Sonntag, 15. März 2009

PPQ-Minikrimi: Was stimmt hier nicht?

Kurz vor Weihnachten war es, als ein Achtjähriger in Dessau "nur knapp einer versuchten Entführung" (Polizeimeldung) entging.

Die Tat ereignete sich nach Polizeiangaben im Dessauer Stadtteil Nord direkt auf der Bundesstraße 184. Ein schwarz lackierter Wagen soll dort gegen 7.20 Uhr auf dem Standstreifen und direkt neben dem Kind gehalten haben. Der Fahrer habe sich zunächst bei dem Jungen ganz harmlos nach dem Weg erkundigt. Als sich das Kind abwendete, versuchte der Fahrer, es in sein Fahrzeug zu ziehen. Der Achtjährige konnte sich befreien und wegrennen. Nachdem der Junge seine Schule erreicht hatte, wurde die Polizei informiert.

Die Polizei ermittelt seitdem wegen versuchter Freiheitsberaubung. Allerdings ist die Täterbeschreibung nicht sehr konkret: Der Unbekannte soll zwischen 1,80 und 1,85 Meter groß sein, er trug dunkle Kleidung und unter einem schwarzen Basecap eine schwarze Maske vor dem Gesicht.

Unser kleines Hercule-Poirot-Fanboard PPQ hat sich der bislang erfolglos fahndenden Polizei in diesem zum Himmel schreienden Fall von Straßenkriminalität als Informeller Mitfahnder (IM) zur fröhlichen Verfügung gestellt. Wir bitten um sachdienlichste Hinweise auf den Täter.

Für jeden Tipp, der zur Ergreifung des oder der Verantwortlichen führt, erhält der Tippgeber die vollständige und längst verbotene Liste aller Stasi-Mitarbeiter inklusive aller zur Reaktivierung notwendigen Angaben über Geburtsdatum, letztes Gehalt, Dienstnummer und letzte Diensteinheit (per Mail).

Einsendeschluß heute Abend, 22 Uhr.

Okay, Bürger und Landsleute, ultimo! Am nächsten dran ist Anonym Nummer eins, der durch hellwache Deduktion messerscharf geschlossen hat, dass der Zeuge nur entweder nach dem Weg gefragt und anschließend versuchsweise entführt worden sein kann, dann aber eine Beschreibung des Unholds abgeben können müsste. Oder aber der Unhold hat eine Maske getragen, weshalb er nicht beschrieben werden kann. Dann wäre der Junge aber schon weggelaufen, wenn er vom Maskenmann nach dem Weg gefragt worden wäre.

Etwas weiter weg ist der Zirkelschluß zur Frage, wie das Opfer die Größe des (sitzenden) Täters schätzen konnte, die Richtung ist aber dieselbe: Wir haben es hier allem Anschein nach mit einem Einzeltäter Marke Mittweida zu tun, weshalb die Suche nach dem Maskenmann auch hier bis in alle Ewigkeit ergebnislos fortgesetzt werden dürfte.

Der Sonderpreis für die schönste Antwort geht an den Zweifler, der die Schulen in Dessau für erlogen hält.

Bitte Email-Adressen an politplatschquatsch@gmail.com, dann geht die strenggeheime und hochverbotene Liste umgehend an die Gewinner raus.

Sammelkommandos für Softairflinten

Bald kommt die Kanzlerin zum Hausbesuch, um die Küchenmesser durchzuzählen. Alles, was zu lang ist und nicht in einem vorschriftsmäßigen Tresor mit biometrischem Schloß lagert, wird eingesammelt und in eines der neuen großen Regierungswaffenlager gebracht.

Künftig müsse stärker auf die Aufbewahrung von Waffen und Munition geachtet werden, begründete die frühere Klimakanzlerin Angela Merkel diesen entschiedenen Schritt, mit dem Amokläufe künftig unmöglich gemacht werden sollen. Das Ziel seien unangemeldete Kontrollen bei Waffenbesitzern, bei denen die gesetzeskonforme Unterbringung von allen Waffen, die unter das 2003 geänderte Waffengesetz fallen, überprüft werde. „Wir müssen aufmerksam sein“, sagte Merkel: „Das gilt für Eltern, das gilt für Erzieher.“ Vor allem aber gelte es für den Staat.

Der ist zuständig für alle verbotenen und erlaubnispflichtigen Waffen, zu denen nach dem am 1. April 2003 neu gefassten "WaffG" auch alle Anscheinswaffen sowie sämtliche Hieb- und Stoßwaffen gehören. Dabei handelt es sich der Definition nach um Küchenmesser etwa zum Braten- oder Brotschneiden, sobald sie eine feststehende Klinge von mehr als 12 cm Länge besitzen. Obwohl derartige Waffen seit fünf Jahren verboten sind und nicht mehr "geführt" werden dürfen, finden sie sich derzeit noch in zahlreichen disziplinlosen Haushalten. Dort werden sie nach Erkenntnissen des Grünen Christian Ströbele, seit den Prozessen gegen die Baader-Meinhoff-Bande Waffenexperte der außerparlamentarischen Opposition, häufig in unmittelbarer Reichweite von Kindern und ohne zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen aufbewahrt werden.

Damit soll nun endlich Schluss sein. Fliegende Sammelkommandos sollen ab Anfang April ausschwärmen und die artgerechte Unterbringung von Gewehren, Revolvern, Softair-Gewehren, Paintball-Flinten, Gartenäxten und Tojiro-Santoku-Messern aus einschlägigen TV-Shops prüfen. Wird vor Ort festgestellt, dass etwa langklingige Schneid-, Hieb- und Stichwaffen frei zugänglich in Küchen und Garagen gelagert werden oder die kreuzgefährlichen gelben Plastikkügelchen für Softairwaffen nicht in Tresoren liegen, deren Kennwort niemand kennt, haben die sogenannten WaffG-Sturmtrupps das Recht, die erlaubnispflichtigen Gegenstände in sicheren staatlichen Gewahrsam zu nehmen. Das geschehe wie immer "in völliger Übereinstimmung mit dem Grundgesetz", hieß es dazu in Berlin.

Wir brauchen ein schärferes Waffenrecht

Als sie die Gewehre holten, habe ich geschwiegen; denn ich hatte kein Gewehr. Als sie die Pistolen holten, habe ich geschwiegen; denn ich hatte keine Pistole. Als sie die Jagdmesser holten, habe ich geschwiegen; denn ich besaß ja auch kein Jagdmesser. Als sie dann die Taschenmesser einsammelten, war ich verwundert. Als sie die Küchenmesser verboten, wurde ich besorgt. Und als sie mir die Nagelschere fortnahmen, hatte ich nichts mehr, womit ich mich wehren konnte.

Offenbarungseid in Uniform

Offenbarungseid in Uniform: Völlig überraschend für viele Politiker und zahlreiche Medienarbeiter haben sich Polizei, Politik und Medien bei der "Fahndung" (dpa) nach dem Amokläufer von Winnenden mit einem simpel gefälschten Screenshot hereinlegen lassen. Weil aus Winnenden selbst außer Tränen nichts Neues mehr zu berichten ist, muss nun ein "Wirbel um die Panne" herhalten, um eine Grundsatzdiskussion um die "Internet-Kompetenz der Polizei" zu führen: Wie das Bundesinnenministerium, das von einem Mann geführt wird, dessen Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit unfähig ist, Emails überhaupt nur zu lesen, ist auch die nachgeordnete Polizei durchsetzt von "Fahndern" (dpa), die "SQL" für ein Ballerspiel und amazon für eine Frau mit Flitzebogen halten.

Sie wissen nicht, was sie tun, aber sie wissen, dass sie nichts dafür können. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter räumt Mängel bei Ermittlungen in den Tiefen des Webs ein, weiß aber schon lange, dass "von 260.000 Polizisten in Deutschland ist nur ein Prozent für die Herausforderungen durch das
Internet gewappnet" ist. Warum dieses Wissen bisher nicht öffentlich gemacht wurde, lässt BDK-Chef Klaus Jansen unerwähnt. Sicher aber sei: "Bei 42 Millionen Internetnutzern in Deutschland ist das zu wenig."

Woher soll die Polizei denn wissen, dass es Menschen gibt, die "mit dem Photoshop" (dpa) umgehen können? Wo sie doch nicht einmal weiß, wo dieser Photoshop steht und wie lange er geöffnet hat? Hätte der Gesetzgeber bereits grünes Licht gegeben, könnte in solchen Fällen der Bundestrojaner irgendwo injiziert werden, um "screenshots" (dpa) auf Echtheit zu untersuchen und Youtube-Filme mit Terrordrohungen zu Al Dschasira zurückzuverfolgen.

Derzeit aber ist auf den meisten Computern in den meisten Polizeirevieren noch nicht einmal Java installiert, Kinderponofilme laufen nur rucklig und müssen zur beweissicherung auf Nadeldruckern ausgegeben werden. Klaus Jansen, ehemals BKA-Mitarbeiter, ist sicher, dass seinen Kollegen kein Vorwurf zu machen sei. Das Netz ist schuld, das Fahnder durch Vielfalt und Größe zu verwirren suche.

Jansen fordert eine Markierungspflicht für Fälschungen, eine automatische Alarmfunktion für Schimpfworte und unangekündigte Hausdurchsuchungen, wenn der Verdacht besteht, Internetnutzer könnten "mit dem Photoshop" umgehen. Die Polizei müsse endlich in die Lage versetzt werden, Drohungen,Auffälliges und eben auch Fälschungen in «Echtzeit» zu erkennen, mahnt der Polizeigewerkschafter.

Fremde Federn: Totalitär ist nicht schwer

Wie verkauft man einem Volk eine totalitäre und menschenverachtende Diktatur, fragt die taz, ein Zentralorgan des antiautoritäten Deutschland und inzwischen eine Art Lifestyle-Postille mit Özdemir-Koteletten. Rein rhetorisch, denn die Antwort ist klar. Nicht anders, als man ein Markenprodukt verkauft. Man nehme ein starkes Logo: ein Hakenkreuz, ein römisches Beil, einen roten Stern. Man schaffe eine Personifizierung der Marke, gebe dem Regime ein Gesicht: Den Duce, den Führer, den großen Vorsitzenden - eine Art Ronald McDonald des Totalitarismus. Anhand dessen auffälligster Wiedererkennungsmerkmale erschafft man eine omnipräsente Ikone: Ein merkwürdiges Bärtchen, ein kahler Schädel oder ein buddhaartiges Lächeln bieten sich an. Man sorgt für eine enorme Verbreitung dieser Symbole und schützt sie durch strengste Gesetze.

Es ist ein gewagter Ansatz, den der Designhistoriker Steven Heller für sein bei Phaidon erschienenes Buch "Iron fists. Branding the 20th century totalitarian states" wählt. Doch er überzeugt. Heller, der 33 Jahre lang Senior-Artdirector der New York Times war, zeigt in seinem Buch detailliert auf, wie Diktaturen das benutzten, was Firmen heute ein "Corporate Design" nennen: Einen einheitlichen visuellen Auftritt, mit dem Ziel, maximale Markentreue zu erreichen. Die Mittel dafür heißen Manipulation und Propaganda. Ihr Erfolg ist messbar, nicht in Verkaufszahlen, aber in Stimmen. Auf 200 üppig bebilderten Seiten zeigt Heller vier verblüffende Exempel einer genialen Markenstrategie. Es sind die vier destruktivsten Regime des 20. Jahrhunderts: Nazideutschland, das faschistische Italien sowie die kommunistischen Regime in der UdSSR und in China. Zwei verfeindete Systeme, vereint in ihrer Vorliebe für Monumentales und heroischen Realismus.

Man muss die visuelle Sprache dieser Regimes betrachten, um eine historische Katastrophe zu verstehen, die ohne erfolgreiche Kommunikation nicht denkbar ist. Wer sich als Leser auf diese Perspektive einlässt, erkennt fasziniert und entsetzt, wie Hitler, der einmal Maler werden wollte, zum Chefdesigner seines Regimes wurde: eines Gesamtkunstwerks von unvergleichlicher Brutalität und Effektivität. Hitler bewunderte Peter Behrens, den Vater des Konzepts der modernen Corporate Identity. Systematisch und minutiös bis in die Details schreibt das "Organisationshandbuch der NSDAP", einer der verblüffendsten Funde, die Heller machte, die gesamte Designstrategie der Nazis vor: Uniformen, Symbole, Flaggen, Waffen, Gürtel, Abzeichen.

Hitler selbst wählte mit Unterstützung seines Chefdesigners Robert Ley und seines Hausfotografen Heinrich Hoffmann die Farben, Symbole, Posen, Designs seines Reichs - und ein uraltes mythisches Symbol als Logo: die Swastika, die in nur zwölf Jahren für immer zum Symbol für Staatskriminalität und Hass wurde.

Auch Mussolini stieg vom Redakteur und Artdirector der von ihm gegründeten radikalen Zeitung Il Popolo dItalia zum Chefdesigner des von ihm erschaffenen Faschismus auf. Er wählte dafür eine krude, aber faszinierend effektive Bildsprache, die an das antike Rom erinnernde Elemente und die avantgardistische Symbolik des Futurismus vereint.

Als Mussolini sich 1925 zum Diktator ausrief, wurden alle nationalen Symbole gegen die neuen faschistischen Embleme ausgetauscht, der Kalender wurde geändert, das Händeschütteln durch den römischen Salut ersetzt. Botschaften wurden wie Werbejingles so oft wiederholt, bis sie ins Unterbewusstsein der Massen eindrangen: "Mussolini hat immer Recht", "Stillstand ist Tod" oder "Glaube, gehorche, kämpfe!". Die Faszes, das Rutenbündel mit Beil, Symbol des Faschismus, wurde zu kommerziellen Zwecken auf Verpackungen, Anzeigen und in der Produktwerbung benutzt - etwas, was in Deutschland bei Strafe untersagt war. Dennoch hatte die Kampagne großen Einfluss auf Hitler.

Die Marxisten vertraten die Ansicht, dass Symbole dazu da sind, die Bevölkerung zu unterwerfen, da sie das wirkliche Verstehen unterwandern und das Ideal über das Reale erheben. Als die Bolschewiken an die Macht kamen, lehnten sie die Idee von Staatssymbolen daher zunächst als autoritär und aristokratisch ab. Die revolutionären Flaggen waren also einfach blutrot, eine Farbe, die seit dem 15. Jahrhundert für Revolution steht. Doch schon bei der Gründung der Sowjetunion 1923 wurde die Flagge geändert, sie zeigt seither die Symbole des Kommunismus und des Proletariats: den fünfzackigen Stern, Hammer und Sichel. Als Stalin die Macht ergriff, stilisierte er sich, anders als Hitler, Mussolini und Mao, nicht zum Künstler. Stattdessen erschuf er den Lenin-Kult. Durch Fotomontagen erweckte er den Eindruck, dass er und Lenin politisch Gleichgesinnte gewesen wären. Lenin trug zivile Kleidung statt Uniform und saß fast nie Porträt. Stalin dagegen erschuf einen Bilderkult, der ihn zum omnipräsenten Big Brother machte: Sein Porträt - mit stechendem Blick und monumental über allem stehend - hing in jedem offiziellen Raum.

Auch Mao schuf einen absurden Kult um seine Person, dessen Mythos auf seiner Zeit als Revolutionär beruhte. Er ließ den Markt mit Symbolen und Ikonen fluten: Mao-Pins, -Armbinden, -Poster trugen die Revolution in den Alltag hinein. Die wohl merkwürdigsten Beispiele dieses Kults sind zahllose kitschige Porzellanfigürchen von Soldaten, Angehörigen der Partei und Helden der Arbeit in revolutionären Posen, die die Kulturrevolution bis hinein in die Wohnungen der Menschen trugen.

Samstag, 14. März 2009

Tschüss Schimmelpfeng! Hallo Paris! Oder doch eher Ute?

Nun ist es amtlich. Anfang April rücken die Abrissbagger an, das Schimmelpfenghaus in der Berliner Kantstraße wird abgerissen. Jedoch nur zum Teil. Lediglich das Brückengebäude fällt. Daneben baut die Harvest United Enterprises aus Abu Dhabi mitten in die Finanzkrise hinein für 200 Millionen Euro das neue Zoofenster - ein 118 Meter hohes Haus mit Luxuswohnungen, Büros, Ladenflächen sowie mit der kleinen Schwester des großen New Yorker Waldorf Astoria Hotels. Ein Luxushotel der Familie Hilton. Deshalb hofft nun halb (Männer)-Berlin und der ganze deutsche Rest der geilen TV-Geschädigten auf die Eröffnung. Denn laut unbestätigten Meldungen soll die berühmte Tochter des Hauses zur Einweihung der Luxusherberge kommen. Dabei haben die Hiltons mit ihrer Hotelkette schon lange nichts mehr zu tun. Die ist nämlich schon länger im Besitz einer New Yorker Firma, die sich auch die DDR-Interhotels unter den Nagel gerissen hat. Könnte also sein, dass statt Paris Hilton dann doch eher Ute Freudenberg zur Eröffnung kommt.


Das Sexkino ist umgezogen, das Luxushotel kommt

Die Wahrheit ist dynamisch

In gediegenen Diktaturen war das immer schon gang und gäbe. Was gestern noch Parteilinie und damit richtig war, konnte heute schon staatsfeindlich und potentiell tödlich sein. "Der Kopf ist rund, damit die Gedanken die Richtung wechseln kann", bemerkte Francis Picabia anno 1921, ohne von Stalin und Trotzki, Chrutschow und Stalin, Breschnew und Chrustschow und deren stetem Kampf gegen die Bilder von früher zu wissen. Das "Wahrheitsministerium" aus Orwells "1984" ersteht im real existierenden "totalitären Überwachungs- und Präventionsstaat" (Wikipedia über "1984") Deutschland selbstverständlich kein real existierendes Ministerium. Sondern ein "Netzwerk" (Angela Merkel) ausnahmesweise nicht "gegen rechts" (dpa), sondern gegen die Wahrheit der eben vergangenen Minute.

Der wirkliche Charakter der Wahrheit ist kein absoluter, Wahrheit ist vielmehr dynamisch geworden. Der staatstragende "Spiegel" bereinigt sein Archiv, die Blut- und Brüste-Postille "Bild" wechselt die Illustrationen zum Amoklauf von Winnenden mitten im Gefühlsgalopp aus, wie es gerade passt. Ein und eins ist nicht immer zwei, sondern gelegentlich eben auch elf.

Wenn das hier schon das Leben ist, was machen dann die Toten

Die Regionalliga live im Gebührenfernsehen 3.0, beim Heimatsender MDR "Livestream" genannt. Ein atemberaubendes Schauspiel: Die erste Mitteilung an die Daheimgebliebenen handelt von einer "Gedenkminute für die Opfer von Winnenden". Das wollte man jetzt erstmal wissen, nach dem fantastischen Derbysieg letzte Woche. Der Reporter dehnt das Schweigen wie ein Gummiband. Zehn Minuten sind gespielt, es setzt sich der Livestreamreporter an seinen Livestreamreporterberichterstatterplatz. Er hat den Spielverlauf genau beoachtet. Er hat sich Notizen gemacht. Er wägt seine Worte sorgsam ab. Er schreibt: "Cottbus II beginnt etwas engagierter. Halle wartet ab und lauert auf den günstigen Zeitpunkt."

Draußen an den Empfängern sitzt die Gemeinde der Gebührenzahler und wartet auf genau solche Nachrichten. Doch geschliffen formuliert gelingen sie selbstverständlich nicht jede Minute. Immer mal Wasserstand, ja, klar. Aber einordnen, kommentieren, beschreiben? Mehr als dreimal die Halbzeit kann der beste MDR-Fachmann das nicht. Doch nun ist es wieder soweit, vom Livestreamreporterberichterstatterplatz, der kein Laptop mit UMTS-Internetverbindung ist, sondern ein Nokia-Handy mit MDR-Gruppenvertrag, orgelt die nächste Livemeldung heran. Es ist kurz vor der Halbzeit, beim MDR also die 25. Spielminute. In Cottbus geht es heiß her, auf diese Gelegenheit hat der Livestreamreporter gewartet: "Energie II müht sich, aber vor dem 16er der Gäste ist Schluss. Die HFC-Elf steht in der Abwehr sicher."

Wenn das hier schon live ist, was machen dann eigentlich die Toten? Wäre ein Deadstream wirklich noch langsamer als dieser Livestream? Wäre das denkbar? Möglich gar? Spielstand 0:0, Spielzeit irgendwo zwischen Pausentee und längst weitergespielt. Ahh, einordnen, sortieren, das muss ein Heimatmedium leisten. Tut es: "In Cottbus laufen die zweiten 45 min. Kein Wechsel auf beiden Seiten", tickert es über MDR.de. Spiel läuft also, aber offenbar ist der Nokia-Akku alle. Fünf Minuten Schweigen nach der Pause. Wieder wegen Winnenden? Nach der Zahl der livegestreamten Worte wird der jedenfalls nicht bezahlt.

Aber wir sind ja gleich durch. Im wahren Leben noch drei Minuten bis Spielende, im MDR-Internet also noch 35. Minuten zu spielen, im MDR-Videotext noch 17. Der Livestreamreporter sucht eine Steckdose. Ganz kurz tickert er "Jetzt Halle: Nach Stark-Freistoß kommt Lachheb zum Kopfball - Pentke hält" und dann noch, dass Kittler einen "schönen Kopfball" aufs Tor bringt.

Auf einmal ist auch schon wieder eine Kaffeepause für den Streamdiener vorüber. Rein rechnerisch ist auch das Spiel gleich aus, aber in Cottbus und beim MDR gehen die Uhren anders. 81. Minute, Riesenmöglichekit für die Heimelf, gibt der sonst so totenstille Mann vor Ort durch, vermutlich jetzt über ein Wandtelefon mit Drehwählscheibe im Stadionkeller. Horvat habe Zimmermann ausgebremst, der aus 10 Metern abgezogen hatte. Soviel Poesie, der muss ein ADAC-Mitglied sein, der das berichtet. Es ist jetzt, rein rechnerisch bereits nach Spielschluss, viel Zeit, über die Szene nachzudenken. Horvat bremst aus. Zimmermann hatte abgezogen. Hat Horvat den Ball gefangen? Den Spieler gefoult? Ist es möglich, Fußballspiele mit noch weniger angebrachten Worten noch schlechter zu beschreiben?

Es tut sich nichts mehr. Könnte der Nokia-Akku sein. Oder es liegt daran, dass nun wirklich Schluss ist. Oder nicht? "Doppelchance zum Sieg?", tickert der Livestream, auferstehend vom Totenbett. Der Verantwortliche dort weiß es also offenbar auch nicht. Kanitz? Kanitz. Aber "erst schießt er über Tor, dann hält Pentke". Wird jetzt weitergespielt, wenn der Ball übers Tor geht? Rätsel über Rätsel. Jetzt überschlagen sich die Ereignisse. Köhler wechselt Kunze für Müller ein. Das Spiel ist seit zehn Minuten vorbei, aber im Liveticker immer noch rosa. Läuft also noch. Im Livestream nicht mehr. Schluss, Aus, vorbei. Beide rissen keine Bäume aus, fazittet der Experte am Wandsprechgerät kurzangebunden. Alle drei, müsste es heißen.

Sparsam in der Sportstadt

Die DDR ist Geschichte, doch ihre Erziehung steckt in allen Knochen, zumindest in Halle, der größten Stadt von Sachsen-Anhalt. "Kulturstadt" nennt sich die Händel-Metropole als Ersatz dafür, dass sie über keine Konzerthalle, kein erwähnenswertes Open-Air-Festival oder und keinerlei jenseits der Stadtgrenzen bekannte Künstlerfigur verfügt. Den Titel "Sportstadt", ebenso selbstverliehen, füllen Stadtregierung und Bürger mit demselben Aplomb: Eine Handballmannschaft spielt hier, ein viertklassiger Fußballverein und ein Snookerteam wohl auch, sie alle können an guten Tagen auf ein stabiles Stammpublikum zählen, das im besten Fall - zumindest beim Fußballklub HFC - aus etwa einem Prozent der städtischen Bevölkerung besteht.

Die höchstklassigste Mannschaft der Saalestadt aber kommt nur auf ein Zehntel davon: Seit Monaten schon spielt das Basketball-Team der Halle Lions zur großen Überraschung selbst der Spielerinnen ganz vorn in der 1. Basketball-Bundesliga mit. In einer Halle mit dem Charme einer Schulsporthalle kämpfen die Löwinnen um Amanda Rego Amanda, Franziska Seifert und Tamara Tatham seit Monaten nieder, was immer kommt. Auf den Rängen verlieren sich dennoch mal 200, mal 250 Zuschauer; städtische Prominenz findet nie den Weg hierher.

Das wäre auch schwer. Moderne Sportstätten gibt es nicht in Halle, abgesehen von einem überdimensionierten Nachwende-Bau, der Kugelstoßern und Diskuswerfern als Heimstätte dient. Die Lions versenken ihre Bälle also in Körben, die in einem rustikalen Zweckbau im vierten Hinterhof eines Teppichmarktes hängen. Gegen den Tabellensiebten Herne geht das ganz leicht. Nachdem die Gästeführung von 12:10 zu einer eigenen umgebogen ist, steuern die Lions zielsicher auf Saisonsieg Nummer 13 zu. Der bedeutet Platz 3 vor Beginn der Playoffs. Zu denen dann vielleicht auch mal soviel Zuschauer kommen, wie das Team von Trainer Peter Kortmann verdient hätte.

Freitag, 13. März 2009

Mediales Muster Mannichl

Wenigstens hat man was zu reden. War die Amokwarnung echt? War sie falsch? War sie gefälscht? Schrieb er sie selbst? Am Computer zu Hause? Oder an einem "Mobilrechner" (n-tv), von dem die Polizei nach drei Tagen noch nicht fertigfahnden konnte, ob er einen besaß oder nicht und wo er ist, wenn es ihn gab.

Es gibt nichts mehr zu sagen zum Amoklauf von Winnenden. Hier und da die erwartete Forderung von Schäuble, dass er für härtere Gesetze sei. Da und dort eine Mahnung der notorisch um Aufmerksamkeit bettelnden CSU, man möge Videospiele, Handfeuerwaffen, Computer, das Internet, Schulen und 17-Jährige verbieten. Mehr folgt nicht aus dem Trauma, und umso glücklicher sind die Medienschaffenden vom Spiegelbau bis zum Focushaus, dass wenigstens die Polizei für Unterhaltung sorgt.

Zwei Tage noch wird untersucht, wie falsch die Amokankündigung war. Zwei Tage, in denen Zeit zum Nachdenken darüber bleibt, was das eine oder das andere ändern würde: Eine echte Amokankündigung, die nicht als solche erkannt wurde, wäre was? Anlaß für ein Ermittlungsverfahren gegen ihre Leser? Anlaß für eine Forderung nach einem Verbot von Amokankündigungen? Auch auf ausländischen Internetservern?

Und eine gefälschte Amokankündigung, gezielt platziert, um die essbrechsüchtigen Nachrichtenagenturen, Fernsehsender und Zeitungsredaktionen vorzuführen, müsste wozu herhalten? Zu einer Diskussion um mediale Verantwortung? Eine Debatte über das außer Rand und Band geratene Verhältnis von Geschwindigkeit der Nachrichtenübermittlung und Gehalt der übermittelten Nachrichten?

Kaum, denn so wie der baden-württembergische Innenminister Heribert Rech, eben noch Urheber der Falschmeldung, plötzlich das anonyme Internet zum Verursacher der "Panne" (dpa) erklärt, so wird kein Medium deutschlandweit einräumen, dass es im Fall Winnenden nach demselben Muster versagt hat, das schon in Mügeln, Mittweida und zuletzt beim Mordanschlag auf den Passauer Polizeipräsidenten Alois Mannichl zu Meldungen führte, die von Fakten nicht gedeckt waren.

Biometrische Schlösser vor Tresoren könnten die Lösung sein. Biometrische Schlösser vor Waffentresoren, das zumindest will Schäubles Staatssekretär August Hanning dem längst amokmüden Publikum weißmachen, könnten künftig verhindern, dass Söhne von Waffenbesitzern an die Pistolen ihrer Väter herankämen. Christian Pfeiffer, notorischer Schwatzbeutel in allen Amokfällen, ist da nicht weit. Wozu eigentlich brauche, fragt der schwer scheinwerfersüchtige Kriminologe, ein Vater 17 Schußwaffen? Wo doch, wie sich herausgestellt hat, dem Sohn eine einzige genügt hätte?

Saarlands Ministerpräsident Peter Müller will vorsichtshalber trotzdem den Datenschutz abschaffen, um Jugendliche, die nicht im geringsten auffällig sind, per Rasterfahndung vor möglichen Gewalttaten ausfindig zu machen. Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz warnte lieber einfach vor einer hysterischen Debatte, stellt sich also quasi auf die Metaebene und ruft. "Wenn ich höre, wie sich die Forderungen nur Stunden nach der Tat überschlagen, ist das doch völlig gaga".

Der Berufsverband Deutscher Nervenärzte forderte eine bessere Hilfe für Kinder mit psychischen Krankheiten, sollte allerdings Politiker mit notorischem Aufmerksamkeitsmangelsyndrom nicht vergessen. Auch diese Bedauernswerten brauchen Hilfe, auch ihre Krankheit darf nicht als sozialer Makel betrachtet werden. n-tv hat "Softball-Waffen" im Keller des Täters ausgemacht. Eine Gruppe von Bildhauern, Zahnärzten und Kommissionsmitgliedern in Hohenmölsen fordert in einer Pressemitteilung die Einführung einer bundesweiten pränatalen Amok-Präventionsuntersuchung per Ultraschall. Die Ermittler fahnden derweil in den USA, um Zugriff auf den Chatserver zu bekommen, auf dem die Amokankündigung stand oder auch nicht. Ziel der Ermittlungen sei es, hieß es aus der Sonderkommission. Nein, hieß es nicht. Es hat ja niemand nach einem Ziel gefragt, nur nach neuen Schlagzeilen.

Amok: n-tv sieht Nachholbedarf

Und nun zu etwas Besinnlichem

Wer hat es gesagt?

"Manchmal hat man den Eindruck, dass unsere Gesellschaft wenigstens eine Gruppe benötigt, der gegenüber es keine Toleranz zu geben braucht; auf die man ruhig mit Hass losgehen darf."

Ich bin Journalist und suche den Mörder

Tatsachenberichte aus dem Täterkopf

Geschwindigkeit ist alles, der Nachrichtenstrom muss fließen, die Welt verlangt nach Antworten. Jedes Häppchen geht sofort raus aufs kalte Buffett, über den Sender in die guten Stuben, wo Mutti und Vati sich wohlig gruselnd vorstellen wie das ist, wenn ein Amoklauf im Internet angekündigt wird, und niemand etwas tut.

Tag drei nach der Katastrophe ist immer der Tag, an dem die Sache Richtung "hätte verhindert werden können" kippt. Die Spurensuche ist erledigt, ein Ölgemälde des Täters gemalt, mit soviel Farben, dass er jetzt alles ist: verhaltensgestört und ganz normal, auffällig unaufällig und krankhafter Computerspieler, Tischtennismeister, Armdrück-Champion, guter Sohn und Lehrling, verliebt und frisch getrennt, ein Mann mit Pornos auf dem Computer, wie sie 30 Millionen Deutsche auf dem Computer haben, ein Mann mit einem Counterstrike-Spiel im Schrank, wo es bei sechs Millionen anderen auch steht.

Natürlich war die Tatankündigung falsch. Und natürlich passte sie so wunderbar, dass von "Spiegel" bis "Suhler Schnellpost" sofort alle Welt daranging, weitreichende Erklärungstheorien zu stricken. Geschwindigkeit ist alles, der Nachrichtenstrom muss fließen, die Welt verlangt nach Fragen, damit unentwegt und ohne Pause geantwortet werden kann. Wie hatte man in den Redaktionsstuben auf so etwas gewartet! Und natürlich ist es deshalb egal, ob der Amokschütze sie selbst geschrieben hat oder nicht. Er hätte sie geschrieben haben können, der Tim Kretschmer, den die Medien nach einer stillen Verabredung "Tim K." nennen. Während sie Robert Steinhäuser stets Robert Steinhäuser und nie Robert S. nannten.

Geheimnisvolles Presserecht, geheimnisvolle Politreflexe. Sie interviewen hilflose Kinder, die dann sagen, sie hätten sich wie Film gefühlt. Wie im Film! Müssen Filme verboten werden? Oder doch Schützenvereine verbieten, Computerspiele überwachen, die neuerdings von "gewaltverherrlichende" auf "gewalttätige" umgetauft wurden, als täten sie selbst jemandem Gewalt an, sbald die Verpackung geöffnet wird. Der unsägliche Kriminalpsychologe Christian Pfeiffer, nie näher als 50 Kilometer am Tatort, liefert Tatsachenberichte aus dem Täterkopf. Bei Steinhäuser lag der Mordgrund auf der Hand. Dessen Eltern waren in der DDR mit ihren Altersgenossen gemeinsam getopft worden - Kollektivkacken im Kindergarten. Bei Kretschmer, der sich am Ende erschossen haben soll, hier aber augenscheinlich umfällt, ohne selbst zu schießen, scheint es nur schwieriger. Der Amoklauf, mutmaßt der fantasiebegabte Pfeiffer, war " möglicherweise auch ein Rachefeldzug des Täters gegen seinen eigenen Vater." Möglicherweise auch gegen die Mutter. Gegen die Schule. Gegen Deutschland. Möglicherweise hatte er das letzte Taliban-Drohvideo gesehen und beschlossen, sich dem Heiligen Krieg anzuschließen. Oder er wollte Dr. Pfeiffer, der Schwatzmaschine unter den deutschen Fernermittlern, Gelegenheit geben, wieder mal in Fernsehen zu kommen.

Was tun, fragte schon Lenin? Pfeiffer verhaften, Schützenvereine überwachen, Computerspiele verbieten? Oder umgekehrt? Die Fernsehsender abschalten? Keine Werbung mehr dafür machen, dass es nur 100 Schuß und keinen toten John Lennon braucht, um eine Woche der berühmteste Mensch der Welt zu werden? Nein, lieber Metalldetektoren für die Schulen, und wenn es dann sirenenschrillt, weil der nächste Tim-Robert zur Tür hereinkommt, bepackt mit schwerem Gerät, wird der Wachmann, ein ehemaliger Polizist, dem damals, 2009, beim Amoklauf in Winnenden ins Knie geschossen worden ist, dem jungen Mann zurufen: "So kommse hier aber nicht rein, mit den ganzen Waffen". Christian Pfeiffer wird später messerscharf analysieren, das der Wachmann "mutig" gehandelt habe. "Aber er hatte wirklich keine Chance." So wenig wie die Medien, die hier beiläufig mit Photoshop erschossen werden.

Donnerstag, 12. März 2009

Die Keramikplatte des Bösen

Gerade noch beklagte die weltweite Fangemeinde des "Yeah!"-Fliesenlegers dessen allmähliches künstlerisches Verlöschen, da beweist der große Unbekannte der mitteldeutschen Off-Keramikplattenszene, dass er es noch kann, wenn er nur will. In der Schulstraße hat er eines der klassischen Monumente seiner Fliesenlegertätigkeit kürzlich um ein aus orangegoldenem Hintergrund grinsendes Gesicht ergänzt, in dem Flies-Experten unschwer die abscheuliche Fratze der Finanzkrise erkennen. Worauf Eingeweihten sofort Bert Brechts literarische Miniaturkeramik "Die Maske des Bösen" im Ohr klingelt:

An meiner Wand hängt eine japanische Holzmaske
Maske eines bösen Dämons, bemalt mit Goldlack
Mitfühlend sehe ich
die geschwollenen Stirnadern, andeutend
Wie anstrengend es ist, böse zu sein.

Terrortexte von deutschem Taliban

Er kann nicht schreiben, er kann nicht singen, er hat einen dünnen Beat und eine dicke Hose, aber die Drohung von "Taliban53" ist ernst gemeint: Wenn nicht Frank Plasberg, Maybritt Illner oder die andere, die mit den Elbenohren, wo keiner immer den Namen weiß, demnächst einen warnenden Ausschnitt aus seinem schrecklichen Video "Amokbang" zeigen, kann er für nichts mehr garantieren. Dann könnte das langerwartete "Mixtape" (Taliban53) schon knallharte Terror-Textzeilen enthalten wie "macheguckezeischemich / sonst kille oder fikischdisch". Muss verboten werden. Osmanische Mafia! Als nächstes. Gleich wenn das Tischtennisverbot durch ist.

Je schlechter desto gerechter

Im Kampf um mehr soziale Gerechtigkeit hat Jörg Asmussen, SPD-Politiker, Staatssekretär bei Peer Steinbrück und jahrelanger Vorkämpfer für mehr Verbriefungsfreiheit auf den internationalen Finanzmärkten, alles richtig gemacht. Nachdem die Armen lange Zeit immer ärmer, die Reichen aber immer reicher wurden, schließt sich die "Schere zwischen arm und reich" (Franz Müntefering) im Gefolge der zusammenbrechenden Finanzmärkte nun endlich wieder.

Nach der Forbes-Liste, die alle Reichen und Superreichen der Welt einmal im Jahr auflistet, ist die Zahl der Dollar-Milliardäre durch die Finanzkrise um ein Drittel gesunken. Gab es 2008 noch 1.125 Milliardäre, so sind des nur noch 793 - und die besitzen 2,4 Billionen Dollar weniger als früher.

Die Liste hat es kräftig durchgerüttelt. Bill Gates ist nun wieder reichste Mensch der Welt, bezahlte diesen 1. Platz aber mit einem Verlust von 18 Milliarden. Warren Buffet und der Mexikaner Carlos Helu, zuletzt reicher als Gates, verloren 25 Milliarden und liegen nun wieder hinter dem Computerfex.

Noch mehr büsste der Inder Anil Ambani ein, der gleich 32 Milliarden oder 76 Prozent seines Vermögens in den Wind schreiben musste. Auch die reichsten Deutschen, wie immer die beiden Aldi-Brüder, verloren mehr Geld, als 99,99 Prozent ihrer Mitbürger je haben werden. Allerdings konnten Lokführer, Rentner, Landesbeamte und Flugbegleiter den Abstand dank freundlicher Gehalts- und Rentenaufschläge erstmals seit Jahren wieder verringer.

Mannichl: Tätersuche ohne Tätowierexperten

Sie waren 50 Mann auf des beinahe toten Mannes Kiste, wie es im Seeräubergesang heißt, und sie suchten vergebens nach dem wahren Täter im Fall des beinahe ermordeten Passauer Polizeichefs Alois Mannichl. Konsequent sammelten die Fahnder der Sonderkommission vier Wochen nach der Tat Zigarettenkippen und Kleinteile am Tatort, konsequent folgten sie der von einer Nachbarin ausgedachten aflschen Spur des "Schlangenmannes", konsequent ließen sie unmittelbar nach dem Zuheilen der Stichwunde ein Gutachten über den Stichkanal anfertigen, konsequent fanden sie an der Tatwaffe zuerst "keine Spur von DNA" und Wochen später dann, wahrscheinlich nachdem die Waffe bei einer zünftigen bayerischen Brotzeit im Polizeipräsidium Verwendung gefunden hatte "eine Vielzahl von DNA-Spuren".

Jetzt aber ist Schluß mit lustig, die so erfolgreich zur Volksbelustigung in trüben Tagen beitragende Sonderkommission wird verkleinert. Die Ermittlungsgruppe werde in den nächsten Tagen von 50 auf 30 Beamte reduziert, bestätigte eine Sprecherin des Bayerischen Landeskriminalamtes (LKA) in München einen Bericht der Passauer Neue Presse. Verschiedene Spezialisten würden nun "nicht mehr benötigt", weil "Spuren abgearbeitet" seien. So hätten die Tätowierexperten nach dem Ende der Fahndung nach dem Schlangenmann keine Beschäftigung mehr, auch die Profiler, die aus den durchnässten Zigarettenkippen vom Tatort eine mögliche NPD- oder frühere DTSB-Mitgleidschaft des Täters herauslesen sollten, seien nunmehr am Ende ihrer Möglichkeiten angekommen. Ebenso würden die Comiczeichner nicht mehr gebraucht. Alle Hoffnungen ruhen nun auf der Durchsuchung diverser Kleinteile, die vier Wochen nach der Tat auf einem nahegelegenen Spielplatz eingesammelt wurden. Die Sonderkommission will die Dreiräder, Karussells und Sandförmchen demnächst bei Ebay einstellen, um den Fortgang der Fahnungsarbeiten zu finanzieren.

Kommt Zeit, kommt Rat, kommt Attentat


(Google-Anzeige von gestern Nachmittag)

Großes Kino

Sieht aus wie Dr. House, kommt aber aus der "Beverly Hills"-Schule des Kaspers Eddie Murphy. Damian Lewis spielt in "Life" einen Bullen, der zwölf Jahre im Knast gesessen hat und nun wieder Dienst tut, mit 50 Millionen Haftentschädigung im Rücken. Man staunt die bizarre Story an, die gebrochenen Figuren, die alle ihr Päckchen durch wie beiläufig hingeworfene Handlung schleppen, die deshalb ganz ohne Sozialkitsch und Aufrüttelchorus auskommen kann. Und fragt sich irgendwann der peinigenden Werbepause, warum kein Tatort-Autor in der Lage ist, sich solche Figuren, solche Fälle, solche Filme auzudenken. Über den Soundtrack reden wir mal nicht. Hierzulande wäre das Finale der Folge eins von Staffel 1 mit Silbermond oder Xavier Naidoo unterlegt. Dortzulande gibt es die atemberaubendenFrames, hier live zum Download.

Mit Sarah aus der Krise

Wer gewinnen will in der großen Krise, die nicht eiinmal richtig angefangen hat, der muss dorthin gehen, wo es richtig wehtut, in den Strafraum des Zusammenbruchs, in den Fünfmeterraum der Apokalypse. Miesepeter, ein überaus tapferes Mitglied imGelben Forum, hat ernst gemacht. Nicht nur reden, sondern tun! Nicht nur hamstern, sondern vorbereitet sein, auch theoretisch! Nicht nur auf die nächste Wahl warten, sondern sich präparieren für die richtige Entscheidung in der Kabine!

Miesepeter ist zur Volkshochschule am Ort gegangen und hat sich zum Einstiegskurs "Politische Agitation fuer Dummies" angemeldet, ein Lehrgang in 10 Einheiten über 24 Monate - auch per Fernkurs belegbar - mit anschliessender Jobgarantie.

Der Bericht, den der Lehrgangsteilnehmer aus der Vorlesung schmuggeln konnte, zeigt, wo in Zukunft Hammer und Sichel hängen werden. So hoch nämlich wie die sauren Trauben, die nur der verdient, der viel will, weil er im Augenblick noch wenig hat. Sarah, schnucklig wie immer, beginnt die Vorlesung selbstverständlich mit einem wundervollen Witz: 'Geld verschwindet nicht. Geld wechselt immer nur den Besitzer", spricht es auch dem schönsten Gesicht des Sozialismus, oben gestohlen von sexykommunismus.blogspot.com

Miesepeter denkt "Das faengt gut an" und ist hocherfreut: "Gleich die erste Lektion notiert, ein Killerjoke am Anfang lockert die Atmosphaere ungemein auf, und macht empfaenglich fuer die harte Kost!"

Hier sein Bericht aus dem Studierstübchen des Sozialismus 2.0: "Als naechste Emotion ist Wut und Hass aufzubauen. Das ist natuerlich einfach. Die Worte Banken, Betrug, Veruntreuung, x hundert Milliarden in irgendeinen semantisch nicht zu beanstandenden Zusammenhang gebracht, die Aufgabe ist erledigt.

Hier bin ich erleichtert, das ist auch in meiner Reichweite. Das war beim Drehbuchkurs an der Theaterwerkstatt deutlich komplizierter, da musste der Dialogverlauf einen inneren Aufbau haben, das war sehr komplex. Ich glaub', das mit den Linken kann was werden!

Als naechstes muessen wir die negativen Emotionen umlenken, und den Zuschauer in die Allesversteher-Analytiker Position emporheben, jetzt geht es um Endorphine. (Steht so im Begleitheft, im Vortrag wird das dann veranschaulicht). Die Schuldigen werden ausgemacht: Hemmungsloser Kapitalismus, neoliberale Deregulierung und als Sahnehaeubchen die Einkommenskonzentration der oberen 10.000.

Nachdem wir jetzt das Publikum zu ueberlegenen Systemkritikern promoviert haben, muessen wir zur vollkommenen Glueckseligkeit ihm nur noch Parolen an die Hand geben, ihm zeigen, wie auch sie die Wirtschaftskrise loesen koennen (ohne frueher aufzustehen) und beim Nachbar Kowalski maechtig Eindruck schinden!

Nichts einfacher als das. Bitte mitschreiben: Konjunkturprogram klotzen statt kleckern 50 Milliarden, ja sogar 100 Milliarden!

Aber nicht durch hoehere Schulden, nicht auf Kosten der Zukunft!

Sondern durch ein Programm, von dem 99% der Bevoelkerung gar nichts mitbekommen werden. Denn 1% der Bevoelkerung besitzt 60% aller Vermoegen, und die sind in den letzen Jahren rapide angewachsen. Wenn man die nur mit 5% besteuern wuerde, dann haette man 100 Milliarden zusammen, und koennte auch das Hartz IV Geld um 100 Euro erhoehen!

(Jetzt fehlen eigentlich wagnerische Trompeten und Posaunen, naa, es ist nur Volkshochschule, da kann so ein Einspieler mal schiefgehen.)

Aber Sarah hat noch eine Auflockerung am Ende: sie haette auch gegen 10% nichts einzuwenden

Ja Sarah, in dieser Partei kann ich was werden. Denn ich haette auch gegen 80% nichts einzuwenden. Dann waere der Reset mit einem schnellen Strich gelungen, und man muesste nur noch zusehen, wie man danach die Linken wieder los wird, damit das Wirtschaften beginnen kann....

Mein Fazit: Das war gar nicht so schwer. Auch wenn ich nach 28 Minuten leider wegen eines fortschreitenden Anfalls meiner Attention Deficit Disorder abbrechen musste, ich glaub, die naechste Vorlesung kann ich bereits ueberspringen, und gleich zu Vorlesung 3 gehen.

Die ganze Vorlesung hier für PPQ-Leser, die auch dabeiseinwollen, wenn es heißt Sozialismus 2.0, wir kommen:

Mittwoch, 11. März 2009

Die Mördergrube im Müntefering

Hin und wieder sprechen Politiker ja auch die Wahrheit. Dann kann man ganz tief hineinschauen in ganz tiefdunkle Herzen, die keine Mördergrube sind. "Ich weiß nicht, woher die Waffe stammte", gestand SPD-Chef Franz Müntefering der ARD, befragt zu notwendigen Konsequenzen aus dem Amoklauf von Winnenden. Dann "klare Kante" vom Sauerländer: "Und ehe man das nicht weiß, sollte man nicht versuchen, parteipolitisch Kapital daraus zu schlagen."

Berüchtigt ist auch berühmt


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Updated Date: 11-mar-2009
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Expiration Date: 11-mar-2010
Jede Wette, morgen ist die .de auch weg.

Update: Hat nicht gar so lange gedauert.

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Name: whois domain capital
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Address: madison ave 244
(Bild oben)
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City: New York
Country: US

Jede Lüge braucht einen Mutigen

"Die Haushalte wurden in den vergangenen drei Jahren in Ordnung gebracht", verrät die frühere Klimakanzlerin Angela Merkel heute der Bild-Zeitung und meint damit, dass Deutschland seine Staatsverschuldung "zurückgefahren" habe, wie es ihr Finanzminister Peer Steinbrück ausdrücken würde. Das ist natürlich nicht wahr, sondern dreist gelogen.

Aber wie sagt das Verkündigungsorgan, das Merkel für ihre Mitteilung ans Volk ausgesucht hat? Jede Lüge braucht einen Mutigen, der sie ausspricht. Da lobt die Bild dann gleich im sogenannten Kommentar, der ein Dankschreiben für das "Exklusiv-Interview" (Bild) ist: "Die Kanzlerin bleibt sich treu!"

Ein Drittel auf Diät

Was wurde nicht gewarnt und gemahnt, gebetet und protestiert. Und doch ist sie nun da, die Zwei-Drittel-Gesellschaft, die die Älteren unter uns noch als Synonym für das kennen, was heute die beständig auseinandergehende "Schere zwischen arm und reich" genannt wird.

Nicht deren weiteren Klaffen hat die Bundesbank  heute angeprangert, sondern mit aktuellen Daten zur Entwicklung der Auftragseingänge in der deutschen Industrie eine neue Definition für den Begriff Zwei-Drittel-Gesellschaft geliefert. Nach Berechnungen der Bundesbanker sanken die Bestellungen aus dem Ausland um fast 38 Prozent gegenüber dem Januar des Vorjahres. Allein gegenüber dem schon miserablen Dezember wurden nocheinmal 11,4 Prozent weniger Aufträge erteilt.

Im Vergleich zum Jahresbeginn 2008 liegt das Minus sogar bei über 40 Prozent. Die Binnennachfrage, auf die die Vereinige Bundesregierung das Staatsvolk zuletzt einschwören wollte, kann den Einbruch nicht ausgleichen: Auch die heimischen Orders notieren mit minus 32,3 Prozent genau dort, wo sie in einer Zwei-Drittel-Gesellschaft liegen müssen. Bei zwei Dritteln von früher.

Tragödien und Debatten

Tim Kretschmer, der Amokschütze von Winnenden, war scheinbar kein Counterstrikebesessener, sondern Armdrückmeister und Tischtennisspieler.

Nach der üblichen Logik der politischen Klasse dürfte nunmehr eine Debatte um ein Tischtennisverbot anstehen, um Wiederholungen der Tragödie an der Albertville-Realschule wenn nicht zu verhindern, so doch so lange über Verhinderungsmaßnahmen zu reden, bis das Publikum sich ermüdet neuen Ereignissen zuwendet.

Lehrer sind Künstler

Ein Schüler stellt Video-Aufnahmen seiner Lehrerin ins Netz. Weswegen geht die Staatsgewalt jetzt gegen den 17-Jährigen vor? Richtig: wegen "eines Vergehens gegen das Kunsturhebergesetz". Hätte man drauf kommen können.

Dienstag, 10. März 2009

Käferliche Ikonografie

Die Angst war ungeheuer, doch langsam legt sie sich. Monatelang bangte und barmte die Fangemeinde des kantigen Fliesenkünstlers, der Halle seit Jahren mit handgemalten Keramikplatten verschönert, um ihren Star. Hatte der Mann, den eine weltweit sonst sehr selten verbreitete Verirrung zum öffentlichen Fliesen treibt, zuvor stets zuverlässig neue Kunststücke an die Fassaden geklebt, schien ihn mit einem Mal der gestalterische Mut verlassen zuhaben. Statt absurde Maradona-Porträts und in die Luft gereckte Arbeiterfäuste ikonografisch auf Baumarktkeramik zu sprühen, verlegte sich der Meister in einer neuen, von Experten als "naiv" bezeichneten Schaffesperiode auf offenbar mundgemalte Käfer, Fische und Blumen. Seine eigen-, wie einzigartige Galerie, die PPQ seit Jahren fasziniert köchelverzeichnisst, baut der Sonderling mit dem Erkennungsclaim "Yeah!" dennoch beständig weiter aus: Neben einer kürzlich entdeckten neuen roten Keramikplatte am Bebelplatz erblühte jetzt eines nachts eine weitere, häßlich grüne. So also sehen Käfer aus, ikonografisch.

Zuviel wird immer mehr

Nun haben sie beim "Spiegel" offenbar doch wieder Google. Nur sechs Stunden nach der ungemein aufregenden PPQ-Enthüllung, dass die gegen überhöhte Managergehälter radikal vorgehende Bundesregierung und der DGB selbst gerade veranlasst haben, dass überhöhte Managerboni an den Vorstand der Postbank gezahlt werden, prangert auch die Hamburger Illustrierte die Millionenzahlung aufrüttelnd an. "Millionenboni bringen Regierung in Erklärungsnot" titelt das Leitmedium - eleganter Startschuß für eine Aufregungsrallye, die in den kommenden Tagen ganz gewiß zu Schlagzeilen wie "Wirbel um Millionenboni", "Debatte um Millonenboni spitzt sich zu" und "Millionenbonistreit erreicht Gewerkschaftsboss" führen wird.

Verführen verboten

Der Kampf gegen die Spielsucht, neben dem "Kampf gegen rechts" (Angela Merkel) und dem Kampf gegen die Finanzkrise wichtigster Pfeiler der Regierungstätigkeit der Großen Koalition, schreitet deutschlandweit voran. Nachdem das Lottospielen über das Internet verboten und mehr als eine Million spielsuchtgefährdeter Häuslebauer so vor dem Verlust von Haus und Hof gerettet werden konnte, sollen der Verführbarkeit der häufig willensschwachen Bevölkerung weitere Riegel vorgeschoben werden.

Berlin hat jetzt als erstes Bundesland einen weiteren wichtigen Schritt zum Schutz der Bevölkerung vor dem gefährlichen Lottospiel gemacht: Die gelben Leuchtschilder mit dem roten Kleeblatt und dem Lotto-Schriftzug, die an 25.000 Lottoannahmestellen hängen, müssen abmontiert werden. Einzige Möglichkeit, sie trotz der verschärften Werberegeln durch den neuen Glücksspielstaatsvertrag hängen zu lassen: Die Warnhinweise zur Spielsuchtpräsentation müssten gleich groß daneben angebracht werden.

Der österreichische Wettanbieter bwin hat inzwischern begriffen, wie das gemeint ist. Nachdem der private Glücksspielanbieter nicht mehr für seine Sportwetten unter www.bwin.com werben durfte, wirbt er jetzt als "Gaming-Partner des FC Bayern München" für die Pokerseite www.free-bwin.com. Sollten dei Lottoladeninhaber auch machen. Gelbes Schild mit dem Schriftzug "Spielt bloß kein Lotto, das ist total gefährlich und verboten" ins Fenster. Jede Wette, dass das die Umsätze blitzschnell in die Höhe treibt.

Triumph des Desasters

Eine CD ist ein LP, eine LP eine Woche und ein "Verkaufsrekord" kann im komatösen dpa-Getöse sogar ganz ohne Nennung irgendeiner Zahl ausgerufen werden. Im Original der einzig amtlichen Deutschen Verkaufszahlenagentur heißt es dann über das desaströs schlechte neue U2-Album: "Die erste Studio-LP der Band nach mehr als vier Jahren Pause legte die stärkste Verkaufswoche dieses Jahres hin."

Je mieser die Musik, desto höher die Verkaufszahlen, da haben Bono und Co. mal richtig von DJ Ötzi gelernt. Die Single-Charts würden übrigens, kabelt dpa hothothot aus dem Hitparadenhauptquartier, angeführt von einer Chanteuse namens "Lady Gaga". Das passt eigentlich alles, als hätte es sich jemand ausgedacht.

Die Richtigen am Ruder

Sven Giegold ist Attac-Mitgründer und Kandidat der Grünen für die Europawahl. Ziel des 39-Jährigen, der seit seinem 21. Lebensjahr als Student tätig ist, ist die Errichtung einer besseren Welt. Durch die fahren Elektroautos, die den Bedürftigen Biofleisch bringen, in der fliegt man wie er selbst "nicht so viel", ohne dass klar ist, wieviel so viel ist. In dieser imaginären Welt jedenfalls ist der Kapitalismus, der Giegolds Studium finanziert hat, endlich als Problem erkannt und überwunden. Ein dem ein "anderes Konzept von Wohlstand und gutem Leben" gilt, nämlich das von Giegold, einem naturbelassenen Helden, der es einmal sogar ablehnte, "sich für eine Fernsehsendung vom Bahnhof mit dem Auto abholen zu lassen" und stattdessen, festhalten!, "lieber zu Fuß" ging.

Der Süddeutschen erzählte Giegold jetzt, wie das sonst so sein wird, wenn erst die Richtigen am Ruder sind und alle ein besseres Leben bekommen. Wird das ein freiwilliges oder ein staatlich erzwungenes besseres Leben sein?, fragt die SZ da gleich ängstlich, aber vergebens.

Nach 36 Semestern Erwachsenenbildung, Politik und Ökonomie, Antiglobalisierung, Campact, Tax Justice Network und Präsidialversammlung beim Evangelischen Kirchentag fällt ein künftiger Parlamentarier auf solchen Fragen selbstverständlich nicht herein. Giegold sagt kühl: "Es wird ein durch demokratisch beschlossene, staatliche Regeln gestaltetes Leben sein."

Was für ein Wortgefecht! Hellwach stößt die Redaktion nach, die Zwangsholundertee, Wollstrümpfe und Steakverbote für alle zu wittern scheint. Ob das nicht eine Bevormundung derer sei, "die nicht der Mehrheitsmeinung angehören?"

Nun endlich meldet sich der Faschist, der Giegold natürlich auch und natürlich sehr souverän ist. Tee muss man nicht mögen, sondern trinken. Biofleisch nicht wollen, sondern nur essen. Menschen hingegen muss man gelegentlich zu ihrem Glück zwingen: "Wir können nicht darauf warten, bis auch der letzte Ignorant freiwillig zu umweltfreundlichen Produkten greift."

Zuviel ist nie genug

Im Kampf gegen überhöhte Managergehälter hat sich die große Koalition in einem ersten Schritt auf neue Regeln geeinigt. In Zukunft soll der Aufsichtsrat die Gehälter bestimmen und haftbar gemacht werden, falls sich im Nachhinein herausstellt, dass die betreffenden Führungskader die ihnen ausgezahlten Beträge gar nicht verdient haben. Daran besteht bei der Postbank, bei der die Bundesregierung über die Deutsche Post größter Anteilseigner ist, keinerlei Zweifel: Das zu zu 39,5 Prozent volkseigene Geldinstitut verzeichnete im vergangenen Geschäftsjahr einen Vorsteuerverlust von einer Milliarde Euro.

Dementsprechend stehen den zehn Mitglieder des Führungsgremiums nach den neuen harten Bonusregeln 16,2 Millionen Euro Gehaltszuschlag zu, rund 6 Millionen mehr als im vergangenen Jahr. 3,3 Millionen soll allein Bankchef Wolfgang Klein bekommen, beschloß der Aufsichtsrat mit der Stimme von Michael Sommer, im Nebenberuf Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Wie Sommer die in Kürze anstehenden Haftungszahlungen schultern will, teilten weder Postbank noch DGB mit.

Erregung ist ein Ärgernis

Es wird nicht stetig alles immer schlimmer, es wird nur immer mehr darüber berichtet.

Montag, 9. März 2009

So lebt sie fort und fort und fort

Wofür wir gerne werben II


An uns soll es nicht liegen: Nach Rettung der Querdenker-SPD (in Aschersleben) lassen wir uns von Google natürlich auch dazu einspannen, minderbegüterten Menschen in Deutschland zu ihrem klein Häuschen zu verhelfen.

Extrawurst vom Schnellgrill

Beim Verfahren Althaus in Österreich rieben sich viele Beobachter verdutzt die Augen. Kaum angeklagt, schon verurteilt! Was waren die Experten da empört: Ein Fall von Sonderjustiz ganz offenbar, aus dem Kanzleramt bestellt, damit der Thüringer "möglichst unbelastet in den Wahlkampf gehen kann" (dpa). Dort muss Althaus nun ohne Erinnerung gegen die PDS bestehen, die sich verwirrenderweise inzwischen auch noch "Die Linke" nennt, was Althaus, der auf der Piste falsch nach links abbog, zusätzlich belasten wird.

Sonderjustiz aber gibt es nur in Österreich, in Deutschland sind die fliegenden Standgerichte seit dem 23. Mai 1949 gelandet, als zur Feier des vierten Todestages von Heinrich Himmler das Grundgesetz in Kraft trat. Seitdem sind vor Justizias blindem Blick alle Menschen gleich. Kommt es in Fällen von Kapitalverbrechen zu einem Geständnis des Angeklagten, dann mag die Geschädigte auch die reichste Frau des Landes sein wie Susanne Klatten, es wird dennoch keine Extrawurst gebraten. Tja, schade, denn so musste sich Susanne Klatten, Erbin des Vermögens der früheren Wehrwirtschaftsführer-Familie Quandt, die es seinerzeit in guter Zusammenarbeit mit Heinrich Himmler zusammenzwangsarbeiten ließ, mit einem kurzen Prozess gegen den "Gigolo" begnügen, der sie ausgenommen hatte wie eine Weihnachtsgans. Susanne Klattens Großmutter Magda Quandt, die später Volk, Reich und Führer als Joseph Goebbels zweite Ehefrau diente und Anlaß für dessen Ex-Kommunizierung durch den Papst war, begründete diese Familientradition: Sie betrog den Reichspropagandaminister seinerzeit mit dessen Adjutanten Karl August Hanke, dem späteren Gauleiter und Schlächter von Breslau, den Hitler mit dem letzten Atemzug zum Nachfolger des ungetreuen Heinrich Himmler als Reichsführer SS bestimmte.

Eine große deutsche Familie, vor einem kleinen deutschen Gericht. Das geht doch nicht. Der offenbar unzureichend in die Prozessabsprachen eingeweihte Staatsanwalt Thomas Steinkraus-Koch sprach laut Financial Times in seinem Plädoyer von einem "Zweckgeständnis". Der Gigolo Sgarbi habe "Ross und Reiter" nicht genannt und sich weder zum Verbleib des Geldes oder der Videos, mit denen er Susanne Klatten und eine weitere Frau erpressen wollte, geäußert, noch mögliche Mittäter genannt. Aber mit Rücksicht auf das prominente Opfer, das alle Zahlungen an Sgarbi freiwillig geleistet hatte, weshalb von einer "Beute" gar nicht die Rede sein kann, war man schnell handelseinig. Für das halbe Geständnis gibt es drei Viertel der Strafe, statt der geforderten neun Jahre also nur sechs. Es traf ja keine Arme. Der Angeklagte könne allerdings nicht damit rechnen, nach zwei Dritteln seiner Strafe auf freien Fuß zu kommen, hieß es dazu vom Gericht, das zumindest den Anschein erwecken will, eine unabhängige Justiz frage nicht danach, ob das Opfer 10 Euro oder 20 Milliarden hat. Wovon in vier Jahren selbstverständlich niemand mehr etwas wissen wird.

Gern hätten wir noch mehr schockierende Einzelheiten darüber erfahren, wie einsam Geld macht und wie verführbar dieser ganze fürchterliche Reichtum. 20 Milliarden! Mein Gott! Mancher wird ja schon beim Gedanken an eine Million ganz ängstlich, weil er nicht weiß, wie das mit der Steuer läuft. Aber wie Die Anmerkung heute anmerkt: "Der Erpresser der Milliardärin und Imperiumsverwalterin Klatten wurde nach Geständnis und Frühstückspause zu 6 Jahren Haft verurteilt." Extrawurst vom Schnellgrill, sozusagen. Guten Appetit.

Mehr ist weniger und genauso viel

Unter der Überschrift „Kinderarmut in Deutschland wächst“ berichten dpa und folgend alle Medien das: „Derzeit ist es laut Kinderschutzbund ein Drittel der Kinder, «über die wir uns große Sorgen machen müssen - also rund fünf von 15 Millionen», so KSB-Chef Hilgers. In 20 Jahren werde es nur noch zehn Millionen Kinder geben, von denen die Hälfte in sozial schwachen Familien aufwachse.“
Heute ein Drittel, morgen die Hälfte – wenn das keine Katastrophe ist ... Wie immer bei solch alarmistischen Meldungen wird jedoch die Datengrundlage geheim gehalten, es findet sich also nicht der leiseste Hinweis auf valide Erhebungen, welche die Meinung der Kinderschützer stützen würden. Und sogar, wenn man Hilgers die Zahlenangaben glauben kann, ist seine Schlussfolgerung – gelinde gesagt – nur die halbe Wahrheit. Denn absolut wird es ja nicht mehr arme Kinder geben (fünf Millionen), sondern nur relativ zu den nicht armen Kindern (heute zehn Millionen, in 20 Jahren fünf Millionen). Doch diese Diskussion würde nicht so prima Schlagzeilen geben.

Wer hat es gesagt?

Die antibürgerlichen, antikapitalistischen, antiwestlichen Revolutionsparteien der Dritten Welt tragen alle demselben Namen: FLN – auf deutsch Nationale Befreiungsfront. Die sozialistische Revolution trägt überall die nationalistische Fahne! So unwahrscheinlich es klingen mag; der wahre Theoretiker der Weltrevolution, die heute im Gange ist, ist nicht Marx und nicht einmal Lenin. Es ist Niekisch.

Sonntag, 8. März 2009

Sieg an der Saale, Ebbe an der Elbe

Anderswo wird auch Fußball gespielt. Anderswo kommen manchmal 50.000 Zuschauer. Oder 70.000. An einem Mittwochabend reisen sie an, gelegentlich. Mitten im Berufsverkehr. Im Stadion baut das Fernsehen auf. Um pünktlich ab 20.45 live auf den Sender zu gehen.

Das funktioniert in Kaiserslautern, Karlsruhe und demnächst in Hoffenheim. Es funktioniert in Brügge und Porto, in Malmö und Nottingham, selbst in lettländischen Kleinstädten und ukrainischen Regional-Hauptstädten. Es funktioniert in einigen Städten aller 14 Tage, in anderen jede Woche, in vielen jede Woche zweimal.

Es würde nie funktionieren in Halle, der Fußballhauptstadt Sachsen-Anhalts. Zehntausend seit Tagen verkaufte Karten für das große mitteldeutsche Derby zwischen den Landesrivalen Halle und Magdeburg bringen alle Planungen sowas von durcheinander, dass das Spiel zwischen der selbsternannten Stadt Halle und der zum "Dorf" erklärten Polit-Metropole Magdeburg erstmal mit einer Viertelstunde Verspätung angepfiffen wird: Unerwarteterweise sind die meisten Zuschauer nicht bereits am Vortag oder am Vormittag gekommen, sondern erst in der Stunde vor Beginn. Gut, dass das hier vierte Liga ist und nicht Champions League, so schaut wenigstens nicht die ganze Welt zu.

Das Spiel ist das erwartet wichtige. Halle, der Außenseiter, der in der Tabelle vor dem selbsternannten Aufstiegsfavoriten Magdeburg steht, mauert hinten und fährt Konter. Zwei Torchancen hat die Mannschaft von Trainer Köhler gleich in den ersten paar Minuten. Obwohl Nico Kanitz, einzig torgefährlicher Hallenser, wegen Krankheit nicht mal auf der Bank sitzt.

Auf seiner linken Seite spielt Winter-Neuzugang Markus Müller, ein großer Kerl mit Schüttelfrisur, der wirkt, als meine er es ernst. In der 28. Minute, der HFC verwirrt Magdeburg mit einer kurzen Ecke, steht Müller genau richtig. Abwehrchef Adli Lachheb köpft einen langen Ball in den Fünfmeterraum, Müller drückt ihn im Vornüberfallen hinter die Linie. Ein Tor daheim! Im bröckligen Rund des ehrwürdigen Stadions, naturbelassen seit den 30ern, reiben sie sich erstaunt die Augen. Weil der HFC seine Punkte vorzugshalber in der Fremde holt, gab es das, die Älteren erinnern sich, zuletzt im November vergangenen Jahres.

Magdeburg, das sein lustiges Klubemblem dem würdigen Wappen des Köthener Karnevalsvereins entlehnt hat, übernimmt nun das Fußballspielen. Die Hallenser überlassen es ihrem Torwart Darko Horvat, die herumfliegenden Bälle einzufangen. Es beginnt dann bald auch zu regnen und die Dauerkartenbesitzer auf den Rängen wissen: Hier passiert nicht mehr viel. Irgendwann wird der FCM den Ausgleich schießen, wenig später wird ein tristes Remis abgepfiffen sein.

Dann aber haben die 3000 mitgereisten Magdeburger ihren Auftritt. Die Mannschaften kommen gerade aus der Kabine zurück, als der blaue Block die mitgebrachten Nebelgranaten zündet. Bürgerbeteiligung wird hier im Osten nicht nur in der Politik groß geschrieben, auch auf dem Fußballplatz darf sich jeder einmischen. Eine Art Graswurzelregierung, die von den Traversen immer wieder Spielausgänge bestimmt, Punkte neu verteilt und den Vereinen Spenden an den DFB abnötigt. mit denen der Fußballnachwuchs und die Anwaltskanzlei unterstützt werden, die DFB-Chef Theo 20iger vertritt. Zum Wiederanpfiff meldet sich jener runde Tisch mit Raketen und brennenden Fahnen zu Wort. Die Sondereinsatzkommandos der Bereitschaftspolizei rücken eilig ein, die Spieler wieder aus. Die HFC-Kurve zündet bengalische Feuer, der Stadionsprecher bittet um geflissentliche Beachtung der Stadionordnung.

Nach acht Minuten geht es doch weiter. Magdeburg drängt, einfallslos. Halle verteidigt, der Gegentreffer, es wäre erst der neunte in dieser Saison, ist nur noch eine Frage von Minuten. Jetzt aber greift ein Ordner ein: Als ein FCM-Fan sich weigert, freiwillig vom Zaun zu steigen, schubst der Security-Mann den Delinquenten hinunter. Der Mann stürzt, er bleibt verletzt liegen. Eine gute Gelegenheit für die restliche blaue Meute, ein paar Zäune zu übersteigen, neue Nebelbomben zu zünden und die inzwischen deeskalierend beiseite getretene Polizei zurück ins Spiel zu bitten. Das ist nun wieder unterbrochen. Spieler und Schiedsrichter werfen sich erst Regenjacken über, dann ziehen sie sich in die Kabinen zurück. Ein Krankenwagen holt den Verletzten ab, der schubsende Ordner wird unter Polizeischutz in Sicherheit gebracht. Der Regen wird stärker.

Ein Fußballfest, wie es nur in Sachsen-Anhalt, dem westlichsten der Ost-Bundesländer gefeiert wird. Anderswo fängt es pünktlich an, anderswo hört es pünktlich auf, anderswo reicht eine Pause. Hier gibt es fürs selbe Geld drei und neun Hundertschaften Polizei in imposanter Sonderkleidung schaffen es, ohne größere Gefährdung für die Demokratie dabei zuzuschauen, wie drei Dutzend Fußballdemokraten zehntausend anderen Zuschauern den Sonntagnachmittagsterminplan durcheinanderwirbeln und -nebeln.

Als der Ball nach zehn temperamentvollen Minuten doch wieder rollt, ist für Magdeburg alles vorbei. Zwei, drei Chancen haben die in piuspriesterlichem Schwarz-Gold spielenden FCM-Kicker noch, die Darko Horvat im HFC-Tor sämtlichst zunichte macht. Der HFC schießt sogar noch ein Tor, das allerdings nicht zählt. Spätestens als Pavel David nach einem gelungenen Foul an der Mittellinie Gelb-Rot sieht, ist das Ergebnis klar: Halle schlägt Magdeburg, wie es die Teilnehmer der PPQ-Umfrage vorhergesagt hatten. In der letzten Spielminute, die in Realzeit gemessen etwa die 110. ist, knallt Vujanovic einen Freistoß an den Innenpfosten der Hallenser. Von dort springt der Ball hinter Torwart Horvat wieder ins Feld.

Auf solches Glück haben sie hier zwei Jahrzehnte geduldig gespart. Abpfiff, Schluss, Ende, Aus, dritter HFC-Sieg gegen Magdeburg hintereinander. Das ist die längste Erfolgsserie, die der Hallesche FC je gegen den ehemals sogar im Europacup ein bisschen erfolgreichen Club aus der Nachbarstadt hatte. Die Hallenser tanzen vor der Fankurve, die Magdeburger bedanken sich bei ihren am HFC-Sieg nicht unwesentlich beteiligten Fans und werden zum Dank dafür von denen bespuckt.

Jetzt ist Ebbe an der Elbe. Der Aufstieg in die dritte Liga, in Magdeburg als Pflichtaufgabe ausgegeben, ist erstmal abgesagt. Halle hingegen, als Kandidat für einen eher schlechten Mittelfeldplatz in die Saison gestartet, hat nun vier Punkte Vorsprung auf das Dorf und bleibt Liga-Favorit Holstein Kiel als einziges Team weiter auf den Fersen. Im Mai spielen die beiden Top-Teams gegeneinander. In Kiel. Von Halle aus gesehen auswärts. Dort also, wo der HFC seine Punkte am liebsten holt.

Derby in Halle: Warten auf den Weltkrieg

Hubschrauber dröhnen, Sirenen heulen, Raketen knallen. Überall Straßensperren, marschierende Massen auf den Plätzen, Polizeikontrollen. Warten auf den Anstoß zum Derby Hallescher FC gegen FC Magdeburg. Warten auf den Weltkrieg. Das Duell Stadt gegen Dorf, das Duell rot-weiß gegen blau. 10.000 Zuschauer werden erwartet, fünf Hundertschaften Schutzmänner stehen bereit. Was anderswo - etwa in der Kleinstadt Kaiserslautern - jede zweite Woche gänzlich unbemerkt über die Bühne geht, versetzt Sachsen-Anhalt in einen Ausnahmezustand. Jeden Moment können Unruhen ausbrechen. Jeden Moment können Barrikaden gebaut werden. Mehr nachher.

Wofür wir gern werben

Die SPD ist in der Krise, die Machtergreifung nach der nächsten Bundestagswahl in weiter Ferne gerückt. Selbstverständlich entzieht sich ein genuin linkes Blog wie das unsere in einem solchen Moment nicht seiner vaterländischen Verpflichtung, für Franz, Walter, Peer und all die anderen tapferen Sozialdemokraten zu trommeln und zu pfeifen, so laut es geht. So haben wir unserem Werbevermartkter Google jetzt eigens eine unserer begehrten Werbeflächen ganz rechts außen für eine Kampagne zur Verfügung gestellt, die helfen soll, die deutschen Sozialdemokratie wieder ins Kanzleramt oder doch zumindest in den Stadtrat von Aschersleben zu bringen. Gespendet werden darf für den guten Zweck auch per paypal an politplatschquatsch@gmail.com!

Aus der Tauss

Bei Zumwinkel standen die Fotografen schon vor dem Haus, als die Fahnder noch unterwegs waren, um die Steuerunterlagen des Post-Chefs abzuholen. Bei Jörg Tauss wusste der "Spiegel" schon, dass es dem SPD-Politiker wegen Kinderpornografie an den Kragen gehen würde, als der Immunitätsausschuß des Bundestages noch über die Vorwürfe beriet. Tauss, ein polteriger Sozialdemokrat mit ganz eigenen Ansichten zum Thema Netzfreiheit und staatlicher Überwachung, war erledigt, als die erste Schlagzeile den Verdacht öffentlich machte. Auf heise.de geht Beate Winsemann der Frage nach, warum die Unschuldvermutung im Fall Jörg Tauss keinerlei Rolle spielt und weshalb irgendwer die Medien mit Informationen munitioniert.

Bereits Minuten nach der Hausdurchsuchung habe "Spiegel Online" mit der Schlagzeile "Ermittlungen wegen Kinderpornografie gegen SPD-Abgeordneten Tauss" aufgewartet. "Detailgetreu wurde hier schon über die Zusammenhänge, über den Bremerhavener, durch den man auf Tauss aufmerksam geworden war, sowie über die Verdachtsmomente berichtet", staunt Winsemann. Das lässt auf akribische und langwieirge Vorrecherchen schließen - die Geschichte war quasi fertig und wartete nur noch auf grünes Licht von der Staatsanwaltschaft.

Ob Tauss ein netter Kerl oder ein ekliger Päderast ist, ob er sein Hobby zum beruf gemacht hat, wie mancher Pornofahnder oder ob er sich nur ersthaft genug mit seiner Aufgabe beschäftigte, um sich ein Bild machen zu wollen, ist ungeklärt und wird es vermutlich bleiben. Der Mann, der nie einen Zweifel daran gelassen hat, dass er etwas gegen Internet-Zensur, Sperrlisten und Datenspeicherung hat, ist aus dem Spiel. Und andere wissen: Schaut her. So schnell geht das.

Superstar am Stadttheater

Seit drei Wochen wird zurückgeflippert, im Stadttheater an der Saale: Das Thalia wagt sich an "Tommy", den Rockoper-Klassiker von Pete Townshend. Das Wer? Thalia Thater Halle, bislang nicht eben als Musical-Bühne bekannt. Dennoch ausverkauft - wo sonst weltweit bekommt der Who-Fan für zehn Euro eine in Metropolis-Kostümen getanzte und live gesungene Version der 40 Jahre alten Doppel-LP?

Und die kleinstädtische Aneignung des wirren Stoffes um den blindtauben Flipperkönig Tommy Walker ist keineswegs peinlich, sondern äußerst unterhaltsam, selbst ohne den etatmäßigen Hauptdarsteller Jan Kersjes. Der ist beim letzten Auftritt vom Flipperautomaten gestürzt, hat sich dabei die Hand gebrochen und dennoch zu Ende gespielt. Heute wird er vertreten von Peter Schneider, eigentlich Klarinettist und Chef der Bühnenband Electric Sparks Orchestra. Schneider keucht und knarzt das "See Me, Feel Me, Touch Me, Heal Me" des in sich selbst gefangenen Helden rauher heraus als Roger Daltrey, trifft aber sonst nicht jeden Ton. Da geht es dem beständig mit Singen und Umziehen beschäftigten restlichen Ensemble nicht anders.

Aber diese Musik bekommt niemand kaputt, auch nicht auf der kleinen Bühne, auch nicht mit einem seltsam eingeschobenen, französisch hingehauchten Chanson. Danach gehts weiter im Townshend-Programm: Tommy fährt in "Holiday Camp" und zum Finale gibt es "We´re Not Gonna Take It". Vorhang. Jubel. Schönes Stück.

Samstag, 7. März 2009

Wiedergeboren als Rockstar

Norwegen ist ein kleines Land, und jeder ist mit jedem verwandt. Völlig klar, dass immer und überall Mangel an gutem Personal herrscht, nicht zuletzt in der boomenden Popmusik-Branche des demokratisierten Königreiches. Doch Norweger schonen sich nicht - und so hat Morten Harket, als Sänger und Gesicht der watteweichen Popcombo A-ha zu weltweitem Ruhm gelangt, sich bereits vor Jahren zu einer Zweit-Karriere als Sänger und Kopf der eher kratzbüstigen Kapelle Midnight Choir bereit erklärt.

Als seine Bandkollegen dort allerdings bemerkten, dass es sich bei dem vermeintlichen "Paal Flataa" (Bild oben rechts) um den in skandinavischen Indie-Kreisen nicht sehr angesehenen Pop-Star Morten Harket (Bild links) handelt, lösten sie die Band kurzerhand zornig auf. Mit-Bandchef Al DeLoner ging zornig nach Erfurt und verliebte sich dort prompt in eine junge deutsche Künstlerin, der er seitdem regenverhangene Hymnen widmet. Harket kehrte zurück zu A-ha, wurde dort aber durch eine anonyme Anzeige bald als Paal Flataa denunziert.

Inzwischen betreibt der aus Kongsberg stammende Musiker ebenso unverdrossen wie notgedrungen wie in prominenter Gesellschaft zwei Solo-Karrieren parallel: Als Paal Flaata veröffentlichte er das Album "Rain", als Morten Harket brachte er parallel die CD "Letter From Egypt" heraus.

Lucken dicht, die Leute gucken!

Außen grün, innen vergammelt: Wie Opponent.de berichtet, hat eine grüne Europa-Abgeordnete mit dem bislang nicht weiter bekanntgewordenen Namen Hiltrud Breyer Youtube veranlasst, Filme zu sperren, die die Volksvertreterin zeigen, wie sie sich gerade in die Anwesenheitsliste für den Sitzungstag eintragen wollte, um das schöne Sitzungsgeld zu bekommen, dabei aber schon ihr volles Gepäck dabei hatte, um sofort nach der Unterschrift Richtung Heimat abzudampfen. Der Filmbericht über die Selbstbedienungsmentalität der EU-Abgeordneten war bei in einem unbeobachteten europakritischen Moment bei RTL gelaufen, die Reaktion der Grünen-Parlamentarierin auf die Anwesenheit der Medienöffentlichkeit, ihre Fluchtbewegung, das Gekreische und Geschimpfe, als sie sich ertappt fühlte, war ein sehenswrter Höhepunkt.

Fand die Saarbrückerin auch, die ihre Familie seit 1989 durch gelegentliche Anwesenheit in Brüssel ernährt. Sie ließ, schildert Opponent.de, "kurzerhand einige der YouTube-Videos dieses Berichts für Nutzer aus Deutschland sperren bzw. löschen." Auf Nachfrage habe YouTube bestätigt, "dass einige Videos auf Druck Breyers gelöscht bzw. für Nutzer aus der Bundesrepublik Deutschland gesperrt" worden seien. Die grüne EU-Abgeordnete selbst, die sich laut ihrer Homepage stark macht für "Agro-Gentechnik, Bioethik und Chemikalien", habe auf eine freundliche E-Mail zu den Hintergründen nicht reagiert. Auch auf ihrer Seite, auf der nach einer Ankündigung "immer die neuesten Informationen zu meinem Engagement für die EU-Umweltpolitik, für die Gleichstellung der Geschlechter, den Verbraucherschutz und zu all den anderen Themen, die mir am Herzen liegen" zu finden sein sollen, steht kein Wort zur Youtube-Sperrung. In ihrem Gästebuch lässt Breyer wissen, dass sie "nicht allein verantwortlich" sei "für die Tagegeldregelung der EU-Parlamentarier". Im übrigen unterstütze sie "in meiner politischen Arbeit stets voll und ganz die Pressefreiheit und trete für ihren Schutz ein". Hätte sie gar nicht schreiben müssen. Das weiß man ja auch so.