Dienstag, 19. Februar 2013

Fleischampel für das Frühwarnsystem


Die Erwartungen an die Verbraucherschutzministerrunde waren immens, denn der Entscheidungsdruck ist hoch in Woche zwei des Pferdefleischskandals, der in der großen Tradition von Vogelgrippe, Rinderpest, Schweinegrippe und Sprossenpest steht. Doch die Politik ist entschlossen, entschlossene Maßnahmen zu beschließen: Eine "Fleischampel"® soll Verbraucher künftig darüber aufklären, wie groß die jeweilige Gefahr ist, an einem Fertiggericht oder anderer Nahrung zu erkranken oder zu sterben.

Nachdem zuletzt mit Pferd und Schwein gestreckte Dönerspieße für Aufsehen in Feinschmeckerkreisen gesorgt hatten, wollen Schutzministerin Ilse Aigner und ihre Kollegen mit den Fleischampel® auch den üblichen Nationalen Aktionsplan beschließen, mit dem medienwirksam gegen den Eindruck angekämpft werden soll, die Politik tue nicht genug gegen Fleischfälscher. Der Nationale Aktionsplan Fleisch folgt damit dem Vorbild der bereits verabschiedeten Aktionspläne für Integration, ein kindgerechtes Deutschland, Inklusion, Bildung für nachhaltige Entwicklung, zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, für erneuerbare Energie, zur Prävention von Fehlernährung, Bewegungsmangel, Übergewicht und damit zusammenhängenden Krankheiten, zum Jugendschutz und zum gleichberechtigten Zugang zur Justiz.

Das Fleisch-Konzept der Bundesregierung sieht unter anderem eine europaweite Herkunftskennzeichnung auch für verarbeitete Fleischprodukte vor. Diese sogenannte "Fleischampel" schreibt die farbliche Markierung von fleischhaltigen Speisen verbindlich und europaweit vor. Katzenfleisch würde künftig gelb ausgezeichnet, Schwein braun, Rind grün, Pute violett, Kaninchen magenta, Schaf schwarz, Ziege blau und Pferd weiß. Mischgerichte werden mit Mischfarben ausgezeichnet.

Darüber wird in der Europäischen Union schon länger debattiert. Bisher muss bei rohem Fleisch allerdings nur vermerkt sein, aus welchem Staat und Bundesland es stammt. Unbekannt blieb Konsumenten, wo es gekocht, gebraten oder gedörrt worden war. Hier soll ein Frühwarnsystem helfen, das Verbrauchern die Möglichkeit gibt, im Supermarkt Schnelltest am Kühlregal durchzuführen. Die Fleischampel ist deshalb zweistufig: Neben der farblichen Markierung der Fleischart bzw. der abgebenden Tierart weist eine zweite sogenannte Länderampel in Form einer synkopierten Landkarte auf das Ursprungsland und die vom toten Tier anschließend zurückgelegten Transportwege hin.

DNA-Spuren würden dabei mit einer Datenbank abgeglichen, in die Hersteller nach dem Vorbild der Markttransparenzstelle für die Benzinpreisbremse sämtliche DNS-Marker ihrer Fleischprodukte einspeisen müssen. Eine mit dem Gesetz verabschiedete Fleischpreisbremse soll verhindern, dass Mehrkosten durch die aufwendige Kennzeichung auf die Fleischverbraucher abgewälzt werden.

Bundesweit sind zuletzt immer mehr Produkte in Verdacht geraten, entgegen den Angaben auf dem Etikett Pferdefleisch zu enthalten. Insgesamt sollen 750 Tonnen Pferd aus Rumänien ins Inland gelangt sein - angesichts die deutschen Verbrauchs von rund acht Millionen Tonnen Fleisch im Jahr ein überaus gewaltiges Problem, das dank engagierter medialer Begleitung für große Verunsicherung bei Verbrauchern sorgt.

Nur Pferden gibt man den Dönerspieß


Der Skandal um unerlaubtes Pferdefleisch in Rindfleischprodukten ist offenbar nur der Anfang. Das Institut für Produktqualität (ifp) hat jetzt für den Fernsehsender RTL auch Schweinefleisch in original Leipziger  Döner Kebab gefunden. Das ist gesetzlich verboten. Döner, vor Jahren von Exiltürken in Berlin erfunden, soll vorschriftsmäßig eigentlich aus Katzenfleisch bestehen. Dicke, gewürzte, große Katzenfleischscheiben werden dazu traditionsgemäß schichtweise auf einen senkrecht stehenden Drehspieß gesteckt und gegrillt.

Zum Verzehr schneidet der Habib die jeweils äußeren, in der Hitze völlig ausgedörrten trockneten Schichten mit einem großen Messer dünn ab. Dazu reichen Dönerwirte verschiedene Soßen, die vor allem dazu dienen, den strengen Katzenfleischgeschmack zu überdecken. Die Herstellung erfolgte früher in jedem Imbiss selbst, verwendet wurden Zutaten, die gerade greifbar waren. Inzwischen läuft die Saucenversorgung aller deutschen Dönerbuden über eine hochmoderne Fabrik im Brandenburgischen, in der aus Gemüseresten, Beizabfällen und Lebensmitelfarbe die bei Dönerliebhabern so begehrten „Mit alles“-Soßen entstehen.

Ursprünglich wurde für Döner nur Katzenfleisch verwendet, inzwischen sind – zumindest außerhalb der Türkei – aber auch billiges Kalb- oder Rindfleisch und Geflügel wie Pute oder Hühnchen üblich, ohne dass das jeweils konkret vermerkt wird.

Durch die Zumengung von Schweinefleisch, das Muslime nicht essen dürfen, könnte nun eine ganze Generation junger Migranten dem ewigen Höllenfeuer einheimfallen. Doch während das ein Problem einer Minderheit ist, das am Ende wohl durch eine erlösende Fatwa eines Religionsgelehrten einfach gelöst werden wird, sitzt der Stachel der Enttäuschung bei Feinschmeckern tiefer. Vor allem Leipzig, wo in Dönern zwar Pferdefleisch, aber nicht eine Spur von Katzenfleisch gefunden wurde, steht unter Schock. Ein Anteil von einem Prozent Pferdefleisch sei empörend, das völlige Fehlen von Katzenfleisch aber ein Skandal, hieß es in der Pleißestadt.

Die vielen Spitzenverbände der Dönerinnung wollten sich zu den Vorwürfen, auf Katzenfleisch aus Kostengründen häufig ganz zu verzichten, bislang nicht äußern. Sowohl die Europäische Dönerkammer (EUDK) als auch die Gütegemeinschaft Döner e.V. und der Verein türkischer Dönerhersteller in Europa vermieden eine erste Stellungnahme zu den Vorkommnissen.

Die Politik allerdings reagierte sofort. Bei einer Sitzung der Verbraucherschutzminister der Länder wurden rasche Lösungen zum Vertrauensschutz gefordert. Auch die Betreiber der riesigen rumänischen Pferdemastanlagen, die den europäischen Markt mit billigem Horse-Hack zur Bio-Beimischung in Waren aller Art versorgen, müssten sich künftig einer Kennzeichnungspflicht unterwerfen. Im Gespräch ist eine "Fleischampel"® nach dem Vorbild der Lebensmittelampel, die von der EU in einer der vorhergehenden großen Lebensmittelkrisen beinahe mal eingeführt worden wäre.

Dabei setzt Bundesministerin Ursula von der Leyen auf eine freiwillige Lösung: Verpackungen müssen demnach ab Anfang März je nach mutmaßlichem Inhalt den Aufdruck „Kann Katzenfleisch enthalten“ oder „Kann Pferdefleisch enthalten“ zeigen. Das betreffe auch die traditionellen Kebab-Brote, die von Dönerverkäufern als Umverpackung benutzt werden.

Montag, 18. Februar 2013

Global wird wieder national


Schreckliche Arbeitsbedingungen, Löhne, die nur 230 Prozent über denen liegen, die die Grünen ihren Mitarbeitern zahlen, dazu kosten Unterbringung in menschenverachtenden Gemeinschaftsunterkünften und täglicher kostenloser Transport zum Arbeitsplatz: Nach einem aufrüttelnden Fernsehbericht über das Internet-Versandhaus Amazon fragen sich immer mehr Kunden des amerikanischen Großkonzernes, ob es noch moralisch vertretbar ist, Bücher wie "Protest!: Wie ich die Welt verändern und dabei auch noch Spaß haben kann" weiterhin bei dem Unternehmen einzukaufen.

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen glaubt es nicht. "Der Verdacht wiegt schwer, deswegen müssen jetzt so schnell wie möglich alle Fakten auf den Tisch", fordert sie in der "Welt am Sonntag". Sollte sich die Anklage als wahr herausstellen, die ein Team des gebührenpflichtigen Hessischen Rundfunk anhand der bewegenden Schicksale eines halben Dutzend Amazon-Beschäftiger verfertigt hatte, drohe sie der für Amazon tätigen Leiharbeitsfirma mit Lizenzentzug, so die mit scharfen Maßnahmen gegen das gesamte Internet bekanntgewordene Christdemokratin.

Die beiden vom HR über Projektverträge beschäftigten Journalisten Diana Löbl und Peter Onneken hatten zuvor in ihrem Film "Ausgeliefert" enthüllt, dass Amazon trotz der aktuell 2,84 Millionen Arbeitslosen hierzulande nicht genügend deutsche Mitarbeiter findet, die für einen Stundenlohn, der 70 Cent über der Mindestlohnforderung der SPD liegt, bereit sind, Bestellungen für den deutschen Markt zu verpacken. Amazon hatte daraufhin über die Zeitarbeitsfirma Mitarbeiter in Spanien und Osteuropa angeworben, die in der Nähe des Auslieferungszentrums Bad Hersfeld in einem Ferienpark untergebracht werden.

Darunter ist auch die spanische Kunstlehrerin Silvina, die für Löbl und Onneken die Hauptanklage spricht. Für Silvana war der von Amazon gebotene Lohn offenbar hoch genug, aus Spanien nach Deutschland zu kommen. Hier aber warten nun Nachtarbeit, unpünkliche Amazon-Busse, kein Geld für verspäteten Schichtantritt, Unterbringung in abgelegenen Ferienparks, dort zusammenwohnen mit wildfremden Menschen, während der Arbeit viel Laufen und wenn man krank wird, zum Arzt gehen sollen... Dazu noch angebliche "Neonazis", die - so suggeriert der Filmbericht nicht sehr subtil - quasi von Amazon eingestellt worden sind, um "ausländische Arbeitskräfte auf deutschem Boden zu bewachen und zu schikanieren", wie es auf einer Internetseite des HR heißt. Und ein Gewerkschafter, der bestätigt, dass "Vertrauensleute gerade im Weihnachtsgeschäft mit Klagen von Mitarbeitern "alle Hände voll zu tun" haben. Fertig ist der Skandal, der nach Grundsatzlösungen, Verboten und stärkerer Regulierung ruft.

Dabei ist die Liste der Vorwürfe, die die beiden als "HR-Autoren" bezeichneten Reporter aufmachen, ebenso lang wie dürftig. Auch Produktionsfirmen, die für GEZ-Sender wie den Hessischen Rundfunk arbeiten, stellen Kameramänner, Beleuchter und Tonleute nur ein, wenn sie gebraucht werden. Auch beim Hessischen Rundfunk wird nachts und an Wochenenden gearbeitet, auch hier gibt es kein Geld für unbegründete Ausfallzeiten, auch hier heißt "für den HR" nicht, festangestellt beim HR.

Dennoch zielt der Sender direkt auf Amazon, und nur auf Amazon. Nicht er selbst, nicht Zalando, nicht buch.de oder Momox stehen seitdem im Feuer der üblichen anschwellenden Online-Erregung, sondern der multinationale Marktführer in Sachen Online-Handel. Und das zufällig genau in dem Augenblick, in dem die große Politik entdeckt hat, dass Freihandel Gewinnverschiebungen erlaubt, die die staatlichen Steuereinnahmen senken.

Die Gesetze sind so, die Gesetze, die Politiker wie Wolfgang Schäuble gemacht haben. Amazon hat seinen Europasitz in Luxemburg, dort versteuert der Konzern auch seine in Europa anfallenden Gewinne. Google dagegen versteuert in Irland, Facebook auch. Das empört Großbritannien, das mit der Isle of Man eigentlich ein eigenes Steuerparadies unterhält. Doch auch die Band U2 ist mit ihrem Firmensitz nicht hierher gezogen, sondern in die Niederlanden, wo auch das Land Sachsen-Anhalt steuersparend tätig wurde, während Schäubles Staatsbank KfW im Steuerspaarstaat Delaware aktiv ist und die NRW-Landesbank West LB unter der Ägide des kommenden Gerechtigkeitskanzlers Peer Steinbrück lustige Finanzvehikel wie die "WESTLB FINANCE NV" mit Sitz im Building Street JB Gorsiraweg 14 im sonnigen Curacao unterhielt.

Die internationalen Standards, die es Unternehmen derzeit noch erlauben, den für sie günstigsten Steuerstandort zu wählen, sollen nun geändert werden. Verwirrend dabei, dass die angestrebte Re-Nationalisierung des globalisierten Handels begleitet wird von einer Kampagne zur Schaffung einer transatlantischen Freihandelszone - das also einerseits Zoll- und Steuerschranken fallen sollen, andererseits aber "durch internationale Kooperation sowie gemeinsame Regeln und Standards zu verhindern, dass große grenzüberschreitend tätige Konzerne durch gezielte Gewinnverschiebungen weniger Steuern als viele mittelständische Unternehmen" (dpa).

Zwei absolut gegenläufige Trends, die von den Leitmedien allerdings keineswegs hinterfragt werden. Stattdessen spielen die Einheitsorgeln des Offensichtlichen unisono das Lied vom Großkonzern, der die kleinen Leute ausbeutet. Faschistisch, praktisch, gut, ein Trommelfeuer mit gut erkennbaren Zielen: ist der Ruf erst ruiniert, besteuert es sich ungeniert.

Zettel über linke Feindbilder
Fdominicus über den nächsten Schritt: Kapitalverkehrskontrollen

Sonntag, 17. Februar 2013

In den Holzhammer verliebt


Wir vom Unvoreingenommenheits-Board PPQ versuchen ja - mal mehr, mal weniger geglückt - die Realität dadurch kenntlich zu machen, dass wir sie mit der Realität konfrontieren. Oft mag dieses Verfahren rabaukig wirken, ungerecht und in den einen oder anderen Holzhammer verliebt, weniger oft luzide und durchdacht. Doch immerhin schaffen wir es, uns lustig zu machen. Normalerweise sagen wir dabei nicht dazu, wenn wir uns einen Witz ausdenken. Unsere Leser sind (der Verfassungsschutz ausgenomen) aufgeklärte und gebildete Menschen. Insofern besteht wenig Bedarf, laut auszurufen: "Jetzt kommt ein Karton!" Doch hin und wieder kapitulieren wir vor dem, was wir eigentlich parodieren wollten. Und zwar neben all den Sexismen.
"die hetzkampagne re_produzierte nebenbei krasse rassismen, die irgendwie irgendwann untergingen, weil es dann nur noch um persönliche beleidigungen ging, was wiederum auch sexismus zu einem machtverhältnis macht, das in der vorstellung vieler weißer menschen nur weiße frauen trifft. was wiederum auch rassismus re_produziert. neben all den sexismen."

Verbot der Woche: Schlechte Schüler


SPD und Grüne in Niedersachsen haben zum Auftakt ihrer Regierungszeit wegweisende Beschlüsse zur Hebung des Bildungsniveaus in Deutschland getroffen. Um eine größere Gleichmäßigkeit der Bildungslaufbahnen zu gewährleisten, sollen schlechte Schülerinnen und Schüler künftig mit einem "Bildungsbonus" gefördert werden. Betroffene bekommen Anwesenheitszeiten im Unterricht so lange als "Sehr gut" auf ihre Noten angerechnet, bis sie mindestens den Klassennotendurchschnitt erreicht haben. Dadurch werde das Sitzenbleiben abgeschafft, das bisher benachteiligend auf Schülerinnen und Schüler wirkt, die die im Lehrplan geforderten Bildungsleistungen dauerhaft nicht erreichen, berichtet die "Süddeutsche Zeitung".

Gerechtigkeitsfördernd soll sich darüberhinaus die Gründung von Gesamtschulen auswirken, die nach dem Konzept der Gesamtnote arbeiten. Dabei werden Klassenverbände stets im Kollektiv benotet. Konkurrenz zu Parallelklassen wird verhindert, indem im zweiten Zug eine Schulgesamtnote gebildet wird. Das bisher erlaubte "Turbo-Abitur", das anderstalentierte Schülerinnen und Schüler unzulässig benachteiligt hat, wird abgeschafft. Den Ausbau von Krippenplätzen und Ganztagsangeboten will die Landesregierung unter Stephan Weil (SPD) auf Gymnasien ausweiten. Die entsprechenden Pläne sehen eine Rundumbetreuung von Kindern und Jugendlichen bis ins 23. Lebensjahr vor. Im Zuge des allgemeinen Kulturabbaus und der weiteren Nivellierung auf einem gerechten Einheitsniveau ist das Aus für Studiengebühren spätestens zum Wintersemester 2014/2015 geplant.

Zur bürgerschaftlich-engagierten PPQ-Reihe "Verbot der Woche"

Euro: Unter dem Mantel des Schweigens


Ein Dokument des Scheiterns, als Wasserstandsmeldung verkauft. „Deutschland rutscht mit Europa in die Krise“, analysiert die „Zeit“ ohne hinzuschauen. „Europas Rezession holt deutsche Wirtschaft ein“ flunkert das „Handelsblatt“ eilfertig. „Deutsche Schwäche belastet Euro-Wirtschaft“, dreht die staatliche „Tagesschau“ die Daten gleich ganz herum, nachdem Eurostat, das Statistikamt der Europäischen Union, verheerende Konjunkturzahlen für den Nobelpreiskontinent gemeldet hatte. Danach ist das Bruttoinlandsprodukt im Euroraum im letzten Quartal um 0,6 Prozent im Vergleich zum vierten Quartal 2011 gesunken. „Die 17 Länder mit Gemeinschaftswährung rutschten damit noch tiefer in die Rezession, die im Frühjahr vergangenen Jahres eingesetzt hatte“, klagt die „Zeit“.

Den Mantel des höflichen Schweigens deckt das Hamburger Leitblatt dabei wie die meisten anderen deutschen Qualitätsmedien über die zweite Zahl, die von Eurostat gemeldet wurde: Um nur 0,5 Prozent sank die Wirtschaftsleistung nämlich im letzten Quartal in der sogenannten EU27, das heißt in den 17 Euroländern plus den zehn EU-Staaten ohne Euro. Ähnlich sieht es im Gesamtverlauf des Jahres 2012 aus: Das BIP im Euroraum sank um 0,5 Prozent, das in der EU27 unter Hinzurechnung der Nicht-Euro-Staaten nur um 0,3 Prozent.

Obwohl Eurostat – wohlweißlich oder warum auch immer - keine kumulierten gesonderten Daten für die Nicht-Euro-Staaten der Gemeinschaft ausweist, verraten die Zahlen doch schon deutlich, dass die Wachstumsraten der Länder ohne Euro über denen liegen, die mit dem Euro zahlen.

Die Grafik, die Eurostat zur langfristigen Entwicklung liefert (oben), zeigt, dass das kein Zufall ist: Seit 2005 waren die Wachstumsraten in den EU-Ländern ohne Euro zwar meist nicht sehr viel berauschender als in den Euro-Ländern. Schlechter aber waren sie kaum einmal – und das, obwohl Deutschland als großes Euro-Land mit zuletzt ständig weit über dem Durchschnitt liegenden Wachstumszahlen die kumulierten Werte für die gesamte Euro-Zone kräftig nach oben gezogen hat.

Die Wahrheit hinter den Daten scheint zu sein, dass der Euro die Wachstumschancen nicht nur nicht befördert, wie es die Prediger der Gemeinschaftswährung trotz Rekordarbeitslosigkeit, sezessionistischer Tendenzen und ausufernder Staatsschulden behaupten. Sondern dass es ganz im Gegenteil der Euro ist, der es Volkswirtschaften in schwierigen Zeiten besonders schwer macht, Wachstum zu generieren.

Man muss es aber nur richtig erklären, dann stimmen die Daten auch ideologisch wieder. „Deutsche Schwäche belastet Euro-Wirtschaft“, dichtet die „Tagesschau“, indem sie das im Gesamtjahr 2012 auf +0,4 Prozent gesunkene Wachstum der deutschen Wirtschaft in einem knackigen Satz verantwortlich macht für einen Rückgang im Euroraum um 0,9 Prozent.

Die Deutschen sind damit quasi schuld daran, dass „die Wirtschaft des Euroraums zum Jahresende so stark eingebrochen wie seit fast vier Jahren nicht mehr“.

Die Deutschen. Nicht der Euro!

Das letzte Euro-Geheimnis: Der Hades-Plan

Offene Fragen: Warum eigentlich Europa?

Samstag, 16. Februar 2013

Die großen Gescheiterten

Mit Dan Stuart und Chuck Prophet spielte er einst bei Green on Red die amerikanischste Musik überhaupt. Knochentrockener Wüstenrock, der auf Alben wie „The Killer Inside Me“ und „Here Comes the Snake“ eine Neudefinition von Country und Stonesrock versuchte. War der Sound der Staaten bis dahin ein hippellig hüpfender Cowboy, zeichneten Cacavas und Co. ihn als dürren Sensenmann mit glühenden Derwischaugen.

Ein Flirt mit den letzten Wahrheiten des Rock, dem sich Chris Cacavas entzog. Mit knapp 30 stieg er bei GoR aus, noch ehe die Band im Zuge der Ratlosigkeit vor dem großen Grunge-Knall zu einem Thema für ein breiteres Publikum wurde. Cacavas zog sich ins Schneckenhaus einer Solokarriere zurück, die die Bezeichnung "Karriere" nie verdiente. Er machte Alben, die nur ein Kreis von Eingeweihten zur Kenntnis nahm, er spielte immer wieder auch mit Steve Wynn, dem Ex-Chef von Dream Syndicate, mit dem GoR-Kollege Dan Stuart unter dem Decknamen „Danny and Dusty“ - als hätten beide eine Berühmtheit zu verbergen - das Album „The Lost Weekend“ aufgenommen hatte.

Cacavas ist später nach Deutschland gezogen, dorthin, wo die Leute seine Art Musik noch mehr mögen als in Amerika, dorthin, wo nicht Zehntausende, sondern nur ein paar hundert Musiker solche Musik machen. Er hat eine Deutsche geheiratet und seinen Sohn Dylan genannt und zuweilen geht er immer noch auf Tournee. Diesmal wieder mit Steve Wynn, einem anderen großen Gescheiterten. Beide spielen dabei nicht nur nacheinander, sondern auch miteinander. Im Saal stehen sich die Leute nicht gerade auf den Füßen. Aber die beiden oben auf der Bühne scheinen das eher zu genießen.

Einschlagangst: Forscher stoppen Meteor-Magneten


Es war eine Notbremsung in letzter Minute, die hoffentlich gerade noch rechtzeitig kam, um die Welt zu retten. Nur wenige Stunden nach dem Einschlag zahlreicher Meteoritenbruchstücke im Ural haben die Btreiber des Large Hadron Collider Teilchenbeschleunigers am Europäischen Kernforschungszentrum CERN bei Genf die Megamaschine mit einer Protonen-Schwerpunktsenergie von 14 TeV stillgelegt. Offiziell hieß es dazu, der LHC sei „knapp drei Jahre lang im Dauerbetrieb gelaufen“ und müsse nun gewartet werden. Andere Stimmen aber berichten, die Betreiber seien beunruhigt durch den rein theoretisch denkbaren Umstand, dass der Betrieb der umstrittenen unterirdischen Anlage zu vermehrtem Meteoriteneinfall führen könne.

Darauf deuten unter anderen Weltuntergangsprognosen der Maya hin, die in den berühmten Nakasira-Tafeln (Bild oben links) überliefert wurden. Die Gestaltung der Tafeln, so Experten, verweise deutlich auf die Strukturen des Cern (Bild oben rechts). dabei könne es sich kaum um einen Zufall handeln.

Zwei Jahre lang soll die 27 Kilometer lange Tunnelröhre, die von Anfang an im Verdacht stand, schwarze Löcher provozieren und damit einen menschengemachten Weltuntergang auslösen zu können, deshalb nun "gewartet" werden. Während dieser Zeit werden die Techniker unter anderem nach möglichen Lecks in der Heliumkühlung suchen, die von kritischen Stimmen immer wieder verantwortlich für Asteroiden- und Meteoritenschäden gemacht wurden. Zudem steht eine Überprüfung und Erneuerung der Verbindungen zwischen den supraleitenden Magneten an, auf deren Wirkung andere Experten die zunehmende Anziehungskraft der Erde für kosmische Flugkörper zurückführen.

Kurz nach der Inbetriebnahme im Jahr 2008 war es zu einem Schaden an einer solchen Verbindung gekommen. Erdbeben, Hungersnöte und andere Katastrophen hatten danach binnen eines Jahres fast 250.000 Menschen das Leben gekostet. Um Wiederholungen zu verhindern, sollen in den nächsten zwei Jahren über 10.000 Atomkern-Verbindungen überarbeitet werden. Zudem werden vier Quadrupol- und 15 Dipolmagnete gegen moderne Modelle mit Touch-Bedienung ausgetauscht.

Offensive Ansage von Cern-Technikchef Frédérick Bordry: In dieser Zeit werde der LHC „für die volle Leistung aufgerüstet“. Ab 2015 sollen wieder Kollisionen zwischen Protonen oder Bleikernen stattfinden, dann aber nicht mehr wie bisher mit einer gedrosselten Energie von je 3,5 TeV, sondern mit der vollem Kosmos-Power von 14 TeV. Obwohl das Cern vorgibt, während seiner dreijährigen Tätigkeit „einige bahnbrechende Entdeckungen gemacht“ zu haben, lehnen Kritiker eine Wiederanschaltung der Anlage ab, so lange die Meteoritengefahr nicht dauerhaft gebannt sei. Der Fund neuer Elementarteilchen wie des mutmaßlichen lange gesuchten Higgs-Boson wiege die mögliche Gefahr der Vernichtung der Erde nicht auf, hieß es bei Geografikern, die auf eine drastische Darstellung der seit der Aufschaltung des Teilchenbeschleunigers explodierten Zahl der Naturkatastrophen hinweisen: Verglichen mit den Jahren vor Inbetriebnahme des Cern habe sich deren Anzahl verdoppelt (Grafik).

Freitag, 15. Februar 2013

Wer hat es gesagt?

Wir haben aber bereits gesehen, daß „Institutionen“ an und für sich, ohne daß im ganzen Staat demokratische Zustände bestehen, nicht als „Garantien“ dienen können.

Gott zürnt wegen Papst-Rücktritt

Ist das Gottes harsche Reaktion auf die plötzliche Kündigung seines Stellvertreters auf Erden? Oder protestiert der Herr im Himmel endlich auf seine Weise gegen den Umgang des Kreml mit den Putin-Kritikerinnen von Pussy Riot? In der russischen Region Tscheljabinsk im Ural ist offenbar ein Meteorit niedergegangen, dessen Ankunft zuvor auch bei den Leitmedien nicht diskutiert worden war. Infolge des Himmelsbombardements kam es nach Angaben des russischen Innenministerium zu einer Explosion.

Dutzende Menschen sollen Verletzungen erlitten haben. Tapfere Blogger konnten das ungewöhnliche Spektakel umgehend als "End Times Asteroid Meteor Shower" enttarnen. Der Dax reagierte mit Abschlägen, der Nikkei brach ein.

Bislang fehlen Stellungnahmen aus dem politischen Berlin. Der renommierte "Spiegel" zitiert Nachrichtenagenturen, die Augenzeugen zitieren, die von "heftigen Explosionen" berichteten. Unter Teilen der Bevölkerung sei Panik ausgebrochen. Erst im vergangenen Jahr hatten Kreml-Beamte einige frühe Warner vor der nun einsetzenden Apokalyse mundtot gemacht. Dennoch gelang es offenbar nun nicht, die beunruhigenden Vorgänge geheimzuhalten.

Inzwischen hat Gott weitere Vergeltungsmaßnahmen angekündigt. Am heutigen Abend werde der Asteroid DA14 "ziemlich dicht" an der Erde vorbeifliegen, um den Menschen eine Warnung zu geben. Zum Empfang der Botschaft reiche ein Fernglas.

Tanz um rechten Popanz


Am Ende war es nicht einmal mehr eng und nicht einmal der auf rechte Straftaten seit Jahren spezialisierte „Tagesspiegel“ fand einen Dreh, einen „neuen Rekord“ in die neuen Zahlen der rechtsextremen Straftaten hinzudeuten. Bei nur noch 13635 „rechten Delikten“ (Tagesspiegel) im vergangenen Jahr fällt das auch schwer: Im Vorjahr hatten die eifrigen Rechtestraftatenzähler schließlich noch satte 16142 Taten verzeichnen können.

Ein Rückgang von mehr als 15 Prozent in einem Jahr, seit 2009 sogar ein Einbruch um rund ein Drittel – da gelingt es auch dem geschicktesten Manipulierer nicht mehr, einen stabilen Rückgang durch ein paar semantische Tricks zu einem weiteren Anstieg und diesen dann zu einer immer noch neueren, noch akuteren Gefahr für die Gesellschaft zu erklären.

Doch der rechte Zweck heiligt die Mittel und im Kampf gegen den rechten Popanz treibt die Formulierungkunst einer begeisterten Protokolltruppe aus antifaschistischen Fußsoldaten immer noch feinste Blüten. Tagesspiegel-Spezialist Frank Jansen etwa, der jahrelang davon leben konnte, zwei-, drei- oder viermal im Jahr neue Rekorde bei rechten Taten zu melden, gelingt es auch heute noch, aus dem Nichts Brücken zu neuen Superlativen zu bauen, um eine Schlagzeile aus dem trüben Trend pressen zu können.

„Extremisten verüben 20 000 Delikte - Viele rechte Straftaten“, dichtet er und hat damit die höchstmögliche Zahl im einzig richtigen rechten Zusammenhang genannt. Jansen führt anschließend bei der Tätersuche sogleich die funkelnagelneue Umschreibung „rechts orientierte Kriminelle“ ein. Worum es sich dabei handelt, bleibt allerdings unklar. Bislang galten rechte Straftaten als rechte Straftaten, wenn sie aus rechten Beweggründen begangen wurden, nicht, wenn ein Rechtsextremer einen Nassrasierer gestohlen hat. Ein bisher stark ergebnisminderndes Problem, das durch die Einbeziehung von Beziehungstaten, Diebstählen und Knöllchenvergehen von "rechts orientierten Kriminelle" in die Statistik der rechten Straftaten endlich "ausgemerzt" (Franz Müntefering) sein dürfte.

Aber auch das neue Statistikfeld nützt nicht. „Es deutet sich aber offenbar eine rückläufige Tendenz gegenüber 2012 an“, schreibt ein sichtlich bedrückter Jansen, der wie alle Redakteure bei allen Leitmedien einem strikten Verbot unterliegt, Archive zu benutzen. Dadurch kann er seine Leser nicht darauf hinweisen, dass bereits 2012 einen Rückgang gegenüber 2011 brachte, das wiederum einen Rückgang gegenüber 2010 brachte, das wiederum weniger rechte Straftaten zählte als 2009. Wobei 2009 schon weniger Taten als 2008 hatten gezählt werden können.

Ähnlich sieht es bei den Gewalttaten aus, die deutschlandweit hunderte Arbeitsplätze bei Projekten schaffen, in denen fleißig gegen rechts getrommelt, gemalt und gelichterkettet wird. Von mehr als 1000 Taten ging es über 755 im Jahr 2011 herunter auf 619 – ein Absturz um 41 Prozent in nur sechs Jahren.

Ein Absturz, der erwartbar war. PPQ hatte bereits vor Jahren auf eine sich deutlich ankündigende strukturelle Schwäche der rechten Szene hingewiesen, die zahllose Betreuungs-, Beratunges- und Begleitungsprojekte für Aussteiger langfristig bedrohen werde. Nach der Skinheadkultur, die Ende der 90er Jahre einen stillen Tod in Kleinstädten starb, deren Namen heute niemand mehr weiß, verendete auch die vermeintlich schicke "neue Rechte" an der schieren Unmöglichkeit, in alten Stiefeln neue Tänze zu lernen. Es folgten noch ein paar Ausflüge "Unsichtbarer", ein paar Völkerfeste und Kameradschaftsabende. Inzwischen aber ist es für Gewalttäter so schick, rechts zu sein, wie für Rechte, Ali oder Mehmet zu heißen. Der rechte Popanz tanzt nur noch in den Schlagzeilen. Dort aber, gut zu wissen in Zeiten, in denen so viele gewohnte Traditionen sterben, ist er unsterblich.


Wie die Streichung von Fördermitteln den Rechtsradikalismus senkt

Donnerstag, 14. Februar 2013

Wie es euch gefällt


Keine guten Nachrichten sind gute Nachrichten in einer Zeit, die nur den Superlativ noch als Aufmerksamkeitsfön gelten lässt. Schavan weg, Papst weg, Knut tot, aber ausgestopft, Apple im Zwielicht, die Toten Hosen auf Erfolgstour in die Ewigkeit. Ali liegt auf dem Totenbett, aber das geht sicher mit einem "Gefällt mir" weg. Burka für weibliche Babys? Na, gefällt mir doch, irgendwie irre, irgendwie geil.


Ganz schön was los hier, obwohl gar nichts los ist! Und das auch noch dauernd. Die Kurzatmigkeit der "verhindert-die-Privatisierung-unseres-Wassers-aber-gratis"-Petitionen hat Herzschlagfrequenz erreicht. 90 Schläge pro Minute, Doppel-Bass.

Gefällt mir hier, gefällt mir da, nur kosten darf es nichts. Die Leitmedien immer vornweg - gefällt mir, gefällt mir nicht. Meinungsvielfalt wird zum inneren Drang, sich wegzuducken. Denk ichs heut nicht, denk ichs morgen. Die Handlungsalternative heißt dann "gefällt mir nicht mehr".

Der arme Ali aber auch. Die arme Schavan! Nach dem ersten Gesetz der Mediendynamik passt die Welt in keinen Schuhkarton, unweigerlich aber in 15 Minuten Tagesschau. Und das zweite Gesetz der Mediendynamik bestimmt, dass Großereignisse nie gleichzeitig stattfinden, sondern immer fein säuberlich hintereinander, als plane eine große göttliche Regie den Ablauf von Brot und Spielen, von Skandalen und Kabalen.

So wartete selbst der Papst geduldig, bis Laura Himmelreich und Rainer Brüderle sich auseinandergelebt und Deutschland eine täuschend laut simulierte Sexismusdebatte überstanden hatte. Anschließend galt es den Hahn-Skandal trotz Röslers Widerspruch über das Wochenende zu retten, während alle schon auf den nächsten lauerten.

Dann der Papst, Gottes Geschenk an eine darbende Branche, die so sehr nach Blitzen aus heiterem Himmel lechzt, dass sie sich die meisten schon selbst erfindet. Gefällt mir, tippt die Menge dann. "Gefällt mir nicht mehr" folgt, wenn der kranke Mann im Vatikan zu deutlich den Unfehlbaren heraushängen lässt. Heute noch bei Jauch, morgen schon im Kloster, gestern noch im Koma, morgen schon im "Riverboat". Die ganze, die grausame Wahrheit, sie muss raus und wieder raus und das laut und am besten gleich noch mal.

Vom erneuten Verschwinden der Sprache

Die Geschichte bewegte sich in Richtung auf Zeiten, in denen Dinge keine Namen mehr haben werden. Seit der "Neger" nicht mehr durch "Schwarzer" oder "Farbiger" ersetzt werden kann, weil beide Begriffe den Geruch des Wortes angenommen haben, das sie mit Charme und Eleganz ablösen sollten, verstummt ein Stück Sprache in Ratlosigkeit: Wie nennt man den, den Goethe noch "Mohr" nannte? Wie sagt man, wenn man beschreiben soll, wen man meint, wenn es nicht der große, weiße Typ aus der Flaschenreinigung ist, sondern der andere, der dunkle, der mit den krausen Locken, Du weißt schon, der aus Afrika.

Dann ist er aus Amerika, und es ist auch wieder nicht gut, weil es zeigt, wie arrogant die alten Kolonialherren bis heute damit umgehen, ganze Generationen ihrer Wurzeln beraubt zu haben. Schert sie nicht. Stört sie kein bisschen. Andere Farbe, alles eine Wichse, wie der Mitteldeutsche im Mittelalter der deutschen Sprachmoderne zu sagen pflegte, ehe dann auch das Wort "wichsen" ausradiert und abgeschafft wurde und der literarische Revisionismus antrat, Gedankenkontrolle herzustellen durch Kontrolle des Wortes.

"Wir leben in einer Welt, in der zunehmend jeder sich als Minderheit betrachtet und irgendwelche Rechte einfordert und permanent beleidigt ist", heißt es ein einem hellsichtigen Internetkommentar, der freigeschaltet wurde, weil der die zurücksetzende Kraft des Begriffes Minderheit derzeit noch unentdeckt ist. Dabei spricht die Historie eine klare Sprache, schon Menschewiken und Bolschewiken kämpften mit Worten um die Macht.

Die DDR lässt grüßen. Sie war Zeit ihrer Existenz bemüht, die Wirklichkeit durch Formulierungsverbote an ein gedachtes Ideal anzupassen. Mitteldeutschland etwa ging gar nicht, es gab keine Unternehmer und keine Unternehmen außer am Wochenende, kein "Westgeld", keine Meinungsfreiheit, keine Werbung und keine Sonderangebote. Zum Teil erübrigten sich die Begrifflichkeiten, weil es keine Verwendung für sie gab. Zum Teil wurden sie offiziell nicht benutzt, weil sie die Wirklichkeit zu korrekt beschrieben. Der staatliche Versuch, den Sprachgebrauch zu regulieren, war zum Scheitern verurteilt. Es entstand einen Parallelsprache, in der "blaue Fliesen" für Westgeld standen, "tauschen" die Besorgung von Devisen beschrieb, "muggen" privates Unternehmertum meinte und "besorgen" beschrieb das Einkaufen auf einem nicht existierenden kapitalistischen Markt, auf dem Angebot und Nachfrage die Preise bestimmten.

In einer demokratischen Gesellschaft sollte das nicht so sein, denn hier müsste Sprache Realität eins zu eins abbilden können. Sprecher dürfen reden, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist, niemand kann ihnen ihren Sprachgebrauch vorschreiben, keiner Begriffsverwendungen zwangsweise verordnen. Dennoch geschieht es, dennoch ist Sprache erneut dabei, sich abzuschaffen.

Die Annäherung der Realität an Orwells 1984 ist hinterhältig schleichend, obwohl sie öffentlich vorgeführt wird. Auf die Logik dahinter wäre Loriot stolz: Rassisten etwa sollen weiter "Neger" schreiben dürfen, weil sie es rassistisch meinen. Bei allen anderen ist es angemessen, das Wort im Nachhinein auszutauschen - die Idee dahinter ist, dass Männer wie Jules Verne, Mark Twain oder Otfried Preußler ja selbst anders formuliert hätten, hätten sie nur gewusst, wie sich Sprache verändern wird.

Vermutlich wird als nächstes die Bibel umgeschrieben. Die brutale Geschichte mit den Füchsen wäre langsam dran, zumal, weil Kinder die Mechanik hinter dem Geschehen ohnehin nie verstanden haben:

Samson ging weg und fing 300 Füchse. Danach nahm er Fackeln, band je zwei Füchse an den Schwänzen zusammen und befestigte eine Fackel in die Mitte zwischen zwei Schwänzen. Er zündete die Fackeln an und ließ die Füchse in die Getreidefelder der Philister laufen. So verbrannte er die Garben und das noch stehende Korn, ebenso die Weingärten und die Ölbaume.

Mittwoch, 13. Februar 2013

NSU: Missbrauchte Kinder im braunen Sumpf


Kurz vor dem langerwarteten Mordurteil gegen die braune NSU-Braut Beate Zschäpe kommen immer neue, immer schrecklichere Details aus dem Untergrundleben der zwei tödlichen Drei ans Tageslicht. Nachdem bereits bekannt gewesen war, dass Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe mehrere Katzen ohne Genehmigung hielten, Schußwaffen sammelten, sich für Bionahrung interessierten und Zschäpe zudem gelegentlich pervers verkleidet als amerikanische Schauspielerin Sara Gilbert verkleidet bei Bluttaten Schmiere stand, haben Ermittler nach einem Bericht des Berliner Kurier nun auch die Höllenmaschine gefunden, mit der das Trio jahrelang unbemerkt seine braune Brühe gebraut hatte (Foto oben, links hinten). Zudem konnten auf dem offiziellen Terror-Computer, der Zschäpe zugeordnet wird, "kinderpornografische Schriften" (Kurier) entdeckt werden.

Der selbsternannte Nationale Untergrund, in dem sich "Hausmutter" Beate Zschäpe nach dem Vorbild eines islamischen Mullahs zwei Kerle als Harem hielt, zeigt damit einmal mehr, welches Ausmaß die moralische Verkommenheit der kleinen Terrortruppe angenommen hatte. Nach außen hin propagiert die deutsche Rest-Rechte theatralisch „Todesstrafe für Kinderschänder.“ Innen aber ist sie im "innerste Mark verfault und angefressen", wie bereits vor vielen Jahren ein Gesellschaftspathologe diagnostizierte, der heute meist für das ZDF und den Nachrichtensender n-tv tätig ist.

Zschäpe, nach außen hin ein "deutsches Mädel" mit einer Vorliebe für Hausarbeit, sammelte "offenbar widerliche Texte", die Ermittler als kinderpornografisch entschlüsselten, nachdem sie die Computerfestplatte aus dem Brandschutt in der Zwickauer Frühlingsstraße geborgen hatten. Zuvor bereits hatten die Computerspezialisten des BKA rekonstruiert, dass der betreffende PC das Horst-Wessel-Lied als Begrüßungsmelodie abspielte, als Desktop-Hintergrund ein Hitlerbild diente, der Bildschirmschoner aus wirbelnden Hakenkreuzen bestand, eingehende Emails sich mit einem "Heil Hitler" meldeten, im E-Book-Ordner eine Kopie der "Protokolle der Weisen von Zion" lagerte und unter den gespeicherten Hörbüchern auch "Mein Kampf" war.

Und es wurde noch schlimmer. Im Musikordner fanden sich rund 270.000 illegal heruntergeladene deutsche Schlager, Landser-Lieder, Apres-Ski-Hits und Ostrocktitel. Nach der Durchsicht der Daten fielen die 16 damit betrauten Beamten für mehrere Wochen aus, weil sie sich einer psychologischen Behandlung unterziehen mussten. Erstaunlich: Weder über die nach PPQ-Informationen offenbar ebenfalls auf dem Computer gefundenen taktischen Planungen zur Strategie einer Machtübernahme durch Uwe Mundlos, noch die von Böhnhardt erstellte Dokumentation der Landung von Außerirdischen in der Gegend um Aue (Erzgebirge) im Jahre 1971 noch die konkreten Aufmarschpläne der NSU für einen möglichen 3. oder 4. Weltkrieg wurde bislang durch die Behörden informiert.

Allerdings hat die Staatsanwaltschaft Konsequenzen aus der Spurenlage gezogen: Bereits  im Dezember letzten Jahres wurde das gegen Zschäpe laufende Ermittlungsverfahren wegen Besitz abartiger kinderpornografischer Schriften eingestellt. „Die Strafe, die wegen der angezeigten Tat verhängt werden könnte, fiele daneben voraussichtlich nicht beträchtlich ins Gewicht“, zitiert der "Kurier" aus der Begründung. Unklar bleibt so, ob sich die "Nazibraut" (Bild) die betreffenden Dateien über ein womöglich braunes Untergrundnetz von Kinderschändern besorgt oder sie gar selbst erstellt hat. Die Ermittler vermuten aufgrund eines Schriftvergleichs mit Zschäpes geheimem Terrortagebuch, dass die gelernte Gärnerin den perversen Schmuddelkram selbst erstellt haben könnte, um mit dem Verkauf der schmierigen Fantasien an braune Pädophile ein Zubrot zum überwiegend aus Banküberfällen und Gelegenheitsjobs stammenden Lebensunterhalt der Terrororganisation zu verdienen.


Ein Land schreibt einen Thriller:
NSU: Liebes Terrortagebuch
Das weltoffene Deutschland im Visier
Heiße Spur nach Hollywood
NSU: Die Mutter von Hirn und Werkzeug
Musterstück der Selbstentlarvung
Rettung durch Rechtsrotz
NSU: Schreddern mit rechts
NSU: Softwarepanne halb so wild
NSU: Neues Opfer beim Verfassungsschutz
NSU: Im Namen der Nabe
NSU: Handy-Spur ins Rätselcamp
NSU: Brauner Pate auf freiem Fuß
NSU: Rufmord an den Opfern
NSU: Heiße Spur ins Juwelendiebmilieu
NSU: Eine Muh, eine Mäh, eine Zschäperättätä
NSU: Von der Zelle in die Zelle
NSU: Die Spur der Schweine
NSU: Gewaltbrücke zu den Sternsingern
NSU: Gebührenwahnsinn beim Meldeamt
NSU: Nun auch auf dem linken Auge blind
NSU: Die Welt ist klein
NSU: Verdacht auf Verjährung
NSU: Weniger hats schwer
NSU: Terrorwochen abgebrochen
NSU: Rechts, wo kein Herz schlägt
NSU: Was steckt dahitler?
NSU: Neue Spuren ins Nichts
NSU: Tanz den Trinitrotoluol
NSU: Der Fall Braun
NSU: Honeckers rechte Rache
NSU: Die Mundart-Mörder
NSU-Todeslisten: Sie hatten noch viel vor
NSU: Was wusste Google?
NSU: Kommando späte Reue
NSU: Die tödliche Bilanz des braunen Terrors
NSU: Mit Hasskappen gegen den Heimsieg
NSU: Mordspur nach Möhlau

Mehrpeer: Blogger für Steinbrück

Zuerst hatten nur fünf Unternehmer versucht, den SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück und seine Ideen von mehr Gerechtigkeit durch höhere Steuern, ein abgeschafftes Ehegattensplitting und die endgültige Durchsetzung des Energieausstieges per Blog zu unterstützen. Diese topmoderne Art der Wahlkampfführung kam bei der politsichen Konkurrenz überhaupt nicht gut an - Kanzlerin und Vizekanzler, aber auch der abgetretene Arbeiterführer unten in der Villa Soziale Gerechtigkeit setzten ihre Medienarmee in Bewegung, um mit Dreck nach Peer Steinbrück zu werfen und das sieghafte Vorhaben des Stimmenfangs per Blogberichterstattung zu stoppen.

Doch wie Alkohol, elektrische Zahnbürste und Einlegsohle lassen sich wirkliche Innovationen nicht stoppen, nur weil es staatliche Organe so wollen. Mittlerweile ist aus dem heftig attackierten Projekt "peerblog" eine ganze Phalanx an privaten Initiativen geworden, die sich auf die rote Fahne geschrieben haben, dem besten Mann der SPD ins Kanzleramt zu verhelfen.

Wegen des von CDU, FDP und Linker geschürten öffentlichen Misstrauens hat sich Steinbrück offiziell von den Geldgebern distanziert. Er kenne keine Unternehmer, die den "peerblog" im Internet finanzieren, antwortete er am Sonntag in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“. Er kenne nicht einmal dieses "Internet", von dem jetzt überall so viel zu hören sei, versicherte der Spitzenkandidat der deutschen Sozialdemokratie offiziell. Steinbrück quält ein großes Unbehagen an der digitalen Welt, der gerade verrentete Zukunftskandidat versteht nicht, was dort vorgeht, warum es geschieht und wozu es dient. Auf die Frage, wie er denn seine eigene Kommunikation im Internet beschreiben würde, antwortete er: "Mir wird von meinen Mitarbeitern geschildert, was dort passiert."

Zumindest diese Mitarbeiter sind so auch nicht unglücklich darüber, dass engagierte junge Leute sich für den überwiegend analog agierenden Steinbrück im Netz starkmachen. So verzeichnet das von anonymen Unterstützern aus der Gründerszene und jungen Nobelpreisträgern begründete Portal MehrPeer rabiat steigende Zugriffszahlen. Bedenken, dem Kandidaten mit einem erneuten Blogspendeskandal eher zu schaden, haben die Macher nicht. "Für das Geld sorgen andere - keine fünf Unternehmern unterstützen unsere Unterstützung für den besten Kandidaten fürstlich!", schreiben sie selbstbewusst. Ein ikonografisches Signet am Seitenkopf weist zudem darauf hin, dass Peer Steinbrück von nichts weiß und keine Aktien am Mehrpeer-Blog besitzt.

Dienstag, 12. Februar 2013

Mordkorea lässt es krachen

Das schlug wie eine Bombe ein, nur wenige Stunden nach dem Rücktritt des Papstes, der wie ein Blitz eingeschlagen hatte. Eben noch fröhlich auf Rollschuhen unterwegs, hat der mordkoreanische Diktator Kim die Fitness-Handschuhe auch schon wieder ausgezogen. Mit einem unterirdischen Atomtest habe der derzeit beliebteste Schurke auf der Welttheaterbühne eine "unterirdische Provokation" begangen, analysiert die FAZ. Für Insider überraschend kam der Test, mit dem Mordkorea der "Feindseligkeit der USA etwas entgegensetzen" wollte, nicht: Vorab hatte das Staatsfernsehen bereits in einem Internetvideo (oben) einen simulierten Angriff auf die Vereinigten Staaten vorgeführt.

Medienmob im Weihrauch-Rausch

Eine verheerende Bilanz haben die deutschen Medien wenige Stunden nach dem auch für notorische Kenner des deutschen Katholizismus überraschenden Rücktritt des bisherigen Stellvertreter Gottes auf Erden gezogen. Papst Benedikt, auf dem Höhepunkt seines Pontifikats noch von einer Art Ratzinger-Jugend mit „Benedetto“-Rufen gefeiert und von einem Medienmob im Weihrauch-Rausch als „unser Papst“ gefeiert, scheide als Gescheiterter. Dieser Papst "verprellte die Juden, erzürnte die Muslime", fasst die Basler Zeitung zusammen, was in Deutschland dann doch nur gedacht wird.

Oder angedeutet: „Stillstand unter Benedikt XVI.“ sieht die „Frankfurter Rundschau“ am Rosenmontagsmorgen, obwohl es doch Benedetto war, der in einem quasi revolutionären Handstreich die Vorhölle abschaffte und Rechtgläubigen ohne Absolution damit den direkten Weg ins Fegefeuer öffnete.

Fünf Jahre danach wird auch das geringgeschätzt. Nur einen „einfachen, kleinen Arbeiter im Weinberg des Herrn“ entdeckt die „Handelsblatt“ stilecht und „acht verlorene Jahre“ will der Nachrichtensender n-tv mit dem „Intellektuellen“ (n-tv) erlebt haben, obwohl Ratzingers Deutschlandbesuche dem Kleinsender stets tolle Quoten bescherten.

Aber doch, immerhin, obwohl es „zum ersten Mal seit 1294“ geschieht - das „Handelsblatt“ macht dem Papst Mut: Ein Papst-Rücktritt sei „rechtlich möglich“, wenn der Amtsinhaber nicht mehr wolle, dann müsse er auch nicht können. Eine einseitige Kündigung eines noch laufenden Arbeitsvertrages ist aus gesundheitlichen Gründen auch ohne Gottes Zustimmung möglich, zumal wenn der Kündigende absehen kann, dass ihm ein vergleichbar gelobtes öffentliches Siechtum wie seinem Vorgänger vermutlich nicht gelingen wird.

Dabei hatte Gott selbst zuletzt Twitter und Facebook erfinden lassen, nach Ansicht von Glaubenexperten ausschließlich, um mit Tweets vom Totenbett noch näher an das wahre Leiden heranzurücken. Die Botschaft war beim Papst angekommen, Benedikt, der frühere Hitlerjunge und bis heute „der größte Sohn Bayerns“, schaltete einen Twitteraccount frei, über den er warme Worte über seiner treuen Fangemeinde ausgoß.

Warum Gott seinem treuen Diener vor Ablauf der Dienstzeit die Kräfte entzogen hat, „in angemessener Weise den Petrusdienst auszuüben“, wie es Joseph Ratzinger selbst formuliert, bleibt vorerst unklar. Ist das vom noch amtierenden Stellvertreter des Allerschaffenden eingestandene „Unvermögen, den mir anvertrauten Dienst weiter gut auszuführen“ eine Strafe für die harte Linie bei der Empfängnisverhütung, wie Frauenrechtler und Frauenrechtlerinnen glauben? Oder handelt es sich nicht vielmehr um eine Strafmaßnahme wegen der von Benedikt nicht sanktionierten Freigabe der „Pille danach“ durch den deutschen Kardinal Meißner? Gönnt Gott seinem Diener einen ruhigen Lebensabend? Oder sehnt er sich nach lähmenden Jahren mit den üblichen Vatikanbank-Skandalen und Kammerdiener-Enthüllungen nach frischem Wind? War es der Papst nach zwei Günter-Jauch-Talkshows mit katholischen Restinhalten einfach leid, weiter in Abwesenheit verprügelt zu werden?

Alles Beten hat nichts geholfen, wie Beten noch nie geholfen hat. Gott verwirklicht so auf seine Weise den Anspruch auf Gerechtigkeit, wie ihn die SPD erst nach der Wahl realisieren will: Keiner wird bevorzugt, allen wird genommen, und wenn es nur die Hoffnung auf ein "Ende der Ausbeutung der Erde durch den Missbrauch der Energien und durch deren schonungslose Ausbeutung für unsere Interessen“ (Benedikt).

Ab dem 28. Februar 2013, um 20.00 Uhr, sei der Stuhl des heiligen Petrus vakant, hat Benedikt dem allerengsten Kreis der Seinen diktiert, während in den katholischen und salafistischen Hochburgen die Rosenmontagsumzüge auf den Start warteten. Über Twitter kam nichts. Tröstlich für die christliche Umma: Es wird auch dieses Mal einen neuen Papst geben. Der frühere Piusbruder Richard Williamson hat ebenso Interesse an dem Posten angemeldet wie Oskar Lafontaine, der sein Bewerbungsvideo zuvor bei Jauch präsentiert hatte.


Montag, 11. Februar 2013

Fremde Federn: Matt in drei Lügen

Es gibt sie noch, die Sternstunden des Journalismus, die seltenen Momente, in denen Medien sich nicht als Chronisten des Offensichtlichen missverstehen, sondern tiefer blicken lassen, aufklären, bilden und amüsieren. Christoph Schwennicke ist beim "Cicero" ein solcher Geniestreich gelungen, und das nur unter Zuhilfenahme intimer Kenntnis des politischen Lebens in Berlin und der Akteure im Raumschiff, das da "große Politik" heißt. Schwennicke führt seine Leser durch den Abend des 22. September 2013, die Bundestagswahl ist überstanden, die Wahllokale sind geschlossen und hinter den Kulissen hat der Machtkampf begonnen. So wird es in sieben Monaten gewesen sein:


Der dunkle Audi A8 rauscht von Hamburg kommend mit Tempo 230 am Dreieck Wittstock-Dosse vorbei. „Peer, für dich. Der Donnermeyer.“ Hans-Roland Fäßler, Freund, Coach, One-Dollar-Man, reicht Steinbrück auf dem Rücksitz des Wagens das Handy rüber. 16 Uhr 37, eineinhalb Stunden, bis die Wahllokale schließen und 72 Kilometer bis zum Willy-Brandt-Haus in Berlin, wie das Navi anzeigt.

„Ja, Michael?“

Steinbrücks massiges Gesicht bekommt einen starren Zug, darin dieses Steinbrück’sche Wolfsgrinsen, das immer etwas von Lachen und Fletschen zugleich hat. Fäßler hört bruchstückhaft die Zahlen, die Donnermeyer vermeldet. „Danke, Michael, wir sehen uns gleich im WBH. Und ruf meine Frau bitte noch an, damit sich wenigstens eine freut.“ Steinbrück tapst linkisch auf Fäßlers Handy herum, bis der es ihm wegnimmt.

„Und?“, fragt Fäßler.

Steinbrück richtet sich in den Ledersitzen auf, er weiß nicht genau, was mehr dröhnt in seinem Schädel: Donnermeyers Zahlen oder der Weißwein vom andern Abend nach der letzten Kundgebung in Hamburg. Er reckt das Kinn und sagt in geschliffenem Englisch und mit verstellter Stimme: „Let us therefore brace ourselves to our duties, and so bear ourselves that, if the British Empire and its Commonwealth last for a thousand years, men will still say: ‚This was their finest hour‘.“

Es ist die Schlüsselpassage einer der drei wichtigsten Kriegsreden Winston Churchills. Steinbrück hat was übrig für den englischen Bollerkopf. Fäßler hat ihm im Frühjahr die BBC-Mitschnitte auf CD geschenkt, er hört sie im Auto, bis er sie mit aufsagen kann. We shall never surrender. Churchill hat ihm geholfen in diesen Monaten. Nicht aufgeben, weitermachen, das Gefühl von Aussichtslosigkeit abschütteln.

Michael Donnermeyer, Haudegen aus Schröders Zeiten und Steinbrücks reaktiver Legionär für den Wahlkampf, hatte dem Kandidaten eben die Trends zugerufen. 29 Prozent sagen die Befragungen an den Wahlkabinen für die SPD voraus, 12 für die Grünen. Das reicht nicht für Rot-Grün. Hinten nicht und vorne auch nicht.

Der Audi passiert den Berliner Betonbären, da, wo die Autobahn kurvig wird und man besser die Tempo-60-Schilder berücksichtigt. „Haben Sie Ihre meditative Phase?“, herrscht Steinbrück den Fahrer an. Der beschleunigt, ein roter Blitz von der Straßenseite, und Steinbrücks Fahrt ins Willy-Brandt-Haus ist hiermit auch polizeilich festgehalten. Es klingelt wieder ein Handy. „Hallo Gerhard“, sagt Steinbrück, und Fäßler versucht mitzuhören. Schröders Stimme ist so sonor, dass das sogar geht. Der Name Kipping fällt, Steinbrücks Miene verfinstert sich. „Dass gerade du mir das rätst“, sagt er. „Bis gleich im WBH.“

Oben im fünften Stock haben sich die üblichen Verdächtigen eingefunden. Auch Andrea Nahles, die Generalsekretärin, die Steinbrück im Laufe des Wahlkampfs schätzen gelernt hat, auch weil er vorher die charakterlichen Abgründe des Mannes kennengelernt hatte, in dessen Büro sich jetzt alle um den Konferenztisch versammeln. Drei Flaschen Weißwein stehen bereit, Steinbrück packt eine am Hals, als wollte er sie würgen wie eine Ente, und greift nach dem Korkenzieher. „Hoffentlich keiner unter 5 Euro“, versucht er es mit einem Witz auf eigene Kosten.

Schröder kommt rein. Steinbrück beobachtet ihn interessiert, als sähe er ihn zum ersten Mal im Leben: Mein Gott, der ist ja fast so klein wie die Willy-Statuette vor Gabriels Zimmer. Er sagt: „Good to see you, Gerd.“ Er spricht es aus wie: Görd.

Sigmar Gabriel betritt den Raum. Auch ihn betrachtet der Kandidat verwundert. Mein Gott, der Gabriel ist ja fast so breit wie der Calmund. Er sagt: „Hallo Sigmar!“

Das Vorzimmer stellt Matthias Machnig aufs Telefon, und Gabriel drückt die Lautsprechertaste. Machnig hängt in Thüringen fest, in Gotha, ausgerechnet Gotha, die Bahn, Störungen im Betriebsablauf. Er ist blockiert, aber er klingt wie meistens etwas verschwitzt. Die FDP, sagt Machnig: Bei 5 Prozent sehen die vorläufigen Prognosen die Liberalen.

Ampel? Kanzler einer Ampel? Grüne und Liberale zusammenhalten, Öko-Etatisten und Marktanbeter, Feuer und Wasser versöhnen? Steinbrück braucht dringend einen Schluck Feuerwasser.

Unten im Atrium, bei der großen Willy-Statue versammeln sich die Journalistengrüppchen vor den Fernsehern. Es geht auf 18 Uhr zu. „Mach ma’n Fernseher an“, sagt Schröder zu Nahles. Bettina Schausten ist zu sehen, das Mikro vor dem Mund, ein wichtiges Gesicht machend, redet die ZDF-Frau die letzten Sekunden weg, bevor die farbigen Türme das erste Mal an diesem Abend aufsteigen. Der rote Turm stagniert bei 28,5 Prozent. Der schwarze ragt weit über ihn hinaus. Der grüne Turm wächst und wächst und bleibt bei 12,1 Prozent. „Das reicht nicht“, sagt Gabriel und spricht aus, was alle denken. Schröder versucht es mit Optimismus. „Abwarten. Hinten sind die Enten fett.“ Den Spruch hat er mal als niedersächsische Bauernweisheit aufgeschnappt. Er passt fast immer.

Aber er stimmt nicht immer. Das weiß Schröder selbst. Just in diesem Raum schrumpfte seine Hoffnung 2005, auch wenn ihm Manfred Güllner noch auf dem Weg in die Elefantenrunde zugerufen hatte, es könne noch reichen, was ihn so aufgepeitscht hatte in der Sendung.

Jürgen Trittin ist in der Leitung. Rot-Rot-Grün, darauf will der Grüne hinaus. Steinbrück hat das Bündnis mit sich als Kanzler genauso oft ausgeschlossen wie eine Vizekanzlerschaft unter Merkel.

Gerhard Schröders Zigarre hat inzwischen den ganzen Raum in Nebel gehüllt. „Der Jürgen hat recht“, sagt er hinter seinen Schwaden.

Die Dame aus dem Vorzimmer kommt rein. Zwei Anrufer auf zwei Leitungen, wen sie durchstellen solle: Lafontaine oder Merkel?

Alle schauen auf Steinbrück, alles ist starr, als hätte ein beinkalter Wind die Szene in Eis gefroren.

„Die Merkel“, sagt Steinbrück.

Mehr ähnliche Texte gibt es im Cicero-Ausblick auf 2013

NSU: Liebes Terrortagebuch

Es lag verborgen unter dem Brandschutt im Hauptquartier der Terrortruppe NSU, halb verbrannt, aber gut erhalten. Das Tagebuch eines jungen Mädchens, einer jungen Frau, 1933 Seiten voller Träume, voller Angst, voller Einsamkeit, aber auch voller Gewaltpläne, voller sexueller Fantasien und freimütigen Geständisse zu Affären, Anschlägen und der alltäglichen Hausarbeiten.

Beate Zschäpe, die letzte Überlebende der inzwischen von einem Münchner Gericht aufgelösen NSU, hat über viele Jahre im Untergrund Tagebuch geführt, meist offenbar dann, wenn ihre beiden Terrorkollegen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos unterwegs waren, um "Döner-Morde" (Der Spiegel) zu begehen. Ermittler fanden die in blaues Plastik gebundenen Aufzeichnungen nach dem Abriß des Hauses in der Zwickauer Frühlingsstraße, sorgfältig unter einem Berg benutzter Zellstofftaschentücher versteckt. Beate Zschäpe, bisher als "Terrorbraut" bekannt, präsentiert sich hier als terrormüde, einem gelegentlichen sexuellen Abenteuer nicht abgeneigte Katzenliebhaberin. Ihre Ansichten geben einen tiefen Einblick in das Innenleben des Rechtsterror, sie zeigen erschütternde Details und erinnern daran, dass der Schoß fruchtbar noch ist. PPQ dokumentiert Auszüge aus dem Terrortagebuch, das der Redaktion vorliegt.


4.4. Jetzt habe ich soviel Abstand, dass ich zumindest wieder schreiben kann und will mal versuchen, zu notieren, was mir in den letzten Wochen passiert ist. Da war zuerst diese Unruhe im Haus. Uwe und Uwe waren nicht mehr zufrieden damit, wie wir lebten, was wir taten, wohin unser Weg führte. Ich sagte, Jungs, lasst uns Urlaub machen wie früher. Aber statt Begeisterung erntete ich Skepsis.

6.8. Natürlich, niemand suchte mehr nach uns, selbst der Haftbefehl gegen meinen großen Uwe ist ja längst aufgehoben. Aber die Untätigkeit hier im Untergrund, die machte uns allen zu schaffen. ich hatte ja wenigstens noch die Hausarbeit und meine große Aufgabe, eine bürgerliche Fassade aufrecht zu erhalten. Aber mein beiden Männer? Außer Waffenputzen und der Arbeit an unserem Bekennervideo, das seit fünf Jahren nicht fertig wird, bleibt ihnen doch kaum etwas.

9.9. Wir haben keine Freunde, wir pflegen kaum noch Kontakt zu den alten Kumpels. Unsere Familien haben wir seit Jahren nicht gesehen.

Neulich Abend, als wir uns einen ARD-Film aus dem Werbemilieu anschauten, sagte der kleine Uwe auf einmal: Der nationale Aufstand ist eigentlich so ein einsames Geschäft. Ich wusste sofort, was er meint.

1.1. Ich habe oft das Gefühl, ein Loch in mir zu haben. Während mein Wohlfühlpunkt, mein innerer Kern, irgendwo im Bereich des Solar Plexus liegt, liegt darunter ein Loch, vor allem dann, wenn die beiden Jungs unterwegs sind. Dunkel und schwer, irgendwo im Bereich des Magens. In diesem Loch ist nichts, es ist nur einfach bodenlose Schwärze und Leere. Zwischen dem Loch und dem Kern tobt ein permanenter Kampf. Je größer und stärker der Kern ist, desto besser kann er das Loch niederhalten.

Ich mache dann Übungen, in denen es darum geht, zu spüren, was in dem Loch ist. Habe im Internet ein Buch dazu bestellt. Ich bin erst überhaupt nicht an das Loch rangekommen. Ich habe vielmehr wahnsinnig gegen das Loch gedrückt und gepresst. Dann habe ich im Unterleib und Darm endlich krampfartige Schmerzen gespürt. Und dann fehlt mir ein Stück.

Als ich wach wurde, war ich ganz locker. Ich machte die Wäsche, putzte ein bisschen und habe dann bei chefkoch.de nach neuen Rezepten gesucht. Ich koche gern, wenn die beiden da sind. wenn ich alleine bin, vergesse ich das Essen manchmal ganz.

20.4. Sie fehlen mir sehr. Ich wünschte, sie wären immer bei mir. Auch wenn wir am Telefon reden, ist es nicht dasselbe. Ich höre zwar ihre lieben Stimmen und in diesem Moment geht es mir auch gut, aber ich sehe sie nicht (was auch besser ist - wäre schmerzhafter). Ich kann sie nicht berühren, mit ihnen planen, blödeln, kuscheln... ach, ich wünschte, der Tag wäre da und wir wäre endlich wieder zusammen.

13.6. Heute ist Samstagabend. Ich sitze zu Hause. Die beiden Uwes sind weg. Ich hab mir grade den Flachfilm 'Girls Club' angesehn um mich von dummen Gedanken abzuhalten.. doch sie kommen wieder. Mir gehts nicht nur physisch nicht sonderlich (ziemliche Halsschmerzen, Ohrenschmerzen usw.), sondern psychisch ziemlich beschissen.


2.1. Heute ist ja mein Geburtstag und ich dachte, wir leisten uns mal eine kleine Feier in der Kneipe unten, bei dem netten Griechen. Aber der kleine Uwe hat das vom Tisch gewischt. Als Begründung sagte er 'ich esse nicht gern griechisch.“


Und da stand ich dann. Ich kann natürlich nicht sagen, dass ich von Anfang an wusste, dass es mit uns nicht gut gehen würde, aber mir bleibt nicht mal eine Chance es zu versuchen. Uwe will mich nun mal nicht. Und damit muss ich leben. Und es tut höllisch weh.

Genau wie die Tatsache, dass ich mich furchtbar einsam fühle. Die beiden sind zu oft unterwegs, ich sitze hier mit den Katzen. Die nationale Bewegung kennt keine Gleichberechtigung. Klar sind da Leute die mich ganz gern haben, gute Bekannte halt, die ich teilweise sogar schon fast als Freunde bezeichnen würde, aber auch die sind nicht immer für mich, da wenn ich sie brauche. Vor allem wissen die meisten nicht, wer ich wirklich bin. Und ich darf es nicht sagen!

27.5. Sie kennen nur die eine Seite von mir - das 'normale' Mädchen, dass immer für einen Spaß und Party zu haben ist. Meine andere Seite, die des depressiven, selbstzerstörerischen, einsamen Mädchens, das mit zwei Terroristen zusammenlebt, weil es selbst eine Terroristin ist, kennt niemand. Weil ich niemanden kenne, dem ich die komplette Wahrheit über mich anvertrauen könnte, ohne ihm dabei nie wieder in die Augen sehen zu können.

13.8. Bin ich stolz auf unsere Sache? Heute nicht. Sie fesselt mich an meine Entscheidung, unterzutauchen. Meine Bekannten sind heute alle weg, der eine Kreis bei einem Mädel, mit dem ich nix zu tun haben will, weil sie mich von früher kennt, und der andere Kreis mit Uwe bei einem, den ich zwar kenne, aber niemand hat mich gefragt, ob ich Lust hätte mitzukommen.. und selbst wenn, ich komme mir oft genug total überflüssig vor.

Dazu hatte ich heut noch Stress mit einem guten Freund vom anderen Uwe. Ich hab ihn im ICQ angeschrieben und er meinte, ich solle bitte aufhören ihm zu schreiben weil wir keine Freunde sein könnten. Er weiß was und hat Angst, denke ich.

Na gut, ich hätts mir denken können. Wobei ich noch immer ein schlechtes Gewissen habe.. ich tue soviel aus Berechnung. Von daher habe ich soviel Schlechtes, das mir widerfährt, wohl auch verdient. Die Waschmaschine kaputt, der Schlüssel zur Waffenkammer abgebrochen. Ich habe eine von Uwe geschmiert gekriegt. Er ist manchmal unausstehlich.

28.10. Wenn ich ehrlich zu mir bin, hab ich mich anfangs nur mit ihm angefreundet, um besser an den anderen Uwe ranzukommen und um mehr Leute zu haben, mehr Spaß. Spaß war damals, wo die nationale Bewegung war. Daraus ist dann aber mehr geworden.
Doch etwas Berechnung muss ich mir noch eingestehen. Ich kanns nicht ändern und ich schäme mich dafür.

Dabei könnte ich ja eigentlich mit dem Scheiß aufhören. Aber ich kann nicht. Ich hab wirklich eine zu große Begabung, Leute zu verletzen und mich selbst verletzen zu lassen. Ich bin eindeutig ein schlechter Mensch. Aber wer sagt uns eigentlich, was richtig ist und was falsch? ich habe nie Jura studiert, ich selbst scheine es nicht zu können, denn ich scheine das Falsche magisch anzuziehen.

11.11. Ich grüble oft, wieso manche Menschen eigentlich nur Glück habe? Ich kenne ja so eine seit 12 Jahren und sie hat noch nie etwas Unschönes erleben müssen wie ich. Flucht, Vertreibung, falscher Name. Ich stecke mir eine Zigarette an, mir wird davon schwindlig werden. Ich mache eine Tüte Chips auf und fresse, bis mir übel wird. Vielleicht nehme ich nachher die Klinge nehme und schneide mich. Gestern hab ich mich ausversehen zweimal in den Finger geschnitten, hat geblutet wie Sau.

Vor etwa 2 Stunden war ich wieder am Heulen. Ich will raus hier, aber es geht nicht.. vor mir liegt nur eine unglaubliche Leere die sich auch weiterhin halten wird. ich bin am dahinsiechen, ich weiß nicht, wer ich bin und wer ich war. Ein Fremder vor mir selbst und neu für mich und alt, wenn ich im Spiegel sehe.

Ich glaubte, dass ich überall zu Hause sei und war schon heimatlos, bevor ich schon ganz dort war. Uwe sagt, ich bin durchaus sehr zart, ich fürchte mich trotzdem eigentlich vor nichts und dabei fürchte ich oft alles. Ich will nicht einsam sein und sehne mich nach Einsamkeit, sobald ich nicht alleine bin.


6.12. Ich will ja lernen, lernen und ich hasse meinen Schlaf, weil er die Zeit stiehlt. Bin ich wach, bin ich voll Traurigkeit. Ich will leben und ich will sterben und ich tue beides oft. Ich war so gierig auf ein Glück und sieh! Ich hasse das Gefühl des Glücks. Ich liebe meine Sonne und ich hasse sie, weil ich begreife, dass ich ihr nicht entkommen kann. Ich liebe Huren, Diebe und vielleicht auch Mörder, weil ich ihr Schicksal liebe, wenn sie eines haben. Und auch die Verrückten, wie sie die Menschen nennen; sie sind wie Blinde, die schon lange sehen. Auch ... alle Huren stehen über uns, weil sie soviel zu leiden haben.

Ich suche mich, wie mich alle suchen, und wenn ich mich gefunden habe, dann bin ich mein größter Feind. Mir brennt die eigne Haut wie Feuer und mein Blut ist wie ein unberechenbares Tier. Ich flieh vor mir und meinem Leben und ich hasse mich, der mich vernichten will. Es ist schwer, Tag für Tag halb herum zu laufen. Sind die beiden unterwegs, fehlt die Hälfte von mir. Ohne sie bin ich nicht ganz.

4.2. Schmerzhaft ist es jeden Tag aufs neue, nach dem Einkaufen in die leere Wohnung zu kommen. Sie sind nicht da und wenn sie da sind, sind sie in Gedanken wo ganz anders. Sie sie wo ganz anders, kann ich sie nicht mal kurz anrufen, zB was macht ihr gerade... gar nichts... wir reden immer erst am Abend miteinander, wenn sie zurück sind, und sie erzählen mir manchmal nicht alles.

Muss mir gerade mal wieder das Weinen verkneifen, denn damit mache ich es auch nicht besser.


Ein Land schreibt einen Thriller:
Das weltoffene Deutschland im Visier
Heiße Spur nach Hollywood
NSU: Die Mutter von Hirn und Werkzeug
Musterstück der Selbstentlarvung
Rettung durch Rechtsrotz
NSU: Schreddern mit rechts
NSU: Softwarepanne halb so wild
NSU: Neues Opfer beim Verfassungsschutz
NSU: Im Namen der Nabe
NSU: Handy-Spur ins Rätselcamp
NSU: Brauner Pate auf freiem Fuß
NSU: Rufmord an den Opfern
NSU: Heiße Spur ins Juwelendiebmilieu
NSU: Eine Muh, eine Mäh, eine Zschäperättätä
NSU: Von der Zelle in die Zelle
NSU: Die Spur der Schweine
NSU: Gewaltbrücke zu den Sternsingern
NSU: Gebührenwahnsinn beim Meldeamt
NSU: Nun auch auf dem linken Auge blind
NSU: Die Welt ist klein
NSU: Verdacht auf Verjährung
NSU: Weniger hats schwer
NSU: Terrorwochen abgebrochen
NSU: Rechts, wo kein Herz schlägt
NSU: Was steckt dahitler?
NSU: Neue Spuren ins Nichts
NSU: Tanz den Trinitrotoluol
NSU: Der Fall Braun
NSU: Honeckers rechte Rache
NSU: Die Mundart-Mörder
NSU-Todeslisten: Sie hatten noch viel vor
NSU: Was wusste Google?
NSU: Kommando späte Reue
NSU: Die tödliche Bilanz des braunen Terrors
NSU: Mit Hasskappen gegen den Heimsieg
NSU: Mordspur nach Möhlau

Sonntag, 10. Februar 2013

Ḥarām-Hühner für Allah

Korrekt wäre gewesen, wenn der Name Allahs vor der Schlachtung ausgerufen worden wäre und ein vereidigter Mullah dies dokumentiert hätte. Dann hätte McDonalds zurecht behaupten können, bei den Hühnchensandwichs, die die Fast Food-Kette Rechtgläubigen in Detroit anbot, handele es sich um glaubenstechnisch im Sinne des Koran zulässige Snacks, die hungrige Muslime sich durchaus schmecken lassen können.

Allerdings konnte Ahmed Ahmed im September 2011 gleich schmecken, dass mit seinem Sandwich etwas nicht in Ordnung war. Das Hühnchen schmeckte gotteslästerlich und genau so, wie Hühnchen schmeckt, wenn der Name Gottes vor dem Schnitt des Schlachtermessers nicht zur Sprache kommt. Eine schlimme Vermutung, die dem mißtrauisch gewordenen Feinschmecker „aus dem Umfeld von McDonalds bestätigt“ wurde wie sein Anwalt Kassem Dakhlallah der Washington Post verriet. Sofort wandte sich Ahmed – wegen der dauerhaften Beeinträchtigung seiner Gefühle im weiteren Originaltext nur „der Geschädigte“ genannt – an die Firmenzentrale von McDonals und den Franchisenehmer der Imbissstube, in der er das sündige Hühnchensandwich erworben hatte. Er bekam allerdings keine Antwort.

Logische Folge war die Klage, die McDonalds nun mit einer Zahlung von 700.000 Dollar an den Kläger, dessen Anwälte, eine Klinik und das Arabisch-Amerikanische Nationalmuseum in Dearborn beilegen will. Zwar bestreitet der Konzern nach wie vor, Ḥarām-Fleisch als Halal serviert zu haben. Doch auf einen Prozess will es der Lebensmittelmulti nicht ankommen lassen, um den Rest der Umma nicht zu verschrecken. Da Ahmed nur einer der Käufer war, andere Geschädigte aber nicht genau ermittelt werden können, geht der Hauptteil der Entschädigung nun an Einrichtungen der muslimischen Gemeinschaft in Michigan, die den Profit aus dem sündigen Hühnersandwich nun gemeinsam verfrühstücken können. Eine schöne Pointe, oder wie es in der gottlosen DDR hieß: "Aus jeder Mark, jeder Stunde Arbeitszeit, jedem Gramm Material einen höheren Nutzeffekt".