles nicht mehr. Robin, genannt "Der Fuchs", und Maid Marian müssen nicht reden.  Wortlos rücken sie ihre Masken zurecht. Jeder Handgriff sitzt. Bruder Tuck im Wagen schaut auf die Tür. Die geheime Aktion "Expropriation of the Eagle" läuft pünktlich an.

Hinter der Glasfront der Bank mit ihren 5.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ahnt noch niemand etwas. Eine ältere Dame im Kontor zählt Münzen ab, die über Nacht eingeliefert wurden. Ein Kassierer in schnittiger Uniform nickt einem jungen Kollegen freundlich zu, der verschlafen hat. Als sich die Tür öffnet und Robin der Fuchs begleitet von Maid Marian fast unhörbar hereintritt, schreckt der erste Euroclear-Beamte nur auf, weil Will Scarlett das hellrote Schild "Vorübergehend geschlossen" klatschend herumdreht.

Tief unter der Kanalisation 

"Alle auf den Boden! Jetzt! Sofort!" zischt Robin mit einer Stimme, die zwar verzerrt durch die Sturmhaube, doch jedem aus Funk und Fernsehen bekannt. Ungläubig schauen die Verwahrer von endlos vielen Milliardenvermögen auf die drei Gestalten, die mit raschen Schritten zu den Schaltern eilen.

Hier geben an gewöhnlichen Arbeitstagen Demokraten und Diktatoren ihre Erspartes ab. Hier bitten Überreiche und Pleitiers darum, ihr Vermögen fest wegzuschließen, sei es vor der Ehefrau, sei es vor dem Zugriff fremder Finanzminister. Hier, 75 Meter tief unter der Brüsseler Kanalisation, geborgen in einer zum Tresor ausgebauten ehemaligen Bleimine, befindet sich seit den zeiten des letzten Zaren auch ein großer Teil des russischen Auslandsvermögens.

Wie viel genau, vermag niemand zu sagen. Immer wenn die Herrscher im Kreml wechselten, versuchten sie als erstes, möglichst viel vor ihren Nachfolgern in Sicherheit zu bringen. Verbürgt vorhanden sind Summen von 140 bis 210 Milliarden Dollar, es könnten auch Euro sein. Wie der für gewöhnlich gut informierte CDU-Abgeordnete Norbert Röttgen zuletzt im deutschen Fernsehen mitgeteilt hatte, könnte es so viel sein. Oder mehr, aber auch weniger.

Geld für die Ostflanke 

Jeder Cent aber wird gebraucht, um die Ostflanke der Nato zu stabilisieren. Deutschland hat nichts mehr, Ungarn will nicht, die Franzosen brauchen selbst und Spanien hat bestellen lassen, dass die eigene Randlage Sicherheit genug bietet. Die EU-Kommission kann zwar ohnehin nur fremdes Geld ausgeben, selbst das ist ihr aber mittlerweile ausgegangen. 

Die Lager streiten erbittert um die Milliarden, die ihnen nicht gehören: Sahra Wagenknecht von der deutschen Putin-Partei hält die Idee, das Vermögen der russischen Zentralbank anzuzapfen, für einen politischen Fehler. Russland werde das Geld später einklagen und die an der Aktion beteiligten Staaten würden zahlen müssen. Der CDU-Politiker Roderich Kiesewetter hingegen ist fasziniert von der Idee, fremdes Vermögen einfach so abzugreifen, indem man sich selbst die Genehmigung dazu erteilt. Es reiche nicht, das Geld nur einzufrieren, so dass es der Besitzer nicht mehr vernwenden könne. Man müsse es vielmehr selbst in Besitz nehmen, und es der Ukraine zur Verfügung stellen.

Ein Auge auf den Zarenschatz

Woher sonst nehmen und nicht stehlen? Und so warfen Ursula von der Leyen und Friedrich Merz fast gleichzeitig ein Auge auf den sogenannten Zarenschatz: Funkelnde, frische Milliarden, fremdes Eigentum zwar, aber vollkommen ausreichend, um sie als Sicherheit für einen Kredit von einer Bank zur anderen zu tragen. "Wie genau das geht", hat der mit der Transaktion vertraute Norbert Röttgen das hochgeheime Verfahren beschrieben, "kann ich Ihnen nicht sagen, das kann wahrscheinlich keiner."

Damit alles klappt, obwohl so viele dagegen sind, braucht es Nacht und Nebel. Auf den Überwachungsmonitoren tanzen leichtfüßig Silhouetten, gebückt, zielgerichtet, eine Choreografie aus Präzision und Adrenalin. Der großgewachsene Mann, seiner Haltung nach der Anführer, hält seine Waffe etwas zu hoch. Niemand soll Verletzte werden. Die kleine Frau, schmal und sportlich, knurrt einen knappen Befehl über den Tresen. 

Tränen des Glücks 

Auf der anderen Seite des Pandemieglases, das hier aus Kostengründen nie abgebaut worden ist, fällt ein Becher um. Heißer Kaffee läuft über Antragsformulare für einen Solarkredit, die am Nachmittag ein Vertreter der Regierung von Südsudan hätte unterschrieben solle. Eine Kassiererin weint, leise, aber es sind Tränen des Glücks. 

Viele hier bei Euroclear haderten in den vergangenen Wochen mit der Weigerung der belgischen Regierung, aus selbstsüchtigen Gründen nicht an den völkerrechtlichen Regeln zum Umgang mit fremden Staatsvermögen rütteln zu wollen. das Blutgeld der Russen zu verwalten, erschien vielen unmoralisch, auch wenn die gigantischen Summen eingefrioren waren. 

Nirgendwo anders in Europa sind schließlich noch ähnlich opulente Geldmengen greifbar, deren Transfer nach Kiews in Russland als letzte Warnung verstanden worden wäre. Mangels vorhandener Druckmittel hatte die EU in letzten Sanktionspaketen schon dazu übergehen müssen, ganz harte Schnitte für die Zeit nach den Olympischen Sommerspielen in Los Angeles anzukündigen.

Weg mit den bürokratischen Regeln 

Dass Europa nicht ewig Geduld haben würde mit den bürokratischen Regeln, die es daran hindern, ähnlich hemdsärmlig für den Frieden einzutreten wie US-Präsident Donald Trump, war absehbar. Mehrfach hatte Friedrich Merz die Europäer zu Einigkeit aufgerufen und die Amerikaner gewarnt. 

Eine Übernahme der russischen Guthaben sei alternativlos und es gebe auch Völkerrechtler, die darin kein allzu großes Problem sähen. Verliere Russland den Krieg, könne es sich nicht beschweren. Gewinne es, müsse es ohnehin zustimmen, Reparationen zu zahlen. "Die Wahrscheinlichkeit, dass das nicht passiert, ist", hat Norbert Röttgen das Spannungsfeld beschrieben. Also ganz klein, so klein sogar, dass Deutschland zwar mit 50 Milliarden bürgt, aber komplett aus dem Risiko ist.

Das stärkt den Finanzplatz 

Aber schiefgehen kann immer etwas, gerade beim Geld. Die haben Angst, die anderen fürchten sich. Dritte warnen vor einem Dauerschaden für den Finanzplatz Europa. Wenn erst jeder, der hier Geld angelegt habe, damit rechnen müsse, dass sein Treuhänder es nicht mehr herausrücken dürfe, würden einfach alle mit ihren Konto woandershin ziehen, fürchten die Skeptiker. 

Eine Gefahr, die Ursula von der Leyen nicht sieht. Gerade erst hat die Kommissionspräsidentin wissen lassen, dass sie den europäischen Finanzplatz stärken werde. Die EU brauche privates Kapital, um die USA und China demnächst bei KI und Cloud und Rüstung und überhaupt einzu- und zu überholen. 

Das Herz der Finanzunion 

Um Euroclear, das unscheinbare Herz der Finanzunion, balgen sich seit Monaten die Begehrlichkeiten. Niemand gelang hinein in die Festung aus Glas und Stahl. Die Milliarden, die hier lagern, sind abstrakte Zahlenreihe. Der Reichtum von Staaten und Konzernen wird ausgedrückt durch Besitztiteln. Dass der einzige rechtssichere Weg, an die Milliarden heranzukommen, durch rechtliche Schlupflöcher führt, vorbei an den Sicherheitskameras des Völkerrechts und mit einfachen Mehrheitsentscheidungen hinein in die virtuellen Tresore, steht seit Wochen fest. 

Alle Bemühungen, die gesamte EU-Mitgliedschaft einzuschwören auf den einmaligen Coup, sind gescheitert. Käme es trotz der Drohung der Außenbeauftragten Kaja Kallas, man werde über die Frage beraten, bis ein positiver Beschluss vorliege, zu einer Ablehnung, wäre das die größte Blamage, die die EU jemals erlitten hat.

Ein romantischer Raub 

Die Nacht- und Nebelaktion "Expropriation of the Eagle" setzte deshalb vorher an. Wenn die russischen Milliarden erst weg sind, kann das Geld den Ukrainern helfen, ohne den Helfern zu schaden. Es ist ein romantischer Raub nicht für den eigenen Luxus, sondern für Gerechtigkeit, Frieden und Sicherheit aller. Ein Bankraub, wie in der Kriminalästhet Klaus Schönberger als kulturelles Phänomen beschrieben hat: In einer kapitalistischen Welt, in der Güter im Überfluss existieren, die aber vielen nicht genug Mittel gewährt, sich Zugang zu verschaffen, ist der trickreiche Gangster ein romantischer Held. 

Kriminell, aber liebenswert, so schildert der österreichischer Psychoanalytiker Otto Fenichel den Reflex einer Gesellsckaft, die es gern sieht, wenn es den Richtigen trifft. Der Räuber hat ihre Sympathien, weil er auf eigene Faust Ungerechtigkeiten korrigiert - er beschenkt die Armen oder, wie im Fall Euroclear, er gibt denen, die es nötig haben. 

Respekt und Sympathie 

Ob 100.000 Euro, zehn Millionen oder 210 Milliarden wie im Fall der eingefrorenen Vermögenswerten der russischen Zentralbank, die Menschen halten gern zu den Kleinen, die mit den Großen nicht auf Augenhöhe konkurrieren können. Frech sein, gewitzt und skrupellos, das kommt seit den Tagen Robin Hoods immer an. Sich vor aller Augen und öffentlich angekündigt in die geheimsten Schatzkammern des wichtigsten europäischen Zahlunsgdienstleisters zu schleichen, um an unfassbar hohe Geldmengen als Grundlage für einen ordentlichen Reparationskredit zu gelangen, trifft auf Respekt und Sympathie.

Der EU-Rat, eine der für die meisten EU-Bürger völlig undurchschaubaren Institutionen der Gemeinschaft, erscheint auf einmal wie der Robin Hood unter den multinationalen Bürokratien. Da wird nicht gezaudert und gezögert, da wird zugegriffen, wo das Geld im Schrank liegt. Vermögen gehören dem, der die Hand drauf hat.

Bertolt Brechts Irrtum 

Als Bertolt Brecht spöttelnd fragte, was denn ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank sei, ahnte er nicht, dass Jahrzehnte später niemand mehr eine Bank gründen oder überfallen muss, um sich die Verfügungsgewalt über deren Guthaben zu verschaffen. Der militante Sozialrevolutionär  Karl Plättner raubte im Sinne von Marx’ zur Expropriation der Expropriateure mit der Waffe in der Hand. Die Gebrüder Sass leerten die Safes reicher Eliten nach penibel ausbaldowerten Plänen. Die EU kommt mit einem Formbogen, der die Bank zur Herausgabe des Geldes verpflichtet.

Montag, 15. Dezember 2025

Euer Betreuer: Lars Klingbeil und der Zollbetrug

Lars Klingbeil Ramschware China, EU Zollfreigrenze Abschaffung, Temu Shein Zollpflicht, Ramschware aus China, Einfuhrumsatzsteuer Pakete China, Handling Fee EU Pakete, Klingbeil TikTok Betrug China
Lars Klingbeil spricht auf der chinesischen Spionageplattform TikTok von "Betrug" und lässt dann erkennen, dass er auch nach einem halben Jahr als Finanzminister noch nie von der Einfuhrumsatzsteuerpflicht gehört hat.

 "Politik hat die Aufgabe, das tägliche Zusammenleben in unserer Gesellschaft zu regeln - so sieht es das Grundgesetz vor."

SPD-Wahlkampfzeitung 2012 

Der Mann mit den unruhigen Händen hat den Menschen etwas mitgebracht. Heißa, Kinder, nächstes Jahr wird es etwas geben, ruft Lars Klingbeil in seiner gewohnt ruhigen Art. Einmal nur noch wird es Weihnachten mit günstigen Geschenken geben. Dann wird die EU die seit Monaten vorbereiteten neuen Zollschranken hochziehen: Die Zollfreigrenze für Pakete, die bisher bei 150 Euro liegt, fällt weg. Und damit die großen Welthandelsströme aus China nach Europa sich darüber nicht hinwegsetzen, wird   zusätzlich eine Bearbeitungsgebühr von drei Euro pro Paket fällig.

Tarnname für die Sondersteuer 

In Brüssel nennen sie den Sonderzoll auf EU-Europäisch eine "Handling Fee". Doch es werden nicht die DHL- und Hermes-Syrer sein, die das Geld bekommen, sondern die seit dem Zoll-Bückling von Ursula von der Leyen in Washington klamme Gemeinschaftskasse in Brüssel. Zwölf Millionen Paketsendungen gehen europaweit täglich ein. Die EU-Kommission rechnet mit zusätzlichen Einnahmen von 15 Milliarden Euro allein durch die  "Bearbeitungsgebühr", für die niemand auch nur einen Handschlag zusätzlich tun muss. Dazu kommen Extra-Milliarden, weil ab Juli kommenden Jahres selbst eine bei Temu oder AliExpress bestellte Büroklammer zollpflichtig wird.

Und das Beste daran: Ein großer Teil der Bevölkerung zumindest in Deutschland ist fest überzeugt, dass etwas getan werden muss gegen eine vermeintliche "Paketflut", wie es die zu Chefin des Verbraucherzentrale Bundesverbands umgeschulte frühere Grünen-Politiker Ramona Pop nennt. Mit einem Gesamtanteil von nur fünf Prozent am deutschen Online-Handel und einem Anteil von unter zwei Prozent am gesamten Einzelhandelsumsatz ist es Temu, Shein und AliExpress gelungen, der Politik eine Steilvorlage zu geben. Endlich Schuldige. 

Die bedrohlichen Zwerge 

Dass Innenstädte veröden, das Stadtbild vielerorts an verlassene Goldgräbersiedlungen erinnert, in denen nur noch Dönerstuben, Wettketten und Nagelstudios Kunden locken, hat nichts mit Amazon zu tun, dem US-Riesen, der inzwischen für mehr als sechs Prozent aller Handelsumsätze in Deutschland verantwortlich ist und den Online-Handel mit bis zu 60 Prozent Anteil dominiert. Sondern den chinesischen Zwergen mit ihren Plunderangeboten, die die einen lieben. Während die anderen sie - ganz im Gegensatz zum eigenen hochpreisigen Konsum - für unzureichend nachhaltig, chemisch verseucht und brandgefährlich halten.

Würden die Deutschen heute gefragt, wie schlimm die Lage durch die chinesischen Internetanbieter geworden ist, sie würden mit Fantasiezahlen hantieren. Nach einer über Monate andauernden Medienkampagne sind mehr als 30 Prozent der Bürger überzeugt, dass Shein, Temu und AliExpress den Großteil der drängendsten Probleme der Menschheit verursachen. Dass es kaum mehr Altkleidercontainer gibt, liegen an deren fast fashion, heißt es, denn die mache mittlerweile wohl mehr als die Hälfte aller verkauften Bekleidungsstücke aus. Weitere 30 Prozent der Bevölkerung glauben, dass Verbote und Strafen am besten gegen die Paketpest hülfe.

Der glücklose Niedersachse 

Es ist dieses Milieu, um das der als Finanzminister und Parteichef bisher glücklose Klingbeil wirbt. Gezielt lanciert über die chinesische Spionageplattform TikTok, deutet der Sozialdemokrat die Preiserhöhung für alle Bestellungen über die chinesischen Internetkramläden als eine "Maßnahme" mit deutlicher Wirkung: "Wir stoppen Ramschware aus China und schützen euch damit vor Betrug", zeigt sich der 47-Jährige als verantwortlicher Vormund für eine ganze Nation. 

Millionen, die nicht selbst entscheiden können, finden in dem studierten Politikwissenschaftler, der in seinem ganzen Leben noch keinen einzigen Tag außerhalb des sozialdemokratischen Biotops gearbeitet hat, finden in ihm einen beherzten Betreuer, der seine Schutzbefohlenen ungefragt vor Produkten schützt, "die nicht gut sind für die Verbraucherinnen und Verbraucher, wo zum Beispiel Giftstoffe im Kinderspielzeug sind". Klingbeil weiß: Drei Euro mehr auf den Plastikbagger und die Puppe, drei Euro für Brüssel und noch einen Extra-Schwapps Zoll obendrauf, schon ist das Gift weg.

Kämpfer gegen Ramschware


Wie er da so steht, der große, ungelenke und immer traurig wirkende Niedersachse, verkörpert er genau die Geschichte, die er erzählt. "Ihr alle kennt die Situation, beispielsweise jetzt kurz vor Weihnachten", sagt Klingbeil. Man suche noch ein Geschenk und dann bestelle "man schnell etwas im Internet". So macht er das. Nur das Beste für die Lieben. Vielleicht ein Plastikblumenstrauß oder eine Taschenlampe mit USB, die auch als Flaschenöffner dienen kann. Lars Klingbeil weiß genau, wovon er spricht: "Immer mehr Ramschware aus China und da gehen wir jetzt politisch ran."

Was lange währt, wird gut. Schon vor zwei Jahren, lange vor Donald Trumps schädlichen Zollverordnungen, hatte die EU versucht, den globalen Handel auszubremsen. Die Freigrenzen für private Einkäufe im Nicht-EU-Ausland entfielen. Auf alle Waren, die bei auswärtigen Händlern bestellt wurden, kassierte die EU zwar keine Zollgebühren. Aber Einfuhrumsatzsteuer in gleicher Höhe. Allerdings nur theoretisch: Maßgeblich für die Feststellung, ob Steuer erhoben werde, sei der vom Händler ausgewiesene Sachwert, denn für "Waren von geringem Wert" (zoll.de) interessiere man sich weiterhin nicht.

Ein Finanzminister ohne Fachkenntnisse 

Händler wiesen den Sachwert ganz im Sinne dieser Klarstellung aus. Die Zollbehörden hatten keinerlei Chance, die Menge der eintreffenden Pakete auch nur stichprobenartig daraufhin zu prüfen, welche Warenwerte tatsächlich verschickt wurden. Wenn Lars Klingbeil jetzt klagt, dass "die Pakete, die aus China kommen, meistens unter der Zollgrenze von 150 Euro" lägen, dann hat er faktisch recht. Praktisch aber scheint es beinahe so, als wisse der Finanzminister auch nach mehr als einem halben Jahr im Amt nicht, dass für sämtliche Pakete aus dem Nicht-EU-Raum bereits seit Juli 2021 ab dem ersten Cent die Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) von 19 Prozent auf den Waren- und Versandwert anfällt. 

Oder aber er weiß es doch und hält es aber für angebrachter, den Wechsel von der Erhebung einer Einfuhrumsatzsteuererhebung auf eine Erhebung von Zöllen als politischen Donnerschlag zu verkaufen. Raider heißt jetzt Twix, sondern ändert sich nix, auch wenn Klingbeil die von den Chinesen zerstörten "fairen Wettbewerbsbedingungen" mit der Umbenennung der Einzugsbegründung als Aufhebung der Zollfreiheit zu verkaufen versucht. 

Darum geht es nicht, sondern um den anderen Kassierttrick, den sich die EU-Kommission ausgedacht hat: Die "Handling Fee" wird die wahre Goldgrube. Drei Euro auf alles. Drei Euro, die Lars Klingbeil wohlweislich nicht erwähnt.

Welches "Wir" 

Stattdessen ist die pauschale Zusatzgebühr, die es den Behörden künftig ersparen soll, mühsam ihre Arbeit zu tun, bei ihm eines jener berühmten Zeichen: "Damit machen wir deutlich: Wir wollen keine Ramschware aus China, die uns hier überflutet", sagt er. Wer dieses "Wir" diesmal ist, die Partei, seine Ministeriellen, seine Familie, Freunde oder Bekannte seiner Eltern, bliebt unerwähnt. Fakt nur: "Das heißt, jedes Paket muss zusätzlich bezahlt werden." Klingbeil sagt selbstverständlich nicht, von wem. Für die weniger Begüterten, die am liebsten bei den Chinesen kaufen, soll es doch eine Überraschung werden, wenn der Weihnachtseinkauf im kommenden Jahr deutlich teurer wird.

Das ist alles zum Besten aller, denn damit "machen wir deutlich, wir haben hier in Europa gute Produkte und wir wollen, dass die auch zu fairen Wettbewerbsbedingungen gehandelt werden können", sagt Lars Klingbeil, der dabei sicherlich an die Smartphone-Produktion im Saarland, den guten Ruf der Boom-Box-Hersteller aus Hamburg und den Lieferanten seines kabellosen Lavaliermikrophons von Maono denkt, einem Hersteller, hinter dem sich die sächsische Firma Shenzhen Maono Technology Co. verbirgt.

Damit es sich lohnt 

"Das schützt euch", sagt Vati Klingbeil, "das schützt die Kinder, das schützt die Umwelt, das schützt unsere europäische Wettbewerbsfähigkeit und auch die Arbeitsplätze hier in Europa". Drei Euro mehr für jedes Päckchen, das haben die Fachleute der EU-Kommission in Befragungen herausgefunden, sind exakt so viel Geld, dass kein Temu- oder Shein-Kunde auf künftige Bestellungen verzichtet. 

Allenfalls wird das eine oder andere Stück Ware zusätzlich in den Einkaufskorb gelegt, damit es sich auch lohnt. Gleichzeitig aber wird die EU Milliarden einnehmen. Und Lars Klingbeil seinen und den Ruf seiner Partei untermauert zu haben, dass ein betreutes Leben für alle das Ideal der deutschen Sozialdemokratie bleibt - ob die Bürgerinnen und Bürger nun wollen oder nicht.


Kritikverbotszonen: Freiheit unter strenger Kontrolle

Kritikverbotszone, Regierungskritik, Friedrich Merz, Der Spiegel, Tim Bartz, Wirtschaftskritik, Demokratiebeschädigung, Reformstau, Standort Deutschland, Hass und Hetze
Seit der Ausweisung der ersten Kritikverbotszonen sind Monate ins Land gegangen. Doch weil es an strengen Kontrollen fehlt, machen Fälle von Regierungskritik noch immer Schlagzeilen.

 Was soll das Geraune über Deutschlands Niedergang,

 die Unfähigkeit der Regierung

 und das Zugehen auf Rechtsextreme bringen?

Tim Bartz vom "Spiegel" setzt sich für strenge Kontrollen in den Kritikverbotszonen ein 

Es reicht. Seit den offenbar von Russland koordinierten verbalen Angriffen auf Politikerinnen, Politiker, demokratische Institutionen und die letzte Bundestagswahl tobte die Diskussion um die Ausweisung bestimmter Kritikverbotszonen (KVZ) im politischen Berlin schon. Doch mit der Aufdeckung umfangreicher Kritiknetzwerke, die die Bundesregierung bislang daran hindern, die wirtschaftliche Stimmung in Deutschland zu drehen, hat das frühere Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" der Sicherheitsdebatte um die KVZ jetzt eine neue Dringlichkeit gegeben.

Maßlose Bosse 

Erstmals konnte aufgedeckt werden, hinter der verbotenen Kritik an der Regierung" (Spiegel) häufig "die Maßlosigkeit der Bosse" steckt. Nur weil die Standortbedingungen in vielen Branchen keine rentierliche Wirtschaftstätigkeit mehr zulasse, analysiert Unternehmensberichterstatter Tim Bartz, schwängen sich "Manager und Wirtschaftsvertreter" zu überzogener Kritik an der Regierung aus. "Das beschädigt die Demokratie" folgert Bartz, der als Redakteur bei der deutschen Ausgabe der Financial Times selbst Erfahrungen mit einer Unternehmensschließung aus kurzsichtigen wirtschaftlichen Gründen sammeln konnte.

Der Effekt der bisher ausgewiesenen Kritikverbotszonen ist nach Angaben aus den einzelnen Bundesländern immer noch als eher gering einzuschätzen. Wo immer Spitzenpolitiker auftreten, um ein konsequentes Festhalten an Reformplänen und Klimazielen zu verkünden, die Einsetzung weiterer Kommissionen bekannt zu machen oder neue planwirtschaftliche Prämissen zu popularisieren, ernteten sie nach wie vor teils lauten Widerspruch.

Bas' krude Rententhesen 

Die Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas, selbst Sozialdemokratin, war Unternehmern und Verbandsvertretern wegen einiger kruder Thesen zur Rentenfinanzierung ausgelacht worden. Wenig später führte eine ARD-Sendung Bundeskanzler Friedrich Merz zur besten Sendezeit als eine Art Deutschland-Narr mit schwarz-rot-goldener Rüschenkette vor. Ein Staatsmann wird lächerlich gemacht. Und das im Staatsfernsehen, das Kulturstaatsminister Wolfram Weimer eben erst in einer umständlichen Warnung einen "Echoraum der Beliebigkeit" mit einem "Filter für genehme Gesinnungen" genannt hatte.

Verständlich, dass das im Regierungsviertel Verdruss erzeugt. Inzwischen begegne die Wirtschaft "Bundeskanzler Friedrich Merz, seinen Ministern und dem gesamten politischen Betrieb mit einem Maß an Häme und Verachtung, das jedes Maß sprengt", hat der "Spiegel" herausgefunden. Nur weil die Bundesregierung auch nach einem halben Jahr im Amt keine greifbaren Fortschritte bewirkt habe, sei es unzulässig, ihr vorzuhalten, sie könne "nur die eigenen Finanzen sanieren" (Der Spiegel).

Übergriffige Ktitiker*innen 

Negiert wird dabei, dass Merz der erste Kanzler war, der jemals in der deutschen Geschichte bis zum Sommer eine Stimmungswende versprochen hatte. Merz hatte die Grenzen schließen, die Atomkraftwerke wieder anfahren und die Strompreise senken wollen. Auch bei der Lieferung von "Taurus"-marschflugkörpern an die Ukraine steltle er sich entschlossen gegen den lauen, abwartenden Kurs seines Vorgängers Olaf Scholz. "Ohne Reichweitenbegrenzung" werde er liefern, hatte Merz zugesagt. Ein Mann, ein Wort. Er allein stellt sich in diesen Tagen den Warnungen entgegen, mit einer Beschlagnahme des russischen Vermögens in Belgien riskiere die EU einen Bruch des Völkerrechts. Und er ist es, der klargemacht hat, dass seine Regierung eines Tages liefern werde.

Statt ihm die Zeit zu geben, wenigstens so viel wie Angela Merkel über ihre vier Amtszeiten zugestanden wurde, kriechen die Meckerer, Zauderer und Zweifler aus den Löchern. "Wer dieser Tage zuhört, wenn Manager, Unternehmer, Banker oder Wirtschaftsanwälte über die Regierung und den Bundestag reden, bekommt den Eindruck, dass sie nicht nur konkrete politische Entscheidungen ablehnen, sondern die ganzen mühsamen Verfahren der parlamentarischen Demokratie", berichtet Tim Bartz aus den Salonetagen der vom Merz eingeleiteten "Wirtschaftswende". 

Umbenennung von Bürgergeld und Heizungsgesetz 

Nichts reicht ihnen. Nicht der erhöhte Mindestlohn. Nicht die Umbenennung von Bürgergeld und Heizungsgesetz. Unzufrieden geben sich die großen Firmen darüber, dass der Industriestrompreis nur sehr, sehr wenige Unternehmen zugutekommt, die dafür aber umfangreiche bürokratische Berichts- und Nachweispflichten erfüllen müssen. Gequengelt wird auch darüber, dass im gesamten Herbst der Reformen keinerlei Bürokratieabbau gelang. Und darüber, wie lange das Bundeskanzleramt braucht, aus den großen Stapeln von Investitionsangeboten ausländischer Großunternehmen handfeste Erfolgsmeldungen für den Standort zu machen.

Bereits Anfang Oktober, pünktlich zum Festtag der Deutschen Einheit, hatte Merz bekanntgegeben, dass die entsprechenden "Berge" von Investitionsanfragen "nur noch geordnet" werden müssten. Für viele Wirtschaftskapitäne zieht sich das aber nun wohl zu lange hin. Bei ihnen wächst "die Anziehungskraft autokratischer Systeme, die Grenze zwischen berechtigtem Frust über mangelndes Reformtempo und generellen Zweifeln am System wird löchrig", appelliert der "Spiegel" an ein höheres Maß innerer Stärke und mehr Zutrauen in die Gewissheit, dass am Ende alles gut werden wird. 

Der "Spiegel" schwurbelt mit 

Vom "Wachstum nur auf Mininiveau" schwurbeln die Gazetten und der "Spiegel" schwurbelt kräftig mit. Angeblich aus Gründen der Informationspflicht bieten selbst verantwortlich handelnde Redaktionen immer öfter denen eine Plattform, die trotz der längst beschlossenen Turboabschreibungen "fehlende Reformen" beklagen. Und das, obwohl Finanzminister Klingbeil bald positive Effekte erwartet.

Behauptungen, dass ein Reformstau das Wachstum der deutschen Wirtschaft bremse und eilfertige Zurücknahmen von Wachstumsprognosen sind kein Zeichen demokratischer Stärke, sondern eines für eine Glaubensschwäche. Deren Gründe liegen offen zutage: Obwohl seit der Verabschiedung des Sicherheitspakets im Bundestag und der Ausweisung erster Kritikverbotszonen bereits Monate vergangen sind, mangelt es laut Bundesinnenministerin an einer konsequenten Umsetzung des Kritikverbots. 

Nur Toleranz für Kritziker 

Nur rechtlich gesehen gelte "null Toleranz". Im Alltag aber fehle es Meinungsfreiheitsschützern, den von der EU mit der Führung von Verdächtigenlisten beauftragten Trusted Flaggern, Geheimdiensten und polizeilichem Staatsschutz an der Handhabe, anlasslos strenge Kontrollen durchführen zu können. Selbst weltweit bewunderte Sonderstaatsanwaltschaften wie die Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet könnten nur zu den alljährlichen "Aktionstagen zur Bekämpfung von Hasspostings" wirklich durchgreifen.

An den übrigen 364 Tagen ist die Lage kaum mehr zu beherrschen. So zitiert der "Spiegel" Thomas Schulz, den Chef des Industriedienstleisters Bilfinger, mit einem ungeheuerlichen Satz. "Die Politik ist schwach, wenn man über Sachen nur redet, aber nichts durchführt", habe der Manager ganz unbekümmert vor mehreren Zuhörern gesagt. Wer so handele, der sei "in der Industrie nicht lange CEO, da reden wir nicht über 100 Tage; da sind Sie schneller weg", habe er zudem nachgeschobe - offenbar sicher, nicht belangt werden zu könne.

Kenntnislose Dampfplauderei 

Eine Satz, der eine Haltung verrät. Und ziegt, "wie in diesen Kreisen zuweilen gedacht wird", wie Tim Bartz im "Spiegel" zusammenfasst. Diese "kenntnislose Dampfplauderei" sei "kein Einzelfall", der Drang, sich negativ zu äußern, wird von keiner Strafandrohung wirksam eingedämmt. Einer, der alles schlechtredet, nur weil es schlecht aussieht, kommt zum anderen. 

Die Lobby der Familienunternehmer und Großindustriellen wähnt den Wirtschaftsstandort Deutschland "im freien Fall", wie Peter Leibinger, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) behauptet. Und sie suhlt sich im Leiden an Standortbedingungen, die Bartz als die "wirtschaftspolitischen Trümmer der Ära Angela Merkel" bezeichnet, an denen gerade die AfD, mit der mancher Manager flirtet, eine große Aktie habe.

"Beschämend platt" 

"Das ist falsch und beschämend platt", hat Tim Bartz das "Geplapper über einen unaufhaltsamen Niedergang Deutschlands" sachlich widerlegt. Auch die Merz-kritische ARD-Sendung "Die 100" hatte kürzlich bestätigt, dass "Deutschland immer noch die drittgrößte Industrienation" sei. Wer das nur wegen einem seit einem halben Jahrzehnt anhaltenden Abstieg leugen, "kreiert man eine Panikstimmung, auf die keine Regierung adäquat reagieren kann".

Das sind Zustände, wie sie in einem Land mit gepflegter Meinungslandschaft nicht hinnehmbar sind. Polizei und Behörden haben jetzt angekündigt, Kritikverbotszonen in Deutschland straffer durchzusetzen. Die Einhaltung der Kritikverbote werde "strikt kontrolliert werden", heißt es im politischen Berlin. Die grundgesetzliche gewährte Meinungsäußerung bleibe dabei "umfassend gewahrt" und Deutschland bei den Grundrechten auch in Zukunftein global wettbewerbsfähiger Freiheitsraum. 

Es braucht härtree Kritikkontrollen 

Die strafferen Zügel, mit denen die Einhaltung von lokalen und regionalen Kritikverboten überwacht werden sollen, diene nicht der Unterdrückung unerwünschter Äußerungen. Ins Visier sollen die zuständigen Organe ausschließlich die nehmen, die mit ihrem Gemaule einer Partei eine Bühne verschaffen, "die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Weltoffenheit und soziale Marktwirtschaft verachtet" (Bartz). In zweiter Linie sollen die Prüfer aber auch ein Auge haben auf Leute, die "hinter vorgehaltener Hand zugegeben" Sympathien fü einen Präsidenten zu haben, den die Europäische Union als Gegner begreift.

Gegen die Verführungskraft des Modells Trump, das nach Erkentnnissen des "Spiegel" gerade "unter den Führungsleuten der Wirtschaft Sympathie" genießt, weil die Spitzenmanager "zügige Wirtschaftspolitik per Dekret" gut fänden, kann eine in gegenseitiger Blockade gefangene Koalition wie die schwarz-rote in Berlin nur unzureichend glänzen.

Populistische Symbolpolitik 

SPD, CDU und CSU versuchen, was sie können, etwa mit der Abschaffung des Klagerechts für Organisationen wie die Deutsche Umwelthilfe, die aus der gerichtliche betriebenen Blockade von Investitionen ein Geschäftsmodell gemacht haben. Doch solange selbst solche symbolischen Gesten straflos als unzureichend, ineffizient und als populistische Symbolpolitik verhöhnt werden dürfen, dringt auch die Argumentation nicht durch, dass Merz' Vorgängerin Anghela Merkel an allem schuld ist. Nur die rasche und harte Ausweitung und strenge Kontrolle der Kritikverbote kann hier Entlastung schaffen.

Sonntag, 14. Dezember 2025

Die Auto-Autokraten: China, das Vorbild ohne Verbrennerverbot

Verbrennerverbot China Mythos, Verbrenner-Aus 2035 Aufweichung, EU Verbrennerverbot China Vergleich, China kein Verbrennerverbot, Elektromobilität China Erfolg ohne Verbot, Verbrennerverbot EU Kritik, E-Auto
Im Subtext behauptet auch Andreas Audretsch, dass China seine E-Auto-Erfolge einem Verbrenner-Verbot verdankt. Das allerdings existiert nicht.

Elektromobilität ist die Zukunft, nicht nur in Europa. Überall steigen die Zahlen verkaufter E-Autos kräftig. Teilweise liegen die modernen, geräuschlosen und zumindest auf der Straße rückstandsfreien Modelle auch in Deutschland schon bei einem Viertel der Verkaufszahlen, die Verbrenner immer noch erzielen. Nur noch ein wenig gesetzgeberischer Druck, dann muss sich die überlegene Technologie von selbst durchsetzen, so ist es geplant.

Der "Anschluss an China" 

Dass die EU ihr Verbrennerverbot, das ab 2035 gelten soll, nun schon zehn Jahre vor Inkrafttreten aufweicht, empört Umwelt- und Klimaschützer gleichermaßen. Als "Irrsinn" hat der anerkannte Berliner Klimaprofessor Volker Quaschning die Bestrebungen der EU-Kommission bezeichnet, eine der tragenden Säulen der Transformation einzureißen. "So verlieren wir den Anschluss an China bei der Elektromobilität und damit auch große Teile unserer Autoindustrie", argumentiert der Experte für Erneuerbare Energien, Energiewende und Klimaschutz, der an der HTW Berlin Energieausstieg lehrt. 

Auch Andreas Audretsch, der durch die Geldhaar-Affäre bundesweit bekanntgewordene stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, schlägt in diese Kerbe. Obgleich eigentlich nur für Finanzen, Haushalt, Wirtschaft, Arbeit und Soziales zuständig, ist der studierte Politikwissenschaftler, Soziologe und Publizist empört über die EU.

Die war nach einem Bittbrief von Bundeskanzler Friedrich Merz und CSU-Chef Markus Söder nach nur wenigen Tagen Überlegung zum Schluss gekommen, dass sie Europa doch lieber auf einen "Irrweg beim sogenannten Verbrenner-Aus" führen wolle, als konsequent am einmal eingeschlagenen Weg festzuhalten, whatever is costs.

Im Industriemuseum 

Das Aus für das Verbrenner-Aus mache "Europa zum Industriemuseum", wetterte Audretsch im ZDF, und er warnte: "Derweil setzt China auf Zukunftstechnologien!" Wer wie seine Partei an die Technologie-Spitze wolle, "tausende Jobs in Europa sichern und mit guter E-Mobilität das Klima schützen", der müsse festhalten an der Vorschrift, die festgelegt hat, dass Neuwagen in der EU ab 2035 im Betrieb kein klimaschädliches Kohlenstoffdioxid (CO2) mehr ausstoßen dürfen. Es drohe der "Rückschritt", warnt der um die Früchte jahrelanger Lobbyarbeit bangende Quaschning: "So werden wir den Anschluss an China verlieren, weiter von Ölimporten abhängig bleiben und unsere Klimaziele reißen!"

So schon droht die Planerfüllung auch im E-Auto-Bereich zu scheitern. Die Ampelregierung hatte beschlossen, dass bis zum Jahr 2030 mindestens 15 Millionen Deutsche ein Elektroauto fahren müssen.  Als die rot-grün-gelbe Koalition antrat, gab es rund 350.000 E-Autos auf deutschen Straßen. Als sie drei Jahre später vom inneren Streit zerrissen wurde, waren es 1,65 Millionen. Doch dieses Deutschland-Tempo reicht nicht aus. Ein Jahr später sind immer noch nur vier Prozent des Pkw-Bestandes elektrifiziert.

Umstellungsdauer bis zum Jahr 2136 

Gelingt es nicht, ein exponentielles Wachstum künstlich zu erzeugen - etwas durch Kaufprämien oder ein Verbot aller anderen Antriebsarten - droht eine komplette Umstellung von wenigstens 15 Millionen Fahrzeugen auf E-Antrieb noch mehr als 30 Jahre zu dauern, also bis zum Jahr 2055. Der Austausch des gesamten Fahrzeugbestandes von 50 Millionen Pkw wäre bei gleichbleibenden Wachstumsraten sogar erst im Jahr 2136 beendet. Denn die Stromer-Neuzulassungen steigen zwar. Doch einfach nicht schnell genug, so lange den Käufern die Wahl zwischen E-Auto und Verbrenner bleibt.

Der Verweis auf die chinesische Planwirtschaft darf deshalb mittlerweile nirgendwo mehr fehlen, wo das "Geraune über Deutschlands Niedergang" und die "Unfähigkeit der Regierung", wie es der "Spiegel" nennt, mit dem "neidvollen Blinzeln in Richtung Autokratie" und einer "mehr oder weniger offenen" "Bewunderung des chinesischen Modell wegen seiner Effizienz" eine verhängnisvolle Allianz eingehen. 

Die Hohepriester des Autokratismus 

China erscheint den Quaschnings, Audretschs, bekannte Klimaideologen und einer ganzen Division anderer Bewunderer von Verbotslösungen als leuchtendes Vorbild für entschiedene Problemlösungen, obwohl "es keinen Widerspruch duldet und auf Ausbeutung von Mensch und Natur gründet", wie der "Spiegel" richtig anmerkt.

Diesmal werden die Klimaschutzziele angeführt, die ein Aus für das Verbrenner-Aus "gleich mit über Bord kippen" werde. Selbst der Umstand, dass die EU-Kommission eher eine sogenannte "Bürgergeld"-Lösung plant - also keine Rücknahme des Verbrenner-Aus, sondern eine Umbenennung -  vermag die Kritiker nicht gnädig zu stimmen. Die sogenannte Technologieoffenheit sei ein fataler Rückschritt, wenn "jetzt von Ausnahmen mindestens für Hybridfahrzeuge gesprochen" werde, könnten auch nach 2035 noch Neuwagen mit Verbrennertechnik zugelassen werden.

Männer im Hinterzimmer 

Was bisher vorbildlich auftretende europäische Vordenker wie den zuletzt überall interviewte Manfred Weber, ehemals gescheiterter EVP-Spitzenkandidat für die Übernahme des EU-Kommissionsvorsitzes, dabei reite, sei unklar. Weber hatte lange für ein Verbrennerverbot mit Augenmaß eingesetzt, nach der Mehrheitsentscheidung im EU-Parlament aber nie aufgehört, gegen die mit den Stimmen von Linken, Grünen und Sozialdemokarten getroffenen Beschluss zu agitieren. 

Weber sieht sich als führenden europäischen Lobbyisten der Verbrenner-Vergangenheit. Britta Haßelmann, die für die Zukunft nach chinesischem Zuschnitt antritt, hat das mit einem prägnanten Foto illustriert: Als in einem Hinterzimmer Frauen über die Aufweichung des Verbrenner-Verbots entschieden wurde, saßen acht Männer am Tisch. "Dabei sind Frauen mehr als die Hälfte dieser Gesellschaft", wetterte Haßelmann, "wen soll das hier repräsentieren?!"

Die China-Lüge 

Die Zukunft sei elektrisch, China zeige das, betont die grüne Fraktionsvorsitzende im Bundestag. Wie Volker Quaschning, Andreas Audretsch, die Klimaökonomin Claudia Kemfert und die Zentralorgane die "Oberflächen-Journalismus" (Roland Tichy) geht auch Haßelmann offenbar davon aus, dass Chinas Elektroauto-Erfolge einem Verbrennerverbot zu verdanken sind. Öffentlich behauptet das niemand. Doch die Argumentation der Bewunderer des Autokraten Xi setzt das Verbot quasi voraus: Wer keins hat, falle hinter China zurück. Wer Verbrenner weiter dulde, sei nicht annähernd so fortschrittlich wie das diktatorisch regierte Reich der Mitte.

Das Problem: Ein Verbrenner-Verbot in China existiert nicht. Im Gegensatz zur anderen großen Planwirtschaft in Europa hat die chinesische Zentralregierung nach langen Erwägungen bereits 2017 entschieden, den Verbrennungsmotor, synthetische Kraftstoffen und dem Antrieb durch Brennstoffzellen weiterhin als Teil der nationalen Mobilitätsstrategie zuzulassen. Einzig in der kleinsten Provinz Hainan, einem Inselreich mit zehn Millionen Einwohnern ganz im Süden, dürfen ab 2030 an keine neuen Verbrenner mehr gekauft werden. 

Wettbewerb der Antriebssysteme 

Das kommunistische Regime setzt auf den Wettbewerb der Antriebssysteme und darauf, dass der Elektroantrieb sich ähnlich wie früher erfolgreiche Technologien durch seine Vorteile durchsetzt. Auch die Compact Disc hatte ihren Siegeszug nicht einem Schallplattenverbot zu verdanken, heißt es in Peking. Ebenso wenig sei das Streaming zum dominierenden Vertriebsweg für Musik geworden, indem ein CD-Verbot erlassen wurde. 

Doch anstatt sich von diesem Beispiel bestärken zu lassen, das China zu einer Quote von annähernd 50 Prozent  Elektrofahrzeugen bei den Neuzulassungen verholfen hat, verschließen die Kritiker der Abkehr vom Verbrenner-Verbot die Augen vor der Realität. Ihrer Ansicht nach braucht die kriselnde Autobranche gerade Richtlinien, Ausstiegsszenarien und Deadlines, um eigene Batteriefabriken aufzubauen und in die bessere Antriebstechnologie zu investieren. 

Das Bessere durch Zwang durchsetzen 

Statt Strom billiger zu machen, so dass die Kostenvorteile den Umstieg für jeden Autokäufer ökonomisch rational erscheinen lassen, beharren die Planwirtschaftsgläubigen darauf, dass das Bessere sich allein durch Zwang durchsetzen lässt. Nach dem angekündigten Einknicken der EU-Kommission vor den Bitten mehrerer Regierungen der Mitgliedsstaaten, im Zuge der umfassenden Rückabwicklung vieler wegweisender EU-Planvorgaben auch Verbrenner wieder eine Chance zu geben, könnte die deutsche Autoindustrie zufrieden sein. Der Markt wird entscheiden. Doch dieser Eindruck täuscht, denn die Vorgaben der sogenannten CO₂-Flottengrenzwerte bleiben mit einer nur sehr geringen Senkung der Zielvorgaben bestehen. 

Die Kommission erhofft sich davon ein Erreichen ihrer Planziele, ohne dass sie für den weiteren  Niedergang der Branche verantwortlich gemacht werden kann. Die Bundesregierung freut sich über einen symbolischen Sieg, der öffentlich gefeiert werden kann. 



Verschwiegene Weihnachtsgefahr: Bomben am Gabentisch

Weihnachtsbaum   Weihnachtsbaum Verbot   Adventskranz Brandgefahr   Feinstaub durch Kerzen   Weihna
Ein typisches deutsches Weihnachtsbild: Eine nichtsahnende Familie hat sich vor einem Weihnachtsbaum aufgestellt, der jederzeit zu einer tödlichen Bombe werden kann.

Es sind die stillen, eifrig verschwiegenen Tragödien, die die Weihnachtszeit Jahr für Jahr überschatten. Sie fordern Todesopfer, zerstören Volksvermögen im Millionenwert und lassen Fachbehörden immer wieder mahnen: Rund um die traditionellen Winterfesttage steigt die Zahl der Brände in Deutschland deutlich an, oft um 35 bis 50 Prozent im Vergleich zum Jahresdurchschnitt.  

Die Ursache, sagen Wissenschaftler des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft, liegen auf der Hand:  Tausende zusätzlicher Bränden werden durch Kerzen an Adventskränzen und Weihnachtsbäumen verursacht. Unsägliches Leid entsteht so. Wohnungseinrichtungen werden zerstört. Die stille Zeit ist zum Teufel. Der durchschnittliche Schaden der sogenannten Weihnachtsbrände ist zuletzt auf ein Rekordniveau von 4.900 Euro gestiegen.

Unsagbares Leid unterm Baum 

Schwerer aber als dieser materielle Schaden wiegen die psychischen. Haustiere werden verschreckt. Oft muss ausgerechnet über die Festtage zu Verwandten oder in Hotels umgezogen werden. Es gibt Papierkram zu erledigen. Neue Möbel anzuschaffen. Ausgerechnet in einer Zeit, in der bei vielen die Kassen ohnehin knapp sind.

Doch in der gesellschaftlichen Debatte werden die volkswirtschaftlichen Schäden durch das in vielen Familien immer noch kultisch gepflegte Brauchtum von Weihnachtsbaum und Weihnachtskranz gern ignoriert und verschwiegen. Die sachlichen Argumente, die für ein generelles Verbot von Weihnachtsbäumen, Kerzen und Lichterketten sprechen, werden beiseitegeschoben. 

Irreführende Narrative der Behörden 

Selbst Bundesministerien pflegt das Narrativ von der beherrschbaren Gefahr und einer Feinstaubbelastung durch Wachskerzen, die sich doch nur "temporär erhöhe".  Und das, obwohl in der Wissenschaft unumstritten ist, dass eine einzige brennende Kerzen in einem Innenraum die Anzahl der kleinsten und gefährlichsten Feinstaubpartikel in der Luft um das 10- bis 20-fache erhöht.

Die archaische Faszination des Feuers sitzt tief im modernen Menschen. Wer keinen Kamin besitzt, greift deshalb oft zur kleinen, giftigen Schwester der großen Flamme: Kerzen wird nachgesagt, im Handumdrehen eine wunderbar heimelige Stimmung herbeizaubern zu können. Die Brennelemente aus Paraffin, Stearin und Bienenwachs funktionieren ähnlich: Wachs wird durch den Docht aufgesaugt und unter Nutzung von Sauerstoff in einer Flamme verbrannt. 

Dicke Luft zum Fest 

Wie bei jedem anderen Verbrennungsvorgang  bleiben dabei Schadstoffe zurück, die an die Luft abgegeben werden. Im Fall von Paraffinkerzen ist es im Grunde Erdöl, das da abgefackelt wird. Das Ergebnis sind gefährliches Kohlenmonoxid, Ruß und Feinstaub in der Atemluft.

Doch selbst der am wenigsten gesundheitsschädliche Kerzenrohstoff Bienenwachs löst Leid und Trauer aus. Eigentlich genug Grund, diese nutzlose Tradition dauerhaft abzuschaffen. "Zum Schutz von Mensch, Tier und Umwelt", wie Jürgen Resch, der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, insistiert. Deutschland lasse zu, "dass für den Spaß einer sehr kleinen Minderheit jedes Jahr tausende Menschen verletzt werden, Städte im Feinstaub versinken und Millionen Tiere in panische Flucht geraten", mahnt er. 

Ein riesiges Geschäft auf Kosten der Sicherheit 

Die Weihnachtsbräuche sind  zudem teuer: Allein die Weihnachtsbaumbranche setze etwa 800 Millionen Euro um. Das ist fünfmal so viel wie mit Silvesterfeuerwerk erwirtschaftet wird. Deutschland ist damit der größte Weihnachtsbaumverbraucher in Europa - und das von den Gefahren der uralten Bräuche am meisten bedrohte Land. 

Alle Jahre wieder spielen sich vielerorts dieselben Dramen ab: Das Fest der Liebe und des Friedens wird für unzählige Familien zum traumatischen Erlebnis. Nicht weil  Christkind und Knecht Ruprecht mit der Rute zu Besuch kommen, Sondern weil Unfälle, Brände und Vergiftungen die stille Zeit überschatten.

Ein tragischer Trend fordert Todesopfer 

Alte Damen stürzen beim Schmücken der Tanne von wackligen Leitern. Hobby-Bastler sägen sich beim Versuch, einen neuen Weihnachtsbaumständer aus einer alten Schranktür zu bauen, Fingerkuppen ab. Was als fröhlich blakende Wachskerze auf dem Adventskranz beginnt, endet als Feuerwehr-Großeinsatz. Ein tragischer Trend, der im schlimmsten Falle sogar Todesopfer fordert. Im Vergleich zum gesamtgesellschaftlichen Engagement gegen das sogenannte Böllern existiert eine echte Bewegung gegen Weihnachtsbräuche wie Baum, Kerze und Lichterkette bisher nur in Ansätzen.

Die Toten aber mahnen. Die Experten warnen.  Weihnachtsbäume, zumindest in der Natur geschlagene, wirken harmlos. Doch im Grunde handele es sich bei jedem einzelnen festlich gestalteten Zimmerschmuck um eine Art Bombe. Mit einer Anzahl von durchschnittlich rund einer halben bis einer Million Nadeln  kommt die beliebte Nordmanntanne auf eine Gesamtoberfläche von bis zu 20 Quadratmetern. Und die ist so feingliedrig verteilt, dass sie sich binnen einer einzigen Sekunde entzünden kann. 

Der Baum als Bombe 

Eine Wunderkerze am Weihnachtsbaum reicht aus, um den benzinartigen Charakter explosionsartig zu verdeutlichen. Funken entzünden die trockenen Nadeln. Der Baum wird zur Bombe, das Fest zur Tragödie. um die Festtage im Dezember haben Rettungsdienste, Feuerwehr und Polizei Hochkonjunktur. Ein Großteil der viereinhalb Millionen Unfälle, die jährlich in deutschen Wohnstuben geschehen, passiert in der Weihnachtszeit. 

"Ursache ist vor allem der fahrlässige Umgang mit Feuer", warnen Feuerwehrfachverbände und  Krankenkassen gleichermaßen, um von den wahren Verantwortlichkeiten abzulenken. Weil sich die Politik sowohl in Brüssel als auch in Berlin von einer Bevölkerungsgruppe treiben lässt, die es für einen Teil ihrer persönlichen Freiheit hält, sich einen privaten Weihnachtsbaum in die Wohnung zu stellen und ihn mit flackernden Kerzen zu beleuchten, spielen die verheerenden Auswirkungen  der Brauchtumspflege auf Haus- und Wildtiere, die Luftverschmutzung und menschliche Schicksale keine Rolle. 

Negierte Gefahren 

Negiert wird auch die Vielzahl anderer Gefahren, die das politisch geduldete Festhalten an überkommenen Weihnachtstraditionen mit sich bringen. Da werden Weihnachtsbäume mit dem Küchenmesser bearbeitet, bis sie in den viel zu kleinen Baumständer passen. Anderswo fitzelt Vater die Baumbeleuchtung mit Lenkerband zusammen oder eine dafür gar nicht ausgebildete alleinlebende Frau überbrückt eine fehlende Birne mit Stanniolpapier. Es kommt zu Kurzschlüssen, zu Stürzen, blutenden Wunden. 

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes sind im letzten Jahr mehr als 8.000 Menschen bei Unfällen in den eigenen vier Wänden ums Leben gekommen - deutlich mehr Opfer als der Straßenverkehr forderte. Am höchsten ist der Blutzoll in der stillen Zeit, besonders gefährdet sind dabei die über 65-Jährigen. Deren Liebe zu Duftkerze, chinesischen Temu-Lichterketten ohne Tüv-Siegel und stro,sparendem Teelichtofen sorgt dafür, dass drei von vier Weihnachtsunfällen in dieser Altersgruppe zu beklagen sind.

Selbstüberschätzung als Erklärung 

Oft gilt Selbstüberschätzung als Erklärung für böse Überraschungen und schmerzhafte Blessuren. Letzlich aber ist es die verweigerte Fürsorge durch  Parteien, Regierung und Zivilgesellschaft, die an der Wiege der Weihnachtsunfalltraditon steht: Mit Untersuchungen wie Hermann Stickroths fundamentaler Arbeit "Effects of Fireworks on Birds -A critical Overview" munitionieren NGOs sich im Kampf gegen Siklvesterböller.  Die weitaus größere Gefahr, die unterm Gabentisch lauert, wird negiert.

Vor allem die Ignoranz einer mit Feuer und Flamme kaum mehr vertrauten Fernheizungsgesellschaft offenem Feuer gegenüber beunruhigt Experten. Kerzen sind über das gesamte Jahr hinweg die häufigsten Auslöser für Wohnungsbrände. Zu Weihnachten aber wird die Bedrohung akut: Trotz aller Warnungen von Sicherheitsexperten finden sich immer wieder Menschen bereit, mit echten Wachskerzen auf der hübschen Fichte zu experimentieren oder den geschmückten Baum ans Fenster stellen, ohne zu beachten, dass auch elektrische Kerzen und Gardinenstoff eine explosive Kombination ergeben. 

Vom Himmel hoch kommen sie her 

Parallel sollen die Fenster zum Fest schön blinken, also wagen sich nicht nur Frühverrentete trotz vereister Simse hinaus, um sie zu putzen. Andere muten sich beim Einkauf zuviel zu und müssen auf dem zweiten Treppenabsatz mit akuter Atemnot kapitulieren - nicht selten ist es dann zu spät. 

Die Mehrzahl aller Unglücksfälle im Weihnachtstrubel aber sind Stürze. Vom Himmel hoch da kommen sie her: Vier von fünf tödlichen Unfällen haben ihre Ursache in kippligen Leitern und Kletterhilfen aus Hockern und Kissen. 

Gefahr droht auch, wo im stillen Kämmerlein gebastelt, gezimmert und gehämmert wird. Zwölf Millionen Deutsche bezeichneten sich jüngst in einer Umfrage als "Heimwerker", die wenigstesn von ihnen sind an Lötkolben, Kreissäge und Bohrmaschine asugebildet. Geduldet von Staat und Behörden entwickeln sie gerade im Advent einen ganz besonderen Basteleifer.  Oft haben die ehrgeizigen Hobby-Schreiner, talentierten Laubsägeamateure und Kerzenständer-Drechsler keine glückliche Hand bei der Herstellung von Überraschungen für Tante Trude, Onkel Horst und Vetter Peter. Zuweilen haben sie ar keine Hand mehr. Jedes Jahr verunglücken etwa 220.000 Bastler, ohne dass die Geselslchaft von diesen unnötigen Opfer  überhaupt Kenntnis nimmt. 

Schwarz-rote Liebe zum Lametta 

Im Blei-Lametta, das so wunderschön auf den Zweigen liegt, steckt Gift, das im Januar aus dem Schornstein der Müll-Verbrennungs-Anlage steigen wird. Gerade der Blei-Gehalt des Hausmülls ist im Winter dreimal so hoch wie im Sommer, hat die Stiftung Warentest festgestellt. Versuche, den verkauf des beliebten Giftes zu verbieten, gelten als gescheitert. Auch die neue Bundesregierung hat das Thema in ihrem Koalitionsvertrag wohlweislich ausgespart.

Was für SPD, CDU und CSU zählt, sind Umsätze, ist die Sorge um die seit drei Jahren lahmende und schwächelnde Konjunktur, ist die Sehnsucht nach einem Aufschwung um jeden Preis. Der Tod wird einkalkuliert. Wie der Psychologe Hans-Joachim Maaz schon vor Jahren beschrieben hat, ist Weihnachten zu einem "Superfest der Oralität" geworden, bei dem die Jagd nach Geschenken und Delikatessen zu einer Jagd nach materialisierter Liebe wird. Aus Angst vor dem Volkszorn fehlt es am politischen Willen, hier regulierend einzugreifen und die traditionelle Weihnacht auf eine neue und sichere Grundlage zu stellen. 

Wie viele Opfer es nioch brauhen wird, um ein Umdenken einzuleiten, ist nicht absehbar. Sicher aber scheint schon, dass der Blutzoll auch in dieser Festtagssaison hoch sein wird. 

Samstag, 13. Dezember 2025

Zitate zur Zeit: Das Werk der Unzufriedenheit

Wenn Menschen es ablehnen, mit ihrer Regierung unzufrieden zu sein, erlahmt der Fortschrittswille.

Fortschritt ist das Werk der Unzufriedenheit.

Jean-Paul Sartre betrachtete Meckerer und Kritikaster mit Wohlgefallen 

Lichterkettensorgfaltsgesetz: EU sorgt für ein sicheres Weihnachtserlebnis

Immer noch im Umlauf: Klimaschädliche Lichterketten aus den riesigen Weihnachtsfabriken der sozialistischen Zwangswirtschaft.

Weihnachtfeiernde sollen in der EU künftig besser vor Unfällen mit Lichterketten geschützt werden. Dazu planen die 27 Mitgliedsstaaten strengere Kontrollen der beliebten Illuminationselemente und schärfere Sicherheitsauflagen für die chinesischen Hersteller. Unterhändler des Europaparlaments und der Mitgliedstaaten erzieltenüber die künftigen Vorgaben eine vorläufige Einigung.  

Die neuen Regeln der Lichterkettenrichtlinie (Christmas Light Due Diligence Act / Light chain directive, EU 2025 176/2772G) sollen im kommenden Jahr in Kraft treten. Die Einigung muss noch formell vom Europäischen Parlament und den Mitgliedstaaten im Rat bestätigt werden. Das gilt allerdings als Formsache. 

Die neuen Regeln treten nach ihrer Veröffentlichung im EU-Amtsblatt in Kraft. Danach gilt ein Übergangszeitraum von viereinhalb Jahren, damit die Industrie die neuen Anforderungen wirksam umsetzen kann. Frühestens ab 2029 dürften die Vorschriften also greifen und das Weihnachtserlebnis für 440 Millionen Europäer sicherer machen. In Brüssel ist auch verbindlich beschlossen worden, dass an den neuen Regeln festgehalten werden soll - im Unterschied etwa zur aktuell diskutierten Aufweichung vieler anderer verbindlicher Festlegungen. 

Schutz für festliche Zeiten 

Grundlage der Verschärfung war die Überlegung der Kommission, dass es auch in einer festlich illuminierten Weihnachtszeit eine gemeinsame europäische Strategie braucht, um in unsicheren Zeiten Sicherheit für alle Europäer zu garantieren. Zudem spielte die Frage der Umweltverträglichkeit bei der Nutzung von Lichterketten eine große Rolle. Auch hier sieht die Kommission EU-Europa in einer weltweiten Vorbildrolle. Die globale Weihnachtsgemeinde schaut nach Europa, der ursprünglichen Heimat von Weihnachtsmann, Tannebaum, rotem Mantel und Brandgefahr durch Kerzenwachs.

In langwierigen Verhandlungen konnten Kommission, EU-Parlament und EU-Rat mit der Lichterkettenrichtlinie - offiziell "Lichterkettensorgfaltspflichtengesetz" (Christmas Light Due Diligence Act) eine Regelung schaffen, die sorgfältige Pflichten im Umgang mit Lichterketten sicherstellt. Ein kleiner Schritt für Europa, ein großer Sprung für die Menschheit.

Die hatte jahrzehntelang in großer Unsicherheit beim Umgang mit Lichterketten gelebt. Die traditionsreichen Leuchten waren vom Amerikaner Edward Hibberd Johnson entwickelt worden, einem Angestellten des Erfinders Thomas Alfa Edisons. Johnson kombinierte 1882 erstmals 80 blaue, rote und weiße Glühbirnen zu einer Kette und landete damit einen weltweiten Erfolg. Auch in Deutschland, das lange an Wachskerzen festhielt, erfreuen sich die in China hergestellten Hingucker längst besonderer Beliebtheit. Doch reguliert war ihre Anwendung kaum. 

EU fordert Aufmerksamkeit 

Dabei erfordern natürlich gerade Lichterketten wegen der vermeintlich einfachen Handhabung erhöhte Aufmerksamkeit durch Unternehmen, Händler, Behörden und private Nutzer. Das Sorgfaltspflichtenheft im Hinblick auf sichere und nachhaltige Lichterketten (Lichterketten-Sorgfaltsrichtlinie, LSDD, EU-Lichterkettenrichtlinie oder EU-Lichterkettengesetz) enthält deshalb sowohl sicherheitsbezogene als auch umweltbezogene Sorgfaltspflichten. Dazu kommen klare Vorgaben für einen persönlichen Energieeffizienzplan im Haushalt von Anwendern. 

Ziel der Anstrengungen der Europäischen Gemeinsschaft ist es, dass alle Beteiligten in der EU bestimmte Sorgfaltspflichten umsetzen, um negative Auswirkungen der Lichterketten-Nutzung auf Sicherheit, Gesundheit und Umwelt in ihren Aktivitätenketten innerhalb und außerhalb Europas zu vermeiden. 

"Ich freue mich, dass es gelungen ist, eine gemeinsame europäische Lösung für sichere Lichterketten zu finden", hat Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zum Abschluss der über sieben Jahre andauernden Konsultationen mit den Mitgliedsstaaten gesagt. Das sei ein gutes Zeichen für die Verbrauchersicherheit und die europäische Wirtschaft, "denn dadurch schaffen wir faire Wettbewerbsbedingungen für alle Unternehmen in Europa".

Ergebnis anstrengender Überlegungen 

Das ist kein Zauberwerk, sondern Ergebnis anstrengender Überlegungen, Expertenkonsultationen und wissenschaftlicher Forschungen. Die Lichterkettenrichtlinie sieht vor, dass Unternehmen, Händler, Behörden und private Nutzer im Anwendungsbereich künftig Risiken in ihrem eigenen Tätigkeitsbereich sowie mit Blick auf ihre Zulieferer und Nutzungspartner ermitteln, Präventions- und Abhilfemaßnahmen ergreifen und darüber der EU-Kommssion darüber Rechenschaft ablegen müssen.

Beteiligte wie Privatanwender von Lichterketten müssen dabei in angemessener Weise sowohl die vorgelagerte als auch in begrenztem Umfang die nachgelagerte Kette (z. B. Verkauf, Entsorgung) im Blick haben. Die LSDD lehnt sich in wichtigen Punkten eng an bestehende nationale Bau- und Brandbekämpfungsvorschriften an. Sie orientiert sich ebenfalls eng an den EU-Sicherheitsstandards und enthält klar ausformulierte Sorgfaltspflichten, um Sicherheit und Umweltbelange in den Lichterketten-Ketten zu achten.

Die EU-Lichterkettenrichtlinie im Überblick

Die EU-Lichterkettenrichtlinie wird aktuell in einem sogenannten Omnibus-Verfahren auf europäischer Ebene inhaltlich nachverhandelt. Die folgenden Angaben beziehen sich auf die verabschiedete Fassung der LSDD vom 14. November 2024. 

Die wichtigsten Bestandteile der Richtlinie fallen dabei sofort ins Auge: Beteiligte sollen sicherheitsrelevante und bestimmte umweltbezogene Risiken in ihren Lichterketten-Lieferketten ermitteln, Präventions- und Abhilfemaßnahmen ergreifen und darüber vor den Lichterketten-Kommissionen der EU berichten. Beteiligte sollen dabei nur das tun, was vor dem Hintergrund der Schwere des Risikos und ihrer individuellen Einflussmöglichkeiten angemessen ist. 

Internatione Lichterketten-Verpflichtungen 

Die Annexe der Richtlinie beinhalten die international verpflichtenden Lichterketten-Abkommen sowohl zu den geschützten Sicherheitsstandards als auch zu internationalen Umweltabkommen, aus denen konkrete Verhaltenspflichten abgeleitet werden. Insbesondere müssen Netzanschlussgeräte und Kleinspannungssysteme (z. B. 24 V) vorgeschrieben werden, um Stromschläge und Kurzschlüsse zu verhindern. Reihenschaltungen sind nur mit integriertem Durchbrennschutz zulässig, der den Ausfall einzelner Lampen kompensiert, ohne die gesamte Lichterkette zu gefährden. 

Bedienerschulungen an Lichterketten sind für Händler und private Nutzer verpflichtend, um eine korrekte Installation und laufende Wartung zu gewährleisten, inklusive Warnungen vor Brandgefahr durch übermäßige Erhitzung (z. B. maximale Betriebsdauer von 6 Stunden ohne Aufsicht). Ein Missbrauchsverbot gilt für Glassockellampen, die leicht zerbrechlich sind und Verletzungsrisiken bergen. Stattdessen ist ein freiwilliger LED-Zwang vorgeschrieben, um Energieverbrauch und Hitzeentwicklung zu minimieren. 

Hohe Gehalte an Gift 

Nachdem der Bund für Umwelt und Naturschutz in einer Stichprobe 2019 einen hohen Gehalt an Phthalaten DEHP bzw. DBP in Lichterketten feststellen konnte, der die Grenzwerte der RoHS-Richtlinien bei drei der vier Produkte massiv überschritt, legt die Lichterkettensorgfaltspflicht auch ein Augennerk auf Gesundheitsgefahr beim Verzehr von oder Hautkontakt mit Lichterketten. Hier geht es um den Schutz vor kurzkettigen chlorierten Paraffinen, die in Isolierungen vorkommen und persistent umweltgefährdend wirken. Lichterketten müssen daher mit Sorgfalt betrieben werden. Hände sind zu desinfizieren. Beim Betrieb in Innenräumen müssen FFP-Masken getragen werden. 

Energieeffizienztests sind obligatorisch, mit Mindestwerten entsprechend EU-Ecodesign-Vorgaben. Dazu gilt es für Anwender, Aktivitäten von Zulieferern in der vorgelagerten Lichterketten-Kette zu prüfen, Wer Komponenten oder Dienstleistungen zu Lichterkette liefert, hat über Produktentwicklung, Rohstoffabbau, Beschaffung, Verarbeitung, Transport, Lieferung und Lagerung von Lichterketten oder Bestandteilen elektronisch Buch zu führen. Über eine Lichterkettenrechenschaftsplichtschnittstelle ist der Eu-Lichterkettenaufsichtsbehörde Zugriff zu gewähren.

Augen auf die vorgelagerte Kette 

Auch die mittelbaren Zulieferer werden in der vorgelagerten Kette von der Regelung erfasst, um Phthalat- und SCCP-Belastungen früh zu erkennen und überflüssigen Energieverbrauch vorbeugend zu vermeiden. Erfasst werden Vertrieb, der Transport und Lagerung von Lichterketten, wenn Partner diese Aktivitäten für oder im Namen eines Beteiligten ausführen. Unmittelbare Partner sind hier nicht zu berücksichtigen, das war eine Forderung Frankreichs. Ausgeschlossen sind jedoch private Nutzern, die umfassende Entsorgungspflichten eingehen, wenn sie sich zum Kauf einer Lichterkette entschließen. 

Zur Bekämpfung ineffizienter Energieverbräuche werden alle Beteiligten im Anwendungsbereich einer Lichterkette verpflichtet, einen Energieeffizienzplan zu erstellen, um die Nutzungsstrategie im Einklang mit EU-Effizienzzielen auszurichten. Diese Vorschrift soll zum Ziel der Nachhaltigkeit beizutragen. Dazu hat sich die EU entsprechende Reduktionsziele gesetzen, die erreicht werden sollen, in dem Timer und Sensoren eingesetzt werden. Zur Einhaltung der Vorgaben vorgesehen ist die Kombination von behördlicher Kontrolle, einschließlich Bußgeldern und einer zivilrechtlichen Haftung. 

Auch unangemeldete Kontrollen möglich 

Die mitgliedsstaatlichen Behörden sind dabei laut Christmas Light Due Diligence Act befugt, Ermittlungen anzustellen, unangemeldete Inspektionen durchzuführen und Anordnungen zu treffen. Bei Verstößen gegen die Lichterkettensorgfaltspflicht können empfindliche Bußgelder verhängt werden. Vorgesehen ist die Festlegung durch die nationalen Parlamente. Allerdings müssen die nationalen Gesetzgeber sich dabei an die Vorgabe halten, für Bußgelder einen Höchstrahmen von fünf Prozent des Nettojahresumsatzes eines Unternehmens vorzusehen. Für Privatanwender wird es günstiger. Ersttäter kommen je nach Umständes des Einzelfalls mit 100 bis 5.000 Euro Geldstrafe davon.

Bei LED-Zwang-Verstößen oder Phthalat-Überschreitungen sieht die Richtlinie eine zivilrechtliche Haftung vor, wie sie bereits nach geltendem Recht in Deutschland möglich ist. Neu ist, dass zukünftig bei transnationalen Sachverhalten, etwa wenn der Schaden durch importierte Lichterketten eintritt, das Recht der EU-Mitgliedsstaaten statt wie bislang das Recht des Schadensortes im Ausland zur Anwendung kommt. Dadurch verbessert sich der Zugang zu zivilgerichtlichen Abhilfe für Lichterketten-Betroffene und die Verfahren werden vereinfacht. 

Geschulte dürfen auf Milde hoffen 

Beteiligte haften jedoch weiterhin nur für eigenes Verschulden und nur für vorhersehbare und vermeidbare Schäden. Wer etwa Brände vorbeugend durch die teilnahme an einer Lichterkettenanwederschulung vermieden hat, kann im Brandfall - etwa durch fehlenden Durchbrennschutz - auf Milde hoffen. Im Richtlinientext sind zahlreiche Unterstützungsmaßnahmen, Erleichterungen und Effizienzsteigerungen für Unternehmen, Händler und speziell für indirekt betroffene private Nutzer vorgesehen, z. B. Schulungsmaterialien zu Kleinspannung und LED-Umrüstung.