Dienstag, 12. Juli 2011

Klima aus dem Landschaftslüfter

Es ist eine der ungewöhnlichsten und überraschendsten Maßnahmen gegen den Klimawandel, trotzdem aber gelang es den Verantwortlichen bei Bundesregierung und Umweltbundesamt jahrelang, alle Hintergünde der nach einer früher erfolgreichen Popband "Wind" genannten Aktion vor der hartnäckig recherchierenden Presse, vor Nachrichtenagenturen, Kamerateams und sogar vor Millionen von Augenzeugen geheimzuhalten.

Ein erstaunliche Leistung, die angesichts von zehntausenden hochaufragenden Anlagen zur Klimabeeinflussung überall im Land einem geradezu genialen Marketingkonzept zu verdanken ist, wie Malte Katzenbohm erläutert, dem es vor kurzem als erstem Forscher gelang, die wirklichen Zusammenhänge bei der sogenannten "Verspargelung der Landschaft" (Der Spiegel) aufzudecken. Was Katzenbohm in jahrelangen Recherchen herausfand, ist verstörend, zugleich aber auch beruhigend, denn es wird klar, dass der Mensch dem Klimawandel nicht wehrlos ausgeliefert ist, sondern gerade seine hochentwickelte Technik ihm Waffen in die Hand gibt, den Wandel selbst zu beeinflussen und zu gestalten.

Es war die Regierung Kohl, die seinerzeit genau dazu die Basis legte, als sie beschloss, den beständig steigenden Umgebungstemperaturen, die zu stickiger Luft und einem sich zusehends beschleunigenden Verfall der Bekleidungssitten führten, nicht mehr länger tatenlos zuzuschauen. Vor genau 20 Jahren entschied der Bundestag auf Initiative des sogenannten Altkanzlers, mit einem aus Gründen der Tarnung damals "Stromeinspeisegesetz" genannten Gesetzeswerk die Grundlagen zur schaffen einer eigenständigen deutschen, hochmodernen Landschaftsbelüftungsindustrie zu legen.

Getarnt als harmlose "Windkraftanlagen" wurden seitdem etwa 20.000 Großventilatoren überall in Deutschland errichtet, die nach demselben Wirkprinzip funktionieren wie ein Bürolüfter: Wird es zu warm, fährt ein intelligenter Sensor die Maschine hoch, die daraufhin einen steten Luftstrom ausströmt, der die Umgebung großräumig kühlt. Da die Lüfter durchweg mit billigem Atomstrom betrieben werden, gibt es keine Probleme, wenn im Bedarfsfall schlagartig mehrere tausend Maschinen hochgefahren werden müssen, um das Mikroklima ganzer Landstriche zu verbessern.

Eingeweihte erkennen den Zusammenhang sofort, denn im Gegensatz zu Großmutters Zeiten, als Luftströmungen noch ein spontan auftretendes Naturphänomen waren, herrscht heute nur dort, wo sich Großventilatoren drehen, auch Wind. Extreme wie Windhosen, Okane und Windstille nehmen zu, ohne die Gegenmaßnahmen der Bundesregierung, die in Ländern wie Dänemark, den USA und China Schule gemacht haben, gäbe es heutzutage überhaupt keine Luftbewegungen mehr.

Doch trotz der durchweg positiven Bilanz nach 20 Jahren Kunstwind ist aus Berlin und vom federführend verantwortlichen Umweltbundesamt in Dessau keine Bestätigung für den Erfolg der mutigen Aktion zu erhalten. Immer noch behaupten die Behörden, bei den offiziell als "Windräder" bezeichneten Ventilatoren handele es sich um Anlagen zur Stromerzeugung, nicht um welche zur Landschaftslüftung.

Unter der Hand allerdings erfuhr Windforscher Katzenbaum, dass damit nur der Skepsis weiter Bevölkerungskreise gegenüber der wissenschaftlichen Wetterbeeinflussung Rechnung getragen wird. Durch die fatalen Folgen des globalen Haarp-Projektes seien selbst großartige Leistungen wie die des halleschen Sonnenbombers Sandro Wolf "etwas in Verruf geraten", so dass offiziell weiter an der hanebüchenen Stromerzeugungs-Erklärung festgehalten werde.

Ideen aus Deutschland verändern die Welt: Schottereis gegen Straßenschäden

Montag, 11. Juli 2011

Der Himmel über Halle XLI

Kaum etwas versteht Halles Rathaus besser, als ab und an wenigstens den Himmel otpimistisch erscheinen zu lassen. Immer, wenn es Tage lang grau in grau gewesen ist, das Regenwasser vom Bahnhof den Boulevard hinunter bis zu Markt und Spitze alles Schmutzige der Stadt hinweggewaschen hat, verstehen es die Himmelanstreicher von der Saale verdammt gut, uns in die rosarote Zukunft blicken zu lassen.

E-Postbrief: Da geht die Post ab

Millionen haben sich angemeldet für diesen innovativen neuen Dienst, der Deutschlands erster "substanzieller" (Wolfgang Schäuble) Beitrag zum Internetzeitalter sein sollte. Der E-Postbrief verbindet souverän alle Nachteile der alten Schneckenpost mit denen der Web-Ära: Um ihn nutzen zu können, muss man sich persönlich bei der Post melden, man muss sich ausweisen, man kann nur Post von anderen Postkunden empfangen und man muss regelmäßig in den Briefkasten schauen, um kein Einschreiben zu verpassen. Das nämlich gülte auch unentdeckt als zugestellt.

So sicher ist das System, dass es kein Mensch nutzt. Warum sollte man auch? Normale Mails kann jeder jedem schicken, denn im Email-Verkehr gilt das alte Prinzip, was nicht ankommt, kommt zurück. Soll die Nachricht sicher vor Mitlesern sein, dann wird verschlüsselt, soll sie persönlich überbracht werden, ist es erlaubt, anzurufen. Bleiben als Kunden für die deutsche Neuerfindung der Email als kostenpflichtige Sendung nur Handwerker, Gewerbeteibende und Großversender - letztere aber haben ja die E-Postbriefadressen ihrer Kunden gar nicht. Und ersteren hat die Bundesregierung in einem überraschenden Akt der Entbürokratisierung eben zugestanden, Rechnungen künftig auch per ganz normaler Mail zusenden zu dürfen - etwa so, wie das Online-Versender seit 15 Jahren tun.

Bleibt die Post, die viel auf die geniale Mischung aus herkömmlicher Briefsendung und verschlüsseltem Hightechquatsch gesetzt hatte. Für den E-Postbrief, das Boomgeschäft der nächsten 50 Jahre, sucht das halbstaatliche Unternehmen derzeit 75 Praktikanten, 100 Bewerber für Plätze an Dualen Hochschulen und sagenhafte 1850 Auszubildende.

E-Post: Endlich elektische Post

Abriss-Exkursionen: Fahrten in tödlicher Gefahr

Es war allerhöchste Zeit geworden, zu einem endgültigen Ausstiegsbeschluss zu kommen. 82 Jahre lang war das Restrisiko des Paternosters im Rathaus der ehemaligen mitteldeutschen Chemiemetropole Halle bekannt gewesen, sehenden Auges aber ließen Generationen von Regierenden ihre Untertanen mit der unkalkulierbaren Gefahr eines im Kellergeschoss vielleicht doch stattfindenden Umdrehens der Kabine allein.

Obwohl aufgrund neuester Forschungsergebnisse, die die tödlichen Gefahren der Paternostertechnik erstmals korrekt beschrieben, bereits seit 1974 keine neuen Aufzüge nach der ursprünglich aus dem Bergbau stammenden Technologie mehr gebaut werden durften, weigerten sich die Behörden an der Saale standhaft, die Todesfalle stillzulegen. Unter Berufung auf eine Änderung der Aufzugsverordnung, die der „Verein zur Rettung der letzten Personenumlaufaufzüge“ durch den Bundesrat gekämpft hatte, war zuvor ein geplantes zentrales, deutschlandweites Paternosterverbot aufgehoben worden.

Paternosteropferverbände können erst jetzt aufatmen. Mehr als acht Jahrzehnte nach der Aufnahme des tödlichen Betriebes wurde der Aufzug aus Sicherheitsgründen durch das Landesamt für Verbraucherschutz stillgelegt. Der Krieg gegen die kreuzgefährliche Aufzugstechnik ist damit aber noch nicht endgültig gewonnen: Experten testen die Maschine jetzt auf die Einhaltung der notwendigsten sicherheitstechnischen Anforderungen. Danach soll die Anlage nur noch von eingewiesenen Personen benutzt werden dürfen.

Dazu plant das Rathaus die Einrichtung einer Abteilung, die Besuchern, die bereit sind, das unkalkulierbare Risiko einer Paternosterfahrt einzugehen, vor Betreten einer der zwölf Kabinen eine kurze einstündige sicherheitstechnische Einweisung erteilt. Berechtigte erhalten nach Absolvieren eines kurzen Wissens- und Verhaltenschecks eine elektronische Zugangskarte, die ihnen jeweils befristet auf ein Jahr über ein Schranken- und Chipkartensystem Zugang zu den vorratternden Fahrkabinen gibt. Um das Einsteigen zu erleichtern, werde eine Zugangsampel angebaut, jede Kabine erhält zudem einen Notknopf, der im Falle eines plötzlichen Absturzes sofort Spezialtruppen, Feuerwehren und Aufzugsmonteure alarmiert.

Zudem werde die rasende Geschwindigkeit der Kabinen von 0,3 auf 0,15 Meter pro Sekunde halbiert, um die Gefahren zu minimieren. Für die Investition in das Zugangssystem ist eine sechsstellige Summe vorgesehen, Mehrkosten aber kämen auf die Bürgerinnen und Bürger nicht zu.

Mehr mitteldeutsche Abrissexkursionen hier, und noch mehr hier, hier, hier und hier.

Sonntag, 10. Juli 2011

Klischees von heut' waren früher Utopien

Ethnisch ausgerichtete Vereine

Fußball verbindet. Titelt die Berliner Morgenpost am Sonntag nach dem Aus für die deutsche Fußballmanschaftinnen. Dabei ging es nicht um WM-Torschützinnen. Das endliche Ergebnis für uns deutsche Frauen hatte wohl den Redaktionsschluss der Zeitung überdauert und somit durfte der immer mehr in die Breite gehende Selbst-Darsteller Heinz Buschkowsky (SPD), seines Zeichens Multikulti-Bürgermeister des Berliner Problembezirkes Neukölln, mit einem Botschafter sowie einer angehenden türkischen 15-jährigen Schiedsrichterin über die Integrationskraft des Fußballs und die Nachhaltigkeit der Frauen-WM diskutieren.
Und Buschkowsky kennt sich aus. Gleich im ersten Absatz spricht der Bürgermeister, der sich inzwischen seine Zusatzbrötchen als Bild-Kolumnist verdient, die knallharte Wahrheit aus. "Die Vorstellung, dass jeden Sonntag auf den Fußballplätzen Herzchen verteilt oder Friedenstauben steigen gelassen werde, ist zu romantisch. Auf so manchem Sportplätzen geht es sonntags schon rustikal und derb zu." Siehe an. Rustikal und derb. Beim Fußball? ist das nicht etwas übertrieben?
Das passiere allerdings nicht vor seiner Haustür. Da ist laut Buschkowsky alles i.O. Besonders schlimm seien (woanders) die Eltern, die mit Schaum vor dem Mund die Kleinen, die Schiedsrichter, die Betreuer und andere Eltern beschimpfen würden. Es gäbe eben aber auch andere Beispiele. In Neukölln zum Beispiel. "Da gibt es durchmischte oder auch ethnisch ausgerichtete Vereine. Einen türkischen und griechischen, bestimmt auch einen aus dem Kosovo..." Das hätten wir jetzt nicht gedacht, Herr Buschkowsky.
Aber der Herr des multikulturellen Kiezes setzt noch einen drauf. "Ein Sportverein ist das Spiegelbild einer Gesellschaft. Wir haben es mit Menschen zu tun, die durch ihr Verhalten entscheiden, wie gut sie miteinander auskommen." Na, das sind doch mal wahre Worte, die die Welt so noch nicht gelesen hat. Und, eigentlich auch nicht lesen will.
Immerhin, später zieht der SPDler immerhin noch seinen Hut vor Kopftuchträgern. "Ich bewundere Ihren Mut", sagt er zur anwesenden Fast-Schiedsrichterin. "Das Pfeifen mit einem Kopftuch ist etwas Außergewöhnliches." Und schon wieder hat er Recht, der Herr Buschkowsky und legt gleich noch eine neue Erkenntnis nach: "Beim Sport geht es darum, zu gewinnen. Niemand tritt an, um zu verlieren." Das haut mich jetzt wirklich vom Fußballhocker.
Dies ist ein Gastbeitrag unseres Berliner Korrespondenten

Statt Wasser nur ein Brunnen

"Der Schuster verspricht dem Dorf einen Brunnen, wenn er zum Bürgermeister ernannt wird", fasst Amitz Dulnikker den Stand der Demokratisierungsbemühungen in Kimmelquell auf Seite 64 der 72er Ausgabe von Ephraim Kishions Klassiker "Der Fuchs im Hühnerstall" zusammen. "Aber in den Bergen gibt es unterirdisch doch keinen Tropfen Wasser", wendet ein Kleingläubiger ein. Vergebens. Dulnikker, von Kishon angelegt als geschwätziges, selbstbezogenes Abziehbild eines altgedienten Politikers, hat so viel von der Welt und vom Leben mitbekommen, dass er weiß, das eines nichts mit dem anderen zu tun hat: "Meine Herren, er verspricht nicht Wasser, er verspricht einen Brunnen!"

Es geht darum, die Demokratie denen zu bringen, die glaubten, sie könnten ohne sie auskommen. Angesiedelt im Israel der 60er Jahre ist Kishons Miniatur in ihren schönsten Momenten aussagekräftig bis in die Gegenwart. Etwa, wenn der provisorische Dorfrat, vom im kleinen Kimmelquell zur Kur weilenden Großpolitiker Dulnikker als Reaktion auf den regierungslosen Zustand begründet, zusammenkommt, um die Zukunft zu beraten. "Da wir nun die Machtbefugnisse des Bürgermeisters definiert haben", leitet der erfahrene Verwaltungsmann Dulnikker die erste Sitzung ein, "können wir zur Klärung der Einzelheiten fortschreiten."

Die erste Frage eines Dorfratsmitgliedes, das die Zeichen der Zeit nicht verstanden hat, lautet nun natürlich "Ich wollte schon lange fragen - wozu brauchen wir einen Bürgermeister?"

Um eine Antwort ist der Sitzungsleiter aus der Hauptstadt keinen Moment verlegen. "Eine der Pflichten des Bürgermeisters wird es sein, die Einhebung von Steuern zu planen und zu überwachen". Die gegenwärtiger Laxheit auf diesem Gebiet, es gibt in Kimmelquell nämlich keinerlei Steuern und Abgaben, könne nicht so weitergehen. "Jeder Bürger des Dorfes muss nach Maßgabe seiner Mittel zum Budget beitragen."

Die böse Frage folgt auf dem Fuße. "Wozu brauchen wir ein Budget?", fragt der Frager von vorhin. Dulnikker versteht das nicht. Man könne mit dem Budget doch "etwas bauen". Genau, findet die Frau des Bürgermeisters de facto, die schon gut zurechtkommt mit der neuen Würde: "Ich schlage vor, ein Büro für den Bürgermeister zu bauen."

Der Schuster aber ist selbstverständlich für seinen Brunnen. Im Rahmen eines Arbeitsbeschaffungsprogrammes, so glaube er, könne das Bohren eines Brunnens die Beseitigung der Arbeitslosigkeit im Dorf möglich machen.

Nun fragt Dulnikker, die Verhältnisse noch nicht so gut kennt. "Wie hoch ist denn die Zahl der Arbeitslosen im Dorf?

Es gibt keinen, bescheiden ihn die Räte de facto, keinen einzigen. So dass nun die große Frage steht: "Wie können wir Arbeitslosigkeit im Dorf schaffen?"

Die Logik ist zwingend, auch bei der Frage, wie die notwendigen Mittel hereinkommen sollen. Weil die Räte de facto die Steuern, die sie beschließen, nicht gern selbst zahlen wollen müssen, sind sie sich schnell einig: Steuern soll nur der bezahlen müssen, der einen dreitürigen Kleiderschrank besitzt. Weil das aber niemand ist, wird eine spätere Zusammenkunft die Steuerschätzung erfinden: "Es kommt schließlich nicht darauf an, wer einen Kleiderschrank hat", erläutert der Staatsmann aus der Hauptstadt, sondern darauf, "wer einen solchen haben könnte".

Da alle im Dorf gleich reich sind, werden zwölf Steuerpflichtige per Losentscheid ermittelt, Als diese sich mit Rufen wie "Wer braucht hier einen Dorfrat" und "Was für ein Schrank" weigern, zu zahlen, findet sich schnell eine Ausgabemöglichkeit für die Einnahmen, die es noch gar nicht gibt: Ein Polizist muss her, der den Willen der Staatsmacht durchsetzt. Die Demokratie, sie ist auf einem guten Wege in Kimmelquell. Bald wird der Ort eine Kulturhausruine bekommen, es wird verheerende Wahlkämpfe geben, Gewalt und Korruption. Ganz zum Schluß weiß auch der weise Kishon nicht mehr weiter. Er lässt eine Sturmflut alles wegspülen.

Wer hat es gesagt?

Der Gedanke, der vom Konkreten zum Abstrakten aufsteigt, entfernt sich, wenn die Abstraktion begründet ist, nicht von der Realität, sondern nähert sich ihr.

Drei Farben: Braun

Anruf 1:

Hallo, hallo?
Nein, ein Notruf würde ich nicht sagen. Es ist nur laut.
Ein Rockkonzert, würde ich sagen. Ja, in der Wohnung nebenan.
Nein, ein richtiges Rockkonzert. Ich höre den Bass. Der Schlagzeuger schleift. Viel zu langsam.

Nein, was er singt kann ich nicht verstehen.
Nein, es ist nicht zu leise. Es ist laut! Ich habe an die Wand geklopft, aber da hört kein. So laut ist es.
Kann ich machen, direkt beim Revier anrufen. Wenn Sie keinen Streifenwagen da haben. Wenn Sie mir die Nummer geben.
Danke. Ich rufe gleich an. Schönen Dienst wünsche ich noch.

Anruf 2:

Guten Morgen.
Zettel und Stift, suchen Sie nur, ich habe Zeit. Ich kann im Moment sowieso nicht schlafen.
Ja, es geht um Ruhestörung, so müsste man das wohl nennen. Ein Rockkonzert, in der Wohnung neben mir.
Ja, sehr laut.
Mein Name? Wozu müssen Sie meinen Namen wissen?
Aha, gut, also schreiben Sie mal. Sibylle Tempelfilm. Tempel wie Kirche und Film wie Hollywood. Sibylle bitte vorn mit i. Ja, hinten mit Ypsilon. Geburtsdatum? Was hat denn mein Geburtsdatum damit zu tun? Ich möchte eine Ruhestörung melden, keinen Ausweis beantragen! Meinetwegen. 12. Juli 1956. Juli, jaja, Julei. Nicht Juni. Kinder? Drei, aber die sind aus dem Haus. Aber bitte, was hat das...

Nein, ist ja schon gut. Die Wohnung ist hier direkt neben meiner. Junge Leute. Nicht mehr ganz jung. Wo ich arbeite? Müssten Sie nicht nach der Adresse fragen?
Ich dachte, um vorbeizukommen und nachzuschauen?
Ob ich schon... Junger Mann, ich bin 55 Jahre alt! Denken Sie, ich gehe da rüber und lasse mir auf die Nase hauen?

Friedlich? Ich glaube schon, dass die friedlich sind. Aber die Musik ist es nicht.
Mein Beruf? Mein Beruf hat doch damit gar nichts... Wollen Sie nicht noch vorbei kommen und meine Papiere prüfen? Nachher? Ihr Beamten? Ich dachte, Sie gehen da rüber, sagen ein paar Takte und es ist Ruhe...

Also das ist ja wohl. Nein, dann reicht mir die Auskunft. Gute Nacht.



Anruf 3:

Halloooo! Ist da die Polizei? Sehr schön, erst war immer besetzt, dann klingelte es ewig. Aber jetzt habe ich Sie ja dran, zum Glück.
Eine Gruppe Jugendliche. Scheint eine Party zu sein. Sehr laut, ja, sehr laut.
Nein, die Lautstärke ist es nicht. Junge Leute dürfen ruhig mal laut sein, wenn Sie mich fragen. Ich bin eher, ich sage das nicht gern, vielleicht habe ich mich ja auch verhört, aber ich bin eigentlich sicher. Ich rufe also eigentlich wegen was anderem an.

Was?
Ja, ich bin sicher, was ich gehört habe. Das waren rechtsradikale Parolen! Sieg und Heil und andere Sachen. Habe ich nicht genau verstanden, leider. Die Wände sind, ja, dick. Und die Musik ist laut. Ich bin ja auch nur draußen... ja, genau, vorbeigelaufen. Kam aus dem Fenster. Gitarrenmusik. Der Schlagzeuger viel zu langsam.

Ja, klang für mich nach Geburtstagsfeier. Vielleicht für Hitler? Gibt ja so, wie sagt man, Unbelehrbare? Unbelehrbare. Ich scheue mich nicht, bei sowas dazwischen zu gehen. Aber wenn es so hart wird, dann ist das...
Ja, glaube ich auch, Ein Fall für die Polizei. Gut, weiß ich Bescheid. Sie sind unterwegs. Gute Nacht. Und vielen Dank für die schnelle Hilfe.

Rechte Gewalt: Der Westen holt auf

Samstag, 9. Juli 2011

Elend ist auch anderswo

1959 war Australien das drittreichste Land der Welt. Es wurde nur von den USA und Kanada übertroffen. Die englische Journalistin Jeanne MacKenzie, die zu jener Zeit zwölf Monate Down Under lebte, bemerkt in einem Bericht namens "Australian Paradox", dass drei Viertel aller Stadtbewohner Australiens einen Kühlschrank besaßen und fast die Hälfte eine Waschmaschine. Fast alle Haushalte der Nation, so erfuhren die staunenden Briten, hatten "zumindest ein Radio" und "die meisten auch andere Elektrogeräte wie zum Beispiel Staubsauger, Bügeleisen und elektrische Wasserkocher", wie der in Großbritannien lebende Amerikaner Bill Bryson in seinem Buch "Frühstück mit Känguruhs" zitiert..

Bryson ist ein Miesmacher. Er erinnert sich an die 60er Jahre. Und vergleicht sie mit heute. Auch in Australien war das Fernsehen damals brandneu, Sonntags gab es keine Zeitungen und alle Kneipen hatten zu. In den besten Restaurants sei Hühnchen Maryland eine absolut exotische Speise gewesen und "Austern servierte man mit Ketchup". "Für die meisten Leute begann und endete fremde Küche mit Spaghetti aus der Dose, Käse gab es in zwei Varianten - kräftig und würzig." Fünf Prozent der Jugendlichen besuchten die Uni, ein Rekord, denn 20 jahre zuvor waren es erst 1,56 Prozent gewesen.

Soviel Fortschritt, dass Bill Bryson ganz beeindruckt ist. "Nicht davon, wie viel besser es den Australiern heute geht", wie er schreibt, "sondern wie viel schlechter sie sich fühlen."

Für einen Außenstehenden sei es überaus seltsam zu sehen, wie die australier sich selbst einschätzen. "Sie sind nie mit sich zufrieden", hat Bryson bei ausgedehnten Reisen im Land bemerkt, "in Zeitungen, im Fernsehen und im Radio trifft man dauernd auf die quälende Überzeugung, dass es, ganz einerlei, wie gut es um die Australier steht, allen anderen garantiert besser geht."

Australien sei das Norwegen der Südhalbkugel, habe nie schwere gesellschaftliche Unruhen erlebt und niemals einen Dissidenten ins Gefängnis geworfen. Dennoch wuchern die Selbstzweifel. Ein Land nach dem anderen - die Schweiz, chweden, Japan, Kuwait - überhole die Australier in der Tabelle des Bruttoinlandprodukts, schon seien Hongkong und Singapur vorbeigezogen - in den Zeitungen kommentiert, als seien irgendwo an der Küste bei Darwin asiatische Armeen gelandet.

Es ist völlig unerheblich für die Australier, dass die meisten Ländern nur ganz wenig vor der Heimat rangieren und Australien sofort Boden gut mache, wenn Indikatoren für Lebenshaltungskosten, Bildungsniveau oder Verbrechensraten berücksichtig werden. 36 Prozent der Australier sind der Meinung, das Leben werde immer schlechter. Bryson nun, geborener Amerikaner, fragt sich: "Was wäre ihnen lieber: Drittreichster sein und völlig aus dem Häuschen, weil sie einen elektrischen Wasserkocher besitzen?" Oder doch lieber 21. und in einer Welt leben, in der Ihnen alles zur Verfügung steht, was ein vernünftiger Mensch nur haben will?

Von Deutschland aus gesehen ist die Anwort einfach. Hier waren zuletzt 44 Prozent der Einwohner der Meinung, das Leben werde immer schlechter.

Kühle Signale für steigende Hitze

Perfide Tricks der Klimaleugner haben offensichtlich dazu geführt, dass die seit langem angekündigte Erderwärmung bislang ausgeblieben ist. Obwohl sämtliche Vereinbarungen aus dem Kyoto-Protokoll nicht dazu geführt haben, dass die Menschheit auch nur ein Gramm CO2 weniger in die Luft bläst, konnte die Erde in den vergangenen zehn Jahren "kaum erwärmt" werden, wie die "Welt" in einem Erklärstück zum wiederum eher gemächlich anlaufenden Sommer ausführt.

Das sei jedoch kein Grund zur Entwarnung und schon gar keiner, zu glauben, dass der Treibhauseffekt keine Wirkungen habe, nur weil er keine zeige. Vielmehr seien die erwärmenden Effekte wohl "vorübergehend durch verschiedene kühlende" ausgeglichen worden. So habe der bis vor wenigen Wochen in der internationalen Klimaszene kaum beachtete "natürliche elfjährige Sonnenzyklus" schon gesamten "vergangenen Jahrzehnt zu einer geringeren Sonneneinstrahlung" geführt, wie Robert Kaufmann von der Universität Boston jetzt überraschend herausfand.

Dazu komme ein Wechsel der südpazifischen Wetter- und Strömungsverhältnisse, die indirekt die ganze Erde beeinflussen. Die neuen Wettermuster, die nicht mit dem IPCC vereinbart gewesen sind, führten durch kalte Oberflächenströmungen im Südpazifik "allgemein zur einer Abkühlung des Klimas".

Als wäre es so nicht schon schwer genug, die - abgesehen von diesen beiden unvorhersehbaren Faktoren völlig korrekten -wissenschaftlichen Voraussagen der weltweiten Klimaforschung mit Leben zu erfüllen, treibt dann auch noch der Mensch quer. Neben der menschengemachten Klimaerwärmung hat er jetzt auch noch eine menschengemachte Abkühlung der Erde zu verantworten., vor allem, wenn er Chinese ist. Das Reich der Mitte hat von 2003 bis 2007 seinen Kohleverbrauch verdoppelt und dabei "riesige Mengen Schwefeloxide in die Luft" geblasen, analysiert die "Welt". Das habe zu einer Anreicherung von Aerosolpartikeln in der Atmosphäre geführt, "die das Sonnenlicht in den Weltraum zurückwerfen".

Das Rätsel, warum die Klimakatastrophe bisher mit Bibbertemperaturen überrascht, ist damit gelöst. "Alle drei Erklärungen reichten nach den statistischen Modellen aus, die fehlende Erwärmung der Erde zu erklären", hat Forscher Kaufmann errechnet. Dies bedeute gleichzeitig, dass mit einem besonders schnellen Temperaturanstieg zu rechnen ist, "sobald die natürlichen Zyklen von Sonne und Wetter sich umkehren und mehr Filteranlagen die Schwefelmengen aus chinesischen Kohlekraftwerken reduzieren".

Die große Luftnummer
Das Klima wäre dann langfristig wieder im Plan, das Zwei-Grad-Ziel der Weltgemeinschaft trotz aller Unkenrufe der Klimaleugner immer noch erreichbar. Vorausgesetzt natürlich, es kommt nicht weder irgendwas Unwissenschaftliches dazwischen.

Freitag, 8. Juli 2011

Gibts doch gar nicht!

Erklärung des Deutschen Bundestages zur mündlichen Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts in Sachen "Griechenland-Hilfe" und "Euro-Rettungsschirm" am 5. Juli 2011 (Pressemitteilung, Auszug, wörtliches Zitat):

"Der Prozessbevollmächtigte des Deutschen Bundestages, Prof. Dr. Franz Mayer von der Universität Bielefeld, unterstrich einleitend, dass schon erhebliche Zweifel an der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerden bestünden, sie jedenfalls aber unbegründet seien.

Die Beschwerdeführer würden sich auf ein neuartiges Recht berufen, das bisher gar nicht existiere, nämlich ein umfassendes Grundrecht auf Demokratie."


Riesensieg über die Armut

Es hörte sich an wie das Todesurteil über den mitfühlenden deutschen Sozialstaat, es entsetzte die Bundesregierung und empörte selbst kritische Fachmagazine wie den "Spiegel". in einem neunseitigen Länderbericht hatte der Uno-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte zuvor harsche Bilanz gezogen über die deutschen Bemühungen, es allen schön zu machen: "Ein vernichtendes Urteil in der Sozial- und Gesellschaftspolitik" las der "Spiegel". Unter anderem heiße es, dass 1,3 Millionen Menschen nicht von ihrer Arbeit leben könnten und 13 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze leben würden.

Doch was so kritisch klingt und die Gefühle vieler Deutscher ebenso verletzt wie die vieler "Spiegel"-Autoren, ist in Wirklichkeit ein gewaltiger Punktsieg über die Armut, die nach gleichlautenden Medienberichten hierzulande schon seit dem Ende des 2. Weltkrieges grassiert. Zuletzt hatte der "Spiegel" im Januar in einem aufrüttelnden Schreibtischreport mahnend von der Armutsfront berichtet. Demnach waren vor sechs Monaten 15,5 Prozent der Bevölkerung von Armut bedroht. Der Wert sei zudem im Vergleich zu den Vorjahren "stark gewachsen", noch im Jahr 2005 habe Zahl bei 12,5 Prozent gelegen.

Statistik-Feinschmecker atmen da auf. Im Januar noch 15,5 Prozent, nach Uno-Angaben aber schon im Juni nur noch 13 und damit fast wieder bei den Werten aus 2005 - das ist ein Rückgang der Armenzahlen um beinahe in Fünftel. Oder anders gesagt ein Wohlstandsschub, wie ihn das Land von Peter und Nadine seit dem Ende des Siebenjährigen Krieges nicht mehr erlebt hat!.

Am Totenbett des Journalismus


Peter auf der Suche nach der Geschichte:

Im Kampf um hohe Ölpreise

Das war doch mal eine überzeugende Maßnahme "im Kampf gegen hohe Ölpreise", wie es die legendäre "Süddeutsche Zeitung" ausdrücken würde. Weil die den fragilen Aufschwung jenseits der deutschen Grenzen bedrohten, hatte die sozialistische Staatengemeinschaft unter Führung der Internationalen Energieagentur beschlossen, 60 Millionen Barrel Öl aus den für den Krisenfall eingelagerten Reserven auf den Markt zu werfen.

Der Effekt trat umgehend ein, wie die"SZ" vor zwei Wochen frohlockte. "Die Notierungen brachen nach dieser Ankündigung drastisch ein", hieß es. Ein Fass Brent-Öl habe sich auf 105 Dollar verbilligt und notierte damit so niedrig wie seit Anfang Februar nicht mehr.

Und wie seitdem auch nie wieder. Die Aktion, die wirken sollte wie eine zusätzlich Zinssenkung, ist genauso sagenhaft flott verpufft wie seinerzeit die von Angela Merkel veranlasste erste Rettungsaktion für den Euro. 30 Tage lang wollen die Regierungen den Markt mit Öl aus ihren Rücklagen füttern. Der Ölpreis aber stört sich nicht daran und steigt: Um 12 Prozent in den vergangenen zwei Wochen.

Das freilich passierte schon wieder völlig unbemerkt von Fachmagazinen wie dem "Spiegel", der den Versuch der Marktbeeinflussung durch das Kartell der Regierungen der Industrieländer noch mit einem instruktiven Beitrag unter dem Titel "Wie Verbraucher vom fallenden Ölpreis profitieren" begleitet hatte. Doch wie Verbraucher profitieren, ist ja nun auch klar: Irgendwann werden die Staaten ihre Reserven wieder am Markt auffüllen müssen. Besser, der eigene Tank ist dann schon voll.

Donnerstag, 7. Juli 2011

Fremde Federn: Zu fett für den Amoklauf

Entwarnung an der Warnungsfront: Killerspiele machen Kinder zu Killern - die aber zu fett sind, um zu killen. Der Postillon hat genaue Informationen:

"Eine neue Studie im Auftrag des Gesundheits- und des Justizministeriums, die heute in Berlin vorgestellt wurde, dürfte die Hysterie um die Gefahren sogenannter "Killerspiele" ein für allemal beenden. Aus der Untersuchung geht hervor, dass nahezu 80 Prozent aller jugendlichen Konsumenten von Ego-Shootern zu fett für einen Amoklauf sind – und auch um den Rest steht es nicht gut."

Wer hat es gesagt?

Weh uns, wenn sich die Verhältnisse, in denen wir uns so behaglich und selbstgerecht aufgehoben fühlen, einmal zu unseren Ungunsten ändern sollten. Wir werden uns dann wundern über den überbordenden Opportunismus und die kriecherische Feigheit rings um uns.

Brutstätte des Rassismus

Ja, der Schoß ist fruchtbar immer noch. Trotz jahrelanger Aufklärungskampagnen, mahnender Worte des Bundespräsidenten und zehntausender aufrüttelnder und warnender Zeitungsartikel ist Deutschland offenbar immer noch eine Brutstätte des Rassismus. Wie der "Tagesspiegel", seit Jahren eng eingebunden in zahlreiche verdienstvolle Aktionen im "Kampf gegen Rechts" (Angela Merkel) herausgefunden hat, ist es Rassisten und Fremdenfeinden in jüngster Zeit gelungen, sich völlig neue Zielgruppen zu erschließen.

Es seien jetzt "junge Migranten", die "aus Rassenhass gegen Deutsche" Gewalt ausübten, prangert das Blatt an. Ein Vorgehen, das keine Unterstützung finden darf. "Wer grundlos Passanten mit den Worten "Scheiß Deutsche" attackiert, ist ähnlich gestrickt wie ein Angreifer, der "Scheiß Kanaken" brüllt", kritisiert "Tagesspiegel"-Experte Frank Jansen.

Hier liegt die Betonung natürlich auf "grundlos". Denn wer mit gutem Grund Passanten attackiert oder aber Passanten angreift, ohne dabei "Scheiß Deutsche" zu rufen, muss sein Tun selbstverständlich nicht in einen Topf werfen lassen mit den "Gewaltorgien rechtsextremer Skinheads" (Jansen).

Anders sieht das aus bei Angriffen von jungen Migranten aus Kenia, Bosnien, dem Kosovo und dem Irak, die begleitet waren von kritikwürdigen "grundlosen Beschimpfungen" (Jansen) deutscher Passanten als „Nazischwein“ und „Scheiß Deutscher“, aber auch "von Schlägen und Tritten, ähnlich brachial" wie die deutscher Skinheads. Schlimm sei, dass das Problem, "bislang unterschätzt, wegdiskutiert oder gar nicht erst wahrgenommen wurde" - zumindest außerhalb des "Tagesspiegels", der schon vor drei Jahren mutig über Gewalt von Migranten gegen Andersdenkende berichtet hatte.

Viel gebracht es nichts, muss Frank Jansen jetzt konstatieren. "Die große Mehrheit schweigt", beklagt er. Das aber sei gefährlich und, da schließt sich der Kreis, eröffne der gefürchteten NPD "ein Feld". Deshalb müssten jetzt flugs "die unterschiedlichen Dimensionen des Rassismus in Deutschland" erforscht werden, ehe "die Ultrarechten das Verfahren gegen die mutmaßlichen Schläger vom U-Bahnhof Lichtenberg nutzen können". Frank Jansen ist in Sorge, denn in Berlin stehen Wahlen an. Da gibt es "keinen legitimen Grund, Rassismus zu verschweigen. Auch nicht den, der sich gegen Deutsche richtet".

Die Furcht ist groß, dass "ultrarechten Demagogen" die Deutungshoheit zufällt, wenn die alle, die bisher zuverlässig geschwiegen haben, weiter "in bänglicher Stille abzuwarten", mahnt Jansen. Die Erforschung der Ursachen migrantischer Gewalt gegen schweinefleischfresser werde "zweifellos" zeigen, dass "Migranten in ganz anderem Ausmaß rassistischer Diskriminierung durch Deutsche ausgesetzt" seien als umgekehrt. Kein Schlag ist dann grundlos, jede Beleidigung zahle nur zurück, was grundlos eingesteckt werden musste.

NWR zu Gewaltige Gefahr Nazigewalt

Endlich wieder da: Das Tabu Gardelegen

(Videolink auf Wunsch des FBI gelöscht) Lange vermisst, endlich wieder da. Wenige Stunden nur, nachdem PPQ einen jugendgemäß-frischen 1199-Remix der historischen ersten Videobotschaft des sachsen-anhaltinischen Ministerpräsidenten Reiner Haseloff auf die Server des internationalen Filmportals Youtube geladen hatte, war in Magdeburg entschieden worden, die bürgerschaftlich-engagierte Aktion zu unterbinden: Obwohl doch die freiwilligen jungen VJs nur versucht hatten, Landeskinder im Rahmen der Landesinitiative "Zurück an den eigenen Herd" zum Rückzug in die alte Heimat zu bewegen, wurde ein Bann gegen den Erfolgsclip ausgesprochen. Offenbar, nehmen Internetexperten an, hätten die Verantwortlichen im Land Angst bekommen, dass die vom Song "Jetzt geht die Party richtig los" eingeleitete neue Filmfassung im Internet erfolgreicher sein würde als das von Schülern und Studenten als "schon etwas steif" eingeschätzte Original.

Doch die Internetcommunity lässt nicht locker in ihrem emsigen Bemühen, Sachsen-Anhalts Videobotschaften, die nach Berichten von Reisenden sogar bis hin nach Neuseeland, den Aleuten und Aserbaidschan zu sehen sind, soweit ein Internetanschluß vorhanden ist, ein neues, überraschend jugendliches Image zu verpassen. Zum Remixen des Erfolgsfilmes "Das Tabu Gardelegen", in dem Landesvater Reiner Haseloff gleich in seiner ersten Youtube-Botschaft mutig die schwerwiegende Frage nach dem sogenannten Landesfest aufgeworfen und beantwortet hatte, durfte nach dem Verdikt aus Magdeburg allerdings weder Ton- noch Bildspur der Original-Videobotschaft verwendet werden. So bedurfte es großer Anstrengungen, die Botschaft für alle Welt hörbar zu machen: Ein Nachwuchsschauspieler schlüpfte in entsprechender Vermummung in die Rolle des Videobotschafter, eine junge Schauspielkollegin erklärte sich bereit, den sensationell überraschenden Text von "Tabu Gardelegen" ohne jegliche Bezahlung, dafür aber wortwörtlich und weitgehend völlig korrekt betont nachzusprechen.

Der neue 1199-Remix kommt nun gerade durch die Enge der Beschränkung der Möglichkeiten dem besonders nahe, was an politischer Transparenz im Ostdeutschland des Jahres 2011 zu erwarten ist. Aus jedem Satz über Identität, Gemeinsamkeit und die große Freude, durch das bisher weitgehend verschwiegene Gardelegen marschieren zu dürfen, klingt eine große Nähe zwischen Wählenden und Gewähltem. Das Landesfest, auf das sich der Mann in der Burka freut, ist zwar längst vergangen. Doch der Verdienst, gleich in der ersten offiziellen Videobotschaft an die Welt ein heißes Eisen wie Gardelegen angepackt zu haben, das wird dem jungen Landesvater auch dank der Bemühungen der noch jüngeren Videoaktivisten für ewig bleiben.

Gute Politik mit Black Hasi

Mittwoch, 6. Juli 2011

Befinden statt berichten

Früher, da war Journalismus etwas, das zwischen Nachricht und Meinung unterschied. Konnte es das nicht, war es kein Journalismus, sondern Märchenerzählung, politische Brandrede oder gespielter Witz.

Heute marschieren die Leitmedien jener Zeit einem Trend voran, der nicht nur die Grenze zwischen Wahrheit und gewollter Wirklichkeit aufhebt, sondern auch die zwischen Bericht und Befinden.

Der "Spiegel" setzt eben neue Maßstäbe für Kommenachricht und Nachrichtarin einem Satz: "Love-Parade-Katastrophe: Sauerland entschuldigt sich, endlich", schreibt die Internet-Dependance des ehemaligen "Sturmgeschützes". Nein, nicht Sauerland hat gesagt, er entschuldige sich jetzt mal endlich. Das sagt der "Spiegel", der die Stoppuhr gehalten hat. Und logisch, alle anständigen Menschen werden das so sehen!

Neue Maßstäbe. Eine Welt im Wandel. Das passt. Der "Spiegel" begräbt jede Objektivität, endlich.

Fremde Federn: Zynismus made in Germany

Unter dem Titel "Streit um Ölimporte aus Saudi-Arabien: Zynismus made in Germany" rechnet die illustrierte "Stern" mit der Energiepolitik der Bundesregierung ab. Ein ehrlicher und meinungsstarker Kommentar von Florian Güßgen, den wir in unserer beliebten Serie "Fremde Federn" dokumentieren:

Die geplante Lieferung von Öl aus Saudi-Arabien nach Deutschland ist ein schlechter Witz. Geostrategische Argumente rechtfertigen nicht, dass sich Berlin bei dem repressiven Regime so dreist anbiedert.
Es ist natürlich nur ein Gerücht", ätzt ein Autor namens Thomas R. Weich auf Twitter, "dass Deutschland Öl aus Saudi-Arabien importiert, um die Energiewende der Kanzlerin möglich zu machen." Kurz und prägnant fasst der Mann zusammen, weshalb der öffentlich-geheime Öldeal der Bundesregierung mit den Scheichs so absurd ist. Vor ein paar Wochen protestierten in dem Land ein paar wenige, mutige Frauen gegen das für sie geltende Autofahrverbot - und damit gegen die archaischen und menschenverachtenden Herrschaftsmethoden des wahhabitischen Königshauses in Riad. Der Protest galt als zarte Blüte des arabischen Frühlings - des Rufs nach Freiheit - in einem Land, dessen repressives Regime sich geschützt weiß von den geopolitischen Interessen des Westens. Und nun sind es ausgerechnet die Deutschen, die mit ihren Ölkäufen vorpreschen und ebenso symbolisch wie unmissverständlich klar machen: Menschenrechte sind schön und gut - für Sonntagsreden. Aber wenn's um unsere geostrategischen Interessen geht, gibt's kein Vertun. Dann kaufen wir auch unseren finstersten Freunden richtig schön alles ab - auch wenn sie unser Geld dann benutzen, die demnächst die zartesten Blüten der arabischen Freiheitsbewegung platt zu machen. Freiheit made in Germany. Mit freundlichen Grüßen. Na bravo.

Es ist schon erstaunlich, wie es der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik derzeit in fast jedem beliebigen Moment gelingt, zielsicher das Falsche zu tun. Als es in Ägypten brodelte und der alte Autokrat Mubarak wankte, zögerte Außenminister Westerwelle unerträglich lange, ihn fallen zu lassen. Als der Uno-Sicherheitsrat in einer historischen Entscheidung beschloss, ein Gemetzel in der libyschen Stadt Benghasi zu verhindern, stand Berlin im Abseits und enthielt sich ebenso ungelenk wie linkisch. Und jetzt fällt die Bundesregierung ohne Not dadurch auf, dass sie den Despoten des Hauses Al-Saud ihr Öl abkauft. Deutschland, ausgerechnet jenes Land also, dessen Wiedervereinigung ein historisches Symbol für einen gewonnenen Freiheitskampf wider eine Autokratie ist, profiliert sich unter Schwarz-Gelb als zynische, kalt kalkulierende Wirtschaftsmacht. Die Regierung Merkel tut, als gäbe es das Dilemma zwischen einer "realistischen" - Kommentator Stefan Kornelius nennt es in der "Süddeutschen Zeitung" eine "super-realistische" - Haltung und einer an Menschenrechten orientierten Außen- und Sicherheitspolitik gar nicht. Frühling? War da was? Jetzt ist doch Sommer.

Dass ein Dilemma besteht, kann keiner ernsthaft bestreiten. Saudi-Arabien ist eine geostrategisch entscheidende Bastion in der Auseinandersetzung mit Mahmud Ahmadinedschads unberechenbarem Iran. Auf dem Inselchen Bahrain, einem Pulverfass, fechten Riad und Teheran zudem einen brandgefährlichen, kalten Stellvertreterkrieg aus. Um den regionalen Hegemon Iran halbwegs eindämmen zu können, ist es natürlich wichtig, Riad möglichst auf der Seite des Westens zu halten, getreu dem Motto: Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Daran hat auch Israel ein Interesse, deshalb liefern die USA fleißig Waffen. Dabei ist allerdings zu beachten: Auch das Herrscherhaus um König Abdullah hat durchaus seine eigene Motivation, mit Teheran im Clinch zu liegen. Saudi-Arabien ist ein von Sunniten beherrschtes Land, im Iran geben Schiiten den Ton an. Das sorgt, nüchtern betrachtet, ohnehin für eine natürliche Gegnerschaft. Viel wichtiger aber: Die geostrategische Bedeutung Saudi-Arabiens wird konterkariert vom Umgang der Monarchie mit Menschenrechten. Das Rechtssystem fußt auf der Scharia, Bürgerrechte werden mit Füßen getreten, die Rechte von Frauen sowieso. Politische Mitsprache gibt es nicht. Saudi-Arabien ist im arabischen Frühling für den Westen so ein noch viel härterer Testfall als Ägypten: Der Freund ist gleichzeitig noch finsterer und noch hilfreicher. Eine Abkehr wäre noch viel kostspieliger und riskanter.

Die Bundesregierung scheinen solche Überlegungen kaum zu scheren. Im Gegenteil. Reichlich unbedarft hat sie offenbar entschieden, das Dilemma mit einem pampig-offensiven und undifferenziert daherkommenden Kauf von Öl aus nicht-menschenrechtsgerechtem Anbau zu überspielen. Sie nimmt es offenbar in Kauf, dass das Geld dafür, vielseitig verwendbar, demnächst etwa dazu eingesetzt werden könnte, autofahrende Frauen mindestens die Wege zu blockieren. Deshalb ist es richtig, dass nun Kritik über Kanzlerin Merkel und ihre Minister Rösler, de Maizière und Westerwelle hereinbricht - nicht nur von Seiten der Opposition, sondern auch aus den eigenen Reihen. Eine radikale Abkehr von Saudi-Arabien wäre unvernünftig. Aber dem Regime in der gegenwärtigen Situation auch noch mit großangelegten Ölkäufen - Deutschland importiert jährlich 3,88 Millionen Tonnen - Geld zu verschaffen, das ist ebenso dreist wie unnötig. Es steht uns nicht gut zu Gesicht, dass Deutschland im Jahr der arabischen Freiheit offensiv die zynischste Außen- und Sicherheitspolitik aller westlichen Regierungen betreibt. In der Aktuellen Stunde im Bundestag gibt es am Mittwochnachmittag viel zu erklären.

Uno warnt vor Tragödien

Zwei Brennpunkte im Kampf gegen Kinderarmut und Verelendung hat die Uno weltweit ausgemacht: Deutschland und Somalia werden beide schwer kritisiert, weil sie Kinder weitgehend ohne staatliches Frühstücksbrot oder gar gar nicht in die Schule schicken. Die Weltgemeinschaft kritisiere Deutschland wegen seiner "Gesellschaftspolitik scharf", schreibt der "Tagesspiegel". In ihrem aktuellen Staatenbericht gebe sich die Uno "tief besorgt" und fordere die Bundesregierung zum Handeln auf. Es fehle in Deutschland an ausgedehnten Armutsprogrammen, zitiert der "Spiegel" den "Tagesspiegel", der aus einem brisanten Uno-Papier zitiert. Im "Focus", der ebenfalls den "Tagesspiegel" interpretiert, heißt es, "einer der brisantesten Vorwürfe laute, dass jeder vierte Schüler ohne Frühstück zur Schule gehe."

Nachdrücklich fordere die Uno deshalb nun „konkrete Maßnahmen“, damit „Kinder, besonders aus armen Familien, richtige Mahlzeiten erhalten“.

Allerdings ist Deutschland eben nicht das einzige Land, in dem Kinder Hungers sterben müssen, auch wenn laut Google News (oben) 209 deutsche Zeitungen und Zeitschriften das Thema besorgt aufgreifen. Auch in Somalia drohe eine "unvorstellbaren menschlichen Tragödie", zitiert der "Stern" als eines von sechs angesichts der dortigen Entwicklung fast ebenso besorgten deutschen Medien in einer Kurzmeldung. Die"Zeit" findet sogar Platz, auf die von der Uno angeprangerte Lage der Kinder in dem afrikanischen krisenstaat einzugehen: Die sei ähnlich wie in Deutschland kritikwürdig, Kinder würden oft ohne Frühstück auf mehrwöchige Fußmärsche geschickt, viele seien unterernährt und verhungerten dann auf der Flucht vor dem Hunger.

260 Prozent aller Kinder krank

Arm sind sie und immer ärmer, und dazu dick bis zum extremen Übergewicht. Jetzt aber schlägt die Krankenkasse DAK endlich Alarm: Schon mehr als 260 Prozent aller Kinder leiden nach einer "Welt"-Grafik (oben) zu einer aktuellen Studie der Kasse zusätzlich zu Zukunftssorgen, Trennungsschmerz, Körperfülle und unklaren finanziellen Verhältnissen auch unter Depressionen, Übergewicht und Rückenschmerz.

Um herauszufinden, dass immer mehr Jungen und Mädchen ärztliche Hilfe, weil sich "der Gesundheitszustand der Kinder in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren verschlechtert" hat (DAK), ließ die Krankenkasse sicherheitshalber nicht die Heranwachsenden selbst befragen, sondern vom Umfrage-Institut Forsa in einer aufwendigen bundesweiten Befragung Auskünfte von 100 Kinder- und Jugendärzten einholen.

Das Ergebnis spricht eine klare Sprache. Mehr als die Hälfte der Mediziner war sich sicher, dass sich der Gesundheitszustand der lieben Kleinen seit dem Jahr 2000 ein bisschen oder sogar deutlich verschlechtert hat. Dabei geht es nicht um Kurzzeit-Erkrankungen wie Grippe, Ehec oder entzündete SMS-Daumen. Nein, die junge Generation leidet unsichtbar: 97 Prozent aller befragten Kinderärzte stellten fest, dass vor allem psychische Probleme und Verhaltensauffälligkeiten zugenommen haben. 55 Prozent erkennen sogar einen „starken“ Anstieg.

Dabei erzählen die Zahlen nur im ersten Moment etwas über den Gesundheitszustand der Kinder. Wirklich beschreiben nämlich tun sie nur den Eindruck der Mediziner vom Gesundheitszustand. Nicht 95 Prozent der Kinder sind fett, sondern 95 Prozent der Kinderärzte stellen "eine Zunahme von Gewichtsproblemen fest".

Vorsichtig äußert sich denn sogar DAK-Expertin Dr. Christina Sewekow zu den steilen Thesen. „Wenn sich der Gesundheitszustand der Kinder in den vergangenen zehn Jahren spürbar verschlechtert hat und die Erkrankungen bei einzelnen Diagnosen stark ansteigen, dann muss zum Beispiel das bestehende Konzept der Früherkennung dringend überprüft und notfalls überarbeitet werden.“ Wenn, dann, nur ob, das scheint ihr nicht sicher.

Allemal aber sicher genug, um subkonkrete Forderungen zu stellen. „Wichtig ist auch, Eltern und Schule mehr einzubinden“, meint Dr. Christina Sewekow, auch "die Gesundheitserziehung unserer Kinder muss in Deutschland ein stärkeres Gewicht bekommen". Das sei, kann man immer mal noch unterbringen, "eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe".

Auch der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte hat kürzlich auf die Entwicklung und die veränderten Gesundheitsprobleme bei Jungen und Mädchen hingewiesen, als deren Ursache die extensive Nutzung neuer Medien, ungesundes Essen und fehlende Bewegung gesehen werden.

Man sehe die zunehmende Zahl von Kindern mit Entwicklungsdefiziten und anderen Schwierigkeiten „mit großer Sorge“, erklärte der Verband, könne aber Anhänger des Gedankens, dass aus faulen dönerfutternden Wii-Spielern gerechterweise nur selten Spitzensportler, erfolgreiche Manager, schlaue Ingenieure oder begehrte Popstars werden, trösten: Die betreffenden Jungen und Mädchen würden „zu einem großen Teil schon in der Schule scheitern“.

Dienstag, 5. Juli 2011

Fremde Federn: Die große Luftnummer

Okay, für die meisten von euch dürfte Folgendes nicht direkt neu sein. Der Rest kann sich am Petersberger Klimadialog freuen.

Denn es ist schwere Kost für Weltuntergangsfans, die die "Welt" in Form eines Essays des Buchautors und Filmemmachers Günter Ederer serviert. In "Die große Luftnummer" wagt es der 70-Jährige, der offenbar weder vorhat, Bundeskanzler zu werden, noch als "Mann des Jahres" zu kandidieren, gegen alle Gewissheiten der Klimakirche mit einem Mal anzuschreiben. "Während sich der Rest der Welt langsam, aber sicher von der Idee des menschengemachten Klimawandels verabschiedet", schreibt Ederer, halte "Deutschland unverdrossen daran fest, dass der CO2-Ausstoß etwas kosten sollte".

Ein Handeln gegen die Vernunft. Denn eigentlich "sollte die immer wieder vorgetragene Behauptung der Klimamodellierer schon misstrauisch machen: "Die wissenschaftliche Debatte über den menschengemachten Klimawandel ist beendet." Schließlich werde als Beleg für die endgültige Treibhausgastheorie nur immer wieder vorgebracht, dass 97 Prozent der Wissenschaftler sich einig seien. So stehe es im "Spiegel", so werde es im ZDF gesagt. Nur Ederer fragt jetzt: "97 Prozent! - da müssten doch alle journalistischen Warnsignale aufleuchten." Denn nie werde erwähnt 97 Prozent von wie vielen Wissenschaftlern? Und welche Wissenschaftler zähle man dazu? Wer wähle und zähle sie überhaupt?

"Eine Debatte über die Ursachen für den Klimawandel gibt es im politischen Deutschland nicht. Da wird einfach erklärt: "Der Ausstoß von Treibhausgasen führt zur Erderwärmung, das ist weitgehend unstrittig", so Ottmar Edenhofer, Chefökonom und Vizedirektor des Potsdamer Instituts für Klimafolgeforschung. Sein Kollege Stefan Rahmstorf hat die Debatte über die Ursachen des Klimawandels einfach für beendet erklärt. Die Partei der Grünen, die die von Menschen gemachte Klimahybris zum Parteiprogramm erhoben hat, empörte sich in einer Anfrage an die Bundesregierung, ob sie wisse, dass Klimaleugner in den Räumen des Bundestags sprechen durften."

Keiner fragt, keine will es wissen. Fakten sind nur hinderlich für den von Bundesregierung und Opposition auf dem Modell eines menschengemachten Klimawandels geplanten Umbau der Energiepolitik, der die die deutsche Volkswirtschaft dreistellige Milliardenbeträge kosten werde. "Dass sie damit zunehmend allein in der Welt steht, macht ihr nichts aus", analysiert Günter Ederer. Von der deutschen Öffentlichkeit genauso unbemerkt mit das Scheitern des Kyoto-Abkommens hätten sich beim letzten G-8-Gipfel Kanada, Japan, Russland und Frankreich versichert, dass sie an keinem Kyoto-Nachfolgeprotokoll mehr teilnehmen werden. Die USA wollen nur noch Beobachter schicken.

Nur am Potsdamer Institut für Klimafiolgenforschung baue man unverdrossen an Szenarien, wie in Zukunft CO2 durch eine weltumspannende Behörde gerecht verteilt werden soll. "In den USA ist die CO2-Börse geplatzt, in Asien wurde sie gar nicht erst eingeführt, in Australien stürzen darüber Regierungen", schreibt Ederer - "nur in Europa und unter der Führung Deutschlands soll CO2 einen Preis haben". Eine echte Luftnummer, tragisch nur für den, der in Deutschland lebt und die Rechnung für die "Bepreisung von CO2" bezahlen werde.

Den ganzen Text von Günter Ederer gibt es hier.

Wiedergeboren als aussterbende Art

Wie alle seine Vorgänger ist auch Reiner Haseloff, der derzeit amtierende Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt, angetreten, sein Land noch kinderfreundlicher zu machen. Nicht zu übersehen sind die Fortschritte, die das ehemals ostdeutsche Bundesland dabei in den vergangenen zwei Jahrzehnten gemacht hat. In punkto Familienfreundlichkeit, das zeigt die Karte oben rechts, liegt es bereits weit vorn. Wie alle anderen ostdeutschen Bundesländer zeigt sich das Land von Händel, Martha Brautzsch, Gerhard Lichtenfeld, Telemann, Dieter Hallervorden und Margot Honecker als Ort, an dem Familienalles vorfinden, um miteinander glücklich zu werden. Die Kinderbetreuung ist weltweit führend, es gibt kostenloses Obst zur Hofpause, zahlreiche H&M-Filialen und neuerdings sogar Spielplätze, auf denen nicht geraucht werden darf.

Eine direkte Folge scheint die Karte oben links anzudeuten: Die Geburtenrate der solchermaßen verwöhnten Einheimischen ist rekordverdächtig niedrig. Statt sich durch die Kümmerer in der Landespolitik animieren zu lassen, immer mehr Kinder zu bekommen, weil die „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ durch die Rundumbetreuung so gut ist wie seit den Amtszeiten von Erich Honecker nicht mehr, scheint zu viel Fürsorge abschreckend zu wirken. Der Glaube, "durch eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf würden Familien nicht nur freundlicher, sondern auch größer", täusche offenbar, attestiert Netzwerk Recherche - wie anders lasse sich erklären, dass die Geburtenraten gerade dort am höchsten seien, "wo es für Familien laut Statistik besonders unfreundlich ist, und dort am niedrigsten, wo sich Familie und Beruf bestens miteinander vereinbaren lassen".

Immer weniger Geburten aber bedeuten immer weniger Kinder und immer mehr Zeit für immer mehr Kindergärtnerinnen, sich um jedes einzelne Kind zu kümmern. Besseres Kümmern und intensivere staatliche Betreuung wiederum verheißen mehr Familienfreundlichkeit, die, das zeigen die Statistiken, zu immer noch weniger Kindern führen. Je intensiver und nachhaltiger diese vielversprechende Strategie verfolgt wird, desto schneller ist das Ziel mit Leben zu erfüllt, das knackig im Motto der Landesimage-Kampagne beschrieben wird: "Wir sterben schneller aus" (Plakat oben) .

Mehr aus der großen PPQ-Serie "Wiedergeboren als..."

Seltene Erden werden knapp

Hiobsbotschaften aus der pazifischen Tiefsee drohen die weltweite Rohstoffkrise weiter zu verschärfen. Wie die "Welt" wie immer gleichlautend mit der "Tagesschau" berichtet, haben Forscher auf dem Meeresgrund "riesige Vorkommen" von sogenannten seltenen Metallen entdeckt. Damit könnten auch bislang so seltene Metalle wie Cer, Yttrium, Lanthan, Neodym, Europium oder Lutetium das Schicksal des vielmals vorhergesagten Oil Peak erleiden und durch ein Überangebot knapp werden.

Dabei hielt China eben noch die ganze Welt am Gängelband, weil das Reich der Mitte ungerechterweise über die größten Vorkommen an Seltenen Erden verfügte. Deutsche Medien peinigte vor drei Monaten noch kollektiv die Frage, wie "sich Europa auch künftig die Rohstoffe sichern" könne, "die zum Bau von Handys, Computern, Energiesparlampen und Akkus benötigt werden?", herrscht jetzt allenthalben große Freude. Nicht weil Hightech-Produkte ohnehin in China produziert werden, sondern weil der Fund so gigantisch ist, dass sich der Name Seltene Erden (Rare Earth) nicht mehr wird halten lassen.

Dann machen sich Seltene Erden richtig rar und eine Rohstoffkrise droht. Während die "Zeit" schon leicht euphorisiert von einem "massenhaften" Fund spricht, hat die FAZ das gefundene Menge auf die Vokabel "groß" heruntergerechnet. Nur der österreichische "Kurier" macht noch vorsichtig Hoffnung auf den Erhalt der traditionellen Seltenheit. Er sieht vorerst durch den Fund nur "Tonnen seltener Erden im Pazifik" entdeckt.

Zum Verhältnis von ranzigen Ost-Rockern zu ihren übrig gebliebenen Fans

Montag, 4. Juli 2011

Akute Imaginitis

Da muss mehr Überwachung her, ruft der derzeit als Innenminister amtierende Friedrich bei solchen Gelegenheiten gern. Anders bekommt man ja die ganzen Verbrecher nicht mehr in den Griff!

Da ist es schon erhellend, im zwölften Unterpunktmenü des Bundesamtes für Justiz nachzulesen, wofür solche Gesetze eigentlich gut sind. Richtig wichtig waren ja Möglichkeiten zur Telekommunikationsüberwachung vor allem, um Terroristen und Kinderpornohändler verfolgen zu können. Gerade erst mahnte Innenminister Friedrich wieder an, dass der Staat mehr Möglichkeiten zur Überwachung im Netz brauche, um den Urhebern von zuletzt 56.000 mutmaßlichen Straftaten im Netz auf die Schliche kommen zu können.

Offenbar ein Fall von akuter Imaginitis, wie Mediziner die offensichtlich vorliegende schwere Entzündung der Einbildungskraft nennen. Denn wie sieht es denn heute wirklich aus? Ja, natürlich, die Zahl der von den Ermittlungsbehörden eingeleiteten Überwachungsmaßnahmen hat sich seit den Terroranschlägen vom 11. September vor zehn Jahren verzehnfacht. Allein von 2008 zu 2009, die einzigen beiden Jahre, aus denen detaillierte Zahlen vorliegen, erhöhte sich die Menge der angeordneten "Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen" (Bundesjustizamt) um etwa ein Viertel.

Aber wo laufen sie denn? Und vor allem: Wo lauschen sie? Laut Statistik jedenfalls nicht dort, wo eifrige Politiker sie lauschen sehen. Überwachungsmaßnahmen kommen nämlich kaum zur Terrorbekämpfung und fast nie zur Bekämpfung von Kinderpornographie zum Einsatz – sondern regelmäßig und massenhaft nur bei ganz gewöhnlicher Kriminalität wie Bandendiebstahl, Mord, Menschen- und Drogenhandel.

Auch das Internet, obwohl doch nach Ansicht von BKA-Chef Ziercke der "größte Tatort der Welt", bleibt erstaunlicherweise weitgehend außen vor, wenn deutsche Ermittler als Maus-Police auf Täterjagd gehen. Nur 759 Mal überwachten Behörden Email- und Netzverkehr. Das sind gerademal 3,7 Prozent aller angeordneten Überwachungen, die 2009 Internetkommunikation zum Ziel hatte. Alle anderen 19 846 Maßnahmen nahmen Festnetz- oder Mobiltelefone ins Visier.

Am Totenbett des Journalismus

Wie machen die das nur immer. Da sinkt der Alkoholverbrauch der Deutschen seit Jahrzehnten, aber wenigstens zweimal im Jahr warnen hauptamtliche Drogenkämpfer vor einem unentwegt steigenden Alkoholkonsum der Deutschen. Auch die Zahl der rechtsextremen Straftaten geht seit Jahren zurück. Die renommierte Illustrierte "Stern" aber vermag daraus die Überschrift zu machen "Rechte Gewalt nimmt vor allem im Osten zu", die der "Focus" gleichlautend ebenfalls verwendet. Oder der "Anstieg" der Straftaten im Internet, der seit Jahren regelmäßig hinter dem Anstieg der Teilnehmerzahlen am Internet zurückbleibt. Aber gleichwohl stets als Anstieg vermeldet wird.

Doch wo es um Botschaften geht, das wussten schon Jesus und Mohammed, können Fakten nur stören. Deshalb wenden Medienarbeiter bei der Verfertigung unzutreffender, aber aufrüttelnder Meldungen immer dieselben bewährten Kunstgriffe an. Wir wollen sie hier ein wenig beleuchten, um zu zeigen, wie das Prinzip funktioniert, das Geografen aus der Welt der Weltkarten bekannt ist. Die überzeichnen generell die Größe der Kontinente, während sie die gewaltigen Flächen der Ozeane stets kleiner darstellen. Das tun sie schon so lange, dass die meisten Menschen heute glauben, die Erde sehe so aus: Ein Katzensprung von Kalifornien nach Japan. Russland hinterm Ural fast die Mongolei.


Das aber ist eine verzerrte Wahrnehmung, die allein der Praktikabilität geschuldet ist. Ein schönes Beispiel, geradezu klassisch in Anlage und Ausführung, wie das medial funktioniert, ist eine Meldung der "Welt" zur "Entwicklung rechtsextremistischer Gewalttaten", die, so erfuhren es die Leser des Qualitätsblattes, "in Deutschland signifikant auseinanderdriften". Weiter hieß es: "Trotz eines Abwärtstrends im ganzen Land steigen sie im Osten stark, von insgesamt 762 registrierten Gewalttaten entfallen allein 306 auf die fünf ostdeutschen Bundesländer". In dieser Region ereigneten sich damit 40 Prozent dieser Delikte, obwohl der Anteil an der Gesamtbevölkerung lediglich 15 Prozent beträgt. Abschließend folgt noch der Satz: "Den Negativrekord im Länderranking hält inzwischen Sachsen-Anhalt. Dort wurden im vorigen Jahr je 100.000 Einwohner 2,84 solcher Gewalttaten verübt. 2009 war noch Brandenburg Spitzenreiter, das jetzt auf dem zweiten Platz steht."

Das klingt alles sehr sachlich, gleichzeitig aber beunruhigend, allerdings auch nur bis zu einer näheren Betrachtung. Denn die ergibt Verblüffendes: Das "signifikante Auseinanderdriften" findet in Wirklichkeit nicht statt, es ist eine reine Erfindung, ein Popanz, der mit Fantasieklamotten angezogen von Weitem wie lebendig wirkt.

Schauen wir uns das genauer an. "Trotz eines Abwärtstrends im ganzen Land steigen sie im Osten stark, von insgesamt 762 registrierten Gewalttaten entfallen allein 306 auf die fünf ostdeutschen Bundesländer", verrät uns keine vergleichbaren Gesamtzahl, wir müssen also rechnen. 306 Taten im Osten bedeuten offenbar 456 Taten im Westen - im Vergleich zu den 601 Taten, die im Vorjahr in den alten Bundesländern geschahen, in der Tat ein signifikanter Rückgang, der statistisch relevant ist. Doch sind es die 16 Taten mehr, die im Osten geschahen? Berlin etwa liegt zweifellos im Osten, wird aber rätselhafterweise zum Westen gezählt - wäre es anders, würde der Rückgang der rechten Straftaten in der Hauptstadt (von 56 auf 22) nämlich sofort dazu führen, dass im gesamten Zählosten kein statistischer Zuwachs an rechter Gewalt mehr zu verzeichnen wäre.


Das gäbe jedoch nicht die Schlagzeilen, um die es geht. "Neonazis vor allem im Osten Deutschlands aktiv" (Morgenpost), "Neonazis werden im Osten immer brutaler" (Welt) und "Rechtsextreme Gewalt nimmt im Osten zu" (ZDF) - alle funktionieren nach dem Prinzip, dass eine Lüge je schwerer nachzuweisen ist, je unschärfer man sie formuliert. Dazu gehört es, bei Vergleichen keine zueinander gehörigen Vergleichszahlen zu nennen: Die "Welt", bei der in diesem Falle aller Unsinn seinen Ursprung hat, schafft das, indem sie statt absoluter Zahlen auf Bevölkerungszahlen heruntergerechnete präsentiert. Um von dort aus schließlich bei einem absolut nebensächlichen Aspekt zu landen, der wiederum ohne jede Vergleichsmöglichkeit präsentiert wird: "Den Negativrekord im Länderranking hält inzwischen Sachsen-Anhalt", heißt es dort. Natürlich erfährt niemand, ob das an einer Zunahme der Taten oder, was im Fall des langsam ausblutenden Bundeslandes nicht undenkbar ist, am Rückgang der Bevölkerungszahlen liegt. Beides könnte zum selben Effekt führen: Die Zahl der Taten pro Kopf der Einwohner steigt.

Den neuen "Rekord", von dem getreulich alle paar hundert Presseorgane der Republik schreiben, erreichte das Bundesland denn auch ohne große Anstrengung. 2008 geschahen in Sachsen-Anhalt noch 100 rechte Gewalttaten, im Jahr danach waren es 60. Nun reichen schon 67 zur Tabellenspitze.

Angaben, die der Zeitungsleser nirgendwo finden wird. Wie bei der Armut, die hierzulande seit Jahren immer bedrohlicher zu werden scheint, weil der Armutsbegriff beständig ausgeweitet wird, und bei der Gefahr durch Alkohol, dessen Konsum angeblich steigt, obwohl alle statistischen Zahlen sagen, dass der Alkoholverbrauch seit Mitte der 80er Jahre unentwegt sinkt, geht es nicht um Mitteilungen über die wirkliche Welt. Sondern um Zuschreibungen, die der Erwartungshaltung der Schreibenden entsprechen. Jeder Blick in ein Archiv, jeder Vergleich von Zahlen und jede Prüfung des Zustandekommens von vermeintlichen Trends kann nur zerstören, was man sich als Schlagzeile wünscht.

Am Totenbett des Journalismus zählen Projektionen, nicht Realitäten, wie die für solcherart imaginierte Tatsachen bekannte "Zeit" beispielhaft vorexerziert. "Innenminister warnt vor Eskalation extremistischer Gewalt", nennt das Wochenblatt einen Text, der eigentlich vom Sinken der Zahl rechtsextremistischer Straftaten handelt. Macht ja nichts, das merkt ja keiner.

"Der Verfassungsschutz hat 2010 weniger politisch motivierte Straf- und Gewalttaten gezählt", schreibt die Zeitung, und weiter, als sei das eine durchaus logische Folge: "Sorge bereitet den Sicherheitsbehörden das Anwachsen der Neonazi-Gruppen". Ausgeführt wird dann eher en passant, dass "sowohl die Zahl der Personen, die den jeweiligen Extremistenspektren zugerechnet werden, als auch die Zahl der von ihnen verübten Straftaten" gesunken seien.

Die "Eskalation extremistischer Gewalt" kommt dafür gar nicht wieder vor - muss aber auch nicht, denn handwerklich ist das so super. Es gilt die Maxime: Vergleiche, was nicht zu vergleichen ist, schwenke ab auf Bereiche, die mit dem Inhalt des zu Sagenden nicht zu tun haben, und verwirbele möglichst viele Informationen, von denen erstens nicht klar ist, welche Relevanz sie haben, und die zweitens etwas zu belegen scheinen, was die Leser ohnehin fürchten.

Dass die Internetkriminalität beständig zunimmt etwa. Die "bittere Bilanz der Bundeskriminalpolizei" (Bild) bestätigt es: "Schon 250 000 Straftaten im Internet!" Dass selbst diese Zahl der angezeigten, nicht der ermittelten Taten (das sind nur 56.000) bei 50 Millionen Internetnutzern bedeutet, dass gerademal 0,5 Prozent aller Websurfer Opfer irgendeiner Art von Onlinebetrug geworden sind oder auch nur glauben, es geworden zu sein. Unerwähnt bleibt ebenso, dass die 50 Millionen deutschen Fahrradbesitzer bei zuletzt 360.000 wegen gestohlener Räder eröffneten Ermittlungsverfahren eine um das Sechsfache höhere Chance haben, betroffen zu werden. Und dass der Schaden von Fahraddiebstählen mit 136 Millionen Euro nach wie vor weit über dem durch Online-Betrug angerichteten von 61 Millionen Euro liegt.

Fahrraddiebstahl eignet sich nicht, Angst auszulösen. Der Diebstahl eines Passwortes schon. Also warnt der Innenminister nicht vor Fahrraddieben, sondern von ominösen Webbetrügern, die angeblich immer öfter Daten aus sozialen Netzwerkes stehlen. Dass sie das offenbar deutlich weniger öfter tun als sich die Deutschen in ihrer Gesamtheit bei sozialen Netzwerken herumtreiben, tut wiederum nichts zur Sache. Außen vor bleibt immer die Kerninformation: Der Zuwachs an kriminellen Aktivitäten in Sozialen Netzwerken hält nicht Schritt mit dem Wachstum der sozialen Netzwerke selbst. Anders gesagt: Die Wahrscheinlichkeit, bei Facebook und Co. Opfer einer kriminellen Attacke zu werden, steigt nicht etwa, wie vom Innenminister vor- und von der gesamten Presse nachgebetet. Sondern sie sinkt.

Hal Faber über mediale Projektionen

Sonntag, 3. Juli 2011

Verbot der Woche: Gesichtsbuch-Feten

Einfach so zusammenkommen, womöglich noch verabredet über das seit Jahren unmittelbar vor dem Untergang stehende Internet - die längste Zeit haben junge Leute hierzulande geglaubt, einfach machen zu können, was sie wollen. Aufgerüttelt durch mehrere sogenannte "Facebook"-Partys planen mehrere Landesminister ein Verbot von spontanen Treffen in der Öffentlichkeit. "Im Visier", berichtet die "Frankfurter Rundschau", stünden "schief gegangene Masseneinladungen, die jüngst zu massiven Sicherheitsproblemen geführt hätten". Keine Politiker habe etwas gegen "jugendgemäße Feiern". Aber gepflegt müssten sie sein.

Letztlich gehe es bei der angestrebten Suspendierung des Grundgesetz-Artikels 8, der allen Deutschen bislang noch das Recht gewährt, "sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln", darum, Gesichtsbuch-Feten (Abbildung oben) "im Vorweg zu verbieten“, wie Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann sagte. Wichtig sei ein im Rahmen der bürgerschaftlich engagierten PPQ-Aktion "Verbot der Woche" zwischen Internetkonzernen und Politik abgestimmtes "rigoroses Vorgehen der Behörden". Der Gefahr, dass Feierwillige auf Verabredungen per Email, SMS oder über Internetforen auswichen, könne das Bundesblogampelamt im mecklenburgischen Warin mit der bereits vorhandenen Verbotsinfrastruktur begegnen. Schünemann sagte der „Welt am Sonntag“, die Länder müssten die neuen Verbotsgesetze nach Aussetzung von Artikel 8 konsequent anwenden und ihre Aufklärungsarbeit bei Jugendlichen und Eltern verbessern. Außerdem brauche Deutschland dringend einen „Internet-Führerschein“, der über die Gefahren von Facebook aufkläre, das ja dann gegen geltendes Recht verstoße.

Zur ehrenamtlichen PPQ-Serie "Verbot der Woche"
Die Süddeutsche Zeitungausnahmsweise ganz unaufgeregt


Samstag, 2. Juli 2011

Der regelbare Verbraucher

Am Ende der DDR stand eine damals von Egon Krenz nach kurzem Überlegen erklärte "Wende", am Ende der Bundesrepublik, so zumindest ahnen es dünne Stimmchen in den Gazetten, könnte wieder eine Wende stehen, diesmal eine sogenannte Energiewende, diesmal erklärt von Krenz´ ehemaliger Gefolgsfrau und späteren Amtsnachfolgerin Angela Merkel.

"DDR 2.0", orgelt es landauf, landab, anderthalb Jahre immerhin nach dem seinerzeit exklusiv von PPQ durchgeführten großen Systemvergleich DDR/BRD. Es war nicht alles schlecht, findet auch die FAZ, die in der Energiewende eine Möglichkeit entdeckt hat, das Spezialwissen früherer Mangelwirtschaftsexperten endlich doch noch für das neue, freiheitliche Deutschland zu nutzen. In seinem großen Beitrag "Wie die DDR gegen den Stromausfall kämpfte" führt Wilhelm Riesner, von 1970 bis 2000 an der Hochschule Zittau für das Lehrgebiet Rationelle Energieanwendung verantwortlich, jetzt aus, wie die DDR trotz dauernder Stromknappheit über die Runden kam.

Für die "erforderlichen Eingriffe des Staates in die Verbraucherrechte für den freien Strombezug und dessen freie Verwendung" gab es die „Energieverordnung (EnVO)“, für alle Teilnehmer am Strommarkt eine jährliche Anmeldepflicht für den Bedarf und für das zuständige Energieministerium die Möglichkeit, Verbrauchsmengen nicht zu genehmigen. Wer dem zuwider handelte, zahlte Geldstrafen.

Ein Stromregime, das beispielhaft klingt für das Deutschland nach der Energiewende. Reichte der Strom nicht, mussten die Behörden des sozialistischen Deutschland noch per Rundfunkmeldung sogenannte Versorgungsstufen aufrufen, nach denen die Stromabnehmer ihren Bedarf zu richten hatten. "Jeder planungspflichtige Abnehmer hatte für die jeweilige Versorgungsstufe einen Plan zur Leistungsabsenkung zu erarbeiten, der mit dem Aufruf umzusetzen war", schwelgt Riesner in Erinnerungen.

Heutzutage könnten Verbrauchsstufen per SMS durchgegeben werden, was alles viel leichter und bequemer machen würde. "Wenn zum Beispiel am Tag der Jahreshöchstlast in Deutschland kein Wind weht und keine Sonne scheint", schreibt der Elektroexperte aus der verflossenen Mangelwirtschaft, wird "der Verbraucher mitwirken müssen, indem er dem Netzbetreiber gestattet, in diesen Situationen automatisch im Haushalt Verbrauchsgeräte (etwa Waschmaschinen) abzuschalten, im Büro die Beleuchtung zu dimmen oder in Unternehmen Motoren vom Netz zu nehmen."

Der Verbraucher werde so zum "wichtigen Glied für die Reglung des elektrischen Netzes", zum Stromkunden von Morgen, zum "regelbaren Verbraucher".

Betreutes Leben, Beipackzettel

"Schmerzgel auf die betroffene Körperregion dünn auftragen und leicht einreiben. Anschließend sollten die Hände gewaschen werden.

Außer diese wären die zu behandelnde Stelle."


Betreutes Leben: Wie die SPD handelt

Wen der "Spiegel" dumm macht

Wenn es denn zu spät ist, dann fallen selbst beim "Spiegel" ein paar unaufschiebbare Realitäten ins Blatt. Wochenlang kämpfte das ehemalige Nachrichtenmagazin aus Hamburg gemeinsam mit Bundesregierung und Opposition für eine Beteiligung privater Gläubiger an der neuerlichen Rettung Griechenlands - und nun, wo es soweit ist, wird auch dem "Spiegel"-Experten Stefan Kaiser plötzlich klar, dass irgendwie gar nicht mehr genug private Banken da sind, als dass sich ein relevanter Teil der griechischen Schulden auf deren Rechnung ausbuchen ließe.

Nein, nein, nein, alles staatlich! Die Commerzbank, die HRE, die West LB, die Landesbank Baden-Württemberg. Da braucht es eine gewagte Volte, um den Titel "Wen die Griechen-Rettung reich macht" decken und am Volkszorn entlang schreiben zu können: Bei genauem Hinsehen sei "der zugesagte Betrag" der privaten Banken "verschwindend gering", fabelt Kaiser. Einen großen Teil der Last trage der Steuerzahler, Grund zum Jubel haben nur die Banken.

Erstere Behauptung liegt auf der Hand, denn wo ein Staat sich eine Bankenlandschaft baut, die überwiegend aus staatlichen, halbstaatlichen und genossenschaftlichen Instituten besteht, bleibt am Ende nicht viel Platz für "Privatbanken", die bereitstehen, einen Teil der Griechenland-Last zu schultern. Zwar zählt der "Spiegel" auch die DZ Bank zu den "privaten Großbanken", aber das ist eher der Tatsache geschuldet, dass sich der Plural sonst gar nicht verwenden ließe: Die "privaten Großbanken" wären dann eine, die Deutsche.

Grund zum Jubeln über neuen Reichtum hat auch die sicherlich nicht, weshalb Stefan Kaiser abseits seiner steilen Wutbürger-Überschrift auch nicht weiter ausführt, wer da jetzt eigentlich reich geworden ist. Die Privatbanken, weil es nicht viele gibt? Der "Spiegel", weil er das zwei Wochen nach PPQ doch auch noch gemerkt hat? Oder die Bundesregierung, die es wirklich geschafft hat, mit der Phantom-Diskussion um eine "substantielle Beteiligung" einer Vielzahl in Wirklichkeit gar nicht existierender deutscher Großbanken davon abzulenken, dass es am Ende - diese Forderung hin, jene her - doch der Steuerzahler sein wird, der zur Kasse gebeten werden muss und wird?

Freitag, 1. Juli 2011

Song Meanings: In Deutschland hilft der Discobus

Eigentlich ist es bloß die Frage, die sich jeder stellt, wenn es Freitag wird und die Sonne langsam sinkt. Noch ist Sommer, aber ein bisschen Begräbnisduft liegt schon in der Luft. "Well, I wonder which song they're gonna play when we go", singt Brian Fallon, "I hope it's something quiet and minor and peaceful and slow."

Sein eigenes "The 59 Sound" geht nach diesem Maßstab gar nicht, denn die namensgebende Nummer des Albums, das seiner Band The Gaslight Anthem vor drei Jahren den Durchbruch brachte, hackt zwar auf A-Moll und E-Dur herum, bis es sich über F und C in einem klassischen C-F-C-Refrain entlädt. Wenn das Quartett aus New Jersey das Stück aber im Konzert spielt wie in dieser Woche im Dresdner Schlachthaus, dann wird aus dem strukturell züchtigen Springsteen-Stoff ein explosives Punk-Werk.

Zwischentöne, die InCurrentStandings Coverversion (unten) prägen, reduziert auf die späte Zeile "that you ain't supposed to die on a Saturday night", Nachdenklichkeit herausgeschrieen im Refrain, dessen innerer Zusammenhang sich störrisch jeder Untersuchung widersetzt: "Did you hear the '59 Sound coming through on Grandmama's radio? Did you hear the rattling chains in the hospital walls? Did you hear the old gospel choir when they came to carry you over? Did you hear your favorite song one last time?"

Die Ketten mögen die sein, von denen sich Bob Marley im "Redemption Song" frei wünschte, der "59 Sound" könnte von den Platters oder gar Elvis Presley kommen, der damals mit "A Fool Such as I" einen Hits hatte, der auch vom Fortgehen handelte. Wobei fortgehen hier meint, "into the everlasting arms" zu sinken, viel zu früh viel zu tot vielleicht nachdem "the metal hit the glass". Wohl ein Autounfall.

In Deutschland hilft der Discobus, helfen Girl-Taxen und Aufklärungskampagnen der Bundeszentrale für Drogengebrauch. In den Staaten muss es die Privatinitiative zugehackter Rockstars richten, die mit der Tatsache hadern, dass ein alter Kumpel tot ist. Das Zetern über die Ungerechtigkeit des Lebens auch im Todesfall kommt hier auf eine Art eruptiv zum Vorschein, die wahre Rock-Kunst vom Schaffen etwa der Gruppe Karat so sehr unterscheidet wie Bruce Springsteens "River" sich abhebt vom quasi gleichnamigen "Fluss" des Rapreimers Thomas D. "Ain't supposed to die on a Saturday night", glaubt Brian Fallon. Die Chancen stehen eins zu sieben.

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