Sonntag, 8. März 2020

Vater Staat als Büchsenspanner: Psychotests für Biathleten

Zwar wurde sie unsanft ausgebremst von der plötzlich heranrollenden Corona-Berichterstattungswelle, doch zweifellos wird sie wieder aufbrechen, sobald die normale Themenentropie in den deutschen Medien nach einem erneuten Anschlag
nach neuen, rasanten und entschiedenen Maßnahmen zur Verhinderung einer Wiederholung verlangt. Dann aber steht das Vorhaben von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), die deutschen Biathleten regelmäßig zum Psychotest, akut: Nur mit einer "medizinischen Gutachten oder einer ärztliche Bestätigung" (Seehofer) könnte der bewaffnete Arm des deutschen Wintersports dann weiter um Medaillen kämpfen.

Derzeit sind die meisten Starter hauptberuflich Bundeswehr- oder Polizeiangehörige und der Bund lässt sich ihre Arbeit an der Sportfront rund 30 Millionen Euro jährlich kosten. Doch obwohl sie mit ihrem Sport dank extensiver Übertragungszeiten in ARD und ZDF Werbung für die Schießerei machen, sind Psychotests bisher nicht vorgeschrieben. Frühere Versuche, ein sauberes psychologisches Profil zur Voraussetzung für den genehmigten Umgang mit Waffen zu machen, waren noch jedes Mal am Widerstand der Biatlethen, Tontaubenschützen, Jäger und anderer Sportschützen und ihrer Lobby gescheitert.

Vater Staat gilt Kritikern wegen dieser umstrittenen Praktiken als Komplize von Amokläufern und Büchsenspanner von Home-Grow-Terroristen. Mit Duldung der Sicherheitsbehörden können etwa Biathleten auf ihre Papierscheiben schießen, regelrechte Fabriken versorgen sie mit Präzisionsmunition und öffentlich-rechtliche Fernsehsender zahlen hohe Summen dafür, die sogenannten Wettkämpfe übertragen zu dürfen. Dabei wird um fragwürdige Preise geschossen, die "Weltcup" oder "Weltmeisterschaft" heißen, obwohl stets und ständig nur Schützen aus demselbem Dutzend westlicher Wohlstandsstaaten antreten.

Gefährliche Waffen wie das von mehr als 97 Prozent aller Biathleten verwendete Anschütz 1827 werden aus getöteten türkischen Walnuss-Bäumen geschnitzt, als gäbe es keine Klimaerwärmung. Die Waffen der Ulmer Firma, die 1884 gegründet wurde, nach eigenen Angaben aber zwischen 1933 und 1945 nicht existiert und keinerlei Waffen hergestellt hat, kosten um die 3.000 Euro. Ihre Besitzer finden zuweilen nichts dabei, sie wie ganz normale Haushaltsgegenstände zu behandeln. Biathleten dürfen ihre Waffen nach dem Training im Schießstand nicht nur mit nach Hause nehmen, sie dürfen regelmäßig sogar vor Tausenden von Zuschauern herumballern, darunter  auch zahlreiche Kinder.

Nach einer Zählung der Initiative "Keine Mordwaffen als Sportwaffen" sind seit 1990 allein in Deutschland mehr als 270 Menschen durch den Gebrauch von Sportwaffen ums Leben gekommen.  Wie viele davon durch ein kleinkalibriges Biathlon-Gewehr starben, wurde allerdings nicht einmal gezählt.

Kampf gegen Trump: Moskaus Männer

Kissing Trump and Putin
Ein Herz und eine Seele, so sehen deutsche Journalisten Putin und Trump.
Er ist aus der Sicht der deutschen Redaktionsstuben und Parteizentralen an allem Schuld, aber nicht selbst. Seit Donald Trump damals zum US-Präsidenten gewählt wurde, herrscht Konsens darüber, dass nur das perfide Marionettenspiel des Kreml diesen Unfall der Demokratieentwicklung weltweit bewirken konnte. Putin habe den "Milliardär" (Spiegel), der "gar keiner ist" (Spiegel) ins Weiße Haus manipuliert. Dass sich dafür in mehreren Ermittlungsverfahren keine Beweise fanden, reicht als Beweis. Denn so kennt man den Russen: Wo er manipuliert, entführt und mordet, deutet nichts auf ihn hin.

Wo also nichts auf ihn hindeutet, ist der Russe besonders eifrig am Werk. Jetzt gerade wieder in den USA, selbstverständlich, denn dort steht Trump, der Versager, Hassprediger, Kriegstreiber, Truppenabzieher, Erpresser und Irre, vor der Wiederwahl. Ein Ereignis, das sich selbst aus Sicht der eingeschworenen Trump-Feinde kaum noch verhindern lassen wird - die Beliebtheitswerte des Präsidenten sind höher denn je, seine Gegner ein Haufen zerstrittener Sozialisten, Milliardäre und unbekannter Provinzpolitiker. Selbst der engagierte Einsatz führender deutscher Politiker im Kampf gegen Trump zeitigte kaum Erfolge. Grünen-Chef Robert Habeck etwa, der es als letzter Vertreter des politischen Berlin gewagt hat, die Weltmacht strategisch klug beim Weltwirtschaftsforum in Davos in ihre Schranken zu weisen, wurde international ignoriert. Trump regierte einfach weiter. Und er wird das absehbar auch nach dem November tun.

Der "Tagesschau" ist es nun gelungen, herauszubekommen, wie es dazu kommen konnte. Keine große Überraschung: Wieder steckt der Kreml dahinter, wieder läuft vor aller Augen gut getarnt eine Geheimdienstaktion, mit der Russland diesmal den Eindruck erwecken möchte, Trumps chancenlosem Konkurrenten Bernie Sanders zu helfen. Der Trick dabei, so Torsten Teichmann vom ARD-Studio Washington über die neue Folge Mandschurian-Kandidat, ist das typische Moskauer Bandenspiel: Der Russe versuche, "Chaos zu stiften und Hass zu säen" indem es seine Kandidatur unterstütze, wie selbst Kreml-Favorit Sanders kritisiert. Ziel sei es, entweder ihn als den am ehesten kommunistischen Kandidaten ins Weiße Haus zu bringen. Oder aber seine Kandidatur durch diese Unterstützung so zu diskreditieren, dass Trump wiedergewählt werde.

Eine naheliegende Strategie, die Putin seinen gefürchteten Bots und Trollfabriken befohlen hat, denn durch diese Einmischung bekommt er nach Lage der Dinge genau das, was er ohne seine großangelegte Geheimdienstaktion auch bekommen würde: Sanders oder Trump im Weißen Haus.

Der Senator liegt in Umfragen zur Präsidentschaftskandidatur der Demokraten im Moment in Führung, Trump ist auf Seiten der Republikaner unumstritten. Das der Kreml in dieser Situation zum letzten und gefährlichsten Mittel greift, scheint nur logisch, zudem deutet der Umstand, dass es für die russische Sanders/Trump-Kampagne nach Recherchen des Atlantic Council und der "Washinton Post" keinerlei Belege gibt, eindeutig auf die Handschrift Putins.

In den USA wird die Unterminierung der Demokratie inzwischen fast schon achselzuckend akzeptiert, auchr in Deutschland erlahmt der Widerstand. Im gesamten Jahr 2020 hatte der "Spiegel" noch kein aufrüttelndes Titelbild mit Trump, obwohl der Durchschnitt der ersten drei Jahre der Amtszeit des Präsidenten bei immerhin 16 Coverbildern pro Jahr liegt, also etwa jede dritte Ausgabe Untaten Trumps anprangerte. Auch die Zivilgesellschaft wagt kaum noch, den mächtigsten Mann der Welt mit immer schwereren Geschütze, größeren Kaliber, lauterem Donner und apokalyptischeren Unterstellungen zu bekämpfen.

Als der Linke Stefan Liebich, ehemals Mitgründer eines Marxistischen Jugendverbandes, zuletzt zum Beispiel sagte, Trump sei „ein schlechter Mensch“,  dann hatte er nach den Maßstäben deutscher Politikmoral zwar recht. Aber seine Wortwahl ist - verglichen mit Steinmeiers Bezeichnung "Hassprediger" und dem Wort "Irrer", das mutige Medienarbeiter bereits für Trump verwendet hatten - ein Rückfall in windelweiche Appeasement-Sprache. "Unmensch", wie ihn das Redaktionsnetzwerk RND nennt,um den US-Amerikaner zu entmenschlichen, ist das Mindeste, was der "Alman" (Volksverpetzer) im Kampf gegen das Böse verlangen kann.

Denn "je höher er im November die Wahl verliert, desto besser für die Welt".

Samstag, 7. März 2020

Bodos Bekenntnis: Ich bin ein Hufeisen

Auch im Thüringer Wald ist Karl Marx dank junger "Marxist Girls" zuhause, die nach Enteignung, Klassenkampf und Uniformierung lechzen.
Dass der nach großer Kabale im sechsten Wahlgang glücklich wieder ins Amt gescheiterte thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow im Grunde genommen kein echtes Mitglied der umbenannten SED ist, hat er selbst immer wieder deutlich gemacht. Ramelow regiert für die derzeit Linke genannte frühere DDR-Staatspartei wie Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg für die Grünen: Ein Pragmatiker der Macht, dem die Beschlüsse der eigenen Genossen ausschließlich wichtig sind, wenn sie dem entsprechen, was er selbst beschlossen hätte.

Ramelow, der schon vor Jahren sein Teil zur Integration ehemaliger Stasi-Mitarbeiter beitrug, indem er mit einem Stasi-Mann gem einsam eine Firma führte, ist sich selbst der Nächste. Die Genossen dürfen ihm folgen, er muss ihnen aber nicht.

Solche starken, unbeugsamen gestalten braucht Deutschland in diesen Tagen der grassierenden Unsicherheit. Männer, die ihrem eigenen Kompass folgen, die in Momenten, in denen die Genossen von Klassenkampf und Massenerschießungen träumen Distanz wahren, weil sie wissen, so schnell geht es nicht. Selbst mit Lagereinweisungen, wie Parteichef Bernd Riexinger sie im Kampf gegen die Reichen favorisiert,  wird man noch warten müssen, obwohl die historische Gelegenheit günstig ist, weil man im ersten Bundesland faktisch wie früher als Nationale Front gemeinsam mit SPD, CDU, Grünen und FDP gemeinsam regiert.

War es auch die Kanzlerin, die durch ihren Anweisung diese Regierung der nationalen Verantwortung ins Leben rief, so sind es doch Leute wie Bodo Ramelow, die den Regierungsalltag leben müssen, nachdem der erste neugewählte Ministerpräsident nur wenige Stunden nach seiner Geburt abgetrieben wurde.  Der Mann, von außen betrachtet ein Liberaler, war mit den Stimmen der falschen Abgeordneten gewählt worden.

Ein Zivilisationsbruch, manche sagen wie Buchenwald und Auschwitz, manche sprechen von der notwendigen Verschärfung der Klassenwidersprüche, andere merken an, dass der faulende Kapitalismus und die Machtergreifung der Faschisten einfach dazugehört, wenn es dem Ende zugeht, die Verdammten dieser Erde erwachen, das Recht wie Glut im Kraterherde mit Macht zum Durchbruch dringt und das Heer der Sklaven erwacht, weil es nicht länger erträgt, ein Nichts zu sein.

Aber immer langsam mit die jungen Pferde! Auch Thüringen wird nicht an einem Tag sozialistisch. Taktisches Geschick allein kann ein Überschießen der revolutionären Energie verhindern, die sich nicht in spontanen Erschießungs- und Enteignungsfantasien erschöpft, sondern seit Jahren Programm der Linkspartei ist. Bodo Ramelow, der sich seine Linkspartei passgenau zurechtgezurrt hat, musste hier bremsen und dafür neue Verbündete am anderen Ende des Hufeisens suchen. Bei der Wahl des neuen Landgspräsidiums entschied sich Ramelow deshalb "sehr grundsätzlich" (Ramelow), "auch mit meiner Stimme den Weg frei zu machen für die parlamentarische Teilhabe" der Faschisten vom rechtsextremistischen Höcke-Flügel.

Ein Triumph der AfD, der im Gegensatz zur Wahl des FDP-Ministerpräsidenten deutschlandweit auf große Akzeptanz trifft. Weder regte sich bei den großen westdeutschen Leitmedien Kritik am Schulterschluss der Ränder noch meldete sich die von der Vorsehung als Thüringer Demokratievormund eingesetzte Bundeskanzlerin mit straffen Regieanweisungen zu Wort.

Der Deutsche Bundestag, in dem mutige Abgeordnete aller Parteien des demokratischen Blocks seit 2017 hinhaltend Widerstand gegen "die parlamentarische Teilhabe" (Ramelow) der größten Oppositionspartei durch einen AfD-Vizepräsidenten leisten, sieht sich düpiert und seine Bemühungen karikiert.In Thüringen aber geht es um Größeres als um die parlamentarische Isolation eines Viertels der Wähler, das hat der westdeutsche Linken-Theoretiker Bernd Riexinger schon vor Jahren festgestellt. "Der gemeinsame Kampf um die sozialen "Garantien des Lebens" müsse zum missing link der zerklüfteten neuen alten Arbeiterklasse werden, schrieb er damals.

Der Weg ist kurz von einem Ende des Hufeisens zum anderen, wenn mutige Männer es erst wagen, eine Brücke über den Abgrund zu bauen, der den Finanzkapitalismus am Leben hält.

Tage des Donners: Unübersichtliche Verhältnisse

EU-Grenzschutz Grioechenland Frontex
Die europäische Grenzschutzagentur Frontex, von der im Lissabon-Vertrag nicht die Rede ist, schützt die EU mit Rapid Border Intervention Teams.

Linke Fussballfans beschimpfen einen Milliardär, der in einer abgehängten Ecke des Landes einen Verein aus dem Nichts aufgebaut hat wie andere eine Modelleisenbahn. Das hilft der AFD. Erdogan fällt in ein Nachbarland ein, das hilft Putin bei der Zerstörung der EU. China steht unter Quarantäne, deshalb dürfen Deutsche ohne 14 Tage Quarantänelager nicht ins Reich der Mitte einreisen. China ist durchseucht, deshalb müssen Chinesen bei der Einreise nach Deutschland eine Meldekarte ankreuzen und alle ihre mitgebrachten Bazillen benennen. "Wir dürfen nicht zulassen, dass das unseren Aufschwung kaputt macht", flunkert der Wirtschaftsminister, der den erwähnten Aufschwung eigens zu diesem Zweck erfindet.

Es sind unübersichtliche Verhältnisse in diesen Tagen nach dem Endsieg gegen den Hass, gegen die Hetze und das Weltklima durch die entschlossene Verabschiedung von Verbotsverfügungen durch die Bundesregierung. Die ganze Weltgeschichte scheint über Bande zu spielen. Erdogan schickt Flüchtlingsströme über Griechenland, obwohl längst Konsens bestand, dass das Wort "Flüchtling" ebenso wie "Zustrom" (Merkel) wegen Entmenschlichung der Betroffenen nicht mehr verwendet wird. "Rasse" wird als nächstes aus dem Grundgesetz gestrichen, denn das Wort wird nur allzu häufig missbraucht, um Menschen in Schubladen zu stecken.

In Syrien haben sich die Rebellen, auf denen die ganze Hoffnung der benachbarten EU lag, in Islamisten verwandelt, deren halbmoderate Ränder sich schließlich in Verbündete der Nato verwandelten. Assad verbündete sich mit Russland, das zumindest passt, doch so lange die letzte Schlacht um den Vorsitz der CDU nicht geschlagen ist, bleibt unklar, ob deutsche Truppen auf dem Rückweg aus Afghanistan eingreifen, Decken und warme Getränke für Idlib, der "letzten Rebellenhochburg" (DPA), in die sich Millionen aus Furcht vor Assad und Putin unter den Schutz den islamistischen Terrormiliz Haiʾat Tahrir asch-Scham geflüchtet haben.

Es geht aus Sicht von Recep Erdogan allerdings eigentlich gegen die Kurden, deren Träume von einem eigenen Staat die territoriale Integrität der Türkei bedrohen. Aus Sicht der EU dagegen geht es um Ruhe an der EU-Außengrenze. Und aus der Sicht deutscher Journalisten um Menschlichkeit: Syrien war einst französisches Mandatsgebiet, Frankreich brachte die eigene Verantwortung für die früheren Mündel also mit in die Weltfriedensgemeinschaft ein, so dass Syrien nun ein rein deutsches Problem ist. Hierher, wo es ein Ausbreitungsverbot dem Corona-Virus unmöglich macht, "unseren Aufschwung kaputtzumachen" (Altmaier), streben die Menschen. Erst hier wird ihre Wanderung enden.

Wolle mer se rinlasse? Nur, wenn sie eine eine Aussteigerkarte ausfüllen! Ehe die deutschen Pläne noch greifen konnten, Libyen zu befrieden und die Fluchtursachen in Afrika zu beseitigen, haben die anderen Spieler am Tisch ihren Zbigniew Brezinski aus dem Regal gezogen und seine Lektionen gelernt: Gegen die Kurden wurde die ehemalige Kolonialmacht Türkei zur Schutztruppe der islamistischen Mörderbanden in Idlib. Gegen das Nato-Mitglied Türkei und damit gegen die USA wurde Russland zum Alliierten Assads. Gegen den mit dem Erzfeind Iran verbündeten Assad wurden die USA zur Kriegspartei an der Seite der Türkei. Europa steht mit tränenden Augen am Spielfeldrand und weiß nicht, was tun mit dem Auswurf der Schlachten.

Fast zwei Jahre nach dem Tag, an dem eine "europäische Lösung" der Flüchtlingsfrage nur noch 14 Tage entfernt war, zeigt der Scheinriese EU, wie sehr Entscheidungen komplexer werden, wenn nicht zwei, sechs oder 13, sondern 27 oder 28 Parteien am Tisch sitzen, von denen jede daheim noch einmal in zwei, drei oder sechs Interessengruppen zerfällt. Luxemburg hat sich dieser Tage kostenlosen Nahverkehr geschenkt, weil es klein ist und die Zahl der Entscheidungsträger überschaubar. Das Europa, für das sich die EU-Staaten gern halten, würde für dieselbe Entscheidung Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte benötigen, selbst wenn die gesamte Wertegemeinschaft so reich wäre wie der traditionell von Steuerflucht und Finanzkapitalismus lebende Mini-Staat.

Zwei Faktoren stehen in einem einzigen Verhältnis miteinander, 27 Faktoren hingegen in mehr als 700.  Wird jeder Faktor  wie in Deutschland von nur zwei Parteien mit unterschiedlichen Interessen bestimmt, erhöht sich die Zahl der möglichen Kombinationen auf 1.400. "Wir brauchen eine Verhandlungslösung, du musst aufhören mit deinem Eroberungsfeldzug", will der kommende CDU-Chef Norbert Röttgen Wladimir Putin demnächst schon mitteilen, "sonst verhängen wir neue Sanktionen."

Eine Drohung wie Donnerhall, die den Kreml in seinen Grundfesten erschüttern wird. Die seit der Ukraine-Krise vor fünf Jahren verhängten Strafmaßnahmen haben Russland bereits nahezu in die Knie gezwungen. Derzeit liegt das Wirtschaftswachstum in Putin Reich nur um ein Viertel höher als das des deutschen "Aufschwungs" (Altmaier).

Freitag, 6. März 2020

Gewalthetze: Ein neuer Popanz bittet zum Tanz

Im Sommer 1969 erfand ein DDR-Propagandaexperte den Begriff "Gewalthetze". Der schaffte es nie in den Duden, jetzt aber ist er offizielle Politik.


Das öffentliche Leben erlahmt unterm Ansturm fremdländischer Viren, Europa verliert an Kraft, der Brexit wird schon gar nicht mehr diskutiert, geschweige denn beklagt, und an den Südgrenzen der Gemeinschaft schickt sich die erfolgreichste Flüchtlingspolitik, die jemals eine deutsche Kanzlerin vertrat, an, in Schutt und Asche zu fallen. Zwar spielt die Bundesliga noch, denn sie spielt um Ruhe und Ordnung im Land. Doch wenn erst die Fußball-EM im Sommer abgesagt werden muss, braucht es viel Feuer und Rauch anderswo, damit die "Bevölkerung" (Hans Haake) nicht auf dumme Gedanken kommt.

In der Bundesworthülsenfabrik (BWHF) in Berlin, gegraben tief in den märkischen Sand unter dem Bundeskanzlerinnenamt,  saßen sie in den zurückliegenden Tagen und Wochen beinahe rund um die Uhr zusammen. Klar war, dass "Hetze, Hass und Zweifel", der Dreiklang des Grauens, mit dem Claus Kleber vor Jahren  verdeutlicht hatte, wo der Feind steht, nicht mehr lange ausreichen wird, die Abwehrkräfte gegen Rechts zu mobilisieren. Etwas Schärferes musste her, ein Begriff, der die Gefährlichkeit der fortgesetzten Bemühungen von Höcke, Hitler, Gauland und Goebbels  zur Errichtung eines Vierten Reiches ausreichend widerzuspiegeln vermag.

Ratlos schauten die Geschwätzingenieure sich an, Worthülsendreher hoben die Hände und selbst Rainald Schawidow, der in zwei Systemen erfahrene Chef der Bundesworthülsenfabrik, wusste nicht mehr ein noch aus, weil seinen Mitarbeitern einfach kein zündender Begriff wie "Rettungsschirm", "Energiewende", "Schulden-" und "Mietpreisbremse", "Stromautobahnen" oder "Wachstumspakt"
einfallen wollte.

Am Ende half der Gang ins Archiv, ganz nach unten, wie die Giftschränke stehen, in denen tonnenweise alte DDR-Zeitungen vor den jüngeren und noch ungefestigten Propagandapoeten und Schlagwortbohrmaschinenbedienern verborgen werden. Hier, in einer von Säure schon fest zerfressenen Ausgabe des SED-Blattes "Berliner Zeitung" vom 30. August 1969, fanden Schawidows Wortschmiede und Wortschmiedinnen schließlich, wonach die Bundesregierung so dringend verlangt:  Einen neuen, in sich schlüssigen Kampfbegriff, den es noch nicht  gibt, der aber so klingt, als wüsste jeder gleich genau, was gemeint ist.

1969 diente er der SED-Zeitung im kalten Krieg, um gegen Strauß und die anderen Nazis in Bonn Front zu machen. Jetzt erlebt er seinen zweiten Frühling im Dienst der sozialdemokratischen Bundesjustizministerin, die das zusammengesetzte Substantiv "Gewalthetze" im Bundestag als neues Zielwort für  das gesetzliche Verbot der "schleichenden gesellschaftliche Verrohung" (Lambrecht) durch die Bestrafung von Gewalthetzern ausgab.

Neue Gesetze bekämpfen jetzt einen Begriff, den es nicht gibt.
Nun kennen weder der Duden noch irgendein deutsches Gesetzbuch den Begriff "Gewalthetze", selbst der "Spiegel" hat die Fantasievokabel in den vergangenen 70 Jahren  nur zweimal verwendet: In einem Text über die terroristischen Anarchogruppe "Revolutionäre Zellen" von 1976 wird mit einem enttäuschten Unterton beklagt, dass nun wohl "Literaturbewerter Gewalthetze von Kunst unterscheiden" müssten. Als Erfinder des Begriffes wird  dabei Lambrechts Amtsvorgänger Hans-Joachim Vogel präsentiert, der seine SED-Zeitungen offenbar aufmerksam gelesen hat. Der zweite Fall datiert aus dem Hetzjagd-Jahr, als der frühere Bundesrichter Thomas Fischer den unbestimmten Rechtsbegriff in einer Kolumne verwendete, ohne sich darum zu scheren, was er bedeuten könnte, was er bedeuten soll oder mag.

Das geht auch aus den Ankündigungen von Christine Lambrecht nicht hervor, kann  auch nicht, denn ein Wort, das es nicht gibt, vermag keine geltende Definition vorzuweisen, was es bedeutet. Aber gerade in jener Unbestimmtheit, die schon frühere BWHF-Produkte wie "Rettungsschirm", "Energiewende", "Schuldenbremse", "Wachstumspakt", "Stromautobahn" und „Respektente” prägte, liegt das Erfolgsgeheimnis der Kommunikationsstrategie der Bundesregierung. Was unbestimmt ist, lässt sich nicht nur gut bekämpfen, sondern auch jederzeit besiegen, es kann jedoch ebenso gut immer wieder neu zu einem beständig weiter erstarkenden Feind erklärt werden, gegen den es noch entschlossener vorzugehen gelte.

Tod der Klimaerwärmung: Wie Corona die Menschheit rettet

Umweltverschmutzung China Corona
Dank des Corona-Virus befindet sich das Weltklima auf Erholungskurs. Was aber wird, wenn die Wachstumsmaschine wieder anspringt?

"Ich will, das ihr in Panik geratet", hatte Greta Thunberg aus ihrem Herzen keine Mördergrube gemacht. Das Klima erwärmte sich. Der Anteil von CO2 in der Atmosphäre stieg. Fabriken und Fahrzeuge, Wohnhäuser und Büros, die Landwirtschaft und die Weltraumforschung, ja, selbst der Betrieb des Parlaments in Berlin - alles heizt die Erde auf. Dazu der Hass, die Hetze, die Verrohung und Verdumpfung, der Mangel an Umgangsformen bis in die Parlamente hinein. Als Corona ausbrach, musste das ein Grund sein, in Panik auszubrechen: SARS CoV 2, nicht die erste der biblischen Plagen am Ende der Geschichte, ein Menetekel, das die Menschen mahnt, sich vorzubereiten auf den oder die letzten Tage.


Als Greta Thunberg die hermetisch abgeriegelten Bürobunker der EU-Kommission besuchte, um die gerade von der unter Dauerangriffen liegenden EU-Südgrenze zurückgekehrte EU-Chefin Ursula von der Leyen für deren unzureichendes Klimapaket zu beschimpfen, musste sie ihren Satz nicht wiederholen. "Ich will, das ihr in Panik geratet" war eingetreten, Cannes abgesagt, die Buchmesse, James Bond, beinahe sogar die Bundesliga, hätten die Behörden nicht Angst, dass es dann wirklich zu Unruhen, Plünderungen und dem Versuch kommen könnte, Drogerien zu plündern, um Vorräte an Atemmasken zu erbeuten.

Wenigstens aber wächst das Rettende auch. Entpuppte sich zuletzt schon die Klimaerwärmung selbst als scharfe Waffe im Kampf gegen die Klimaerwärmung, zeigt im zweiten Monat der Weltkatastrophe auch Convid-19, dass es weder großer Klimagesetze noch einer CO2-Steuer, keiner breitbandigen Verbote und keines Verschmutzungsrechtehandels bedarf, um die Welt zu retten. Ein Virus, nicht gar so viel gefährlicher als das alljährlich um die Erde ziehende aktuelle Grippe-Virus, und eine breite Medienkampagne zur Verbreitung einer unausgesprochen empfohlenen Panik genügen vollkommen, die Art des Wirtschaftens, die Art des Zusammenlebens und die Art des Reisen grundsätzlich zu verändern.

Statt auszugehen, wird daheim gekocht, statt Zug zu fahren, Konferenzen zu besuchen oder ins Kino zu gehen, tut es der Fernseher zu Hause auch,die Onlinekonferenz, das Home Office. Die Globalisierung, die bis vor einem Moment all die feinen Sachen aus China brachte, Handys, Fernseher, Medikamente, Hosen, Jacken, Schuhe und alles übrige auch, gilt auf einmal als Kardinalfehler. Jens Spahn erfindet sich als Trump neu, er ist für Fabriken in Germany, Selbstversorgung, ein Prepper im Grunde, der die Versorgung des darbenden Auslands mit deutschen Atemmasken kurzerhand verbietet.

Der grüne Familienvater dagegen ist ein bisschen froh, dass er den Van noch nicht verkauft hat und die S-Bahn mit ihren hustenden und schniefenden Passagieren jetzt ohne ihn fahren kann.  Individualverkehr ist fast so schön wie die Plastikverpackungen, die gerade noch knapp vor dem Verbot standen. Hätten wir jetzt noch Pharmaunternehmen mit eigener Produktion, wie schön wäre das denn bitte.

Corona feiert Erfolge im Klimakampf.
Erstmal muss es aber so gehen. Weilweit schrumpft die Wirtschaft, und die CO2-Emissionen sinken schneller als es selbst die Planungen der kindlichen Klimakaiserin aus Schweden vorgesehen haben. Hält der Trend, könnte die Wirtschaft in Deutschland in diesem Jahr um bis zu zwei Prozent schrumpfen, allen Skeptikern, Nörglern und Kritikastern zum Trotz würde Europas Kernland 2020 zum ersten Mal in 30 Jahren ein Klimaziel erreichen, so dass die Bundesregierung darauf verzichten könnte, das eigene Scheitern zu bemänteln, indem sie wie üblich für einen späteren Termin ein noch ehrgeizigeres Klimaziel ausgibt. Deutschland wäre Pionier, denn um ganze zwei Prozent wird die Wirtschaftsleistung weltweit nicht zurückgehen, Experten prognostizieren hier nur ein drastisches Rückgang des Wachstums. Aber immerhin, ein Anfang.


Denn Corona könnte längerfristig noch größeres Potential entfalten, der Menschheit zu helfen, die Pariser Klimaziele zu erreichen. Bei einer Sterberate von zwischen 1,5 und drei Prozent wäre das Virus in der Lage, das Wachstum der Weltbevölkerung komplett zu stoppen - eine Premiere für die letzten paar tausend Jahre, die dazu führen würde, dass der Verbrauch fossiler Energieträger dauerhaft sinkt und nicht-erneuerbare Ressourcen in einem Maße eingespart werden, wie es keine andere Einsparmaßnahme erbringen würde. Bereits eine Zahl von 80 Millionen Toten spare dauerhaft 11,2 Milliarden Tonnen CO2, hat Harald Haase, der Chef des Klimawatch-Institutes in Grimma, errechnet. Noch gar nicht einbezogen sind Einsparungen, die durch ausbleibende Geburten erzielt werden, ebenso außen vor blieben höhere Einsparungseffekte, die entstehen, wenn in hochentwickelten Staaten mit höherem CO2-Verbrauch (Malu Dreyer) anteilig mehr gestorben wird.

Jeder Corona-Tote ist so gesehen ein Märtyrer im Kampf gegen den Klimawandel und für das Überleben der Menschheit. Wobei die Natur ihre hässliche Fratze auf der anderen Seite dieser bislang in den Leitmedien weitgehend verschwiegenen positiven Entwicklungen zeigt. Wie bei der traditionellen Grippe üblich, die jedes Jahr im Winter allein in Deutschland zwischen 10.000 und 30.000 Menschen dahinrafft, wird auch am "neuartigen" (DPA) Corona-Virus bevorzugt im Winter gestorben, wenn es kalt ist, die Atemwege trocken sind und der Mensch sich viel unter seinesgleichen in engen, überheizten Räumen aufhält. Da die Klimaerwärmung trotz der Erfolge der letzten Wochen aller Wahrscheinlichkeit nach weiter anhält, stoppt sie vermutlich den positiven Trend der vergangenen Tage, als die Virusangst zu einem Einbruch bei der klimaschädlichen Wirtschaftstätigkeit und  einem Erlahmen des Ausstoßes des Klimagiftes CO2 führte.

Menschen stürben nicht mehr, die sogenannte Konjunktur erholte sich und die Menschheit als Ganzes setzte ihren verhängnisvollen Kurs in die Klimakatastrophe fort. Das Ende vom Lied wäre eine Rückkehr zur Wachstumswirtschaft und zur Vernichtung der Erde. 

Donnerstag, 5. März 2020

Spannemann Spahn: Der Mann von Übermorgen


Parteispitze CDU Zeichnung
Der Mann von Übermorgen, Jens Spahn.

Zwei gegen einen ist feige – dennoch hat sich Jens Spahn jetzt im Kampf um Parteiführung und Kanzlerschaft mit dem bundesweit kaum bekannten Armin Laschet zusammengetan. Der jüngste Bewerber im Wettlauf um die CDU-Führung schiebt sich damit unversehens in die beste Ausgangsposition für die Wahl des CDU-Vorsitzenden – nicht jetzt, aber dann, wenn seine beiden Konkurrenten Merz und Laschet abgewirtschaftet haben werden. Denn Spahns Bündnis mit Laschet zielt nicht auf den Wettbewerb mit Friedrich Merz und Norbert Röttgen, sondern auf die Zeit danach. Und es wurde geschlossen, als Spahn noch nicht ahnte, dass die Corona-Krise ihm einen Deichgraf-Moment zu schieben würde, der ihm, nur recht schlau genutzt, die Chance gäbe, ganz ohne Laschet an die Spitze von CDU und Land vorzustoßen.

Der Stratege auf dem Rücksitz


Doch Spahn wollte sich und seine Chancen generell absichern. Und es war ein kluger Schachzug von Jens Spahn, sich zusammen mit dem als eher links und außerordentlich dröge geltenden NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet der Wahl zum neuen CDU-Vorsitzenden zu stellen. Ausdrücklich wollen der junge und der alte Bewerber keine Doppelspitze darstellen, sondern ein Tandem, in dem Laschet lenkt und Spahn, der "Mann wie eine Walze" (SZ), sich als Stellvertreter bereit hält, eines Tages die Erbfolge anzutreten. Spahn, der im letzten Rennen um den Parteivorsitz noch gegen Merz und AKK den Kürzeren gezogen hatte, schwenkt dabei vom konfrontativen Kräftemessen um auf die Kühnert-Linie: Lass sie alle sich ausprobieren. Du selbst bist jung genug, sie alle zu überleben. Und dann schlägt deine Stunde.

Gerade jedenfalls, so glaubt Spahn, schlägt sie noch nicht. Zu vieles liegt im Argen in der Union, die nach unendlichen Jahren unter der einsamen Führung Angela Merkels ausgezehrt und verwirrt wirkt. Zu vieles hat auch der von der Corona-Krise überraschte aufstrebende Alleskönner gemacht. Erst kleingeredet. Seuchenmatten und Atemmasken verschenkt. Alles im Griff! Dann gewarnt, mit ruhiger Stimme. Panik soll nicht aufkommen. Aber ein Satz wie der über die Atemmasken, die nur medizinisches Fachpersonal benötige, „alle anderen brauchen diese im Alltag nicht“, 
beunruhigt natürlich, wenn die Deutsche Bahn ihr Reinigungspersonal seuchenfest austattet.

Spahn aber hat jetzt noch nichts zu verlieren. Wer die Parteiführung jetzt übernimmt, tritt die Trainerstelle in einem Verein an, in dem es an allem fehlt. Es sind keine Spieler mehr da und kein Matchplan, es gibt keinen Etat, keinen Wunsch, in einer bestimmten Liga zu spielen, und weder Absicht noch Plan, es in die Champions League zu schaffen. Dafür müssen recht konkrete Probleme gelöst werden - eine Aufgabe, an der deutsche Politik seit 15 Jahren relativ stabil scheitert.

Teamlösung zur  Verantwortungsverteilung


Die „Teamlösung“, wie sie Laschet ursprünglich vorschlug, um Merz auszubremsen, hätte das absehbare Versagen bei der notwendigen Parteireform auf mehrere Verantwortliche verteilt, Spahn aber zum Mitschuldigen am weiteren Niedergang gemacht. Das Tandem hingegen, in dem der zum Dank für späteren Dank sich bescheidende Spahn den Spannemann gibt, verwandelt ihn in einen Unverwundbaren. Da aus dem Trümmerhaufen eines verunsicherten Politikerhaufens in keiner derzeit denkbaren Konstellation in Kürze eine Volkspartei neuerstehen wird, darf Spahn hoffen, mit jeder weiteren Spiralwindung Richtung Niedergang als Hoffnungsträger zu wachsen.

Für Spahn ist im Moment nur das wichtig. Er ist der Mann von Übermorgen, er muss sich weiterhin bekannt machen, zeigen, dass er nicht nur der „jüngste und erfolgreichste Minister im Kabinett Merkel“ (FAZ) ist, sondern auch, dass er mehr könnte, alles sogar – nicht wie die Kanzlerin, sondern besser als die. Und besser als Laschet sowieso.

Die anderen müssen siegen, Spahn kann warten


Sein Verzicht auf das höchste Parteiamt, das ihm die Partei ohnehin nicht gegeben hätte, ist so nur ein momentanes taktisches Manöver, mit dem Spahn seinen späteren Durchmarsch vorbereitet. Ihm kann es egal sein, ob Laschet das Rennen macht oder Merz oder der weitgehend belächelte Röttgen, der auf die Doppelkandidatur der beiden Kollegen Laschet und Spahn sofort mit der panikartigen Ankündigung reagierte, er werde eine Frau zu seinem Sozius machen.

Röttgen muss jetzt siegen, sonst wird es nichts mehr. Auch für Merz ist es der letzte Versuch, bundespolitische Bedeutung zu erlangen. Spahn dagegen kann warten, notfalls sogar eine ganze Legislaturperiode mit einem Kanzler Laschet lang. Danach wäre er, gerade erst Mitte vierzig dann, im besten Alter, den Konservativen in einem schwarz-grünen Regierungstandem mit Robert Habeck zu geben.

Die Ära Armin Laschet wäre nur ein Interludium gewesen, eine Schrecksekunde, in der ein Merkel-Getreuer die Straße weiterfährt, auf die die Dauerkanzlerin des dritten Jahrtausends abgebogen ist.

Flüchtlingszustrom 2.0: Abwehrfront "allererste Priorität"*

Greichenland wehrhaft
Ursula von der Leyen (5.v.l.) kennt sich mit Generalstabsarbeit aus.An ihr und ihren Männern ist kein Vorbeikommen.
Nach der türkischen Grenzöffnung reist die EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen in die Grenzregion. Für die Bewältigung der angespannten Lage an der Außengrenze stellt die EU Griechenland 700 Millionen Euro in Aussicht – das Geld soll für ein bislang einzigartiges Experiment verwendet werden. Zugleich warnte die neue mächtigste Frau der Welt die Türkei: Wer denke, der täusche sich.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat Griechenland bei der Sicherung der Grenze gegen den Ansturm von Migranten demonstrativ den Rücken gestärkt. "Diejenigen, die die Einigkeit Europas auf die Probe stellen wollen, werden enttäuscht sein", sagte sie mit Blick auf den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, der zur Zeit ihrer Ansage allerdings in Ankara weilte. "Wir werden die Stellung halten und einig bleiben", sagte die Kommissionspräsidentin bei einem gemeinsamen Grenzspaziergang mit dem griechischen Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis entlang der vordersten Frontlinie, an der griechische Armeeeinheiten und Bereitschaftspolizei den ersten Ansturm des "Angriffs" (Sebastian Kurz) der türkischen Hilfstruppen abgewehrt haben.

Frontex an die Front


Verstärkt von Frontex-Einheiten, die in den kommenden Monaten und Jahren eintreffen sollen, bleiben die griechischen Truppen an der Grenze zur Türkei in hoher Alarmbereitschaft. Als glücklicher Umstand erweist sich nun, dass die Griechen trotz Rekordverschuldung nie nachgelassen haben, mehr Geld als irgendein anderes europäisches Nato-Land für die Verteidigung der EU-Südgrenze auszugeben.

An den 1.345 Kampfpanzern (Deutschland 255), 187 Kampfflugzeugen (Deutschland 128, 10 einsatzfähig), 547 Selbstfahrlafetten (Deutschland 108), 467 Feldgeschützen (Deutschland 0), 116 Raketenwerfern (Deutschland 80), dreizehn Fregatten (Deutschland 9) und elf U-Boote (Deutschland 6, einsatzfähig 1) kam der erste Ansturm von Migranten zum erliegen. Die Dynamik der türkischen Offensive sei gegenüber den Vortagen sowohl an Land als auch über See bereits zurückgegangen, hieß es amtlich aus Berlin.

Von der Leyen sagte Griechenland die Solidarität der EU-Mitglieder zu. "Unsere allererste Priorität besteht darin, die Außengrenzen zu schützen." Die Formulierung "allererste Priorität" ist EU-Deutsch und bedeutet übersetzt "vorrangige Vorrangigkeit". Die Formulierung weist auf eine sogenannte horizontale Listung der wichtigsten Aufgaben hin, wie sie in Brüssel üblich ist. Dabei gelten alle jeweils gerade aktuellen Themen als besonders wichtig, darunter Klima, rechte Bedrohung, Digitalisierung, Handel, Trump, Europäisierung, Demokratieerziehung von Polen und Ungarn, Russland, Syrien, Bekämpfung der Fluchtursachen, CO2-Steuer, Finanztransaktionssteuer, Thüringen sowie rund 22 andere.

Von der Leyen, als ehemalige Verteidigungsministerin vertraut mit Generalstabarbeit auf Weltniveau, beurteilte die abfahrbereiten Einheiten der EU-Grenzschutzbehörde Frontex als einsatzbereit. Die EU werde mehrere Küstenschutzboote, ein Flugzeug und hunderte Grenzschützer an die griechische Grenze schicken. Bei dieser Zusicherung handelt es sich um das übliche Prozedere. In der Vergangenheit hatte die EU immer wieder rein symbolisch Grenzschützer nach Griechenland geschickt. Statt bisher 13 Milliarden Euro darf Frontex zwischen 2021 und 2027 fast 35 Milliarden Euro ausgeben. Die gemeinsame Grenzschutz-Agentur wird zudem in EBCA umbenannt und sie darf ihren Personalbestand bis 2027 von tausend auf 10.000 Grenzbeamte verzehnfachen, falls ausreichend Fachkräfte gefunden werden.

Guter Rat ist billig


Bis dahin aber ist guter Rat billig. So erhielt die Türkei zuletzt gerademal 32 Millionen Euro aus Deutschland als dem größtem Profiteur des Flüchtlingszustroms, der als letzte  Hoffnung des zusehends überalternden Landes auf frische und leistungsbereite Fachkräfte gilt. Den Griechen  versprach Ursula von der Leyen jetzt 700 Millionen Euro Finanzhilfe, die als Zehn-Euro-Scheine aus der EZB-Druckerei in Frankfurt geliefert werden sollen. Mit Hilfe der Scheine will die EU versuchen, den Grenzzaun zwischen Europa und Asien komplett blickdicht abzudichten. 70 000 000 Scheine ergeben nach Berechnungen von Frontex-Mathematikern eine Fläche von rund 600.000 Quadratmetern.

Das sind 84 komplette Fußballfelder, über die von der asiatischen Seite künftig nicht mehr in die Weltfriedensnobelpreisgemeinschaft geschaut werden kann. Das soll neidische Blicke der vor Krieg, Tod und Putin geflüchteten Menschen aus Syrien, dem Irak, Afghanistan, Iran und Nigeria unmöglich machen. Zugleich sagte von der Leyen, sie habe Mitleid mit den Migranten, die mit falschen Versprechungen in eine verzweifelte Lage gelockt worden seien.

Der türkische Präsident hatte am Wochenende eine Öffnung der Grenze zur EU verfügt, ohne dass Griechenland und Bulgarien ihre zugleich geöffnet hätten. Tausende Flüchtlinge nahmen dennoch an, der Weg nach Europa über die Balkanroute sei wieder frei.

* Ursula von der Leyen: "Allererste Priorität" 

Mittwoch, 4. März 2020

Corona-Koma: Kein schöner Land in dieser Zeit



Gerade noch überall, plötzlich von der Bildfläche verschwunden wie ein Spuk. Schneller noch als die deutschen Supermarkt-Regale hat das Corona-Virus die Agenda der Medien geändert. Eben noch Weltuntergang in Thüringen, Viertes Reich und Höckes Machtübernahme, Klimakrieg und Ablassteuer. Und nun trotz eines neuen Flüchtlingszuges ins Herzland des Rassismus die kalte Logik der Google-Analyse: Die Menschen draußen im Lande, sie suchen nach Corona. Und Corona. Und Corona. Und niemals meinen sie das Bier.

Es ist die Furcht, die Angst und ein wenig auch die gute alte Gruselschule aus unendlich vielen Apokalypsethrillern, Hollywoodreißern und Millennium-Schlagzeilen, die alles wegspülen, was eben sonst noch war. Der Prepper in seinem Mecklenburger Gartenbunker lacht leise. So lange die Handynetze noch funktionieren, kommen Anrufe rein: Bring noch ein paar Büchsen mit. Kann nicht schaden.

Der Ausnahmezustand ist Alltag, aber er wirkt nicht allzu außergewöhnlich. Es ist kein schöner Land in dieser Zeit! Die Temperaturen mild, der Winter frühlingshaft. Wonnemonat März! Im Film geht alles schnell, im richtigen Leben schleppt sich die Pandemie, so dass selbst die Bundesregierung noch die Chance bekommt, Vorsorgemaßnahmen zu beschließen. Für nächstes Mal werden schon mal Atemmasken auf Vorrat bestellt. Und Handwaschpaste. Sogar die Abhängigkeit Europas von Arzneien aus China will sich der künftige Sozius an der CDU-Spitze bei Gelegenheit mal anschauen. Müsste man "senken". Möglichst.

Der Einbruch der Wirklichkeit mit ihren echten Wetter ist immer schrecklich für Gärtner, die ein Gewächshaus führen. Und dann noch diese doppelte Belastung: Das Virus und die Flüchtlinge, und keines von beiden lässt sich wegreden. Man müsste mal vor Panik warnen, würde das nicht gleich zu Panik führen. Oder über die Pandemie aufklären, aber so, dass die Leute ruhig bleiben. Dazu muss die Bundesliga auf jeden Fall weiterspielen, das ist klar. Und dass Thüringen die rückabgewickelte Wahl wiederholt, ist auch gut.

Statt einer Corona-Bremse oder eines übereilten Totalverbotes für neuartige Viren, die womöglich Teile der Bevölkerung beunruhigen könnten, greift die Bundesregierung zu einem drastischen Mittel: Formblätter für Reisende aus fremden Ländern müssen schriftlich angeben, ob und wie krank sie sich fühlen. Damit kann die Spur sogenannter Durchseucher später genau aufgedröselt und alle angesteckten Kontaktpersonen können zielgenau auf Virenbefall untersucht werden.

Wenn das nochmal gut geht, dann dank privater Vorsorge, für die jetzt überall getrommelt wird. Beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz ist der Notfallratgeber gerade vergriffen, aber bald wird nachgedruckt. Bis dahin informieren Sie sich bitte bei den Leitmedien. Ein Abo sollte das Überleben schon wert sein.

Linke: Ein Stasi-Mann für Thüringen

Das große Comeback: Ein Mann Mielkes führt die Geschäfte der Linken in Thüringen.

Drei Jahrzehnte hat es gedauert, aber nun endlich ist es soweit. Waren bisher bei der Integration ehemaliger Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR trotz deren unanzweifelbarer Fachkenntnisse Vorbehalte und Misstrauen eher die Regel als die Ausnahme, bietet das zuletzt wegen offenkundig grassierender Nazi-Bestrebungen so sehr kritisierte Thüringen den Betroffenen MfS-Angehörigen jetzt eine Rückkehr in die Gesellschaft an.


Beispielhaft dafür steht das Schicksal des heute 57-jährigen früheren DDR-Grenztruppenoffiziers und Stasi-IM Mathias Günther, der offen mit seiner Vergangenheit umgeht und sich aus Rücksicht auf die durch die Toten an der Grenze und die vom MfS gebrochenen Biografien "ein Jahrzehnt lang nicht für ein öffentliches Amt beworben" hatte, wie seine Partei Die Linke mitteilte.

Das ist wahre Demut, das ist Buße. Irgendwann ist aber auch mal gut und wer mit 23 bei der Stasi unterschrieb, um Karriere zu machen, war sich über "das Ausmaß der Überwachungstätigkeit des MfS, das damit verbundene tief sitzende Misstrauen gegenüber der eigenen Bevölkerung und der letztlich Menschen schadende und in der Ausübung ihrer Grundrechte einschränkende, repressive Charakter dieser staatlichen Strukturen“ nicht bewusst, wie Günther selbst in einer "persönlichen Erklärung" angegeben hat.

Das ist heute anders, heute weiß er es besser und deshalb steht einem größeren persönlichen Engagement des bisherigen Kreisvorsitzender der Linken in Hildburghausen auch nichts im Wege. Die Delegierten des Parteitages der Linken in Erfurt jedenfalls öffneten dem 57-jährigen jetzt Herzen und Türen und wählten ihn mit 74 Ja- von 129 abgegebenen Stimmen als neuen Geschäftsführer der Partei. Gegen Günther stimmten 37 ewiggestrige Delegierte, 18 Delegierte enthielten sich.

Eine kleine Mehrheit für den früheren Berufsoffizier, ein großer Sprung für eine Gesellschaft, die sich bislang noch stets gescheut hatte, ehemalige Ex-Stasi-Spitzel, SED-Funktionäre und Grenztruppenoffiziere genauso zu behandeln wie NSDAP-Mitglieder, SS-Leute und hochrangige Mitarbeiter von Hitlers Völkermorddiktatur.

Deren Maßnahmen zur Säuberung der Gesellschaft von  unwertem Leben faszinieren inzwischen auch wieder gute Genossen auf der linken Seite, wie die letzte Strategiekonferenz der Linken zeigte . Dort kam zur Frage, wie sich der CO2-Ausstoß senken ließe, der vor allem von Reichen und Superreichen  verursacht werde, der originelle Vorschlag, das eine Prozent der Reichsten doch einfach zu erschießen.

Ob nur das eine Prozent der derzeit Reichsten oder fortlaufend jeweils das eine Prozent der nach jeder Erschießungsrunde Reichsten, wurde nicht gesagt, Bernd Riexinger aber, einer der großen alten weißen Männer der umbenannten SED, schlug vor, sie gar nicht zu töten, sondern stattdessen lieber in neuzugründende Gulags zu stecken. Die Linke nämlich ist human, eine "Brandmauer" (Ramelow) gegen alles rechts von links und wenn es heute klappt der Machtergreifung in Thüringen, auf die der im ersten Anlauf gescheiterte Ministerpräsident Ramelow nach der vom Kanzleramt veranlassten Rückabwicklung des ersten Wahlgangs hofft, wäre auch ein Mutterland da, in dem die ersten Lager eröffnet werden könnten.

Dienstag, 3. März 2020

Gerüchteküche: Todeszone Türkei

1.400 Kilometer liegen zwischen Idlib und Edirne, außer in der Süddeutschen Zeitung, da grenzt Idlib an Griechenland.

Überall und ruhelos sind die Fake-News-Jäger von Mikimaka und der Antonio-Stiftung in diesen heißen Tagen des Kampfes gegen Viren, Rechtsextremne und Klimaleugner unterwegs, um Falschbehauptungen aus Moskau, von Donald Trump und aus AfD-nahen Kreisen zurück in die Schandschleudern der Demokratiefeinde zu stopfen.

Gezielte Fake News wie die von "Spiegel" und "Tagesschau" derzeit breitbandig gestreute Nachricht, dass Griechenland sein Asylrecht "ausgesetzt" habe, stehen zwar noch unwidersprochen im Medienraum, obwohl Griechenland zur EU-Wertegemeinschaft gehört und Grundrechte gar nicht aussetzen kann. Doch andere Gerüchte scheinen auf den ersten Blick so obskur, dass ihre virale Verbreitung in den sozialen Netzwerken nur eine Frage der Zeit sein dürfte. Alles, was nahezu unvorstellbar scheint, läuft dort besonders gut.

Dass weiß offenbar auch Stefan Kornelius von der Süddeutschen Zeitung, der beim Versuch, die wiederaufflammende Flüchtlingskrise mit einer ganz neuen Theorie zu erklären: Dort unten am Rande Europas würden die "Geflüchteten am türkischen Grenzzaun stehen, im Rücken den Tod und vor sich den Stacheldraht", schreibt der meinungsstarke Kenner der vorderasiatischen Geografie, der nur einen Ausweg sieht: "Diese Bilder darf Europa nicht ertragen. Die EU muss schleunigst eingreifen."

Nun ist die Türkei kein freies Land im abendländischen Sinne, so dass sie manch einem Besucher immer schon ein wenig eng vorkam. Doch so eng? Dass Flüchtlinge aus Idlib und der syrischen Grenzregion direkt zwischen türkischer und griechischer Grenze landen, kaum dass sie sich aufgemacht haben, dem Morden der vielen verschiedenen  Parteien daheim zu entfliehen?

Es sind immerhin 1.400 Kilometer von Idlib nach Edirne, für einen eiligen Wanderer eine Strecke von 50 Tagen. Dass Menschen, die sich nach Assads jüngsten Angriffen auf die Islamistenhochburg Idlib zur Flucht entschlossen haben, schon nach 15 Tagen" am türkischen Grenzzaun stehen, im Rücken den Tod und vor sich den Stacheldraht", deutet auf fantastische Fortbewegungsfähigkeiten hin. Oder darauf, dass die syrische Grenze samt dem Tod dahinter weit Richtung Norden gerückt ist und Assad im Grunde genommen schon unmittelbar vor den Außengrenzen der EU steht.

Stefan Kornelius jedenfalls ist überzeugt davon, dass 83 Millionen Türken in einem Land leben, das allein den "Tod" (Kornelius) bedeutet. Deshalb müsse "die Europäische Union schleunigst ihre Instrumente sortieren, mit denen sie in diesen Krieg eingreifen kann", heißt es kundig. Vielleicht kann die Bundeswehr ihre 130 kaputten Eurofighter schicken, um die türkischen Reparaturkapazitäten zu überfordern. Oder die EU bringe "Wladimir Putin und Recep Tayyip Erdoğan zur Einsicht und zur Vernunft", indem man beide "mit Sanktionen" (Kornelius) zwinge, "eine neue syrische Ordnung" (Kornelius) zu schaffen, in der "Baschar al-Assad vom Diktatoren-Schemel gestoßen wird und das Gemetzel ein Ende findet".

Dann vielleicht kann auch die Grenze zurückverlegt werden.

Trump und die Taliban: No pasarán, Herr Präsident

Trump Zeichnung Augenzwinkern
Trump sammelt mit dem Taliban-Abkommen Punkte, aber deutsche Medien hoffen, dass Corona ihm am Ende doch das Genick bricht.

Es war der heute weitgehend aus der Geschichte der deutschen Sozialdemokratie ausgelöschte Kurt Beck, der damals die Idee hatte. Warum nicht "gemäßigte Taliban" dazu überreden.
den ganze Glaubenskrieg mal sein zu lassen und stattdessen Gespräche mit den Kopfabschneidern vom Hindukusch führen. Sigmar Gabriel jedenfalls, nach Beck Parteivorsitzender, fand die Idee gut.  Der heute als Rechtsausleger geltende Ex-SPD-Chef war zumindest im Nachhinein schon immer für das große "Einbinden", für das Völkerverbinden, die "innere Zivilität" (Gabriel) und Befriedung durch Rückzug.

Obama und die Taliban




Die deutschen Medien blieben skeptisch, umso mehr, als die Koranschüler dem beliebten Barack Obama die kalte Schulter zeigten. Von rechts bis links wurde der einäugige Taliban-Oberpriester Mullah Omar zitiert, dem Wächter über das Reinheitsgebot bei Rückwärtsgewandheit, Gewalttätigkeit und religiöser Rigorosität: Die Vorstellung, es gäbe moderate Taliban, mit denen Obama reden könne, sei Wunschdenken des US-Präsidenten.

Ein Unmöglichkeit, mit diesen Typen zu reden, zu verhandeln gar und dann auch noch zu einer Einigung zu kommen. Und umso schlimmer, wenn es dann doch passiert. Kaum hatte US-Präsident Donald Trump ein historisches Abkommen mit den Taliban verkündet, das es den USA erlauben soll, ihre Truppen binnen eines Jahres aus Afghanistan abzuziehen, reagierte die Bundesregierung wie zuletzt regelmäßig. Von Berlin aus breitete sich ein großes Schweigen über das Land. Kein Glückwunsch, kein Wort der Erleichterung, keine Zustimmung. Gerademal, dass Bundesaußenminister Heiko Maas schmallippig teilte, es sei jetzt entscheidend, "dass die Taliban die Gewalt weiter reduzieren". Dann sei Deutschland bereit, einen innerafghanischen Friedensprozess maßgeblich zu unterstützen.

Kabul wartet auf Berliner Ratschläge


Auf nichts anderes warten die Menschen in Afghanistan in diesen Tagen mehr, denn Deutschlands Position in dieser Frage ist 360-Grad-flexibel. Ob die Bundeswehr, deren Afghanistan-Mission gerade erneut verlängert wurden, auch am Hindukusch bleibt, um Deutschlands Freiheit zu verteidigen, wenn die US-Truppen wieder daheim sind, verriet Maas nicht. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, eben noch zum Truppenbesuch in Deutschlands vorderster Linie,ging auf Nummer sicher und schwieg ganz. Selbst der alte Afghanistan-Veteran Sigmar Gabriel meldete sich nicht zu Wort.


Es ist die Option, zu der auch die großen deutschen Medien greifen. Schon während der Verhandlungen mit Mordkorea, beim Handelskrieg mit China, beim Armdrücken mit Mexiko um einen neuen Handelsvertrag, im Zollkrieg mit der EU, im Impeachment-Verfahren und bei der russischen Wahlkampfbeeinflussung waren die Schlagzeilen immer dann groß, wenn sich Trump am Zeug flicken ließ. Wird nichts! Geht schief! Alles Lüge! Alles nur Wunschdenken des US-Präsidenten!, so trötete es landauf, landab, je lauter, je weniger nahe die Kritik der Wahrheit kam.

Nur Corona kann ihn stoppen


Diese Phase scheint nun zumindest vorüber. Selbst der "Spiegel", ehemals das Sturmgeschütz des Sturmgeschwätzes gegen den Präsidenten, knirscht heute nur noch kaum vernehmlich mit den Zähnen. Es wirkt ganz so, als habe man den Kampf aufgegeben. Und alle Hoffnung hänge am Corona-Virus: Denn sterben ausreichend viele Menschen, geht die Wirtschaft ausreichend in die Knie, werden genug Amerikaner arbeitslos, dann verliert Donald Trump die Wahl.

Montag, 2. März 2020

Streetscooter: Der gelbe Riese und der Stromtransporter

Die Kombination war unschlagbar. Weil VW, Daimler und Co. die Elektromobilität trotzig vernachlässigten, um ihre umweltvernichtenden SUVs verkaufen zu können, griff die Deutsche Post AG vor vier Jahren zur Selbsthilfe. Mit dem E-Scooter baute sich das bundeseigene Unternehmen das E-Auto selbst, das die Weltwirtschaft bis dahin nicht zu liefern vermochte.

Hässlich, gelb und unbequem, weil die schwache Batterie nicht einmal zuließ, dass die Auslieferungsfahrer im Winter eine Heizung wärmte, wurde der Scooter zum Erfolgsmodell im Medienkampf um ein flippiges elektrisches Image. Ab und zu brannte einer aus. Aber "blamiert war die deutsche Fahrzeugbranche", freute sich der "Spiegel", der von den Anzeigen der umweltvernichtenden Traditionshersteller lebt, indem er den Kauf von Audi, BMW und Daimler auf seinen Anzeigenseiten propagiert. Im redaktionellen Teil aber am liebsten aber so tut, als täte er das nicht.

Der Streetscooter der Post war also ein riesiger Erfolg, nur nicht in wirtschaftlicher Hinsicht. 70.000 Fahrzeuge im Jahr hatte der jüngste deutsche Autokonzern eines Tages bauen wollen, dann auch für andere Abnehmer als den eigenen Stall, denn ein vergleichbares Fahrzeug gab es ja auf der ganze Welt nicht. Hunderttausende, ja, Millionen Transportunternehmen, Handwerksbetriebe und Rettungsdienste warteten nur auf ausreichende Stückzahlen des "umweltfreundlichen Transporters" (Spiegel), der immer weiter entwickelt wurde. Schon die nächste Generation würde mit "feiner Sensorik ausgestattet", die es dem Scooter dann erlauben würde, "den Paketzustellern auf ihren Fußwegen zu den Häusern entlang der Straße langsam und vollautomatisch zu folgen". Langfristig, das hatten sie bei der Post errechnet, würde der Betrieb der Streetscooter sogar billiger als die umweltschädlichen Dieselfahrzeuge, die bislang im Einsatz sind: Preiswerter Ökostrom und eine clevere Bauart, die das Wechseln von Verschleißteilen vereinfacht, ergaben eine geradezu wundersame Mischung.

Drei Jahre später hatten die Scooter immer noch keine Heizung, sie fuhren ihren Fahrern auch nicht automatisch hinterher. Dafür aber kosteten sie die Deutsche Post Jahr für Jahr Millionen und alle Pläne, den Weltmarkt aufzurollen, waren eingemottet worden. Stattdessen suchte der Dax-Konzern, die die deutschen Autohersteller so "blamiert" (Spiegel) hatte, nun einen Käufer für die malade Sparte, die zwar kein "CO₂ und Lärm emittiert", dafür aber Kilometerkosten sammelt, die jede Fahrt unwirtschaftlich macht.

Ohne dass Besserung in Sicht ist. Obwohl der Streetscooter für einen Einsatzbereich gedacht ist, der ideal scheint für Elektroantriebe, die allenfalls für kurze Strecken und geringe Geschwindigkeiten geeignet sind, scheiterte der Streetscooter im Alltagsbetrieb. So deutlich, dass niemand die zwei Produktionsstätten, die Mitarbeiter, das Knowhow und die von der Post ausgelobte Mitgift haben wollte. Nach einem Verlust von mehr als 200 Millionen Euro, die die Herstellung und der Betrieb der Streetscooter die Post bislang gekostet hat, stellt das Bundesunternehmen die Herstellung des Bundeselektrolieferwagens noch im Laufe des Jahres 2020 komplett ein.


PPQ: Von der Elektromobilität zur Elektromorgana

Corona-Apokalypse: Selbstschutz mit Scheuerlappen

Faltanleitung Scheuerlappen Gasmaske
Handelsübliche Scheuerlappen aus DDR-Produktion lassen sich in wenigen Minuten zu wirksamen Atemschutzmasken falten.

Panikmache, das Schüren irrationaler Ängste, das Wecken von Furcht vor fehlenden Schutzmasken in Iserlohn und zahlreiche falsche Behauptungen über Lieferengpässe schon weit vor dem Eintreten der großen Corona-Apokalyspe: Zeiten des Weltuntergangs sind immer auch Zeiten der Unsicherheit. Welche Seife hilft? Welchem Desinfektionsmittel kann ich jetzt noch vertrauen? Wie lange bleiben Bazillen gefährlich, die ich aus Italien mitgebracht haben? Und welche Hausmittel können wie daheim angewendet werden, wenn sich der Weg zum Fachmediziner schon nicht mehr lohnt?

Vor elf Jahren schon schürte der "Spiegel" Panik.
Vieles wissen wir, anderes nicht, gerade das aber wird überall verschwiegen. Unruhe macht sich breit, weil die Regale mit den Desinfektionslösungen leer gähnen und die auf Fertigprodukte geeichte Konsumgesellschaft kaum noch Fachkenntnisse darüber hat, wie sich mit handelsüblichen Chemikalien Ersatzmittel anrühren lassen. PPQ gibt hier Lebenshilfe - Horst Kranheim, zu DDR-Zeiten Oberst der DDR-Zivilverteidigung, gibt nachfolgend hilfreiche Tipps, wie sich  Bürgerinnen und Bürger auf eigene Faust vor dem Übergreifen der Seuche auf den eigenen Körper schützen können, bis die der Krisenstab der Bundesregierung einen Großvorrat an Schutz- und Atemmasken sowie Seuchenseife odern konnte. 

Desinfektionsmittel wie Sacrotan und Bactazol gelten als schärfte Waffe des Zivilschutzes im Kampf gegen Convid-19, sind aber wegen ihres Vermögens, 99,9% der Bakterien, Viren und 90% der Allergene von glatten Oberflächen beseitigen zu können, schon in dieser frühen Durchseuchungsphase weitgehend vergriffen. Für Horst Kranheim, der im Kalten Krieg zum DDR-Zivilschutzstab gehörte und federführend etwa bei der berühmten Schultaschenlösung mitarbeitet, die DDR-Schülerinnen und Schüler verpflichtete, sich bei einem möglichen Atomangriff mit ihrem Ranzen vor dem Kernwaffenblitz und der Strahlung zu schützen, sieht darin kein Problem.

"Handelsübliche Desinfektionslösungen lasse sich problemlos durch Ersatzstoffe ersetzen, die meist sogar wirkungsvoller sind", sagt der 83-Jährige und empfiehlt verunsicherten Bürgern den Gang zur nächsten Sankstelle. "Die Scheibenreiniger, die dort angeboten werden, überzeugen mit großer Reinigungskraft", analysiert er. Vom Discounter-Produkt von Kaufland, das auf den Inhaltsstoff Bitrex setzt, bis zum Marken-Reiniger von Sonax und dem scharfen, aber auch teuren "Dr. O.K. Wack" beizten alle Scheibenreiniger Corona-Viren gründlich weg.

Allenfalls sei darauf zu achten, nicht am falschen Ende umweltfreundlich sein zu wollen. "Der Sommerscheibenreinigertest von Nature Line", warnt Kranheim, "hat zwar eine hohe Umweltverträglichkeit, schadet aber hartnäckigen Belägen auch wenig."

Wem die vergleichsweise sanften Desinfektionsmittel nicht reichten, der solle gern auch tiefer ins Chemieregal greifen. "Toilettenreiniger zum Beispiel sind echte Ausmerzer, was Corona-Viren anbelangt", sagt der frühere Zivilschützer. Im Praxistest sei der Geruch anfangs gewöhnungsbedürftig, doch mit zunehmender Länge der Krise werde darauf aller Erfahrung nach immer weniger geachtet werden. Der reine Normschmutz werde jedoch auch mit Hilfe von hochprozentigem Alkohol in Außenanwendung, durch das Abreiben mit Benzin oder hochkonzentrierten Konzentraten mit Zugaben von Säuren und Tensiden erreicht. "Ein Geheimtipp ist Blondierungscreme", verrät der Schutz-Profi, "das darin enthaltene Wasserstoffperoxid flächig aufgetragen, macht jedem Virus den Garaus."

Die vollständige Angabe der Inhaltsstoffe und die korrekte Kennzeichnung auf den Etiketten hält Horst Kranheim dabei für einen wichtigen Prüfpunkt. Dabei sei nicht nur die Produktstabilität entscheidend, sondern auch die mögliche gesundheitliche Beeinträchtigung. Wer sich regelmäßig mit desinfizierenden Chemikalien abreibe, um die Ansteckungsgefahr zu minimieren, müsse sicher sein, dass der selbstangerührte Ersatzstoff aus chlorhaltigen Reinigern, Salz-, Salpeter- oder Phosphorsäure und Natriumcarbonat oder Natriumhydrogencarbonat nicht zur spontanen Bildung von Chlorgas führe.

Geschehe das aber aus Versehen doch einmal, rät Horst Kranheim zur Anwendung eines anderes Tricks, der auch im allgemeinem Umgang mit der täglichen Ansteckungsgefahr in unzureichender Versorgungslage probat und erfolgversprechend sei. Mit einer Bauanleitung aus DDR-Zeiten gelingt es binnen weniger Minuten, aus einem handelsüblichen Scheuerlappen, einigen Einweckgummis, Sicherheitsnadeln und einem Stück Bindfaden eine Atemschutzmaske zu fertigen, die vergriffenen chinesischen Produkten, deren Seuchenfreiheit keineswegs erwiesen ist, schon im Bezug auf die Luftdichtheit weit überlegen ist.

Sonntag, 1. März 2020

Deutsche Bahn: Zweite Klasse für den Osten

Bahnanlagen nicht betreten
2.500 Kilometer Strecke hat die Deutsche Bahn in den vergangenen 25 Jahren im Osten stillgelegt.

Die deutsche Mobilitätsoffensive zugunsten des Weltklimas geht in die nächste Runde. Nach der Umsatzsteuersenkung auf Bahntickets und die neue Kostenlos-Kultur für Bundeswehrsoldaten in Uniform plant das Staatsunternehmen jetzt massive Preissenkungen, um in Zeiten der grassierenden Virusangst Fahrgäste in die Furchtabteile der fahrenden Ansteckungsräume zu locken. Für 12,90 Euro quer durch Deutschland, lautet das plakative Angebot der Staatstochter, Inhaber sogenannter Bahn-Cards bekommen die Billig-Tickets, die es über den gesamten Monat März hinweg zu kaufen geben soll, sogar für 9,90 Euro.

Die Fahrkarten sind ein halbes Jahr gültig und sie sind als Werbeaktion gedacht, wie der Vorstand Personenverkehr der Deutschen Bahn erklärt hat. Man wolle "endgültig mit dem Vorurteil aufräumen, die Bahn sei zu teuer“, sagte Berthold Huber.

Das hängt der früheren Reichsbahn an, weil die Bahn ihre Preise in den zurückliegenden Jahren um mehr als ein Drittel erhöht hatte. Kommunale Unternehmen wie die BVG in Berlin schafften zwar sogar 40 Prozent, der Mitteldeutsche Verkehrsverbund rund um Leipzig sogar rekordverdächtige 57 Prozent. Doch der Benzinpreis wurde klar abgehängt: Zwar lag er 2004 noch bei 1,15 Euro pro Liter und derzeit werden 1,45 Euro aufgerufen. Doch damit stieg er insgesamt in den vergangenen 15 Jahren nur um etwa 25 Prozent. Seit dem Rekordhoch von 2012, als Benzin 1,67 Euro kostete, ist Autofahren sogar 15 Prozent billiger geworden.

Die Bahn macht nun zumindest symbolisch mobil gegen den hart erarbeiteten Ruf, sie erhöhe unter Verweis auf steigende Energiekosten Jahr für Jahre ihre Preise, senke sie jedoch nie, wenn der Ölpreis sinke. Zunächst soll im Rahmen der Aktion ein Kontingent von etwas mehr als einer halben Millionen Billigtickets angeboten werden - angesichts der Fahrgastzahlen der der Bahn, die bei etwa 2,6 Milliarden Menschen pro Jahr liegt, eine zu vernachlässigende Größenordnung. Bedient werden zudem nur ohnehin vielbefahrene Strecken in der alten Bundesrepublik - Huber nannte Köln - Frankfurt, Dortmund - Hamburg, Essen - Bremen oder Düsseldorf - Mainz als Beispiele.

Ostdeutschland, ein Gebiet, in dem die Deutsche Bahn seit 1994 etwa 2.500 Kilometer Bahnstrecke für alle Zeiten stillgelegt hat, bleibt bei der Werbeaktion außen vor. Hier gilt weiter der Normalpreis, den man sich leisten können muss.

Sachsen-Anhalt: Staatsziel doppelte Rente

Es ist der letzte Wagen im Bundeszug, eine weitgehend menschenleere Gegend, unauffälliger als das dunkeldeutsche Hass-Sachsen, aber tief im Inneren ein Thüringen in spe. Sachsen-Anhalt gilt als als verlorener Landstrich, die letzte bundesweite Aufmerksamkeit, die das an der "Straße der Gewalt" gelegene Armenhaus des ehemaligen Ostens zu erregen vermochte, verdankte es der "Initiative Holzweg", die für ein komplette Renaturierung des Wolfserwartungslandes stritt, aber, wie alle Initiativen aus den Regionen um Magdeburg, wie immer scheiterte.

Immer die rote Laterne


Sachsen-Anhalts föderale Funktion ist die, bei Wirtschaft, Wirtschaftswachstum, Einkommen, Überalterung, Lebenserwartung und Arbeitslosigkeit die rote Laterne zu halten. Eine wichtige Aufgabe, der sich die rund zwei Millionen Abgehängten zwischen Ahrendsee und Zeitz mit aller Kraft widmen, angeleitet von einem Landesparlament, in dem eine demokratische Mehrheit aus Linker, CDU, Grünen und SPD gegen ein Viertel rechtspopulistischer Abgeordneter ankämpft, die jede Gelegenheit nutzen, die Menschen draußen auf den Straßen rechtspopulistisch aufzuwiegeln.

Auch beim Thüringen-Vorsorge-Paket, das der Landtag gerade mit den Stimmen des demokratischen Blocks beschloss, war das so: Die AfD weigerte sich, dem neuen Staatsziel Antifaschismus, dem neuen Staatsziel Tierwohl und dem neuen Staatsziel Weltfrieden zuzustimmen, auf die sich alle Parteien neben einer Verlängerung der Wahlperiode, höheren Rentenansprüchen für parlamentarische Funktionsträger und eingedampften Oppositionsrechten im Parlament geeinigt hatten, um Thüringer Verhältnis nach der Landtagswahl im kommenden Jahr auszuschließen.

Dabei war das Paket beispielhaft für die hohe Kunst der Politik, die stets nur das Machbare umsetzen kann, das nicht machbar Scheinende aber auf andere Weise realisieren muss. Um die Landesverfassung zu ändern, braucht es eine Zweidrittel-Mehrheit im Landesparlament, die sich nur über einen überparteilichen Konsens erreichen lässt. Den erarbeiteten CDU, Linke, SPD und Grüne in monatelangen Verhandlungen, indem jede der beteiligten Parteien sich etwas wünschen durfte. Als alles durchgekaupelt und beschlossen war, ging es ganz schnell: Erste Lesung Mittwoch, zweite am Freitag. Fertig.

Höhere Renten gegen Hitler


Die Grünen bekamen ein niedrigeres Quorum für Volksabstimmungen, gerade noch hoch genug, um unliebsame Initiativen ebenso wirksam abzuschrecken wie bisher. Die SPD erhielt Transparenz für Ausschusssitzungen, die nun ebenso öffentlich sein sollen wie die Landtagssitzungen, deren Internetübertragungen in der Regel ebenso ohne Zuschauer stattfinden wie die sonstigen Videobotschaften des Landes.. Die CDU setzte sich mit ihrer Forderung nach verdoppelten Rentenansprüchen für Funktionsträger der Parteien und eine bedingungslose Schuldenbremse durch, die dem am nach dem Saarland am höchsten verschuldeten Flächenland helfen soll, den Eindruck zu erwecken, die Lage sei im Griff. Und die Linke triumphierte mit einem späten Sieg über den Hitlerfaschismus: Erstmals in der deutschen Nach-DDR-Geschichte wird Antifaschismus wieder Staatsziel.

Erstmals seit Außerkrafttreten der DDR-Verfassung werden antifaschistisch-demokratische Errungenschaften damit wieder in einer deutschen Verfassung festgeschrieben. "Die Wiederbelebung oder Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts, die Verherrlichung des nationalsozialistischen Herrschaftssystems sowie rassistische und antisemitische Aktivitäten nicht zuzulassen, ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt und Verantwortung jedes Einzelnen", steht nun im neuen Paragrafen 37a der Landesverfassung. Ein kleiner Schritt für den Landtag, ein großer für Fraktionsvorsitzende, parlamentarische Geschäftsführer und andere Parteifunktionäre, die ihre Funktionszulagen bisher von ihren Fraktionen bekommen mussten, künftig aber direkt vom Land bezahlt werden. Damit zählen die bis zu 100 Prozent der Diäten betragenden Zulagen 1:1 künftig für die Rente mit.

 Klare Signale für die Welt


Diese vielen fortschrittlichen Veränderungen in ein Paket zu schnüren, ist wahre Staatskunst. Wer gegen höhere Rentenansprüche für gutbezahlte Spitzenpolitiker ist, konnte das nun nur noch sein, indem er sich gegen den Antifaschismus ausspricht. Wer die Streichung der 14-Tage-Frist für die Wahl eines Ministerpräsidenten nach einer Landtagswahl und die Angleichung der Rechtslage an die in Thüringen für kein besonders probates Mittel hielt, Thüringer Verhältnisse zu verhindern, musste sich dazu explizit gegen mehr Transparenz im Landesparlament aussprechen. Und wer ein rein symbolisches Staatsziel wie das nicht näher bezeichnete "Tierwohl" für Humbug hält, war gezwungen, Hitler durch die Ablehnung des Kampfes gegen den Faschismus die Tür zu öffnen.

Eine Gewissenentscheidung, mit der die Demokraten unter den 87 Abgeordneten ein klares Signal in die Welt hinaus sandten. Außer den Nazis im Parlament stimmte am Ende niemand gegen die höheren Renten für Funktionspolitiker.