Mittwoch, 20. April 2016

Zitate zur Zeit: Das letzte und entscheidende Wort

Es wäre für die Demokratie in Europa sicher hilfreich, wenn deutsche Kommentatoren bei Wahlen außerhalb der Grenzen der Bundesrepublik das letzte und entscheidende Wort hätten.

Broder bei achgut.com


Kommando Freital: Die Böllerbomber aus dem Dunkelwald

Terror vom Tschechenmarkt: Ausländische Händler munitionieren deutsche Ausländerhasser auf - und was tut die Bundesregierung?
Letztes Jahr war es die Nazi-Terrorgruppe Old School Society, die sich auf Facebook zum Morden verabredete, glücklicherweise aber durch einen Anti-Terror-Großeinsatz gestoppt werden konnte, ehe es zum Alleräußersten kam, einem Treffen im wahren Leben. Jetzt legt die Bundesanwaltschaft scharf nach: Nach einwöchigen Ermittlungen konnte die GSG 9 gestern "eine Zelle rechter Terroristen ausheben" (Die Zeit) die zuvor "ungestört" hatte "wachsen" können (Die Zeit).

Und wie wachsen! Als die nun festgenommenen vier Männer und eine Frau im September vergangenen Jahres mutmaßlich zum ersten Mal zur Terrortat schritten, las sich das Ergebnis noch so: "In Freital bei Dresden haben Unbekannte in der Nacht zu Sonntag mit einem Böller einen Anschlag auf eine Flüchtlingswohnung verübt. Auch ein zweites Attentat der Verdächtigen wurde zeitnah von den direkt Angegriffenen nicht eher trocken beschrieben: "Es wurden mehrere Scheiben zerstört. Zudem wurden die Fassade, ein Fahrrad und ein Teil der Inneneinrichtung beschädigt." Beim dritten Versuch erlitt nach damaligen Berichten ein 26-Jähriger "Schnittwunden an der Stirn, als in der Nacht vor seinem Schlafzimmerfenster in Deutschland nicht zugelassene Pyrotechnik explodierte".

Die Polenböller, von Ultra-Gruppierungen als "La Bomba" verehrt, hat sich während der Ermittlungen seitdem auf zauberhafte Weise verwandelt. Nun sind es nicht mehr Knaller mit etwas mehr Rumms, sondern es ist "Sprengstoff aus Tschechien" (Deutsche Welle) mit dem, das folgt daraus logisch, "Sprengstoffanschläge" (Kölner Stadtanzeiger) begangen wurden.

Passt alles. Die Böllerbomber aus dem Dunkelwald tief drüben im Osten werden in Minuten zu einer Art RAF von rechts, die nicht aus durchgeknallten Halbhirnen, sondern aus professionell getarnten Super-Killern besteht. Von "Strukturen" ist die Rede, wenn es darum geht, dass die Beteiligten sich aus der Kneipe, vom Nazi-Konzert oder sonst irgendwo aus der Gosse kannten. 200 Spezialeinsatzkräfte reichten gerade so, die "Rechtsterroristen" dingfest zu machen. Und dabei "100 Feuerwerkskörper aus Tschechien" sicherzustellen. Die Sorte, von der allein die bayerische Polizei jedes Jahr 2,5 bis 3,5 Tonnen sicherstellt.

Wie hypnotisiert singt der Medienchor eine Terror-Tonart. "Schwerer Schlag gegen den rechten Terror", sagt Thomas de Maiziere, stolz darauf, dass es seinen Ermittlern gelungen ist, die Facebook-Seite der öffentlich agierenden "Bürgerwehr Freital/ FTL 360" einzusehen, auf der die beiden bereits im November festgenommenen Anführer der Bürgerwehr Fotos von den Folgen der Böllerwürfe dokumentierten.

Der neue Generalbundesanwalt Peter Frank, immer noch im Unklaren darüber, wer oder was eingentlich die NSU war, wie viel Staat in ihr steckte und weshalb sie in einem Wohnmobil endete, hat ein "wichtiges Zeichen" (taz) gesetzt: Mit den Polen-Böllern sollte die "Demokratie weggesprengt" werden. Vergleiche mit dem NSU werden gezogen, es wird von Opfern fabuliert und davon, wie viel Schlimmeres nun wohl verhindert worden sei. Paris ist ganz nah, Brüssel sowieso. Je suis Knalleropfer.

Gründlicher ist Terror womöglich noch nie verharmlost worden, um "konsequentes Durchgreifen" zu simulieren.

Denn das sähe ganz anders aus und müsste vor allem auf eine europäische Lösung setzen. Dieser Terror hier kommt nämlich vom Tschechenmarkt, wo vor allem vietnamesische Händler jenseits von geltendem deutschen Recht und Gesetz deutsche Ausländerfeinde ungestört mit Böllern aufmunitionieren können, die aus chinesischen, aber auch aus italienischen, österreichischen oder schweizerischen Fabriken kommen. Überall dort sind Böller mit Blitzknallsprengstoff aus Aluminium und Magnesium erlaubt, die in Deutschland verboten sind.

Die Bundesregierung aber tut nichts, um deutsches Sprengstoffrecht europaweit durchzusetzen. Keine europäische Böllerregelung ist in Sicht, kein La Bombaverbot, das in Decin wie Dresden gilt, in Prag wie in Potsdam.

Dienstag, 19. April 2016

Islamisierung der Liga: Minges Pilgerfahrt nach Mekka

Es war ein Skandal mitten im Aufstiegsjubel, ein Eklat, der zu allem passt, was Fans und Feinde vom Fußball in der 3. Liga erwarten. Dynamo Dresden steigt nach einer grandiosen Saison auf und tut das beim alten Oberliga-Rivalen in Magdeburg. Aber selbstverständlich geht der rein formale Akt vier Spieltage vor Sendeschluss nicht ohne Gewalt von allen Seiten, Prügeleien und Raketenbeschuss aus.

Das Übliche eben in einer Liga, von der Fachblätter wie der "Spiegel" schon vor Jahren wussten, dass sie die Hauptstreitkräfte von Fußballgewalt und rechtsradikalem Fangesocks beheimatet. Magdeburg, eine von Beamten bewohnte Stadt in der bäuerlichen Börde, trifft auf Dresden, die von Touristen gemiedene Pegida-Hauptstadt, deren Hass auf alles Fremde sprichwörtlich ist.

Es kam, wie es kommen musste. Polizeigewalt. Fangewalt. Gewalt-TV. Und als Ralf Minge, der sächsische Alt-Internationale, der bei Dynamo heute als Sportdirektor dient, dann versucht, sich mit samt seiner Jeansjacke und dem schwarzen Hoodie zwischen Zaun und Einsatzkräfte zu werfen, kommt sie an der Bande ins Blickfeld, die Werbung, die schon wenige Stunden später die rechtspopulistische Partei AfD auf den Plan rufen wird: "Mekka" steht da in aller Unschuld. Dank Live-Übertragung im mitteldeutschen Gebührenfernsehen eine Botschaft, die bis in den letzten Winkel der Erde dringt.

Ein deutliches Zeichen darauf, wie weit die Islamisierung der 3. Liga bereits vorangeschritten, werden in Hass geschulte AfD-Kader wenig später hetzen. Magdeburg als Mekka, wenn auch der eskalierenden Gewalt? Der MDR tut das Seinige, die Botschaft zu verbreiten, wie immer sie auch gemeint ist: Minutenlang hält die Kamera auf die Werbebande. Mit dem alten Trick, Bewegung im Bild zu erzeugen, sorgt Ralf Minge gemeinsam mit einigen angeblichen Ordnern, die mit ihm eine Festnahme simulieren, für sogenannte Stickyness und ein retardierendes Spannungsmoment, das Tausenderkontakte im Sekundentakt erzeugt. Subkutan dringt die Nachricht in alle angeschlossenen Haushalte: Kein Mensch an der Elbe kennt Ralf Minge. Und Mekka liegt in Magdeburg.

Der Missionar aus München: Deutschland, einig Gottesstaat

Ein Mann braucht eine Aufgabe, andere Männer haben bereits eine gefunden. Heribert Prantl, das schärfte Seziermesser Süddeutschlands, hat sich an der NPD abgearbeitet, er die Flüchtlingskrise vor allen anderen gelöst und den von der damals noch existierenden FDP geplanten "Ausverkauf der Staatlichkeit" (Prantl) Deutschlands konnte er mit ein paar fetzigen Zeilen auch verhindern.

Deutschland braucht doch seine Staatlichkeit! Und außerdem braucht Deutschland seine Kirchen. Prantl, der die Welt aus einer religiös gefärbten Brille sieht, wusste deshalb gleich, was die Christenglocke geschlagen hat, als die AfD verlauten ließ, sie halte den Islam für nicht mit dem Grundgesetz kompatibel. Prantl versammelte sich spontan zum Schnellgericht, Fünf-Minuten-Terrine Haram: Wer solches sagt, der hat selbst jedes Recht verwirkt, sich noch auf die Grundrechte berufen zu dürfen.

Mehr noch: Wer die die Angst vor dem Islam schürt, rütteln an fundamentalen Grundrechten, denn seine Äußerungen sind ein Angriff auf die deutsche Leitkultur! Der Islam nämlich, so Prantl, ist "eine der drei abrahamitischen Weltreligionen". Die darf niemand kritisieren, schon gar nicht so pauschal, wie Prant die AfD kritisieren darf. Denn wer "den Islam in gehässiger Absicht eine politische Ideologie nennt, die mit dem Grundgesetz nicht vereinbar" sei, der "verunglimpft" auch die christliche Religion. Denn das Grundgesetz kennt nur die Gleichbehandlung aller Religionen, abgesehen von Scientology und dem Spaghettimonster. Wobei Kirchensteuer nur die christlichen Kirchen vom Staat eingezogen bekommen. Kleinigkeiten.

Wichtig ist, dass es sich bei Deutschland aus Prantl-Sicht um einen Gottesstaat handelt, in dem Religion keine Privatsache, sondern Staatsangelegenheit ist. Wer den Glauben angreift oder ihn ablehnt, greift uns alle an, vor allem aber provoziert er den Missionar aus München zu fantastischen Volten. Atheisten und Agnostiker schilt er für ihre "Angst vor dem Verlust der "christlichen Werte" als "Milieus, die von eben diesen Werten wenig wissen und wissen wollen".

Dann kommt eben sowas raus: keine Gebetszeiten, nicht fünfmal am Tag und nicht mal sonntags. Kein "interreligiöser Dialog" mit Gottesvergleich auf Verdammniskraft und Wunscherfüllungsmacht. Sondern fiese "Auseinandersetzungen mit glaubensbewussten Muslimen", die den trottligen "AfDlern ihre eigene Unkenntnis über die Grundlagen des Christentums" klarmachen.

Nein, wirklich, hier muss die Meinungsfreiheit enden. Wer glaubt, dass der Glaube an einen alten Herren im Himmel, an ein Paradies voller Jungfrauen, an Jesus am Kreuz, den brennenden Dornbusch, Jesus getrennt vom restlichen Leib zum Himmel aufgefahrene Vorhaut und das geteilte Rote Meer unterschiedlos (Artikel 4 Grundgesetz) Blödsinn ist, dem steht Meinungsfreiheit gerade noch so zu. Wer aber Unterschiede macht und den einen Glauben noch dämlicher findet als den anderen - abgesehen von Scientology und der Spaghettikirche, das ist Konsens - der hat verdient, dass ihm Heribert Prantl heimleutet.

Der ist ein Verfassungsfeind, ruft der. Der spaltet die Gesellschaft.

Ketzer sind Hetzer: Islam außerhalb jeder Kritik



Montag, 18. April 2016

Brian Fallon: Schmerztabletten als Schmusesongs

Vom Punk zum Rock zum Countryfolk - und dann weiter Richtung gehobener Abendunterhaltung. Brian Fallon, Abonnenten von PPQ als Hausrocker der ursprünglich mit Zeppelin, Queen und Sex Pistols sozialisierten Redaktion bekannt, ist in seiner neuen Inkarnation ein Liedermacher und gedankenschwerer Solokünstler. Fallon, aufgewachsen mit der Bürde, aus New Jersey zu stammen, wo Bruce Springsteen für heut´ und alle Tage der Gott des gesungenen Wortes sein wird, nabelt sich mit seiner neuen Band The Crowes ab vom epigonenhaften Komponieren der frühen Jahre, als er wie in "Meet me by the rivers edge" Springsteen-Pastiches schuf, die mehr Springsteen-Gene hatten als die echten Songs des Meisters.

Das ist vorbei, Fallon ist 36 und geschieden, mit seiner Band The Gaslight Anthem hat er ein verlorenes, zerschossenes Album mit Stadion-Punkdarüber gemacht. Die Auftritte dazu gipfelten darin, dass er mit Jared Hart von den Scandals das uralte "We're getting a divorce, you keep the diner" von der Bühne brüllte.

Dann kam "Painkillers", das Album danach, ohne The Gaslight Anthem, aber mit Ian Perkins und Alex Rosamilla spielen auch zwei Gaslight-Musiker mit. War "Elsie", seine erste, noch unter dem Namen The Horrible Crowes" veröffentlichte Solo-Arbeit, noch ein dunkles, schmerzerfülltes Werk voller Tom-Waits-Anwandlungen, ist "Painkillers" zumindest musikalisch lichter. Es gibt mehr Folk und Country, die Balladen sind leichter, die Klippen, um die der Texter schifft, verbergen sich tiefer im Wasser.

Denn letztlich ist auch das wieder ein Album vom Abschied, wie es nur ein Mann in seinen ersten Wechseljahren schreiben kann. Die Jugend ist vorüber, das Newcomersein vorbei. Die erste Liebe ist fort, der naive Jungenstraum vom Rock-Ruhm hat auch schon seine andere Seite gezeigt. Nun wird es beschaulich, der Mann denkt nach, er trauert dem hinterher, was war. Und vor allem dem, was hätte gewesen sein können.

Fallon ist gutgelaunt im Berliner Astra, das so alternativ ist, dass es sich den Namen von einer Biermarke geben lassen hat. Draußen vor der Tür streunen die Antänzer und Drogenhändler herum, "Weed, weed, weed" auf den Lippen. Drinnen predigt der Mann aus Red Bank gemeinsam mit Jared Hart alte Punk-Songs wie "Linoleum" von NOFX als Johnny-Cash-Weisen mit zweistimmigem Gesang.

No Gaslight, nicht einmal das auf dieser Tour gelegentlich gespielte "The Navesink Banks" mit der philosophischen Zeile "Your first sin was a lie you told yourself". Dafür ist Fallon zum Reden aufgelegt, weniger Rocker als Abendunterhalter. Er spricht über seine Jugend mit "Tiny Dancer" im Ohr, von Meat Loaf, dessen "Bat out of hell" ihm mit acht als erschütterndes Horrorgemälde galt. Und er spiegelt seine Rolle als Rockstar, als er auf eine Frage aus dem Publikum nach den Monster-Spielfiguren auf einem Gitarrenverstärker - ja, wir sind heute im Dialogmodus, ein Runder Tisch des Rocks quasi - mit einem Gleichnis antwortet.

Es sind nicht seine Plastikmonster, sondern die von Rosamilla . "Wären es meine, ständen da lauter Batmans", sagt Fallon. Im Rockgeschäft müssen dergleichen kindliche Anwandlungen ernst genommen werden. Weil man sonst hier gar nichts ernstnehmen könnte. Rockmusiker sind und bleiben Kinder, sagt Fallon, immer, wie sollten sie auch anders, wo sie doch ein Leben führen, das so kindlich bleibt. "Du fährst weit weg von zu Hause und Leute bezahlen dafür, dass du singst", sagt Brian Fallon. Kein Mann kann da erwachsen werden.

Would you offer your throat to the wolf with the red roses? Yes. Demnächst kommt Fallon mit einer ganzen Meat Loaf-Show. Er spielt es an, die knackigen Akkorde, das comichafte, "Jack Black", sagt er. Und dann: Ich habe so ein Lied geschrieben.

Es folgt das gezupfte Miniaturmeisterwerk "Steve McQueen". Ein Trauergesang für Kinderwünsche, komplett in British Green und mit der Schlüsselzeile: "This life is only chains, it's nothing like the colors in my dreams, I just wanted to be Steve McQueen with my horses of English racing green".



Danke, liebe Kanzlerin: Geld für alle kostenlos

Noch vor einem Jahr war es ein kühner Traum. Scharia-Banking für alle, sauber, zinslos und ohne Kompromisse in Sachen Ausleihsumme. Geht nicht, sagten Experten damals. Geld müsse einen Preis haben, wenn man es sich borge, weil der Kapitalismus nur so funktioniere: Wer etwas hat, kann etwas dafür verlangen, es wegzugeben, zu verleihen oder zu verkaufen. Wer etwas braucht, muss zahlen, es zu bekommen. Wie alle Dinge musste auch Geld einen Preis haben. Fremdes Geld kostet, eigenes verdient.

Doch das war, ehe der hochentwickelte Spätkapitalismus daranging, seine eigenen Wurzeln auszugraben. Dabei ist er inzwischen schon ein gutes Stück in die Tiefe gekommen - langsam erreicht der abgeschaffte Preis für Geld auch die Bürgerinnen und Bürger.

Normal sind jetzt Finanzierungen über drei Jahre ohne Aufpreis. Der Kunde kauft, bezahlt erst später und trotzdem keinen Cent mehr als bei sofortiger Barzahlung. Noch besser: Der Kunde leiht sich Geld, bezahlt keinen Pfennig dafür und bekommt stattdessen sogar noch ein Prozent der geliehenen Summe bei der Rückzahlung erlassen.

Ein bedingungsloses Grundeinkommen, das es möglich macht, von Vermögen, das nicht vorhanden ist, zu leben. Wobei das ausgegebene Geld so lange immer mehr wird, so lange man sich neues leiht.

Klingt bizarr, funktioniert aber. Bei der sogenannten "Negativ-Zins-Finanzierung" eines Möbelhändlers kostet der Kauf einer Couch am Ende der 24 Monate Laufzeit weniger als am Tag des Kaufes. Den Rabatt gibt es aber nicht, wenn die Ware bezahlt wird. Sondern ausschließlich, wenn sie nicht bezahlt wird.

Ein kleiner, aber bedeutsamer Tod, den eine Grundlage des Kapitalismus stirbt: Wer kauft, zahlt, wer verkauft, kassiert. Nun aber wechselt die Preismacht auf die Nachfrageseite, vom Geldbesitzer zu dem, der kein Geld hat. Nur zwei Jahre brauchte die EZB, um eines der Grundprinzipien des modernen Wirtschaftens abzuschaffen. Konsequent weitergedacht, wartet eine strahlende Zukunft: Je ärmer der Einzelne, desto reicher die Gesellschaft, je weniger Geld im Umlauf, desto günstiger ist es zu haben.

Sonntag, 17. April 2016

Hassgedichte: Um des Menschenmordes willen

Der Hass ist einer der treuesten Wegbegleiter des Menschen, der Hass auf die Obrigkeit zumal motivierte Künstler und Sänger immer wieder, zur Feder zu greifen und Schmähgesänge zu verfasssen. Dominikus von Brentano verfasste ein besonders schönes Beispiel, elegant im Fluss, sanft in der Sprache.

Das zwölfte Kind eines Seidenfabrikanten aus Rapperswil am Zürichsee widmete sich als einer der ersten Reporter deutscher Zunge den „wirklichen und wichtigen Ereignisse in Staat, Kirche, Gelehrsamkeit, Künsten, Handlung und Natur“, erkrankte nach dem Einmarsch der Franzosen im Allgäu und starb unerlöst fünf Wochen später.

Satireopfer klagen an: Zweierlei Maß, zweierlei Recht

Böhmermann, das ist eine republikweite Erregungaufwallung, die in ihrem hysterischen Grundgehalt nur der Wulff- wie der Edathy-Affäre vergleichbar ist. Alle reden über alles, die Fernsehgerichte tagen in Permanenz, Witze werden im Kanzleramt ernsthaft auf ihren Humorgehalt geprüft und das Staatsfernsehen zeigt zwar nicht den Sketch an sich. Aber höchste Entschlossenheit, auf Gebührenzahlerkosten bis in die allerletzte Instanz gehen zu wollen.

Das wirklich Wichtige an dem Fall wird in der großen Hatz auf den Humor an sich aber wie immer nicht geschrieben. Und dabei handelt es sich nicht einmal um den Aspekt, den der Kabarettist Dieter Nuhr erwähnt, wenn er sagt, dass Böhmermann nun auch außerhalb des Gerichtssaales verfolgt werde. "Damit muss man heute rechnen, wenn man sich über die islamische Welt äußert. Und dies ist es, was die Meinungsfreiheit wirklich bedroht. Darüber allerdings redet niemand. Wie so oft geht die Aufregung am wirklich Wesentlichen vorbei.“

Nein, noch grundlegender scheint die Erkenntnis, dass das deutsche Grundgesetz ausländische Staatsoberhäupter inklusive aller Diktatoren, Massenmörder, Verbrecher und  Demokratie offenbar besser schützt alsdeutsche Staatsbürger.

Denn wie ist die Lage? Es gibt mehrere Anzeigen im Inland, in denen Bürgerinnen und Bürger Staatsanwaltschaften aufgefordert haben, wegen des inkriminierten Ziegenficker-Gedichtes Ermittlungen wegen Beleidigung gegen Böhmermann aufzunehmen. Einschlägig wäre hier Paragraph 185 StGB, Ermittlungen, Anklagen und Verurteilungen nach diesem Paragraphen sind üblich.

Dennoch ist von eröffneten Ermittlungsverfahren aufgrund der Bürgeranzeigen nichts zu hören und nichts zu sehen. Allein im Mittelpunkt steht die Anzeige der türkischen Regierung, die sich auf Paragraph 103 StGB beruft, nach dem die "Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten" strafbar ist.

Nicht nur, dass hier statt einem drei Jahre Haft drohen, wodurch der Beleidiger eines Ausländers härter bestraft wird als der Beleidiger eines Inländers, was die in Grundgesetzartikel 3 eigentlich garantierte Gleichheit vor dem Gesetz aushebelt. Nein, offenbar genießen Ermittlungsverfahren nach Paragraph 103 auch ein höheres gesellschaftliches und mediales Ansehen als welche nach Paragraph 185.

Erstreckt sich also der Schutz des Grundgesetzes auf deutsche Satireopfer nicht so umfassend wie auf ausländische Potentaten? Ist Schmähkritik die Verfügungsmasse von Diplomaten? Wird die Gleichheit vor dem Gesetz der Staatsräson geopfert? Wäre ohne die Zustimmung der Kanzlerin zu einem Ermittlungsverfahren nach 103 vielleicht gar nicht gegen Böhmermann ermittelt worden?





Samstag, 16. April 2016

HFC: Vom gefeierten Retter zum Frühstücksdirektor

Er war der gefeierte Retter, der Mann mit dem Midas-Touch, der aus einer Mannschaft in Trümmern eine Elf formte, die beinahe um den Aufstieg in die 2. Liga mitgespielt hätte.

Ganz so weit trug der Böger-Effekt den Halleschen FC dann doch nicht. Es kam die Winterpause, es kam der Moment, in dem ein weiterer Stürmer, ein zusätzlicher Abwehrspieler oder ein neuer Mann fürs Mittelfeld den letzten Kick hätten geben können. Es kam Mike-Steven Bähre aus Garbsen, eine kleiner Mensch mit unauffälliger Ausstrahlung. Stefan Böger brachte zwei-, dreimal, vorsichtig, als traue er sich selbst nicht und seinem Neueinkauf noch weniger. Bähre brachte dann auch nichts und verschwand.

Das war schon, als die Ambitionen kleiner wurden. Beim HFC waren sie sicher, dass die saison wie immer um den März herum gelaufen war. Kein Aufstieg,m aber auch kein abstieg. irgendwas zwischen Platz sieben und 13., das würde es wohl werden. Stefan Böger schätzte das auch so ein. Er riet dazu, die Saison abzuhaken. Schnell noch auf 45 Punkte kommen, gleichzeitg allen Spieler sagen, dass man nicht mehr mit ihnen plane. Und parallel die Strukturen professionalisieren - mit ihm als Sportdirektor, der als allererstes einen neuen Trainer für die nächste Spielzeit suchen würde.

Endlich mal ein Plan, jubelten die Fans, nach vier Spielzeiten in der 3. Liga der ewiggleichen Duelle mit Aalen und Kiel müde geworden.

Niemand dachte nun mehr über die laufende Saison nach. Alle Blicke richteten sich auf die kommende. Dann würde Böger, so hatte er versichert, eine schlagkräftige Mannschaft zusammenbauen. Ohne die leistungstechnisch zweifelhaften Spieler dieser Saison. Ohne Leute wie Marcel Jansen, die angebotene neue Verträge nicht diskussionslos unterschrieben hatten.

Es kam, wie es kommen musste. Der HFC legte eine Pleiteserie hin, die die von Alttrainer Sven Köhler zu Saisonbeginn vorgelegte von vier Niederlagen in fünf Spielen (3 Punkte) aussehen ließ wie einen Triumphzug. Sieben Spiele mit drei Remis und vier Niederlagen (3 Punkte) sammelte Böger. Die Remis standen am Anfang, die Niederlagen häuften sich am Ende.

Vom Aufstiegsanwärter schrumpfte der HFC zum Abstiegskandidaten. Die Leistungseinschätzung des Trainers und künftigen Sportdirektors waren offensichtlich falsch gewesen.

Kurz vor Toresschluss muss Böger nun Platz machen für Rico Schmitt, den Trainer aus dem kommenden Spieljahr, der dann hätte sein Untergebener sein sollen.

Böger wird damit zur lahmen Sportdirektorenente, noch ehe er sein Amt wirklich angetreten hat. Der Mann, der den HFC in eine lichte Zukunft führen sollte, steht nun vor einem schwierigen Amt. Wird er einen Spieler haben wollen, den Rico Schmitt nicht verpflichten will, wird er sagen: "Ich bin der Sportdirektor". Und Schmitt wird entgegnen: "Und ich habe uns vorm Abstieg gerettet." Wird er sich ins Sportliche einmischen, wird Schmitt nur lächeln.

Der große Wurf endet im kleinen Karo. Und wenn es mit dem Klassenerhalt nicht klappt, sind sie alle weg.

Letzte Anweisungen: Stefan Böger instruiert Timo Furuholm.



Und nun alle: Jedermann ist Böhmermann!

Jetzt müssen alle mit: Die Solidarität mit Böhmermann wird zur Volksbewegung.
Ja! Was dem Blitzmädel rechts war, muss dem Böhmermann links sein! Bei Älteren unvergessen der Dezember 2011, als der damalige Bundespräsident Wulff im Zustande höchster Erregung daranging, einen Facebook-Kommentator nach dem in Deutschland geltenden Gesetz zum Schutz des Staatsoberhauptes abstrafen zu lassen. Die Staatsanwaltschaft klagte den Mann, bezeichnenderweise eine traurige Existenz, die aus der späteren Pegida-Hauptstadt Dresden stammte, förmlich an. Eine knallharte Quittung dafür, dass der saubere Herr gemeint hatte, das Internet sei ein rechtsfreier Raum, in dem man die Gattin des Bundespräsidenten ungestraft und scherzhaft ein "Blitzmädel" nennen kann.

Der Rechtsstaat war am Zuge, das Volk schaute woandershin. Auch in den Medien fiel der ungewöhnliche Fall - zum ersten Mal in der deutschen Geschichte verlangte ein Bundespräsident, dass ein Untertan wegen Majestätsbeleidigung ermittelt, angeklagt, verhandelt und abgestraft werde - nicht weiter auf. Wenn, dann begrüßten Medienarbeiter die meinungsfreiheitssichernde Maßnahme als notwendigen Schritt, dass künftig alle Menschen "unserem Bundespräsidentenpaar den nötigen Respekt" erweisen.

Der menschliche Fortschritt aber ist so unerbittlich wie das Gedächtnis der Medien schwach. Vier Jahre nach dem Blitzmädel-Prozess, der letztenendes nur ausfiel, weil Christian Wulff sich dann doch lieber im Fernsehen verteidigen als vor einem Dresdner Gericht angreifen wollte, schlagen die Wogen über der Ziegenficker-Satire des ZDF-Angestellten Jan Böhmermann hoch. Und sie drohen, über dem Kanzleramt zusammenzuschlagen.

Auf einmal dient Satire aus der Sicht ihrer Verteidiger dem Staatswohl. Auf einmal hat der schlechte Witz - wie er hier bei PPQ seit Jahren in einer unendlichen Messe gefeiert wird - Millionen Verteidiger. Und dass die Kanzlerin nicht dazugehört, bringt das Volk mehr auf die Barrikaden als Verfassungsbruch und Geheimdienstschwindel, als die Missachtung der europäischen Verträge, die Abschaffung der Altersvorsorge durch den Nullzins und den Ausbau des Nanny-Staates durch immer neue, immer absurdere Verbotsvorschläge.

Satire, eben noch als ähnlich grenzenlos gerühmt wie das Europa, das alle Mühseligen und Beladenen der Welt aufnehmen wird, wenn es nottut, kennt nun ihre Obergrenze. National liegt sie bei "Blitzmädel", international muss es ein deftiges "Ziegenficker" sein. Dagegen und dafür lässt sich sich dann prima einig sein, mal hier, mal da, mal in echt, mal nur, weil alle mitmachen.

Neben verstärkten Bemühungen, zu einer europäischen Endlösung für den Umgang mit Spaß, Humor und Satire zu finden, prüft die Bundesregierung prüft wieder den alten Vorschlag, ein staatliches Prüfsiegel für zynismusfreien, religionskompatiblen und ideologisch abbaubaren Humor einzuführen.

Nein, das ist kein Witz.


Freitag, 15. April 2016

Iron Sky: Hitler sucht Medienförderung

Der erste Teil war bereits ein Triumph, der mit Tabus brach und Mythen in die Wirklichkeit zog. Zwischen Neuschwabenland und der dunklen Seite des Mondes wurde die Wirkungsmacht von Adolf Hitler jenseits seiner Dauerrolle als Führer des Herzens deutlich. Wo Hitler draufsteht, ist ein Kassenknüller drin.

Nach diesem Motto verfährt auch "Iron Sky - The Coming Race", die Fortsetzung des Kinohits aus Finnland, der vor vier Jahren so viele Menschen verzauberte. "The Coming Race" ist auf dem Schneidetisch, die ersten Teaser kommen bald und der "erstaunliche Film", wie die Macher selbst sagen, nimmt allmählich Formen an.

Zu allmählich, wie es scheint, denn den Finnen um Regisseur Timo Vuorensola, die diesmal nicht mit deutscher Medienförderkohle geheizt haben, droht offenbar das Geld auszugehen. Um den Rest der Arbeit zu finanzieren, gibt es deshalb jetzt einen "Producer`s Investmentpool", in den 200 Privat-Investitoren jeweils mindestens 5.000 Euro einzahlen sollen, um den Filmschnitt zu finanzieren.

Versprochen wird dafür "eine gute vordere Position in der Auszahlungsrangliste", falls "Iron Sky II" wie der erste Teil Gewinne macht. Iron Sky I hatte seinerzeit rund acht Millionen eingespielt. Wer sich beteiligen will, kann an otto@ironsky.net schreiben. der freut sich.

Demokratie als neuer Terrorismus: Wie Wahlen das Gemeinwohl gefährden

Die Erkenntnis lag in der Luft, spätetens, seit die Niederländer trickreich und verschlagen ihren hinterlistigen Abstimmungsanschlag gegen das vereinte Europa verübten. Jetzt aber ist es erstmals amtlich, belegt durch eine penible Untersuchung eines der führenden Demokratie-Theoretiker des Abendlandes: Jakob Augstein selbst, Sohn zweier großer Männer und Diener zweier Ideologie - als Autor Sozialist, als Verlagseigner Kapitalist - hat erstmal den Nachweis geführt, dass auch übertriebene, zu ernst genommene Demokratie Terrorisus sein kann, der sich gegen die Grundlagen der westlichen Lebensart richtet.

"Wer mehr Partizipation in die Demokratie rührt, dem fliegen die Reagenzgläser um die Ohren", urteilt Augstein, aus dessen Sicht "Parlamente die Demokratie vor dem Volk schützen". Und damit das Volk vor sich selbst.

Das ist dringend notwendig, so lange nicht alle unsere Menschen ähnlich klarsichtig wie Augstein über die gesellschaftlichen Verhältnisse hinwegsehen und wissen: "Beim Volk ist die Demokratie nicht gut aufgehoben."

Volkes Stimme und Fortschritt - das geht nicht gut zusammen. Sobald demokratieschützer wie Martin Schulz, Elmar Brok, Sigmar Gabriel, Heiko Maas, Jean-Claude Juncker oder Volker Kauder und Angela Merkel es zulassen, entscheiden sich die Menschen gegen das, was gut für sie wäre. Die Dänen wollen keinen Euro, die Schweizer keine Minarette, die Hamburger keine Gemeinschaftsschulen und die Niederländer keine EU-Aufnahmeperspektive für die Ukraine. "Vernünftig war das alles nicht - und fortschrittlich erst recht nicht", klagt Jakob Augstein.

Und wenn es nicht fortschrittlich ist, dann darf es auch nicht erlaubt sein. Ma sehe ja: "Wahlen und Abstimmungen führen nicht zu mehr Gerechtigkeit." Im Gegenteil. Denn es beteilige sich eben nicht "das Volk" - sondern nur ein bestimmter Ausschnitt, vor allem die Gebildeten und die Männer. Ewiggestrige. Vom eigenen Reichtum verwöhnt. Unfähig, das Große und das Ganze zu sehen, wie es Augstein vermag.

So wird das "Partikularwohl gegenüber dem Gemeinwohl privilegiert" - der Rock ist näher als die Hose, die eigene Stadt näher als Brüssel, das eigene Land wichtiger als Europa. Unerträglich. Augsteins Erkennnis: "Offenbar ist die Demokratie kein geeignetes Instrument, um für Gerechtigkeit zu sorgen."

Es gibt nur eine Lösung. Die Demokratiefetischisten, die Volksabstimmungsfreunde und Kryptofaschisten im Gewand der Verfechter von mehr Bürgerbeteiligung muss der Stimmzettel aus der Hand geschlagen werden. Sie riskieren Wohlstand, Einigkeit und straffe Führung der EU durch Männer und Frauen, die ihr Handwerk verstehen. Sie hemmen unser Voranschreiten, sie behindern die Durchsetzung einer perfekten Demokratie ohne Alternative.

Jakob Augstein wüsste, wie das zu verhindern ist: "Und manchmal sind die Leute, die nach mehr Demokratie rufen, dieselben, die sie in Wahrheit zerstören wollen."

Donnerstag, 14. April 2016

Zitate zur Zeit: Ralf Rotzig, Heiko Hetzer, Madame Banales, Siggi Simpel

Gäbe es eine Partei in Entenhausen, die zu nichts zu gebrauchen ist, aber viel Lärm macht – die lustigen Parteigenossen hießen im Comic-Parallel-Universum vielleicht so: Ralf Rotzig, Heiko Hetzer, Madame Banales, Siggi Simpel.

Stefan Paetow zum absehbaren Untergang der SPD

Doku Deutschland: Erste Liebe Ziegenbock

Der Fall des türkischen Präsidenten Erdogan, der von einem deutschen Nachwuchskomiker rüde als Zoophiliker geoutet wurde, hat die Liebe zwischen Mensch und Tier auf eine neue Art ins Mittelpunkt des Interesses zahlreicher Menschen gerückt. "Ziegenficker" schimpfte Jan Böhmermann den türkischen Alleinherrscher, ein Wort, bei dem meisten Deutschen gruselige Gedanken kommen. Gerold Havemann geht es da anders, er ist ein wenig traurig über die Intoleranz der Mitmenschen, ein wenig stolz darauf, dass Erdogan vielleicht wirklich schon einmal eine Ziege begattet haben könnte - vor allem aber ist er froh, dass das in der Öffentlichkeit weitgehend tabuisierte Thema Sex zwischen Mensch und Tier "endlich mal aus der Schmuddelecke kommt", wie er sagt.

PPQ hat Havemann auf seinem abgelegenen Bauernhof in Franken besucht und einen Mann getroffen, der mit sich, seinen Tieren und der Welt im Reinen ist. Hier draußen, verriet er dem Feldreporter, bin ich mein eigener Herr. "Niemand schreibt mir vor, wen ich lieben darf und wen nicht. Das Protokoll der Begegnung mit einem Tierliebhaber, der fordert: Wenn, dann soll Erdogan sich bekennen!

Meine erste große Liebe war ein prächtiger Bock. Capra falconeri, gedrehtes Horn, starke Muskeln, straffes Fleisch und eine Behaarung, bei der man nur mit der Zunge schnalzen konnte. Ich war 15 und in mir erwachten Gelüste, die ich bis dahin nicht gekannt hatte. Nur spürte ich schnell - das war nicht dieses Jungs/Mädchen-Ding, das alle meine Freunde so bewegte. Ich war anders, ich verliebte mich in diesen Ziegenbock, der Cassius hieß und bei uns daheim im Zoo über eine ganze kleine Ziegenherde herrschte.

Ich war immer da, wenn ich es einrichten konnte, ich machte meine Hausaufgaben auf einer Bank am Gehege, ich suchte Augenkontakt mit ihm, ich fütterte ihn mit Möhren und Schokolade. Ja, heute würde ich wohl sagen, ich flirtete heftig und warb um seine Gunst.

Einmal, das muss etwa ein Jahr nach unserer ersten Begegnung gewesen sein, stieg ich dann nachts über den Zaun zum Zoo. Ich war allein, ich hatte etwas getrunken. Ich war entschlossen. Am Ziegengehege stellte ich dann fest, dass er auf mich gewartet hatte. Stolz stand er da, mit hocherhobenem Haupt. Er witterte mich und blieb ganz still. Ich stieg über den Absperrung, rutschte weg und stürzte. Sie fanden mich erst am nächsten Morgen mit einem doppelten Knöchelbruch. Ich war glücklich, denn auch wenn es nicht zu mehr gekommen war, Cassius hatte mir die ganze Nacht lang tröstend das Gesicht geleckt.

Mein erste Mal war dann aber ein Schäferhund. Ich mochte ihn, er gehörte unserem Nachbarn, der mich manchmal bat, eine mit ihm zu drehen. Liebe war es nicht, aber innige Zuneigung. Und in meinem Alter damals sind die Hormone mächtig. Wie so etwas geht: Ich hatte eine sturmfreie Bude, der Nachbar musste auf Dienstreise. Hasso und ich machten es uns vor dem Fernseher gemütlich. Ich kraulte ihn, er leckte mich. So ist es passiert.

Ich kann mir vorstellen, wie sie darüber denken. Wer Tiere liebt wie ich, kennt die künstlichen Vorurteile, die andere Menschen haben. Bumst süße Häschen, fickt Ziegen, lässt sich von Hengsten begatten und bläst seinem Bernhardiner einen. Ja, ich gebe es zu! Das sind Phantasien, die man als junger Mann hat und denen jagt man ein Leben lang nach. Warum nicht mal zwei Hunde? Wie fühlt es sich an, ein Kamel in die arme zu schließen? Ein Schaf, eine Katze, einen Hamster?

Sehen Sie, in Dänemark sind sexuelle Handlungen mit Tieren nicht verboten, solange dabei keine Tierquälerei im Spiel ist. Die ist aber nie dabei! Die Tiere und ich, wir lieben uns, wir gehen leidenschaftlich, aber zärtlich miteinander um. Wie bei Asexualität, eine Leidenschaft von Millionen, die komplett totgeschwiegen wird, ist aber auch unsere Zoophilie gesellschaftlich nicht anerkannt. Wir müssen uns verstecken, geheime Liebestreffs abhalten, zu den Bauernhöfen Gleichgesinnter fahren, um einen One-Night-Stand zu feiern. Zum Ficken fahren wir ins Ausland, dorthin, wo Mensch-Tier-Liebe noch nicht verboten ist. Wie Verbrecher!

Seit 2012 werden wir auch offiziell so behandelt. Deutschland hat sexuelle Handlungen zwischen Menschen und Tieren verboten; mit der Begründung, Tiere könnten nicht Nein sagen. Von wegen! Ich habe Affären erlebt, gerade mit Ziegenböcken, da konnte ich nicht Nein sagen! Das sind ganz besondere, ganz intime Momente, die man mit Tieren haben kann, glauben Sie mir.

Man will das nicht wahrhaben, obwohl im Bundestag rein rechnerisch rund 50 Tierliebhaber sitzen. nein, ich kenne keinen namentlich, ich werde auch niemanden zwangsouten wie das Böhmermann mit Erdogan gemacht hat. Ich finde nur, es spricht Bände über unser gesellschaftliches Klima, dass Menschen wegen ihrer mutmaßlichen sexuellen Vorlieben immer noch so unterirdisch beschimpft werden können. Wo bleibt denn da die Toleranz? was geht es andere an, ob ich mit meinem Pudel Spaß habe oder mit einer Frau aus dem Büro?

Sehen Sie, Dänemark ist das Paradies der Toleranz. Hier können Sie sich einfach ein Haustier für sexuelle Handlungen mieten. Dazu fährt man auf einen Bauernhof, der Tiere eigens zu Liebeszwecken hält. Stunde kostet zwischen 70 und 150 Euro. Die Anzeigen laufen unter „Erotikzoo“. Sie schauen sich um, suchen sich ein prächtiges Tier nach ihrem Geschmack, im besten Fall springen gleich die Funken. Das Angebot reicht von Hamstern über Ziegen und Schafe bis hin zu Hunden, Hasen, Hühnern und Lamas.

Für unsereinen ein feuchter Traum. Aber für den Rest einer Gesellschaft, die unter dem Banner der Toleranz in die Unfreiheit marschiert, ein Graus. Schauen Sie sich nur an, wie ich kriminell geworden bin: Vor dem Jahr 2000 durfte ich lieben, wen ich will. 2004 wurde meine Leidenschaft in Frankreich verboten, 2008 in Norwegen und 2010 in den Niederlanden. Dann kam Deutschland. Jedes Mal, wenn ich in den Stall gehe, riskiere ich eine Anklage, eine Verurteilung, den bürgerlichen Tod. Was wird dann aus meinen Tieren? wer kümmert sich? Wer liebt sie so wie ich?

Mehr aus der volkskundlichen Reihe Doku Deutschland:

Ich bin das Mädchen in der roten Jacke
Als Schlepper tut man Gutes
In international befreiten Zonen
Ein Land aus Pfand



Mittwoch, 13. April 2016

Zitate zur Zeit: Die ausgetrocknete Demokratie

Ausgetrocknet: Es mangelt der Demokratie an frischem Wasser.
„Wenn Parteien ihre seismographische Aufmerksamkeit verloren haben, weil sie nicht mehr in den unterschiedlichen Milieus unserer Gesellschaft verankert sind, dann werden sie irgendwann – und zwar gewaltig – vom Wähler abgestraft.“


Roman "Ruck" Herzog in der FAZ

Wie ein Mann: Solidarität mit verfolgtem Satiriker

Bei "Anne Will" spielen sie noch mal die Anmoderation. Die "FAZ" druckt in einem mutigen Akt der Auflehnung gegen jede Meinungsdiktatur das ganze Gedicht, mit ein paar Schwärzungen. Matthias Döpfner, der Chef des größten Medienkonzernes im Land, greift selbst zur Feder. Er wirft sich mit seiner ganzen Staats- und Kanlerinnennähe in die Schussbahn zwischen fremden Mächten, die unsere freiheitliche Gesellschaft abschaffen möchten. Und einen kleinen Satiriker im Staatsfunksold, der es mit 24 Zeilen in holprigen Reimen geschafft hat, die Mär von der Presse- und Meinungsfreiheit als leeren Mythos zu enttarnen.

Ein Gebrüll auf einmal von von denselben Leuten, die eben noch jede staatliche Initiative zur Einschränkung der Redefreiheit in Hymnen besangen.

In den Zeiten abnehmenden Lichts war das "ver­bes­sertes Vor­gehen gegen Online-Hass" (Heiko Maas) zu einem ähnlichen Popanz aufgeblasen worden wie der "Kampf gegen Steueroasen" und gegen "rechts".

Die Vorbereitungen einer Einschränkung laufen eben nicht in Ankara, sondern in Berlin, die größte Bedrohung des rechts auf freie Rede kommt nicht von Erdogan, sondern von den formal zwar privaten, in Wirklichkeit aber staatlichen Meinungsaufsichtsbehörden, mit denen die Spitzenpolitik versucht, abweichende Ansichten zu kriminalisieren.

Wo eigentlich immer eine klare Grenze verlief zwischen strafbaren Handlungen und zulässiger Kritik, zielt eine langfristig angelegte Kampagne der Staatsorgane augenscheinlich darauf, ein Klima der Unsicherheit darüber zu schaffen, was eigentlich noch erlaubt und was verboten ist. Ist "Arschloch" erlaubt? Ja, allerdings nur, wenn es Ärzte zu Rechtsradikalen sagen. Ist "Bullenschweine" in der Mehrzahl strafbar? Trotz des "Soldaten sind Mörder"-Urteils? Aber ja, nur die Strafverfolgung findet nicht statt. "Ziegenficker" dagegen ist bei Johann König Satire, anderenfalls aber Hetze.

Die Ernte fahren wir alle ein, weil jedes bisschen verbesserter Meinungsfreiheitsschutz zusätzliche Überlegen begründet, ob man dies oder jenes nun noch sagen, schreiben oder gar denken darf. Oder nicht. Freiheit entsteht dabei wie in jeder guten Diktatur durch die unendlichen Möglichkeiten, zwischen den Gitterstäben hindurchzulachen.

Fragt der eine Präsident den anderen: "Bist du nicht der Sohn vom Ziegenficker?"
 
Antwortet der: "Nääähähäh".



Dienstag, 12. April 2016

Maas-Regelung: Sexzensur für Wahlplakate

Pünktlich vor der anstehenden Bundestagswahl im kommenden Jahr will Bundesjustizminister Heiko Maas nach Facebook-Kommentaren, Terror und Ausreden nun auch nackte Haut von Wahlplakaten verbannen. Sexuelle Diskriminierung soll "künftig noch strenger für die Parteien tabu sein", hieß es im Justizministerium, wo derzeit ein  entsprechender Entwurf erarbeitet wird.

Heiko Maas sieht es als Ziel des neuen Verbotes, als Reaktion auf die sexuellen Übergriffe in der Kölner Silvesternacht endlich ein "moderneres Geschlechterbild" in Deutschland zu schaffen. Sexismus habe deshalb nichts zu suchen in Parteiprogrammen und erst recht nicht auf Wahlplakaten, wo nackte Haut, weite Ausschnitte und billige Anmache seit Jahrzehnten zum gebräuchlichen Handwerkszeug gehören. Künftig würden Plakate oder Anzeigen abgehängt, wenn ein Ehrenrat aus erfahrenen SPD-Politikern beschließt, dass einzelne Motive Frauen oder Männer zu Sexualobjekten reduzieren.

Im Streitfall würde ein internationales und überkonfessionelles Schiedsgericht die endgültige Entscheidung über die Zulassung der gesperrten Bilder treffen. Zur Jury gehören neben deutschen Religionsführern auch ausländische Staatsmänner, die mit Hilfe der neuen sogenannten Maas-Regelung "massiv gegen menschenverachtende Werbung einschreiten" können, wie es in Berlin hieß.

Die lobenswerte Initiative trifft derzeit bei Ewiggestrigen auf heftigen Widerstand. Die einschlägig vorbestrafte liberalpopulistische FDP nutzt die Gelegenheit, sich als verfechter tabuloser Sexdarstellungen zu inszenieren. Parteichef Christian Lindner kritisierte die Verbotspolitik der SPD als "spießig": "Heiko Maas geht den nächsten Schritt zum Nannystaat, der den Bürgern nichts zutraut und Verbraucher für unmündig hält", sagte er.

Maas verteidigte seine Idee, Männer von sexuellen Übergriffen abzuhalten, indem die Verhüllung von Frauen gefördert wird. Eine Sex-Zensur sei notwendig, um enthemmte und entmensche sexuelle Übergriffe wie zu Silvester in Köln zu verhindern. Der Mann als solcher sei ein Tier, hieß es dazu in Berlin, der Gesetzgeber sei aufgefordert, ihn im Zaume zu halten.



Entmenschte Mediengewalt: Vom Blitzmädel zum Ziegenficker

Vier Jahre wie im Rausch, geradeheraus runter auf der Bahn, die von der Vernunft in den Wahnsinn führt. Die Älteren erinnern sich: 2011, ein Bundespräsident namens Wulff, der noch nicht weiß, dass er bald keiner mehr sein wird. Wulff steht unter Feuer, weil er die falschen Freunde hat. Er hat aber auch die falschen Feinde: Ein Mann aus Dresden etwa bezeichnet die Gattin des ersten Mannes im Land als "Blitzmädel", das ein "Schiffchen auf dem Kopf" habe.

Gut, er meinte das ironisch. Bettina Wulff, später mit einer Google-Affäre um Rotlicht-Gerüchte weltweit bekannt geworden, hatte auf den Treppen vor dem Belluvue-Palast in Berlin eine soziale Geste gezeigt. darüber machte der Sachse sich dann auf Facebook lustig.

Bundespolitik und deutsche Medien konnten gar nicht lachen. Hetze schrie es, Hass entdeckte man. Als der Staatsschutzsenat des Dresdener Landgerichtes eine mündliche Verhandlung anberaumte, um den Facebook-Humoristen stellvertretend für alle abzustrafen, die es wagen, Staatsorgane zu beleidigen - obwohl Bettina Wulff als Präsidentengattin, nun ja, ein Staatsorgan hat, aber natürlich keines ist - jubelte das demokratische Spektrum der Leitmedien: Der Strafrechtsparagraf, der die „Verunglimpfung des Bundespräsidenten“ unter Strafe stelle, sei eine wirklich gute Sache. Dank ihm könne der Staat prima gegen Leute vorgehen, die unserer Demokratie nur schaden wollten.

Die Entdeckung des Humors, der zweifelsohne in der Bezeichnung "Blitzmädel" steckt, brauchte von da an fast fünf Jahre. Dann kam Jan Böhmermann mit seinem Hass-Poem "Schmähkritik". Und auf einmal beschäftigt die ehedem noch im Charlie-Hebdo-Fieber über die Grenzenlosigkeit von Satire einige Nation nur noch eine Frage: Wer will uns unsere Freiheit nehmen? Wer bestimmt die Grenzen von Humor? Darf ein Witz widerlich sein?

„Schiffchen auf dem Kopf“ und „Blitzmädel“ finden sich bis heute nicht im Verzeichnis der verfassungsfeindlichen Formulierungen, gingen aber bei deutschen Medien als plausible Gründe für einen Strafprozess durch. "Ziegenficker" dagegen, ein Wort mit immanentem Beleidigungsgehalt, wird von denselben Leuten mit derselben Energie verteidigt. Satire muss alles dürfen, tönen sie nun, wo es nicht gegen das eigene, sondern ein ausländisches Staatsoberhaupt geht. Hier sind Siege für die Meinungsfreiheit schließlich spielend leicht zu erringen, hier droht einem kein Staatsanwalt, hier darf man sein, was man immer war: Opportunist.

Rechtsstaat von Merkels Gnaden: Der "Spiegel" berichtet, wie Merkel selbst über die Zulässigkeit eines Strafverfahrens gegen Böhmermann entscheidet




Montag, 11. April 2016

Böhmermann: Es war einmal ein Rechtsstaat

Justitia war blind, eine Frau, die jeden gleich behandelte. Die Staatsanwaltschaft ging ihr zur Hand, weisungsgebunden zwar, aber am Ende immer abhängig davon, ob ein unabhängiger Richter in einer Anklageschrift genügend Hinweise auf eine wahrscheinliche Verurteilung fand.

Alte Zeiten. Die Räder des Rechtsstaates, der nach dem einschlägigen Grundgesetzartikel jedermann gleich zu behandeln hat, haben sich unterdessen schon viel weitergedreht.

Und so bemerkt denn der "Spiegel", ehemals ein Sturmgeschütz von Demokratie und Menschenrechten, gar nicht mehr, was er schreibt, wenn er schreibt: "Die Bundesregierung gerät wegen des Erdogan-Schmähgedichts in eine Zwickmühle: Letztlich wird Kanzlerin Merkel entscheiden müssen, ob sie türkischen Forderungen nachgibt und ein Strafverfahren gegen Jan Böhmermann zulässt."

Es ist ein weiterer Blick tief in die Abgründe eines Staatswesens, das nur nach außen hin noch nach dem Prinzip der Gewaltenteilung funktioniert. War stets klar, dass es nicht der Mangel an Beweisen, sondern der Mangel an Konfliktfreude der Regierung war, der eine Konfrontation mit den USA in der Bespitzelungsaffäre verhinderte, so ist nun auch von einem bedeutenden Akteur selbst bekundet, dass die Bundesregierung ihre Bundesanwaltschaft stets weniger als Werkzeug der Rechtspflege denn als Instrument politischen Handelns begriffen hat. Per Weisung ergehen offenbar Ermittlungswünsche ebenso wie Ermittlungsverbote, in laufenden Verfahren scheinen Minister Ergebnisse vorgeben und Anklagen anregen oder verhindern zu können.

Die Gleichheit vor dem Gesetz wird zu einer Frage von Diplomatie und Tagesform. Strafverfahren finden statt, wenn es vertragliche Vereinbarungen der EU mit der Türkei zulassen. Scheint das nicht der Fall, dann eben nicht. Außenpolitische Rücksichtnahme geht vor Grundgesetz. Dann kommt die Kanzlerin, die Strafverfahren zulässt oder aber verhindert. Und die freie Presse, die das freundlich bestimmt zur einer Frage des guten Geschmacks heruntererklärt. Nicht schön. Aber notwendig.

Eine monarchisches Gemeinwesen. Mit Gewaltenteilung nur bei Sonnenschein. Ein Rechtsstaat von Merkels Gnaden.

Deutschland, 2016.



Das Andere im Fremden: Verbalgewalt gegen Fasel-Rechte

Antidemokraten verstehen es meisterlich, die demokratischen Mittel der Pressefreiheit für ihren Hass zu nutzen und sich dabei als vermeintliche Gutmenschen zu inszenieren. Die Frankfurter Rundschau hat jetzt mit dem Toleranzforscher Fritz Waschbauch eine Kunstinstallation ins Internet gestellt, die die gespielte Unschuld der nach außen hin so toleranten Linken auf ihre nazistischen Traditionslinien zurückführt.


Herr Waschbauch, in Leitmedien wie unserer FR kursieren vielfach absurdeste Theorien oder Falschmeldungen, die Vorurteile vermeintlich bestätigen – in letzter Zeit vor allem über Rechte, denen wir rundheraus nachsagen, sie „faselten“ und „hetzen“ und kämen „damit durch“. Warum haben Menschen, die sich selbst für etwas Besseres und Toleranteres halten, so gruppenbezogene Pauschalurteile so gern?

Theorien haben einen Anspruch auf rationale Erklärung, solche Dinge nicht. Das Ziel ist ein ganz praktisches: Man will nicht wirklich die komplexe Welt verstehen, sondern einfach eine Bestätigung für das, was man glaubt, ohnehin schon zu wissen. Der durchschnittlichen FR-Journalist sucht in aller Regel nicht nach neuer Inspiration, sondern nach Bestätigung. Er liest deshalb als Linker eben Junge Welt oder Zeit und nicht die Junge Freiheit.

Das hat einen multiplizierenden Effekt, der gigantisch sein kann. Denn wenn bestimmte Ressentiments, Vorurteile oder gar Lügen von Menschen geglaubt werden – nicht obwohl, sondern weil sie falsch sind –, werden sie auch immer weiter verbreitet. Im schlechtesten Sinne ist das genau das Gegenteil von Bildung, also ghenau das, was die FR am Ende ausmacht: Eine Parade der pauschalen Zuschreibungen, gruppenbezogene Verbalgewalt, Menschenverachtung im Gewand einer höheren Moral.

Lohnt es sich mit Leuten wie uns überhaupt zu diskutieren?

Ja und Nein. Das hängt davon ab, mit wem man es zu tun hat. Personen mit einem geschlossenen Weltbild, wie sie etwa bei Junger Welt und FR arbeiten, an die kommt man nicht ran, die sind aufklärungsresistent. Aber es gibt auch solche, die zufällig über so etwas stolpern. Die sind für Argumente vielleicht noch zugänglich. Letzten Endes muss man immer versuchen, zu argumentieren. Man muss sich als Vertreterin/Vertreter der Aufklärung immer auf den Standpunkt stellen, dass es überprüfbare Fakten gibt, die man rational belegen kann. Nicht alle Rechten faseln, nicht alle hetzen, nicht alle, die von ganz links aus gesehen rechts stehen, sind rechts im Sinne von rechtsextrem. Man kann dann nur hoffen, dass man es mit Personen zu tun hat, die für solche einfachen Wahrheiten noch ansprechbar sind.

Sie haben sich ausführlich mit unserer Berichterstattung zu dem befasst, was wir gern Rechtspopulismus nennen, weil das eine schöne pauschale Bezeichnung ohne konkreten Gehalt ist. Welche Denkweisen sind typisch für Menschen, die solchen gruppenbezogenen Zuschreibungen anhängen?

Auffällig ist zunächst ein dichotomes Denken, also eine klare Trennung zwischen dem Eigenen und dem Fremden. Das ist etwas ganz Normales. Den Menschen, selbst wenn er bei der FR arbeitet, interessiert die eigene Familie mehr als fremde, die eigene Stadt mehr als die Nachbarstadt, das eigene Land mehr als Somalia, die Linke mehr als die Rechte. Es gibt dabei eine Abgrenzung zwischen gedachten Kollektiven. Das Weltbild unterstellt, dass die Menschen vor allem Teil solcher Großgruppen sind, die im Ernstfall aufeinander Bezug nehmen. der Linke hält zu den Linken, gegen alle, die er für rechts hält. Wenn man dieses Weltbild nicht grundlegend in Frage stellt, ist man auch immer wieder in der Lage, scheinbare Bestätigungen zu finden. Man läuft bei der Gegendemo mit und die anderen drüben bei der anderen Demo sind das Andere, das Fremde. Lebt man so, wird es manchmal schon dünn, das haben wir bei Griechenland gesehen, da ging die Solidarität auch in der Linken nicht allzuweit. Denn kennzeichnend für unsere Welt ist die Abgeschlossenheit von Gruppen gegen andere Gruppen, gerade im Krisenfall.

Oft gelingt es uns doch aber, bislang verwendete Begriffe aus der öffentlichen Diskussion herauszudrängen. Ich sage nur „Wirtschaftsflüchtling“. Wie funktioniert das?


Am deutlichsten lässt sich das am Schlagwort der „political correctness“ nachvollziehen. Das ist ein Begriff, der unsere Sprachgebrauch seit Jahren prägt. Mittlerweile ist er so selbstverständlich zur Regel geworden, dass niemand mehr bewusst wahrnimmt, wie bestimmte Worte nicht mehr verwendet, wie Begriffe umgedeutet werden, obwohl es niemanden gibt, der Menschen verbieten würde, etwas zu denken oder zu sagen. Wer manche Begriffe verwendet, auch ohne Erlaubnis, stellt sich schon außerhalb der Gesellschaft, die ihren Konsens darin findet, das nicht zu tun. Er ist dann ein Anderer, ein Fremder, etwas, das bekämpft werden muss. Das öffnet allerdings auch die Tür für die Rückkehr bestimmter Worte – eben zum Beispiel Wirtschaftsflüchtling. Denn wer erst einmal glaubt, dass es so etwas wie Meinungskontrolle gibt, ist nicht weit entfernt davon, zu fragen, wieso es der FR dann wirtschaftlich gar nicht gut geht.

Wie ist das mit verbotenen Begriffen aus dem Nationalsozialismus, zum Beispiel dem der „Schicksalsgemeinschaft“, der etwa von der SPD und der CDU wieder in den Umlauf gebracht wurde?

Der Begriff der Schicksalsgemeinschaft ist ohne jeden Zweifel ein nationalsozialistischer Begriff. Das kann man mit relativ wenig historischem Wissen, wie ich es habe, schon erkennen. Selbst wenn man das nicht weiß – es ist eine beliebte Strategie von linken Agitatoren, so zu tun, als müsste man das wissen. Der Begriff ist durch und durch belastet von einem Denken in Kollektiven, wie man es links wie rechts vorfindet. Das sieht man am Begriff des Schicksals, das als unbeeinflussbar gilt, im Gegensatz zum westlichen Begriff der Werte, die unser Handeln bestimmen und damit den Weg, den wir gehen. Das linke Kollektiv, oft als Zivilgesellschaft vergemeinschaftet, ist der Gegenbegriff zur liberalen Vorstellung vom Individuum. Die offene Gesellschaft, in der Austausch, Dialog und auch Streit zwischen Einzelnen möglich und gewünscht sind, wird zu einem Ort, der das nur gestattet, so lange kein Teilnehmer anderer Ansicht ist als alle.Das Kollektiv wird zur Schicksalsgemeinschaft, alles Handeln ist alternativlos. Daraus erklärt sich wohl die Rückkehr dieses Nazibegriffes in den Setzkasten der linken Regierungsparteien.